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KB
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Freischaffender Autor

Bewertungen

Insgesamt 51 Bewertungen
Bewertung vom 20.06.2021
Ein Bild der Niedertracht / Karen Pirie Bd.6
Mcdermid, Val

Ein Bild der Niedertracht / Karen Pirie Bd.6


gut

Die Autorin Val McDermid war mir bisher nicht bekannt. Aufgrund der Buchbeschreibung habe ich eine spannende Geschichte aus dem Kunstmilieu erwartet. Bis Kapitel 30 wurde ich aber erst einmal enttäuscht. Die Geschichte zog sich unsäglich in die Länge.
Dabei ist die Thematik des Romans durchaus interessant. Zwei parallele Fälle. Eine Leiche wird von Fischern an Bord gehievt. Wie sich später herausstellt, der Bruder eines seit zehn Jahren verschwundenen Politikers.
Zeitgleich wird eine skelettierte Leiche in einem Wohnmobil gefunden. Einmal ist der Tod der Wasserleiche aufzuklären, zum anderen gilt es, die Identität des Skeletts zu ermitteln.
Leider stehen die beiden Fälle entgegen meinen Erwartungen in keinerlei Beziehung zueinander, obwohl sie in der Kunstszene angesiedelt sind.
DCI Karen Pirie wird mit den Ermittlungen beauftragt, ihr zur Seite gesellt sich DC Daisy Mortimer. Die Protagonistinnen sind als Charaktere gut gewählt und machen die Geschichte phasenweise unterhaltsam.
Ich fand es schwierig, die Nebenfiguren zuzuordnen. Darüber hinaus sind mir viele Begriffe aus dem englischen Sprachgebrauch, insbesondere die Dienstbezeichnungen der englischen Polizei, nicht geläufig. Ich hätte mir eine erklärende Übersetzung aus dem Englischen gewünscht.
Indes hat die Autorin viel Mühe verwandt, die Essgewohnheiten der Protagonistinnen bis ins kleinste Detail zu schildern.
Lesenswert wird der Roman, wenn die Geschichte ins Private abschweift. Als Kriminalroman ohne besonderen Tiefgang ist das Buch von McDermid allemal geeignet. Der Schreibstil ist flüssig und zum Ende wird es auch spannend.
Zwei Sternchen sind den Längen zum Opfer gefallen.

Bewertung vom 05.06.2021
Die Akte Adenauer / Philipp Gerber Bd.1
Langroth, Ralf

Die Akte Adenauer / Philipp Gerber Bd.1


sehr gut

Die Geschichte spielt im Jahr 1953, in einer Zeit, die nur wenigen Lesern und Leserinnen präsent ist. Der Regierungssitz ist Bonn. Die Wahl zum 2. Deutschen Bundestag steht kurz bevor. Deutschland befindet sich im Wiederaufbau. In dieser Zeit wächst die junge Demokratie, die immer noch von rechtsradikalen Überresten des Dritten Reiches bedroht wird. Konrad Adenauer ist der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Sein Name ist untrennbar mit dem Wiederaufbau der demokratischen und wirtschaftlichen Strukturen nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden.
Die Besatzungsmächte diktieren weitestgehend die Politik und insbesondere die Politiker.

