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warmerSommerregen
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Essen

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2016
Mitternachtsweg
Lebert, Benjamin

Mitternachtsweg


sehr gut

Eine düstere Geschichte…

Als Peter Maydell, Redakteur für die Lübecker Zeitung, von Johannes Kielland ein Manuskript zugesendet bekommt, ist seine Neugierde groß. So oft hat er bereits große Freude an den ihn erreichenden Artikeln des jungen Mannes gehabt, sodass er auf dieses offensichtlich größere Werk des Schreiberlings sehr gespannt ist.
Lediglich ein einziges Mal ist er Kielland bisher begegnet und war damals von dem jungen Geschichtsstudenten mit den langen Haaren und dem langen schwarzen Mantel, der seine schwarze Kleidung verdeckte und bis zu den Stiefeln reichte, mehr als überrascht. Kein älterer Herr also, der aus Gewohnheit seine Berichte ausschließlich auf einer Schreibmaschine verfasst, sondern viel mehr jemand, der das Dunkle ebenso wie das Außergewöhnliche schätzt; besonders außergewöhliche Begebenheiten. Deswegen handeln auch seine Berichte von skurrilen, unwahrscheinlichen Geschehnissen.
Wie er selbst anmerkt, soll auch das Manuskript, welches im Übrigen sein letztes Werk sein soll, von einer solchen Geschichte und von ihm handeln. Zu der Geschichte sei er, so schreibt er es, durch die Begegnung mit Helma Brandt gekommen, deren Verlobter in den Fluten den Tod fand.
Alles rankt sich um die Insel Sylt, eine tragische alte Liebe, den Tod, das Meer, die Gezeiten, alles verschluckende Dunkelheit, den Friedhof der Heimatlosen, den Mitternachtsweg und einen Handschuh.
So scheint die eigentliche Geschichte nicht mit Johannes Kielland zu beginnen, sondern viel weiter in die Vergangenheit zu reichen.

Die Geschichte unterteilt sich in mehrere Zeit- und Handlungsstränge, welche sich regelmäßig abwechseln. So handelt ein Part des Buches von der Vergangenheit und den Anfängen der Geschichte, ein weiterer von den Recherchen Kiellands, ein dritter besteht aus dem Manuskript, ein weiterer beschreibt den Redakteur, wobei sich der letzte schließlich mit der Gegenwart befasst.
Zu Beginn war ich wegen diesen verschiedenen Erzählsträngen etwas verwirrt, obwohl die Kapitelüberschrift meist angibt, von welcher Art der folgende Abschnitt sein wird.
Die Orte des Geschehens empfand ich als sehr schön gewählt: Da wäre beispielsweise der Friedhof der Heimatlosen, auf dem ertrunkene und an den Strand gespülte Seemänner einst ihre letzte Ruhe fanden. Benjamin Lebert versteht es, seine Worte so zu wählen, dass die beschriebene Kälte und Finsternis spürbar – wenn auch nicht zwangsläufig verständlich – werden. Die gesamte Geschichte durchwabert etwas Düsteres, dass, kaum greifbar, unterschwellig auf den meisten Seiten anzutreffen ist.
Dennoch muss ich gestehen, dass mich das Buch mit einigen Fragen zurücklässt und dass es, auch wenn es gewissermaßen einen Abschluss gab, für mich noch nicht wirklich beendet ist. So wirkt dieses Werk weniger wie ein Roman, als eine mystische Schauergeschichte. Sicherlich ist dieses überwiegende Unwissen, ob etwas Erzähltes nun der Wahrheit und der Phantasie der Charaktere entspringt, gewollt, mir jedoch etwas zu viel.

Alles in allem ist „Mitternachtsweg“ ein spannendes Buch mit packendem Schreibstil, welches allerdings viele Fragen offen lässt.

Ich vergebe daher 4 ihr nächtliches Leuchten auf das dünstere Meer werfende Sterne

