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Bewertungen
Insgesamt 173 BewertungenBewertung vom 14.10.2023 | ||
2019 starb diese einflussreiche, kluge und auch heute noch relevante Autorin. Toni Morrison war die erste Schwarze Autorin, die den Literaturnobelpreis erhielt und wir sollten sie nicht vergessen. So sieht es auch der Rowohlt Verlag, der nach und nach wichtige Werke von Morrison neu übersetzen und durch Vor- und Nachworte rahmen lässt. Den Inhalt von »Sehr blaue Augen« setze ich als bekannt voraus und schließe gleich meine Begeisterung an, wie überlegt Morrison an die Figuren und den Aufbau ihres Debüts heranging. In welcher komplexen sprachlichen und formalen Qualität sie ihr literarisches Werk aufbaute. Mit welch einer bewusst humanistisch-politisch bürgerrechtlichen Klarheit sie die Klaviatur der Rassismen formulierte, Chancenungleichheiten erzählte und stets hoffnungsvolle Momente, Möglichkeiten und Emanzipation aufzeigte, ohne ihre Figuren zu verraten. Ein »Erzählprojekt«, so nannte sie es selbst, das die internalisierten Rassismen und den daraus entstandenen Selbsthass und überzeugte Hässlichkeit mit dem Mädchen Pecola erzählt, das sich nichts sehnlicher wünscht als blaue Augen. Der Blick auf die vielen Figuren, auf den vielfältigen Auswirkungen von White Supremacy auf Schwarze Menschen in den USA bleibt immer liebend und verstehend, egal wie schrecklich sie sich verhalten oder behandelt werden. Der gedankenvolle Umgang mit Sprache kann auch in der neuen Übersetzung nur erahnt werden. Morrison im Original lohnt sich wahrscheinlich sehr. Das persönliche Nachwort von Alice Hasters unterstreicht die Aktualität und Übertragbarkeit auf die deutsche Situation, zusätzlich hätte ich mir einen literarischen Kommentar gewünscht, auch wenn es gar nicht möglich sein soll, Botschaft und Literatur zu trennen. |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
»Schnell leben« kreist sich um einen großen Verlust. Sie hatten gerade ein Haus gekauft, eines, das ihr der Zeitgeist einflüsterte, da passiert es. Girauds Mann und Vater des gemeinsamen Sohnes stirbt. Ein Motorradunfall, dessen genauen Hergang und Vorboten die Autorin immer wieder versucht zu rekonstruieren, doch es bleibt eine Leerstelle und sie löst sich nicht auf. Ebensowenig wie ihre »Liternei des Wenn«, die sie Jahrelang quälte und Ausgangspunkt der Geschichte ist. |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
Eine Fliege kommt durch einen halben Wald »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« |7 |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
Zoltán Danyi hat mit Rosenroman eine Hommage an das Verschwinden erschaffen. Verschwunden ist der Vater, ein Rosenzüchter, der Krieg, Bombardierung und Embargo trotzte und das Leben um die Rosen in die Erzählfigur einsähte. Verschwunden ist die Mutter, die bei der ersten Gelegenheit des Krieges zurück nach Ungarn zu ihrer Familie ging, sie war Ungarin aus Ungarn. Zwei Jahre lang schickte sie dem verlassenen Sohn eine Enzyklopädie zum Geburtstag, dann verlor sich ihre Spur. Sein Körper zersetzt sich an der fruchtbarsten Stelle, da helfen auch alle selbst auferlegten Zwänge nicht, die Ärzt:innen auch nur zum Teil, die Kontrolle übernimmt der Verfall. Wie bei der Liebe, dem undurchdringlichen Begehren von und nie ankommen bei seiner Frau, die sich anderes wünschte und schließlich wie die Mutter verschwand. |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
Slowenien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse und es ist nicht nur literarisch ein enorm reiches und spannendes kleines Land. Slowenien ist auch ein zeitgeschichtlich bewegter Teil Europas, insbesondere in der Mitte und zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Slowenische Partisaninnen kämpften an der Seite ihrer Brüder gegen Deutsche, Italienische, Österreichische und nationalistische politische Kräfte Südosteuropas einen harten, meist stark überzeugten Kampf und fanden sich mit der Gründung Jugoslawiens auf der Siegerseite Titos wieder. Die 2013 verstorbene Lyrikerin, Journalistin und Friedensaktivistin Maruša Krese ist die Tochter eines dieser Partisanenpaare. |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