Philipp Gerber, der Protagonist dieses Romans ist ein Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Im Krieg hat er an der Seite Amerikas gegen die Deutschen gekämpft. Jetzt ist er für das CIC, der amerikanischen Spionageabwehr in Deutschland tätig. Hier erhält er in der Sicherungsgruppe des BKA einen leitenden Posten und soll den Tod an seinem Vorgänger, Kriminalhauptkommissar Heinz Buchmann, aufklären. Gemeinsam mit der Journalistin Eva Herden ermittelt er Verbindungen mir der rechtsgerichteten Gruppe „Wölfe Deutschlands“. Gleichzeitig wird er von dem damaligen Bundeskanzler Adenauer beauftragt, dessen Kontrahenten Wehner zu „beschützen“. Leider wird hier die Geschichte ein wenig unklar. Ich hatte gehofft, dass gerade diese Hintergründe den weiteren Verlauf der Geschichte leiten.
Die teils fiktiv geschilderten Begegnungen mit Adenauer und Wehner haben mich als Leser animiert, mich näher mit den beiden Politgrößen zu befassen. Leider wurden diese Teile des Romans, wie ich finde, zu stiefmütterlich behandelt. Hier mangelt es an Tiefe. Stattdessen gewinnen die Beziehungen zu der Journalistin Eva Herden und Philipps Verlobten June, die noch in den Staaten lebt, immer mehr Raum. Schnell wird klar dass sich zwischen Eva und Philipp eine Liebesbeziehung entwickelt. Die geplante Verlobung mit June war dann auch schnell zum Scheitern verurteilt. Das hat der Supermann Gerber dann auch spontan entschieden und June kurz vor ihrem Wiedersehen, anlässlich eines gemeinsamen Essens mit Papa Anderson den Laufpass gegeben. Als Held darf man das einfach so. Damit hat Gerber sich dann auch von den amerikanischen Fesseln in Person des zukünftigen Schwiegervaters befreit.
Die weiblichen Nebenfiguren nehmen vieles ohnehin kritiklos hin. Viel zu sagen haben sie bei diesem Macho allemal nichts. Der Roman vernachlässigt dabei, dass gerade die Nachkriegsfrauen vieles ohne Männer zu regeln hatten. Der kuscht nur vor hohen Militärs.
Unnötige Liebesgeschichten und Jerry Cotton-Aktionen haben den Roman zwar facettenreicher gemacht, wären meiner Meinung nach aufgrund der Thematik verzichtbar gewesen.
Mir persönlich hat der Roman dennoch gut gefallen. Er ist flüssig zu lesen, kurzweilig und hat mich veranlasst, mich noch einmal mit der Ära Adenauer näher zu befassen.
Einen Punkt ziehe ich ab, weil die Geschichte zu oft ins Klischee abrutscht.

Bewertung vom 26.04.2021
Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub / Die Mordclub-Serie Bd.1


sehr gut

Die Geschichte spielt in einer noblen Seniorenresidenz Coopers Chase in der Grafschaft Kent. Es scheint ein guter Ort zu sein, hier seinen Lebensabend zu verbringen. Als Leser fühlt man sich gleich aufgenommen in diese wunderliche Gemeinschaft mit ihren sehr unterschiedlichen Charakteren. Da ist Elizabeth die ehemalige Geheimagentin, Ron der frühere Gewerkschaftler, Ibrahim ein ehemaliger Psychiater und nicht zuletzt die ehemalige Krankenschwester Joyce, die quasi als Ersatzmitglied für die jetzt vollständig pflegebedürftige Penny hier eingezogen ist.
Das Seniorenquartett hat eine Gemeinsamkeit. Sie treffen sich jeden Donnerstag im sogenannten „Donnerstagsmordclub um alte ungelöste Kriminalfälle aufzuklären. Der Freizeitspaß wird richtig interessant, als ein aktueller Mord passiert. Aber es bleibt nicht bei einem Mord.
Die vier Rentner mischen sich trickreich in die polizeilichen Ermittlungen ein, indem sie die Polizistin Donna De Freitas für sich gewinnen können. Allein schon die gewitzte Taktik, mit der das Quartett die Ermittlungen beeinflusst, macht den Roman so lesenswert. Miss Marple lässt grüßen.
Dabei geht es in diesem Roman nicht nur um die Aufklärung der Verbrechen. In vielen Episoden rücken die einzelnen Charaktere und Schicksale der Mitbewohner ins Licht. Trotz aller Tragik, die auch in der Geschichte steckt, ist es ein Buch, das zum Schmunzeln anregt. Es ist kurzweilig geschrieben und aufgrund der Gliederung der Kapitel bestens als Bettlektüre geeignet.
Nur die Erzählform hat mich hin und wieder etwas irritiert und den Fluss der Handlung gestört. Es ist der häufige Wechsel von der Ich-Form in die neutrale Perspektive. Die Rentner gehen teilweise auch eigene Wege, so dass der Erzählstrang immer wieder unterbrochen wird.
Insgesamt gesehen ist es ein unterhaltsamer Roman, der manchmal auch nachdenklich stimmt. Auf jeden Fall stellt er das Leben in einem, wenn auch feudalen, „Altenheim“ aus einer ungewohnten Sicht dar.