Bewertung vom 19.09.2016
Die Tage, die ich dir verspreche
Oliver, Lily

Die Tage, die ich dir verspreche


sehr gut

Gwen ist herzkrank – oder vielmehr war sie es. Immerhin hat sie ein neues Herz bekommen, doch auch wenn ihr alle versichern, dass nun alles gut würde, fühlt es sich für sie nicht so an. Anstatt sich über das neu geschenkte Leben zu freuen, plagen sie Gewissensbisse: Nachts träumt sie von Unfällen, sieht überall Blut und weinende Familienmitglieder möglicher Spender. Deswegen fühlt sie sich auch so undankbar. Alle anderen, die ein Spenderherz transplantiert bekommen, sind doch so glücklich und diejenigen, die wie ihre Freundin Leni noch auf ein geeignetes Herz warten, würden es vielmehr verdienen als sie.
Gwens Stimmung bessert sich auch nicht, als sie wieder Zuhause sein darf, da wieder einmal „alles bestens“ verläuft. Nicht nur das neue Herz, welches in seinem ganz eigenen Rhytmus schlägt, sondern auch ihr Freund Alex, der sich das letzte Jahr so wundervoll um sie gekümmert hat, sind ihr ungeheuer fremd.
Als sie glaubt, nicht mehr so weitermachen zu können, beschließt sie, das Herz irgendwie loszuwerden. Dabei darf sie es nicht verkommen lassen, es darf keinen Schaden nehmen, damit es jemand Anderem das Leben zu retten vermag. Ihre Familie bemerkt ihre Trauer nicht, sondern plant stattdessen Gwens neue Zukunft – eine Zukunft, die sie gar nicht möchte.
Um Trost zu finden, meldet sie sich in einem Forum für Herzkranke an. Dort eröffnet sie dann auch den Beitrag „Herz zu verschenken“. Als dieser von Noah, dem Moderator, gelöscht wird, glaubt Gwen an einen Fehler. Schließlich meint sie ihr Angebot ernst, Noah jedoch denkt, dass der Account Gwerlin ein Fake ist. Weil er wütend ist, schreibt er auf ihre Frage, weswegen er den Beitrag gelöscht habe, dass er das Herz selber haben wolle und seine Mutter, eine Chirurgin, den Eingriff bestimmt vornehmen würde.
Selbstverständlich nimmt Gwen dies für bare Münze, recherchiert ein wenig im Internet und macht sich dann auf nach München, auf zu Noah.
Dieser ist logischerweise recht überrascht, als eine junge Erwachsene vor seiner Tür auftaucht, ihm ihre Narbe zeigt und etwas von einer Herztransplantation faselt. Auf einen Schlag versteht er, dass alles, was sie geschrieben hat, echt ist und sie dringend Hilfe benötigt. Also tut er so, als wäre er herzkrank und beginnt, Gwen – auch vor sich selbst – zu beschützen.

Schon zu Beginn des Buches kann man sich sehr gut in die Geschichte einfinden, da Gwen ganz offen über ihre Gefühle berichtet. Dabei ist es traurig, wie gefangen sie sich fühlt und wie schuldig. Allerdings werden diese Beschreibungen auch über das ganze Buch hinweg sehr häufig wiederholt, was bei mir irgendwann seinen Effekt verfehlte. Darüber hinaus fragte ich mich immer wieder, ob ihr Verhalten wirklich zu einer 19jährigen passt. Ich habe da meine Zweifel…
Da die Geschichte abwechselnd aus Gwens und Noahs Sicht geschrieben ist, erfährt man als Leser immer ganz genau von den Missverständnissen, welche sich zunehmend häufen. Auch von den vielen Gefühlen, die im Verlauf der Handlung auftauchen, bemerkt man sehr schnell etwas, da mit Ausführungen zu diesem Thema nicht gespart wird. Es ist wohl kein Geheimnis, dass Gwen und Noah immer stärker für einander empfinden, wobei mir ein paar Beschreibungen weniger besser gefallen hätten. Wer es aber gerne romantisch und voller Gefühlschaos mag, wird bei diesem Buch auf seine Kosten kommen.
Der Schreibstil ist recht angenehm, weswegen ich das Buch auch schnell durchgelesen und kaum aus der Hand gelegt habe. Weder finden sich hier detailverliebte poetisch anmutende Beschreibung, noch wirkt das Erzählte abgehackt.
Die Charaktere aus dem Buch sind sehr unterschiedlich, sodass man stets eine Weiterentwicklung feststellen kann. Auch wenn ich mir bezüglich der Authentizität von Gwen immer wieder etwas unsicher war, passen doch alle Figuren sehr in das Buch.

Bewertung vom 11.09.2016
Life changing Food
Fischer, Eva

Life changing Food


weniger gut

Dem Klappentext zufolge setzt die in diesem Buch vorgestellte Ernährungsweise das Hauptaugenmerk auf den achtsamen Umgang mit dem Körper, weswegen Nahrungsmittel, welche Energie spenden und somit leistungsfähiger machen oder einen „erstrahlen lassen“, verwendet werden. Dieses Prinzip nennt die 30jährige „Gesundheitsmanagerin, Food-Fotografin, -Stylistin, -Bloggerin sowie Rezeptentwicklerin“ (S.191) Eva Fischer Life-Changing-Food-Prinzip, kurz LCF. Der versprochene „life changing moment“ soll sich bereits nach 21 Tagen erleben lassen.
Bis einschließlich Seite 29 erklärt die Autorin ihren Ansatz, sodass man auch viel über die Bloggerin erfährt. So liest man beispielsweise, dass sich ihr life changing moment in einem Café bei einer „Matcha-Milch aus hausgemachter Mandelmilch mit Goji-Beeren“ (S.8) offenbarte. Da bei ihr im Alter von 21 Jahren Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit, diagnostiziert wurde, musste sie ihre komplette Ernährung umstellen. Dies war auch ein wichtiger Schritt in Richtung LCF, da ihr die Bedeutung gesunder Ernnährung schlagartig klar und Ernährung, wie sie erklärt, zu ihrem neuen Lebensinhalt wurde. Des Weiteren beschreibt sie, wie gut sich mit LCF auch das Wohlfühlgewicht erreichen und halten lässt, gespickt mit Feststellungen wie: „Food is essential to life. Therefore make it good.“. Auch zeigt eine aus zwei Kreisen bestehende Zeichnung, dass die „comfort zone“ eines jeden nicht dort liegt, „where the magic happens“ (S.16)… Es folgen Tipps zum Einkaufen, ein paar „Guidelines“ – Richtlinien klingen tatsächlich viel zu unmodern – und auch Nährstoffe, ORAQ-Werte oder der Energiebedarf des Menschen finden im Folgendem Erwähnung.
Um die Rezepte zu katalogisieren – ein Aspekt, den ich nun doch ansprechend finde – zeigen blaue, orangene, hell- und dunkelgrüne Kästchen gluten- oder laktosefreie sowie vegetarische und vegane Rezepte an. Nach ein paar weiteren Informationen beginnt der Rezeptteil des Buches.
In „Morgens“ finden sich Rezepte wie „Mandel-Vanille-Reisflocken-Porridge mit Bananen und Rhabarberkompott“ (S.35), „Acai-Smoothie-Bowl“ (S.42) oder „Bunt belegte Brote“ (S.61).
Es folgt das Kapitel „Heimische Superfoods“, welches vier Seiten umfasst und Leinsamen und Co. erklärt.
In „Mittags“ werden vor allem verschiedene Salatideen vorgestellt. Danach geht es um „Exotische Superfoods“ wie Maca oder Reishi, es folgen Rezepte für „Abends“. „Chili sin Carne mit Kakao und Pistazien“ (S.126) oder „Zander aus dem Ofen mit Zucchini-Nudeln, Heidelbeeren und Spargel“ (S.135) sind beispielsweise für diese Mahlzeit angedacht.
„Zwischendurch“ beinhaltet Rezepte wie „Dattelbrot“ (S.159) oder „Früchte-Nussbrot“ (S.161), verschiedene Shakes und Riegel.

