Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Birkatpet
Wohnort: 
Wesseling

Bewertungen

Insgesamt 90 Bewertungen
Bewertung vom 27.10.2019
Königskinder
Capus, Alex

Königskinder


ausgezeichnet

"Wobei es gar nicht so wichtig ist, ob eine Geschichte wahr ist oder nicht. Wichtig ist nur, dass sie stimmt."
Großartig! Wie konnte Alex Campus solange an mir vorbeigehen?
Mein erster Capus also und ganz bestimmt nicht der letzte.
Max und Tina ein Ehepaar, wie im echten Leben.
Sie müssen die Nacht eingeschneit im roten Toyota Corolla verbringen, weil sie meinten, trotz Schnee und Absperrung den Jaunpass hochzufahren und der Leser erlebt, wie sich urkomische Dialoge, vor allem darüber, wann der richtige Zeitpunkt ist, die Scheibenwischer einzuschalten, ob 3 Flocken Schnee schon Grund genug sind, entwickeln.
Festgefahren sitzen sie nun bei 12 Grad Innentemperatur im Kleinwagen, während dieser immer weiter zuschneit.
Max schlägt vor, Tina eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen, die fast genau dort beginnt, wo sie gerade im Wagen sitzen.
In der kleinen Hütte des jungen Kuhhirten Jakob im 18. Jahrhundert, zu Zeiten Ludwig XVI und der französischen Revolution.
Die Geschichte von Jakob, dem Kuhhirten und Marie, der reichen Bauerntochter....
Ganz toll, die Sprache, die Dialoge (Szenen einer Ehe, ich habe Tränen gelacht, denn so hätte es sich wohl auch bei uns abgespielt), und Geschichtsunterricht spannend verpackt und historisch richtig, auch die Liebesgeschichte von Jokob und Marie ist festgehalten in einem alten Volkslied "Pauvre Jaques", Verfasser Marie Antoinette oder sogar Prinzessin Elisabeth, Schwester von Ludwig XVI, welche eine große Rolle in Max' Geschichte hat.
Kurz: Großartig!!!! Unglaublich gute Unterhaltung.
Lesen!!!!

Bewertung vom 26.10.2019
Das Erbe
SUL, R. R.

Das Erbe


ausgezeichnet

"Show me
How you think
You know me
And I show you
How I owe you
My truth"
Dieses Buch hat mich gefesselt, es hat mich in seinen Bann gezogen, in seinen Sog, immer tiefer und tiefer.
Es geht um Schuld, Lüge, Wahrheit, Liebe, Hass, Täuschung, Verlust, Angst, Nähe, Distanz, Familie, Verbindungen, Vergangenheit, Gegenwart, Gewalt, Zerstörung, Familie und ganz viel mehr.
Anfangs glaubte ich, so wird es zunächst auch suggeriert, jedoch umgehend im Keim erstickt, dass es sich um die Geschichte eines Jungen handelt, dessen Mutter am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet und das hätte mich nicht gereizt.
Vielmehr geht es um die These, ob sich Dinge tatsächlich wiederholen, ob es Schicksal und wirklich eine Art Fluch gibt, der Ereignisse in Wiederholung auftreten lässt oder ob es nicht doch wir selber sind, die Ängste füttern und unbewusst in Fußstapfen treten, statt auszubrechen, bewusst.
Es geht auch um Wahrheit und das wird oben im Zitat klar, Wahrheit ist immer subjektiv, es gibt zwar Fakten, aber alles andere ist subjektive Wahrnehmung, Wahrheiten, die oft Lügen sind, und doch als Wahrheit geglaubt werden. Einfach, weil wir in unserem Kopf Fremdenzimmer für die Meinungen und Wahrheiten anderer unterhalten. (So formulierte es Joseph Joupert)
Es beschäftigt mich nachhaltig und wird noch lange nachwirken, war in wenigen Tagen Grundlage für viele Unterhaltungen in meinem Umfeld und hat einiges angestoßen, in mir und um mich herum.