Bewertung vom 20.04.2021
Die Toten vom Gare d'Austerlitz
Lloyd, Chris

Die Toten vom Gare d'Austerlitz


sehr gut

Der Zweite Weltkrieg. Die deutschen Truppen haben Paris erreicht und die Stadt in eine Starre versetzt. Die französische Polizei muss sich gegen Wehrmacht, Gestapo und Geheimer Feldpolizei behaupten.
In dieser Situation werden am 14.Juni 1940 die Leichen von vier Männern in einem Eisenbahnwaggon am Gare d'Austerlitz gefunden. Offenbar wurden sie durch Giftgas getötet. Die französische Polizei in Person von Eduard Giral, genannt Eddie, nimmt die Ermittlungen auf. Zur gleichen Zeit hat Eddie einen Selbstmord zu untersuchen. Besonders tragisch: Der Selbstmörder, hat seinen dreijährigen Sohn mit in den Tod gerissen. In beiden Fällen handelt es sich bei den Toten um polnische Flüchtlinge.
Nicht nur die Besatzungsmächte, sondern auch interne Widerstände erschweren Eddie`s Ermittlungsarbeit. Immer wieder sieht er sich Repressalien ausgesetzt, die ihn sogar mit dem Tod bedrohen.
Der Roman schildert in besonderem Maße die Situation, einen Mord in Kriegszeiten aufzuklären. Die eigentliche Polizeiarbeit tritt dabei hin und wieder in den Hintergrund. Nur Eddie`s Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass die Ermittlungen weitergeführt werden.
Das eigentlich Spannende an diesem Roman sind die Überlebensmechanismen der Bevölkerung. Immer wieder werden Menschen von den Militärs drangsaliert und sogar auf offener Straße getötet. Das Leben des Einzelnen scheint nichts wert zu sein.
Der Autor hat es verstanden, die Verrohung durch den Krieg deutlich zu machen Auch Eddie leidet unter depressiven Phasen. Seine Luger, geladen mit einer Patrone, die in einer früheren brenzligen Situation nicht funktionierte und ihm dadurch das Leben gerettet hat, führt ihn in Versuchung, sein Schicksal herauszufordern.
Der Autor nimmt den Leser mit auf eine Reise in die Vergangenheit, die heute nur schwer vorstellbar ist. Das besetzte Paris ist bildhaft beschrieben. Die vielen Nebenschauplätze machen die Geschichte allerdings etwas unübersichtlich.

Der Text hat mir gut gefallen. Hin und wieder hatte ich jedoch den Eindruck, dass der Text nicht dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend aus dem englischen Original übersetzt wurde. Manche Sätze lassen sich daher nur stockend lesen.
Trotzdem ist es ein lesenswertes Buch, das eine fiktive Kriminalgeschichte und Historisches vereint.

Bewertung vom 05.04.2021
Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2
Kellerhoff, Lutz W.;Kellerhoff, Lutz Wilhelm

Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2


ausgezeichnet

Ich habe auch das Buch der Autoren Lutz, Wilhelm und Kellerhoff „Die Tote im Wannsee“ gelesen. Hinsichtlich Schreibstil und Zeitgeschehen, ähneln sich die beiden Bücher. Auch dieser Roman handelt in den Sechzigerjahren in Berlin. Auch er zeigt halbdokumentarisch die gesellschaftlichen Veränderungen, die Zeit der Auseinandersetzungen zwischen den Kriegs- und Nachkriegsgenerationen auf.
In einem Milieu des noch immer existierenden Antisemitismus ermittelt Kommissar Wolf Heller in einem Fall, in dem die Jüdin Rebecca Hirsch ermordet wird. Auch ihr Ehemann, der Richter Joachim Hirsch, hat Morddrohungen von einer radikalen linken Bewegung erhalten. Stecken politische oder antisemitische Motive dahinter?
Heller, erhält den Auftrag, die Wohnung des Richters zu observieren. Während die Ehefrau des Richters ermordet wird versagt Heller, weil er 17 Minuten lang abgelenkt war und seinen Posten verlassen hatte. Diese „Schuld“, den Mord nicht verhindert zu haben, zieht sich durch die gesamte Geschichte.
Auf einer parallelen Ebene ermittelt die Nichte der Ermordeten, die Amerikanerin Louise Mackenzie, auch um Familiengeheimnisse aufzuklären.
Auf einer weiteren Ebene plant der russische Agent Poljakov Anschläge auf jüdische Einrichtungen der Stadt.
Neben der üblichen Polizeiarbeit werden in diesem Roman auch ganz persönliche und bewegende Momente aus dem privaten Umfeld des Polizisten angesprochen. Immer wieder greift die Geschichte auch die schwere Krebserkrankung von Paula, Hellers Ehefrau, und damit sehr intime Momente auf.
Gestört hat mich die Textstruktur des Buches. Der Text geht fast übergangslos von einer Ebene in die andere über. Es fällt schwer, das Buch mal kurz aus der Hand zu legen, um kurze Zeit später wieder in die Geschichte einzusteigen.
Ungeachtet dessen liest der Text sich flüssig und kurzweilig. Das Glossar ist hilfreich, wenn auch nicht vollständig. Die zeitdokumentarischen Beschreibungen und das ganz Persönliche der Protagonisten machen den Roman lesenswert.

Bewertung vom 28.02.2021
Die dritte Frau
Fleischhauer, Wolfram

Die dritte Frau


sehr gut

Ich habe bisher kein Buch des Autors Wolfram Fleischhauer gelesen. Daher kenne ich auch nicht die Vorgeschichte dieses Romans.
Der Protagonist, ein junger Autor der hier namenlos erscheint, hat einen Roman über das im Louvre hängende historische Gemälde "Gabrielle d'Estrées und ihre Schwester" geschrieben. Das Erstlingswerk des Autors hatte seinerzeit großen Erfolg. Die Verkaufszahlen blieben bis in die Jetztzeit sogar konstant. Doch seine Agentin drängt ihn, etwas Neues zu schreiben. Da ihm dafür die Inspiration fehlt, erinnert er sich an sein Erstlingswerk und an einen Leserbrief von der Familie d'Estrées Balzac, der ihn seinerzeit auf seine fehlerhafte Recherche aufmerksam machte. Gleichzeitig lud der Verfasser des Leserbriefes, ein gewisser Charles Balzac, ihn zu meinem Besuch ein. Erst jetzt entschließt sich der Autor, diesen Leserbrief zu beantworten und erfährt, dass der Verfasser inzwischen verstorben ist.
Dennoch reist er nach Toulouse. Dort trifft er auf die Erbin des Monsieur Balzac, Camille Balzac d‘Entragues, und erhält von ihr geheimnisvolle historische Dokumente, die Aufschluss über die politische Situation um Heinrich IV, und die durch Intrigen verursachten Thronkämpfe offenbaren. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die zweite Frau auf dem Gemälde, Gabrielles Schwester auch eine Mätresse Heinrich des IV war und damit unter anderen Umständen sogar in die Nähe des Thrones gerückt wäre.
Der Autor, der von der geheimnisvollen Camille fasziniert ist, versucht alles, um in den Besitz der Dokumente zu gelangen. Letztendlich lässt er sich auf eine kurze aber heftige Liebesbeziehung ein. Als Camille versucht, eine Neufassung seines Buches unter ihrer Mitwirkung zu erzwingen, erkennt der Autor ihre wahre Absicht.
Die geschichtlichen Rückblicke, sowie die nicht übersetzten französischen Texte haben mich teilweise überfordert. Als Leser müsste ich mich näher mit den geschichtlichen Hintergründen befassen, um Fiktion und Historie eingliedern zu können.
Laut Buchbeschreibung und Leseprobe habe ich etwas anderes erwartet. Dennoch hat mir das Buch gut gefallen. Der Text ist flüssig geschrieben, die Kapitel sind gut gegliedert. Wolfram Fleischhauer versteht es, die Spannung in der Geschichte aufrechtzuerhalten.