Von der Aufmachung her ist das Buch wirklich nett gemacht: Ein paar Worte sind, dem Kapitel angepasst, farblich unterlegt, einige der Gerichte sind ansprechend fotografiert (bei den meisten sucht man Bilder jedoch vergeblich) und man findet dank der Übersichten zu Beginn eines jeden Kapitels schnell ein gesuchtes Rezept. Auch das Lesebändchen gefällt mir sehr. Genervt haben mich hingegen die Zitate von Followern, die der LCF-Ernährung voll des Lobes sind.
Darüber hinaus halte ich die Verwendung zahlreicher Superfoods für sehr kostspielig…
Sicherlich finden die Rezepte bei vielen Menschen Anklang, die auch ein „Matcha-Milch-Aha-Erlebnis“ hatten… Ich halte die meisten Rezepte für sehr umständlich und bin von den vielen exotischen Zutaten sehr überrascht. Jeden Tag aus diesem Buch zu kochen wäre mir zu aufwendig…

Zwar ist der Ansatz, sich gesund zu ernähren, möglichst viel Gemüse zu essen und frisch zu kochen, sehr löblich, jedoch denke ich, dass mit diesem Buch Gluten- oder Laktoseunverträgliche mehr anfangen können. Und so richtig neu ist der Gedanke, möglichst wenig Weizen zu sich zu nehmen ja auch nicht… Darüber hinaus hatte ich auch eher regionale Produkte erwartet, stattdessen braucht man eigentlich für jedes Gericht zahlreiche exotische Zutaten…

Bewertung vom 07.09.2016
Ihr letzter Sommer
Snoekstra, Anna

Ihr letzter Sommer


ausgezeichnet

Dass sie schon wieder beim Ladendiebstahl erwischt worden ist, verwundert die Rumtreiberin nicht. Allerdings nervt es sie von Minute zu Minute mehr, dass der Ladendetektiv weder auf die Mitleids-Nummer noch auf zweideutige Bemerkungen anspringt. Also zaubert die Zwanzigjährige ihren Joker herbei: „Ich heiße Rebecca Winter. Ich wurde vor elf Jahren entführt.“
Tatsächlich sieht sie dem mit sechzehn Jahren verschwundenem Mädchen verblüffend ähnlich.
Zwar hatte die Heimatlose zunächst geplant, einfach unter irgendeinem Vorwand wegzulaufen, doch bemerkt sie, dass dies nicht so leicht ist, wie sie es sich gewünscht hatte.
Als sich ihr eine nicht ganz ungefährliche Möglichkeit bietet zu fliehen, entscheidet sie sich jedoch spontan, einem Bauchgefühl folgend, dagegen. Was würde dort draußen schon auf sie warten? Ein paar heruntergekommene Raststättentoiletten vielleicht? Doch man stelle sich vor, was geschehen würde, käme sie an Rebeccas Stelle zurück: Sie hätte ein eigenes Zimmer, eine Familie, die sie mit Zuwendung und Liebe überschüttet und ein neues Leben.
Noch bevor sie sich eigentlich klar geworden ist, was für eine dämliche Idee das eigentlich ist, verstreicht die Chance und sie muss weitermachen. Schon immer war sie gut darin, eine Rolle zu spielen. Aber wie sie bald merkt, ist es etwas anderes, ein verschwundenes Mädchen zu spielen – einen Menschen, den es wirklich gibt, den man jedoch nicht kennt.
Mit viel Geschick und einem guten Kombinationsvermögen gelingt es ihr nach und nach, zu Bec zu werden. Zu der verschwundenen Tochter, der Freundin, der Schwester – dem Opfer. Doch je mehr Fragen auftauchen, je mehr das Misstrauen einiger wächst, desto höher wird der Druck. Und als sie dann dem Geheimnis um Becs Verschwinden immer näher kommt, wird es für sie schlagartig gefährlich.
Von der ersten Seite an war ich von der Geschichte gefesselt: Zu Beginn war ich von dem Mädchen – dessen wirklichen Namen man im übrigen nie erfährt – alles andere als angetan. Da man die ganze Zeit weiß, dass sie nur eine Hochstaplerin ist, kommt sie einem zunächst sehr selbstsüchtig und unüberlegt vor. Denn was soll aus der echten Bec werden, falls sie nach elf Jahren noch leben sollte und nun einfach die Ermittlungen eingestellt werden, weil eine Betrügerin sich als sie ausgibt?
Doch nach und nach lernt man die „neue“ Bec immer besser kennen und versteht, weshalb sie sich so nach einer Familie sehnt. Da das Buch zudem mit wenigen Ausnahemn aus ihrer Sicht geschrieben ist, weiß man auch um ihre Gewissensbisse.
Eine ganze Weile habe ich darüber gegrübelt, ob es tatsächlich möglich ist, dass Becs Eltern den Schwindel nicht als solchen entlarven können. Bedenkt man aber, wie sehr sich gerade Jugendliche nach 16 Jahren verändert haben und beachtet man, wie sehr sich die Familie auch wünscht, dass ihr Mädchen wieder nach Hause kommt, ist es wohl nicht undenkbar…
Beeindrucken konnte mich auch die Art und Weise, wie das Mädchen mit bewegter Vergangenheit Stück für Stück Licht ins Dunkel zu bringen vermag und so zunehmend in ihre Rolle wächst.
Natürlich trauen ihr nicht alle – sie ist nun einmal trotz aller Anstrengungen nicht Bec.
In die Erzählungen aus der Gegenwart werden Kapitel gestreut, die Becs Leben kurz vor ihrem Verschwinden beschreiben, sodass man immer wieder mit kleinen Informationsfetzen geködert und auf völlig falsche Fährten gelockt wird. Immer wieder werden neue Fragen aufgeworfen, man beginnt zu zweifeln, hört damit auf und wird von einem unvorhersehbaren Ende überrascht. Lediglich im Nachherein ist es stimmig und man muss an Passagen im Buch denken, bei denen man der Lösung doch eigentlich so nahe war.