Bewertung vom 04.10.2019
Agathe
Bomann, Anne Cathrine

Agathe


ausgezeichnet

"ein Leben ohne Liebe ist nicht viel wert"

Dieses Buch ist eine Wärmflasche fürs Herz.
Ich habe es gestern am späten Abend begonnen, wollte nur mal reinschauen und daraus wurde dann lesen bis ich die letzte Seite erreichte. Ich konnte es nicht mehr beiseite legen.

Berührend und innen noch wunderschöner als aussen.
Dieses Büchlein hat mein Herz im Sturm erobert. Ich war traurig, ich habe gelacht und vor allem habe ich die Zeit genossen und vergessen.

Bewertung vom 30.09.2019
Verwandlungen
Comensal, Jorge

Verwandlungen


sehr gut

Verrwandlungen von Jorge Comensal hat mir tolle Lesestunden geschenkt.
Durch den Klappentext glaubte ich, dass ich mit Ramon, seiner Erkrankung und seinem Papagei die nächste Zeit verbringen werden, dem war auch so, aber nicht nur.
So viel Platz, wie Ramon einnimmt nehmen auch Teresa und Aldana ein.
Drei Handlungsstränge, miteinander verbunden und doch getrennt.

Ramon, verheiratet, 2 Kinder und erfolgreicher Anwalt, sein Beruf und gesellschaftliches Ansehen sind ihm von hoher Bedeutung und im Grunde hat er alles, was er sich wünscht. Sein Leben ändert sich schlagartig, denn er wird schwer krank und dies hat den Verlust seiner Zunge und damit der Sprache zur Folge. Nur noch mit Stift und Zettel kann er sich mitteilen und immer häufiger nimmt sich keiner die Zeit ihm so "zuzuhören", er verzweifelt, fühlt sich einsam und ausgegrenzt.
Seine Haushälterin Elodia, eine Seele von Mensch erträgt es nicht weiter ihn so zu sehen und schenkt ihm einen Papagei, der fortan sein Gesprächspartner ist, stumm monologisiert er mit Benito und dieser spricht Ramon aus der Seele, wenn er seine Schimpfworte krächzt.
Terese de la Vegas ist Psychoanalyterin, erkrankte 10 Jahre zuvor an Brustkrebs und hat sich seitdem auf die Therapie von Krebskranke spezialisiert.
Joaquin Aldana ist Onkologe, melancholisch und mit kaltem Herz, allein ein besonderer Tumor weckt ihn und auch seinen Jagdtrieb...nach Ruhm und Anerkennung.

Dieser Roman zeichnet ein interessantes Bild der Gesellschaft, in der alles ausser Fortschritt, Erfolg, Gesundheit, Schönheit und Reichtum keinen Platz hat und rechnet damit ab.

Traurig und witzig, berührend, ruhig, lebendig, sanft, gewaltig, Liebe und Hass, Leben und Tod, Glück und Unglück, Abschied und Neuanfang...vieles wandelt sich auf diesen 206 Seiten. In wunderschöner Sprache und mit starken Charakteren.

Bewertung vom 29.09.2019
Es ist Sarah
Delabroy-Allard, Pauline

Es ist Sarah


ausgezeichnet

"Eine Frau lieben: ein Sturm." Sarah ist wie ein Sturm, dieses Buch ist ein Sturm, gewaltig und machtvoll, von den Füßen reißend, herzbrechend. Der Kapitän des Sturms ist Sarah, wie die namenlose Erzählerin werde ich auch zur Seefrau, erliege Sarah.

Es ist Sarah..."Sie ist Violinistin. Sie raucht Zigaretten. Sie ist zu stark geschminkt, aus der Nähe ist es noch schlimmer. Sie spricht laut, lacht viel, ist auf ihre Art lustig...Sie ist lebhaft, exaltiert, leidenschaftlich...Sarah die Unbändige, Sarah die Leidenschaft..."