Bewertung vom 11.02.2021
Der Solist
Seghers, Jan

Der Solist


ausgezeichnet

Der Roman, der im Jahr 2017 spielt, zieht eine Verbindung zum Terroranschlag des Anis Amri auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016. In diesem Zusammenhang beschreibt der Autor Verbindungen zur rechten Szene um die Partei „Der Aufrechten“ und zeigt dabei Parallelen zur AfD auf. Auch das Eindringen der rechten Ideologie in die Reihen der Polizei wird thematisiert.
Das Thema dieses Romans ist damit stark den zurzeit realen politischen Verhältnissen im Lande angelehnt.
Nachdem sich die Gefährdungslage in Berlin wegen der bevorstehenden Bundestagswahl zuspitzt, wird der Ermittler Neuhaus, der bis dahin als Ermittler in Frankfurt arbeitete, zur neu gegründeten Berliner "Sondereinheit Terrorabwehr" versetzt. Hier gilt es, einige Morde mit rechtsradikalem Hintergrund aufzuklären.
Bei seinen neuen Kollegen ist Neuhaus, der hier ohne Vorname genannt wird, aufgrund seines unzugänglichen Charakters nicht besonders beliebt. Eine gute Zusammenarbeit gelingt ihm nur mit der ihm zugeteilten Kollegin Suna-Marie, einer Deutschtürkin, die nur Grabowski genannt werden möchte. Die beiden entwickeln sich allmählich zu einem guten Team. Eine Bereicherung der Geschichte, zumal sich hier eine weit mehr als nur freundschaftliche Beziehung anbahnt.
Auch die ganz private Seite des Ermittlers bleibt dem Leser in der Geschichte nicht verborgen. So erfährt er gleich zu Beginn etwas über seine Mutter und ihrer RAF-Vergangenheit. Seine Schwester, die er nie kennengelernt hat, taucht erst am Ende des Buches auf. Insgesamt gibt es in der Familiengeschichte Neuhaus viel Erklärungsbedarf.
Die Geschichte verfügt über einen gleichbleibenden Spannungsbogen. Dem Autor ist es gelungen, die reale Historie des Terroranschlags von 2016 in eine fiktive Geschichte einzubauen. Amüsant eingebaut auch nebensächliche Ereignisse, wie die Erstellung eines Phantombildes.
Der Autor hat sich nicht gescheut, die brisante Problematik rechter Strömungen in der Polizei aufzugreifen.
Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, der Text ist angenehm gegliedert und kurzweilig verfasst. Ein geschicktes Ende des Buches, der Cliffhänger am Ende macht Lust auf mehr.