Ich bin von diesem Thriller sehr angetan, da er, voller Spannung und Tempo, eine düstere und gefährliche Geschichte erzählt, von der ich kaum genug bekommen konnte. Der Schreibstil ist leicht gehalten, sodass die Seiten beim Lesen nur so dahinfliegen.

Bewertung vom 24.08.2016
Mord in der Mangle Street / Sidney Grice Bd.1
Kasasian, M. R. C.

Mord in der Mangle Street / Sidney Grice Bd.1


ausgezeichnet

Nachdem ihr Vater gestorben ist, macht sich die junge March Middleton im Jahre 1882 auf den Weg nach London, um dort bei ihrem Patenonkel unterzukommen. Da es um ihre finanziellen Mittel nicht ganz so rosig bestellt ist, bleibt ihr auch keine andere Wahl, als sich in die Obhut des ihr bisher gänzlich unbekannten Mannes zu begeben. Sie weiß lediglich aus einem Brief, den sie vor kurzem erhielt, dass Sidney Grice, ihr Vormund, so eine alte Schuld begleichen möchte.
Wie sie im Gespräch mit Harriet, einer Dame von March’s Alter, mit welcher sie sich ein Zugabteil teilt, erfährt, ist Sidney Grice keineswegs irgendein Mann in England. Tatsächlich ist der Persönliche Ermittler, wie er die Bezeichnung „Privatdetektiv“ stets zu verbessern pflegt, aufgrund seiner unglaublichen Kombinationsgabe und seinem Geschick im Umgang mit den haarsträubensten und kniffligsten Fällen zu großer Berühmheit gelangt.
So wundert es nicht, dass March, sobald sie das Haus Nummer 125 in der Gower Street erreicht hat, mit ihrem ersten Kriminalfall konfrontiert wird. Ein Mann soll seine Ehefrau umgebracht haben und nun dafür gehängt werden; seine Schwiegermutter ist jedoch felsenfest von seiner Unschuld überzeugt, da dieser herzensgute Mensch niemals eine derart brutale Tat verübt haben könnte. Da für Mr. Grice primär Geld über das Annehmen oder Ablehnen eines Auftrags entscheidet, zeigt er für das Angebot der eher ärmlichen Dame kein Interesse. March aber, von der Geschichte zutiefst gerührt, verspricht, für alle Kosten aufzukommen, sofern sie den Ermittler bei seinen Recherchen begleiten darf.
Und so lässt sich der von sich so überzeugte Sidney Grice dazu herab, seine wertvolle Zeit mit dem Lösen des Falles zu vergeuden. Denn eines steht fest: Mr. Grice glaubt längst in dem Ehemann seinen Täter gefunden zu haben – March jedoch spürt, dass er es nicht gewesen ist.
Deswegen lässt die durchaus unkonventionelle March erst recht nicht locker und verblüfft so nicht nur ihren Patenonkel…