"Es geht um Sarah, ihre rätselhafte Schönheit, ihre steile Nase, die einem sanften Raubvogel zu gehören scheint, ihre Kieselaugen, grün, nein, nicht grün, die außergewöhnliche Farben ihrer Augen, ihre Schlangenaugen mit den hängenden Lidern."
Sarah stellt das Leben auf den Kopf, ist nicht nur Sturm, sondern auch Karussell, verdreht einem Kopf und lässt die Erzählerin alles vergessen, alles, es gibt nur noch eins, es gibt nur noch Sarah "unberechenbar, wankelmütig, verwirrend, unbeständig, furchterregend wie ein Nachtfalter."

Es geht um Leidenschaft, Passion, Maßlosigkeit, Übertreibung, grausame Anziehung, Zärtlichkeit, Liebe, Obsession, den Verlust jeglicher Moral, Trauer, Tod, Zerstörung, Kontrollverlust, Nähe und um Schubert's 'Der Tod und das Mädchen'.

Dass Pauline Delabroy-Allard Frankreich gespalten hat ist mir verständlich und dass dieser Roman polarisiert steht ausser Frage.
Für mich ist er bereits ein absolutes Highlight 2019. Diese Gefühlsgewalt, dieser unfassbare Schmerz, diese Sucht, dieser Stil, diese Art, diese Worte,...ich will Sarah wiedersehen, ich werde es wieder lesen, aber erstmal brauche ich Abstand, muss Sarah's Fesseln entkommen.

Bewertung vom 24.09.2019
Die Liebe im Ernstfall
Krien, Daniela

Die Liebe im Ernstfall


gut

Tja, so schön das Buch auch anzusehen ist, inhaltlich konnte es mich nicht überzeugen.
Die Sprache und der Stil ließen mich das Buch zuende lesen, denn die Erzählweise hat mir sehr gefallen.

5 Frauen, 5 Leben, 5 Lebensentwürfe und 5 biografische Episoden von ca 5-15 Jahren aus den jeweiligen Leben.
5 Schicksale, teils traurig, deprimiert, fremdbestimmt durch emotionale Abhängigkeit, nutzen aufkommenden Wind nicht um ihre Segel zu setzen, sondern lassen sich wild schaukeln ohne das Ziel im Blick.

Was ist zu tun, wenn man scheitert? Wenn das Schicksal, als Summe der eigenen Entscheidungen zuschlägt? Liegenbleiben? Aufstehen? Dinge und Blickwinkel ändern, neue Wege gehen oder weitermachen wie bisher, Muster fortführen?

Bewertung vom 24.09.2019
Ich bin Circe
Miller, Madeline

Ich bin Circe


ausgezeichnet

Die Zeit verging, wie im Flug. Großartig!
Das beste Buch in letzter Zeit.

Sie will mehr, hat ihren eigenen Willen, strebt, kämpft und sucht nach ihrem wahren Kern und gibt nicht auf, denn der Glaube an sich selber kann Berge versetzen.
Als Halbgöttin, Tochter des Sonnesgottes Helios ohne göttliche Fähigkeiten ist es allerdings ein Kampf gegen die Welt der Götter.

Geschichte und Wissen wieder aufgefrischt, auf ganz lebendige Weise.
Fast als wäre ich dabei gewesen, stille Beobachterin an Circe's Seite.

Bewertung vom 24.09.2019
ATME!
Merchant, Judith

ATME!


ausgezeichnet

Dieser Thriller hat mich in Atem gehalten.
Ich bin keine regelmäßige Thriller-Leserin, eher sporadisch und zufällig stoße ich darauf, wenige Reihen verfolge ich nur.
So auch bei diesem. In der Buchhandlung fiel es mir ins Auge durch das Design, weiß, schwarz umrandet, wie einer Trauerkarte und eine rennende, in schwarz gekleidete junge Frau, einmal auf einen zurennend und einmal wegrennend, der Titel dazu mehr als passend.