Bewertung vom 02.02.2021
2,5 Grad - Morgen stirbt die Welt
Richter, Noah

2,5 Grad - Morgen stirbt die Welt


gut

Überschwemmungen allerorten. Mittendrin die schwangere Leela Faber, die Protagonistin, die von ihrem Freund Jacob, dem Geologen der auf der Forschungsstation Neumayer III in der Antarktis arbeitet, eine E-Mail mit höchst brisanten Daten erhält. Wenig später stirbt Jacob bei einem Gletscherabriss. Leela fühlt sich verpflichtet, Jacobs Arbeit fortzusetzen und begibt sich dadurch in gefährliches Fahrwasser. Die immer mehr in Bedrängnis geratene sieht zuletzt nur noch in einem terroristischen Anschlag einen Ausweg.
So weit, so gut. Das allein wäre der Stoff, aus dem ein spannender Ökothriller entstehen kann. Aber in diesem Buch von Noah Richter ist noch mehr drin.
Zum Hauptstrang der Geschichte, der Klimakatastrophe und Leela`s Entscheidung, das Vermächtnis ihres Freundes zu vollenden, gesellen sich weitere Handlungsstränge.
Tausende flüchtende Afrikaner, die sich auf den Weg nach Deutschland machen. Eine menschliche Katastrophe, die diese globale Umweltkatastrophe noch verschärft. Erst im Finale bekommt dieser Handlungsstrang eine Bedeutung.
Ein weiterer Handlungsstrang ist die Geschichte der ehemaligen Prepper, die gemeinsam mit Gruppe Broch einen politischen Umsturz planen.
Und nicht zuletzt, die Geschichte der Familie Faber. Leela´s Mutter, Tochter und Schwester finden Unterschlupf in einer Sekte, weil sie vor dem tyrannischen Vater geflohen sind. Der Vater wurde inzwischen wohl mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet und ist Leela, aus welchem Antrieb auch immer, entgegen seinem bisherigen schlechten Vater/Tochter- Verhältnis jetzt bei der Planung und Durchführung des Anschlages auf das Kohlekraftwerk behilflich. Allein diese Familiengeschichte liefert genug Stoff für einen abendfüllenden Roman.
Aber damit nicht genug. In dieser wirren Geschichte mischt dann auch noch die Bundeskanzlerin mit. Ein nicht nur ökologisches Chaos, das im Putsch endet.
Irgendwann habe ich es als beharrlicher Leser geschafft, die einzelnen Handlungsstränge zu ordnen und das Buch bis zum Ende zu lesen.


Fazit:
Nach der Leseprobe und den ersten Seiten dieses Romans habe ich einen spannenden Ökothriller unter Verwendung realistischer Daten, erwartet. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.
Noah Richter hat versucht, eine drohende Umweltkatastrophe drastisch darzustellen. Das ist ihm teilweise auch gelungen. Der Autor hätte sich aber mehr mit der eigentlichen Materie befassen und mehr Klasse als Masse einsetzen sollen. Die vielen Nebenschauplätze haben meines Erachtens seine guten Vorsätze zum Teil ins Groteske geführt.
Eigentlich schade, denn der Autor kann gut lesbare, spannende Texte schreiben.
Die Thematik hat Besseres verdient.

Bewertung vom 12.11.2020
Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1
Maurer, Martin

Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten. Die Anschläge im Jahreswechsel 1983/84 in München und die Geschichten um die Gruppe LUDWIG haben tatsächlich so stattgefunden.

Die Mordkommission 3 ist der neue Arbeitsplatz von Nick Marzek, der sich aufgrund einer Lebenskrise nach München versetzen ließ. Und hier beginnt die Geschichte mit einem Brandanschlag auf die Diskothek „Liverpool“
Schon der Auftakt verspricht Spannung pur. Die Ermittlungen, die sich ursprünglich auf das Rotlichtmilieu konzentrieren, führen die Polizei aufgrund eines Bekennerschreibens schließlich nach Italien. Nick muss weitere Ermittlungen in einem Land führen, dessen Sprache, Sitten und Gebräuche er nicht kennt. In Ermangelung eines geeigneten Dolmetschers ist Nick damit auf Graziella Altieri, der Reinigungskraft seiner Dienststelle angewiesen, die ihn auf der Reise nach Italien begleiten soll.

Und genau hier beginnt die eigentliche Geschichte. Schnell stellt er fest, dass Graziella eine Lese- und Schreibschwäche hat, die ihre Mitarbeit zunächst infrage stellt. Graziella entpuppt sich aber schnell als exzellente Kennerin der Sitten und Gebräuche des Landes und damit von übergroßem Nutzen für die Zusammenarbeit. Darüber hinaus ist sie auch eine clevere Hobbyermittlerin.