Sehr schnell konnte ich in das Buch abtauchen, da es einen dank der atmosphärischen Erzählweise gekonnt nach London im Jahre 1882 entführt, wo auf der Straße jeder eine Bedrohung darstellen kann, man besser mit einem parfümierten Taschentuch ausgestattet sein sollte, um ekelerregenden Gerüchen Herr zu werden oder Menschen von der Bildfläche verschwinden, ohne dass es jemand merken oder irgendwen kümmern würde. Sehr humorvoll sind dabei die Beschreibungen von March, aus deren Sicht das Buch geschrieben ist.
Auch ist sie der Zeit kaum angepasst: Sie genehmigt sich gerne einen Gin, sagt zu einer Zigarette nicht nein, kann dem Anblick verwester und angefressener Leichen ohne Ohnmachtsanfälle standhalten und weiß sich durch zynische Bemerkungen in der Männerwelt durchaus zu behaupten. Ihre Wortgefechte mit zahlreichen anderen Charakteren brachten mich immer wieder zum Schmunzeln oder Auflachen, da sie mit ihrem Scharfsinn zielsicher ins Schwarze trifft.
Aber auch Sidney Grice ist eine sehr interessante Figur, die bei mir Seite um Seite gewann. Denn auch wenn er zunächst als absoluter Unsympath auftritt, der sich um seine Mitmenschen keineswegs, für Geld dafür umsomehr, sorgt, bröckelt diese Fassade doch zeitweise. Auch zaubert einem seine eher weniger positive Einstellung gegenüber Menschen in zahlreichen Situationen ein Lächeln ins Gesicht – an anderen Stellen möchte man ihm am liebsten gehörig die Meinung sagen. Zum Glück nimmt einem dies March ab.
Aber auch die übrigen Charaktere sind sehr schön gezeichnet, sodass man sich ein lebensnahes Bild von ihnen machen kann und sich das Kopfkino nie ausstellt.
Der Fall ist äußerst spannend und hält viele Wendungen bereit, sodass es viel Spaß macht, Mr. Grice und March bei den Ermittlungen zu begleiten.
Darüber hinaus lässt sich das Buch der packenden Schreibweise und des schwarzen Humors wegen, sehr angenehm lesen.

Bewertung vom 22.08.2016
Cooper
Rathgeb, Eberhard

Cooper


schlecht

Ein weißes Haus – hell, warm und übersichtlich – wartet, an einer Landstraße gelegen und von Obstbäumen umzingelt, auf seine neuen Bewohner. Diese zelten nachts im Garten, da das Haus noch so leer ist.
Schon bald haben die Kinder das Land in Besitz genommen, wie sie sich ausdrücken, und bereits erste Verstecke hinter Farn ausfindig gemacht.
Am nächsten Morgen beschließen Jakob und die Kinder, zum nahe gelegenen See zu gehen, Linda jedoch besteht darauf, beim Haus zu bleiben, um in den leeren Zimmern aufzuräumen… Während sich Carlotta und Nora darüber unterhalten, wer von beiden nun Recht hat, ob ihre Mutter letzte Nacht geweint hat, ist Linda gerade mit dem Putzen der Fenster fertig geworden. Was dann folgt breitet Dunkelheit über den zuvor so sommerlich-freundlichen Tag aus: Brutal wird sie ermordet, auf blutrünstige Art und Weise. Sie vermutet, dass der Täter muskulös und groß sein muss, kann jedoch keinen Blick mehr auf ihn erhaschen. Aber irgendwie auch nicht, denn als ihre Familie, einem unguten Gefühl folgend, zum Haus, welches nun tot wirkt, zurückkehrt, liegt Lisa tränenüberströmt am Boden und wimmert. Etwas Schlimmes muss passiert sein, meint Jakob, Lisa ist allerdings noch am Leben.
Aber anstatt das Haus, welches sie unter Inkaufnahme hoher Schulden erworben haben, zu verkaufen, kommt für die Familie trotz der Ereignisse nicht infrage, sodass sie bald beginnen, es wohnlich einzurichten.
Mit den vielen Parabeln (?) konnte ich wenig anfangen.Auch „der liebe Gott“ (S.137) wird über viele Seiten behandelt, denn Lisa redet auf ihn ein und erhält erneut bahnbrechende Erkenntnisse, die ich nicht nachvollziehen kann…
Die ganze Zeit über habe ich das Buch als sehr verwirrend wahrgenommen und hatte das Gefühl, jeder Charakter lebe in einer vollkommen anderen Welt. Zu Beginn habe ich mich noch gefragt, was denn nun wirklich vorgefallen ist, wenn beispielsweise ein Junge mit einer Wassermelone nach Jakob wirft, als wäre es ein Basketball, obwohl sonst niemand den Jungen hat sehen können… Doch irgendwann war es mir dann einfach zu viel, denn Menschen die ermordet werden oder tödliche Unfälle haben und kurz darauf mit Kühlschränken im Garten reden, sind mir schlicht weg suspekt…
Darüber hinaus empfand ich den Schreibstil als sehr anstrengend und ermüdend, denn, auch wenn überaus viel wörtliche Rede verwendet wird, ist diese nie als solche gekennzeichnet. Bei langen Dialogen erfährt man als Leser deswegen nur in den seltensten Fällen, wer gerade welche Äußerung macht oder ob etwas gedacht oder gesagt worden ist.
Außerdem ist das Gesagte auch nicht wirklich mein Fall, da die Unterhaltungen der Kinder bei mir erneut Verwunderung auslösen. Ich bin mir noch immer nicht sicher, wie alt sie sein sollen. Zwar gehen sie zur Schule, allerdings sind ihre Aussagen meines Erachtens nicht stimmig: Mal wirken sie wie Kleinkinder, dann als seien sie bereits sehr alt und erfahren.
Aufgrund der schwierigen Erzählweise, mit ellenlangen Sätzen, die jedoch nichts ausdrücken, habe ich am Anfang des Buches auch nicht so wirklich verstehen können, von wem die Geschichte nun handelt. Personen werden ja nicht genannt – weder bei Unterhaltungen noch sonstigen Beschreibungen. Da war es schon ein kleines Erfolgserlebnis, als ich die Namen der Protagonisten entdecken konnte. Wer Cooper jetzt so genau ist, habe ich allerdings nicht verstanden… Eine Erscheinung? Der Nachbar? Der Vorbesitzer des Hauses?
Mir bleiben nach der Lektüre des Buches noch immer zu viele Fragen offen, wobei ich mich nicht wirklich mit ihnen auseinandersetzen mag. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob Eberhard Rathgeb sie selber beantworten könnte… Ich habe mich wirklich durch das Buch gequält und bin froh, dass es lediglich 139 Seiten umfasst… Für mich ein sehr unbefriedigendes Leseerlebnis, das einen merkwürdigen Eindruck hinterlässt…