Ich habe nun eine zeitlang überlegt, was und wieviel ich schreibe, denn es ist schwieriger als gedacht. Mehr als das, was der Klappentext preisgibt, möchte ich nicht verraten, auch nicht, wie die Personen auf mich gewirkt haben, wen ich mochte und warum, wieso sich das geändert hat, warum ich denke, dass es wirklich gruselig ist, dass manch ein Kopf so unvorstellbar krank ist, man es evtl gar nicht merkt oder zu spät und dadurch in einen Sog gerät, aus dem ein Entkommen vllt unmöglich ist.
Warum? Ich würde zu viel verraten.

Die Geschichte und die Suche nach Ben wird aus Nile's Sicht erzählt, ihre Gedanken, ihre Wahrnehmung. Die Kapitel sind unterschiedlich lang, manche haben nur 2 Seiten und machen vor allem die Zeitsprünge leicht verständlich, denn immer wieder erfährt der Leser etwas aus der Vergangenheit.

Spannend, mitreißend, doppelbödig, undurchsichtig, rasantes Temo, pausenlos und absolut verwirrend.
Die Wendungen sind teils schwindelerregend und gleichen einer Achterbahn. War ich gerade auf einer Spur und mein Geist hatte einen vermeintlich roten Faden löste er sich plötzlich in Luft auf und nach Luft schnappend folgte ich der neuen Spur.
Es ist leicht und locker geschrieben und die Beschreibungen der Personen, Situationen und Orte sind subtil und realistisch.

Einige Fragen werden geklärt, viele bleiben offen und der Fantasie des Lesers überlassen.

Bewertung vom 24.09.2019
Miroloi
Köhler, Karen

Miroloi


sehr gut

Miroloi ist nicht der Name der Protagonistin, denn diese hat keinen Namen, sie ist 16 Jahre alt, ein Waise und darum nicht nur namenlose, sondern auch ohne Rechte, ohne Bildung und zeitweise auch ohne jegliche Perspektive.
"Mein Mädchen", "Schlitzi", "Eselshure" ist Außenseiterin, Schandfleck, und "Hexe" für die Dorfgemeinschaft, in der sie lebt, dort, wo sie als Baby vor dem Bethaus (Gotteshaus) des Dorfes in einem Winter abgestellt wurde.
Eine Dorfgemeinschaft mit mittelalterlichen Zuständen im Heute, patriarchalisch, mit eigenen Gesetzen, einer eigenen Religion und sämtliche Regeln und Rituale legitimiert mit dem Willen der (in diesem Fall 3) Götter, ein Mix vieler Kulturen und Religionen.
Freiheiten und Individualismus, Andersdenken und Hinterfragen der Strukturen sind verboten, werden geahndet.
Und doch gibt sie die Hoffnung auf, auf mehr, ihre kleinen Träume und sucht sich und ihren Weg.
#miroloi ist auch nicht der Name dieses Dorfes oder dieser Insel, auf der sich das Dorf befindet.
Nein, das "Miroloi" ist griechisch und bedeutet "Rede über das Schicksal", in der griechisch - orthodoxen Kirche traditionell ein von Frauen gedichtetes und gesungenes Totenlied für einen Verstorbenen, über dessen Leben.
"Mädchen" singt sich ihr Miroloi, die Kapitel werden als Strophen bezeichnet, jedes Kapitel eine neue Strophe ihres Miroloi. Sie singt dem Leser ihr Leben, denn wer sollte sie besingen, wenn sie irgendwann mal stirbt. Also tut sie es selber zu Lebenszeit und singt ihr Leben für uns.

Bewegend, emotional, tiefgründig und doch naiv, komplex und doch einfach, traurig und doch wunderschön.
Ein Appell sich immer neue Blickwinkel zu erlauben und zu suchen, wachsam alles zu hinterfragen, Strukturen zu überdenken, die Hoffnung niemals aufzugeben, an etwas zu glauben, vor allem an sich selber.