Eindrucksvoll beschreibt der Autor Land und Leute Italiens. Er versteht es, die einzelnen Charaktere der handelnden Personen und Alltagssituationen auf humorvolle Art darzustellen. Diese Mischung aus Spannung und Humor sorgt für kurzweiligen Lesestoff. Aber auch die Gefühlsebene kommt in diesem Roman nicht zu kurz. Graziella und Nick kommen sich allmählich immer näher und werden so im Laufe der Geschichte zu einem Paar auf Zeit.

Auf der Spannungsebene wird die Geschichte indes immer verworrener und entwickelt sich zu einem Politthriller. Wer gehört zur Gruppe „Ludwig“? Und warum mussten so viele Menschen sterben? Sind Politik und Polizei darin verwoben?
Der Schreibstil ist flüssig und die in insgesamt 17 Kapitel gegliederte Geschichte lässt sich sehr gut nachverfolgen.

Es ist kein Krimi im herkömmlichen Sinn, da nicht die eigentliche Polizeiarbeit so sehr im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Reise der beiden Protagonisten durch ein fremdes Land, in dem andere Regeln gelten.

Ich gebe dem Buch fünf Sterne, weil es sehr unterhaltsam ist und darüber hinaus ein Stück Zeitgeschichte darstellt.

Bewertung vom 13.09.2020
Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1
Seeburg, Uta

Der falsche Preuße / Offizier Gryszinski Bd.1


sehr gut

Es ist ein Krimi der ohne moderne Utensilien wie Handy oder Computer auskommt. Und er handelt in einer anderen Zeit. Die Autorin Uta Seeburg entführt den Leser nach München ins Zeitalter der Belle Époque. Das wiederum macht diesen Roman überhaupt interessant.

Der Kriminalfall an sich ist eigentlich nichts Besonderes. Die Methoden der Polizei, in einem solchen Fall zu ermitteln, befinden sich noch in den Kinderschuhen und der Sonderermittler Wilhelm Freiherr von Gryszinski will die junge Wissenschaft der Kriminalistik anwenden. Für mich enttäuschend ist, dass die neuen Methoden des sogenannten Sonderermittlers , wie sie in der Buchbeschreibung angekündigt wurden, in der Geschichte nicht so richtig zum Tragen kommen. Vom Beginn einer neuen Wissenschaft ist jedenfalls nichts zu spüren.
Da hat die Autorin einen waschechten Preußen als Hauptermittler eingesetzt, der sich mit seinem wundersamen Tatortköfferchen an die Arbeit macht. Doch alles, was er aus dem Köfferchen hervorzaubert, sind die Bonbons, die er den Kindern als Leckerli zusteckt. Insgesamt kam die eigentliche Ermittlungsarbeit, die Wilhelm Freiherr von Gryszinski nebst seinen zum Teil trotteligen Assistenten an den Tag legte, zu kurz.
Überhaupt fand ich zu den Protagonisten keinen rechten Zugang. Belebend fand ich einzig die Rollen der Ehefrau Sophie und des schillernden exzentrischen Industriellen Lemke. Sogar die Haushaltshilfe Frau Brunner hat hier mehr zur Unterhaltung und Spannung beigetragen.
Der eigentliche Fall plätschert, abgesehen von kurzen Ausflügen, zu seicht durch die Geschichte. Als Krimi im herkömmlichen Sinne ist dieses Buch jedenfalls nicht anzusehen. Es ist mehr ein Sittengemälde der damaligen Zeit.
Der Text an sich liest sich flüssig, die einzelnen Kapitel fand ich persönlich jedoch zu lang. Überhaupt gibt es einfach zu viele Längen in den Erzählungen. Hier noch eine recht langatmige Spionageermittlung einzubauen hat die Geschichte nicht sonderlich bereichert.
Nichts desto trotz kann man dieses Buch für Leser weiterempfehlen, die Spaß am Kuschelkrimi haben und sich gerne in die „Alte Zeit“ hineinlesen möchten.