Bewertung vom 14.08.2016
350 Tipps, Tricks & Techniken Schmuckherstellung
Arnold, Xuella;Withers, Sara

350 Tipps, Tricks & Techniken Schmuckherstellung


ausgezeichnet

Wow – beeindruckend umfassend!

In diesem Buch widmen sich Xuella Arnold, welche einen Abschluss als Gold- und Silberschmiedin hat, sowie als Schmuckdesignerin und -herstellerin arbeitet, und Sara Withers, die sich mit der Schmuckherstellung, den Goldschmiedearbeiten wie auch dem Schmuckdesign befasst, den Fragen, die bei Anfängern und Fortgeschrittenen bei den Themen der Schmuckherstellung, der Goldschmiedearbeiten und des Schmuckdesigns aufkommen.

Gegliedert in die Kapitel „Fädeln und Knüpfen“, „Arbeiten mit Draht“, „Grundlagen der Metallverarbeitung“, „Techniken der Metallverarbeitung“, „Schmuckdesign leicht gemacht“ und „Unkonventionelles Material verarbeiten“ wird auf so ziemlich alles, was man zu wissen braucht, eingegangen.
Anhand von übersichtlichen Tabellen, hilfreichen Darstellungen und ganz leicht verständlichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit Fotografien werden unter anderem verschiedene Techniken sehr verständlich erklärt, sodass es einem mit diesem umfassenden Werk nicht schwer fällt, selber kreativ zu werden und sich an eigenem Schmuck zu versuchen. Ganze 350 Expertentipps machen dieses Buch zu einem wunderbaren Nachschlagewerk. Ob man Metall verbinden oder mit Textur versehen, es umformen oder seine Oberfläche polieren möchte – oder ob man zu keinen neuen Ideen kommt, nicht weiß, wie man beispielsweise Ohrringe, Armreife, Halsketten oder Ringe entwirft – oder man sich bezüglich der Verarbeitung von Fimo, Kunstharz, Kunststoff oder verschiedenster Fundstücke unsicher ist – so wird man durch dieses Buch bestens angeleitet!

Ich bin von diesem Werk sehr angetan, da es so umfassend das Thema der Schmuckherstellung aufgreift und einem so für jedes Projekt Hilfestellungen und Antworten auf die verschiedensten Fragen gegeben werden. Durch die vielen Darstellungen sind die Erklärungen leicht zu verfolgen und Tipps problemlos umzusetzten. So kann ich dieses Buch von 150 Seiten wärmstens an alle empfehlen, die ihr eigenes Geschmeide herstellen und dabei bestens beraten werden wollen.

Bewertung vom 10.08.2016
Pici
Scheer, Robert

Pici


ausgezeichnet

So beeindruckend, dass mir die Worte fehlen!

2014 besucht Robert Scheer seine neunzigjährige Großmutter Elisabeth, genannt Pici, "die Kleine", in Israel, um seine wohlmöglich letzte Chance, etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren, wahrzunehmen. So erfährt er von der Lage der Juden, die sich in der 1940er Jahren in Ungarn zunehmend verschlechterte.
Sehr detailreich erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend, davon, wie schwierig es für das intelligente Mädchen war, Bildung zu erhalten, von ihren Verwandten, wie Juden immer mehr ausgegrenzt und diskriminiert wurden, Erfahrungen in Ghettos und Konzentrationslagern, Judengesetzen und vielem mehr.
So erhält der Leser einen sehr tiefen Einblick in die Erlebnisse einer Holocaust-Überlebenden, die im Holocaust ihre ganze Familie verloren hat.
Dadurch, dass der Leser direkt an dem Gespräch zwischen Pici und ihrem Enkel teilhaben kann, ist man dem Erzählten sehr nahe. Darüber hinaus spürt man beim Lesen die tiefe Verbindung der beiden, was sehr beeindruckt. Man merkt außerdem immer wieder, wie schwer es Pici, besonders im zweiten Teil des Buches, fällt, über ihre Erlebnisse zu sprechen, manchmal kommt sie ins Stocken oder hat Erinnerungen verdrängt. Besonders solche Passagen haben mich erschüttert...
Manchmal springen ihre Gedanken auch, was zunächst verwirrend, dann aber auch wieder sehr eindrucksvoll ist. Ich bin beeindruckt von ihrem guten Gedächtnis und der Offenheit, mit der sie ihre Geschichte erzählt. Robert Scheer stellt ihr dabei immer an geeigneter Stelle ein Frage, hakt nach oder motiviert seine Großmutter zum Fortfahren, sodass man sich immer gut durch das Gespräch geführt fühlt.
Gerade diese emotionale Komponente ist etwas, das vielen Büchern zu dem hier behandelten Thema fehlt; oft werden Fakten genannt, Schicksale angerissen, aber kaum Zeitzeugen über ihre Gefühle gefragt.
Sehr gelungen sind auch die vielen Fotos, die eingestreut werden, sodass man zu den Schicksalen auch Gesichter im Kopf hat oder sich unmenschliche Gräueltaten besser vor Augen führen kann. Bildunterschriften wie "Nicht arbeitsfähiges "Menschenmaterial", wie alte Menschen, Kinder, Schwangere, Behinderte wurden an der Rampe selektiert und auf den Weg in das Todeslager Auschwitz-Birkenau geschickt." (S.129), Deportationslisten oder Ähnliches bedrücken zutiefst und vermitteln ein Gefühl des Grauens. Im Anhang finden sich viele zusätzliche Informationen, die Picis Erzählungen stützen und Glaubwürdigkeit verstärken sollen.

Ich bin von diesem Werk schwer beeindruckt. Lange wusste ich nicht, was ich zu diesem Buch schreiben sollte, denn wie soll man angesichts solcher Erlebnisse die richtigen Worte finden? Auch nun werde ich das Gefühl nicht los, dem Buch nicht gerecht geworden zu sein, weswegen es mir nur übrig bleibt, jedem, der sich über den Holocaust informieren möchte, dieses Buch zu empfehlen. Sehr nahegehend, eindrucksvoll und informativ wird man durch das Leben einer durch die Jahre sehr weisen und gebildeten Frau geführt.

Von mir gibt es daher 5 Sterne und große Anerkennung.

Bewertung vom 01.08.2016
Leb wohl, Supermarkt
Anger, Judith

Leb wohl, Supermarkt


ausgezeichnet

Schöne Gestaltung, solide Rezepte!

Nicht mehr auf die „minderwertigen und denaturierten Zutaten“ angewiesen zu sein und sich durch besseres Essen wohler zu fühlen, war das Ziel von Judith Anger. Die gelernte Köchin und Permakultur-Praktikerin ist der Auffassung, dass sich viele Unverträglichkeiten, Mngelerscheinungen oder Krankheiten durch Nahrung aus eigenem Anbau – ganz ohne Chemie – vermeiden ließen.
Zu Beginn des Buches erklärt sie die Grundbegriffe „Permakultur“, „Wildniskultur“ und „essbare Landschaften“. Danach erklärt sie anhand des Leitspruches „Jedem Erdenbürger seine Erde!“, wie sich auch ohne Garten gärtnern lässt, denn mit ein bisschen Kreativität lassen sich auch Terrassen, Balkone oder Hauswände bepflanzen. Aber auch Projekte wie die sogenannten „Essbaren Gemeinden“ stellen eine Option dar.
Sehr interessant waren für mich auch die Erklärungen zum Hügelbeet, die sich dank einer Zeichnung gut nachvollziehen ließen.
Im darauf folgenden Kapitel gibt die Autorin ein paar Beispiele für alternative Bezugsquellen an, da sich schließlich nicht alles im eigenen Garten anbauen lässt.
Danach geht es schon mit den Grundrezepten los. Da die Autorin selber nach Gefühl kocht, sind die Mengenangaben Richtwerte, weswegen Judith Anger auch zum Experimentieren und Ausprobieren aufruft. Außerdem erklärt sie, auf welche Produkte sie lieber verzichtet und wie sie diese problemlos ersetzt. Beispielsweise verwendet sie vorzugsweise Ziegenmilch, da Ziegen die einzigen milchgebenden Tiere sind, die nicht gemestet werden könnten, weswegen die Produkte verträglicher seien. Von Rind- oder Hühnersuppe, Kräuteröl, Tomatenketchup bis hin zu verschiedenen Pestos werden hier Ideen gegeben. Wild gemischt folgen als nächstes weitere Grundrezepte – „Eingelegtes“, „allerlei Süßes“, „Säfte & Hochprozentiges“, „Brot & Nudeln“, „allerlei Pikantes“, also „Süß-saure Gurken“ (S.36), Chutney, verschiedene Sirup-Variationen oder Pasta.
Das nächste Kapitel ist dem Frühling gewidmet: Vorspeisen wie „Sauerampfersuppe“ (S.55) werden gefolgt von Hauptspeisen wie „Blätterteigtaschen mit Bärlauch-Malabarspinat-Füllung“ (S.58) oder „gefüllten Senfblättern“ und Salaten als Beilagen und abgerundet durch Desserts.
Auch Sommer, Herbst und Winter kommen mit soliden Rezepten wie den „Maislaibchen“ (S.108) daher. Sehr haben mir Seiten innerhalb der Rezeptkapitel gefallen, in denen beispielsweise Hinweise zu besser vertretbaren „Fleischanbietern“ zu finden sind.

Das Buch ist schön gestaltet: Zeichnungen zieren die Seiten und Farbfotos lockern die Texte auf, manchmal gibt es einleitende Texte zu Rezepten oder Tipp-Boxen. Das alles gibt dem Buch einen persönlichen Charme. Auch wenn viele Rezepte in meinen Augen nicht besonders aufregend sind (Mayonnaise selbstzumachen ist bei uns zum Beispiel schon lange üblich), stellen sie doch ein solides Grundgerüst dar, wenn man auf die Lebensmittelindustrie verzichten möchte. Doch auch neue Ideen und Impulse finden sich in diesem Buch.
Alles in allem zeigt dieses Buch einige solide Rezepte, um auf Industrienahrung mit lauter E-Stoffen verzichten zu können. Wenn man sich jedoch mit dem Thema bereits etwas beschäftigt hat, wird man einige Rezepte bereits kennen. Dennoch ist dieses Werk, um ans Ausprobieren und Anbauen gebracht zu werden, mit seinen 100 Rezepten mit Zutaten aus dem eigenen Garten und von Wildpflanzen, zu empfehlen.

Bewertung vom 01.08.2016
Was sagt mir meine Kindheit?
Umek, Julia

Was sagt mir meine Kindheit?


ausgezeichnet

Die Bedeutung der Kindheit in Bezug auf die eigene Entwicklung – auch im Erwachsenenalter – wird oftmals unterschätzt. Wie wir beispielsweise durch unsere ersten Lebensjahre bereits geprägt werden, ist eine spannende Frage, der die Gesundheits- und Arbeitspsychologin Dr. Julia Umek in ihrem Buch „Was sagt mir meine Kindheit“ auf den Grund geht.
Dazu wird erst betrachtet, welche Einflüsse bereits während der Schwangerschaft auf das Kind einwirken und wodurch der Säugling nach der Geburt gestärkt werden kann. Dabei werden mehrere Faktoren, welche Resilienz begünstigen, erläutert. Auch auf Bindungen wird ausführlich eingegangen, wobei ebenfalls erklärt wird, was gute Bindungen auszeichnet. Wie an vielen Stellen im Buch, wird der Leser dazu angehalten, ein paar Fragen zu beantworten, um sich bewusst zu machen, wie er mit Bindungen umgeht, usw..
Sehr interessant geht es dann mit der Frage weiter, in wie weit man noch das Kind von damals ist, bedenkt man doch, dass sich alle sieben Jahre „die Zellen des Körpers vollkommen erneuert“ (S.50) haben.
Danach wird die Bedeutung von Gefühlen für die Entwicklung heraus gearbeitet und sehr verständlich erklärt, aber auch der „rote Faden im Leben“ kommt nicht zu kurz. Spannend waren meines Erachtens auch die Ausführungen zum Familienmotto, welches meist ein ganzes Leben lang unbemerkt in einem schlummert und die Handlungen beeinflusst.
Aber auch Erkenntnisse der modernen Hirnforschung werden aufgezeigt und miteinander verknüpft.
Der zweite Teil des Buches befasst sich damit, wie man sein Verhalten ändern kann. Um diese Frage beantworten zu können, wird zunächst erklärt, was Verhalten ist und welche Tendenzen sich irgendwie zu verhalten bestehen, sodass man sein Handeln etwas einordnen und auf Grundlage dessen auch hinterfragen kann. Von Unselbstständigkeit über Schuldgefühle und Rastlosigkeit bis hin zu Misstrauen ist hier alles vertreten. Auch Verbesserungsvorschläge und Hilfestellungen, wenn man sein Verhalten verändern möchte, werden gegeben. Dabei spielt ein gutes Selbstwertgefühl eine zentrale Rolle und wird deswegen ausführlich behandelt.
Im Anschluss daran wird darauf eingegangen, wie man sich der Vergangenheit stellt, sein Verhalten – falls gewünscht – dauerhaft ändert und letztendlich entspannter und glücklicher mit sich selber umgeht.
Was mir an diesem Werk sehr gut gefällt ist zum einen, dass immer wieder bereits Beschriebenes aufgegriffen und neu verknüpft wird, sodass man sich ein viel umfassenderes Bild von bestimmten Zusammenhängen machen kann, als es ohne erneutes Zurateziehen wäre, und zum anderen, dass Dr. Julia Umek unglaublich viele Fallbeispiele anführt, die ihre Erklärungen viel lebensnaher und verständlicher machen. Außerdem ist sowohl durch die kurzen Abschnitte als auch die abwechslungsreichen Fallbeispiele gewährleistet, dass beim Lesen nie Langeweile aufkommt. Ebenso ist das Verhältnis von Informationen und Erklärungen sehr schön ausbalanciert, sodass dieses Buch angenehm zu lesen, aber dennoch mit viel Inhalt gefüllt ist.
Viele der Betrachtungsweisen waren für mich sehr interessant und ich war beeindruckt, wie viele Einflüsse auf ein Kind wirken und welche Reichweiten sie haben können. Gleichzeitig schenkt dieses Werk aber auch Zuversicht, dass man ungewünschtes Verhalten immer ändern und immer glücklicher werden kann. Sehr schön passen dazu auch die zahlreichen Zitate, mit denen die Autorin die Texte auflockert, da so oftmals auch Ausführungen als Resümee noch einmal genau auf den Punkt gebracht werden.
Sehr hilfreich sind darüber hinaus auch die „Fragebögen“, dank derer man sich eingehend mit der eigenen Kindheit befasst, um die Antworten dann, stets gut angeleitet, in ein anderes Licht rücken kann, um sie auch besser zu verstehen.