»Klar sehen, zwischen zwei Krämpfen alles erzählen. Sehen, ab wann alles den Bach runter ging. Ich bin ja nicht mit dieser Wut zur Welt gekommen, ich habe sie nicht immer gehasst, meine Eltern, die Kundschaft, den Laden... Die anderen, die Kultivierten, die Professoren, die ehrbaren Leute hasse ich mittlerweile auch. Ich habe den Bauch voll von ihnen. Ich kotze auf sie, auf die Kultur, auf alles was ich gelernt habe. Von allen Seiten gef**ckt...« |17 |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
Über die Berechnung des Rauminhalts II Auf den zweiten Teil von die » Über die Berechnung des Rauminhalts« habe ich freudig gewartet. So inspirierend war der erste Teil, in dem die Antiquariatsbuchhändlerin Tara in einer Zeitschleife hängen bleibt. Immer wieder landet sie im achtzehnten November, Groundhogday in intellektuell. Im ersten Teil sucht Tara nach dem Ausweg und es ist am Ende offen, ob sie bereit ist für die Lücke im System, für den Sprung raus aus der ewigen Wiederholung der Außenwelt, in der sie selbst die einzige Variation ist. Auch Wochen nach dem Lesen dachte ich so einige Radfahrten darüber nach und versuchte zu erraten, was wird Balle in den folgenden sechs Bänden tun? Wird sie die Perspektive zu den anderen Figuren wechseln? Wird sie auflösen, dass es sich um ein Wahnsystem der Figur handelt? Zur gleichen Zeit war ich überzeugt, nein, das wäre viel zu einfach und linear, meine Gedanken sind zu begrenzt für diese Autorin und Geschichte, sie wird mich überraschen. Und, was soll ich sagen, ich wurde nicht enttäuscht. |
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Bewertung vom 14.10.2023 | ||
Tesla oder die Vollendung der Kreise Wer kennt Nikola Tesla? In den Ländern, die einmal Jugoslawien waren, jede:r. Tesla, ein umtriebiger Erfinder von Wechselstrom und Elektrotechnik. Was er genau erfunden hat, hab ich nie richtig verstanden, versucht es nicht, mir zu erklären, gefühlt den Kern von Allem. Tesla, ein eleganter Visionär, der serbische Wurzeln hatte, im heutigen Kroatien auf die Welt kam und um die Jahrhundertwende in New York eine schillernde Figur des öffentlichen Lebens war. Er lebte in Hotels, ließ sich sponsoren, blieb in den Erfindungen und Ideen umtriebig, als Person immer geheimnisvoll, eigen und zurückgezogen. Für die Südslawen war er ein Held, ein Symbol für die jugoslawische Intelligenz. In der neuen Welt zwischen bekannt und verkannt, in der Sowjetunion ein wenig bekannt und im alten Europa so gut wie unbekannt, eignete er sich nur zu gut als Identifikationsfigur für die im Stolz verletzten kleinen südslawischen Völker. |
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Bewertung vom 14.09.2023 | ||
Der Geschmack von Aprikoseneis Stringent und ausgefallen in der Form folgt »Der Geschmack von Aprikoseneis« einem klaren Konzept. 1000 Dreizeiler wie Tweets, Telegramme oder SMS, reiht der Autor aneinander. Im Stil sind sie nüchtern gehalten, erzeugen so Spannung im Kontrast zum emotional geladenen Inhalt, blumigen Worten und kindgerechter Gestaltung. Sie erinnern an Haiku, Suren oder Notizen und greifen Schlaglichter der Erinnerung heraus. Auf Seitenzahlen wird verzichtet, es gibt nur die Nummerierung und stüzende, die Stimmung aufnehmende Illustrationen, die auch die Zahl drei aufgreifen. In drei Farbfamilien gehalten und im Graphic Novel Stil rahmen sie emotionale Passagen von Krieg und Spannung. Gut dosiert fügt der Autor dem Text kurze kontextualisierende Fakten, Jahreszahlen und Erklärungen hinzu. |
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Bewertung vom 13.09.2023 | ||
»Mystischen Fauna« ist ein Essay in präziser poetischer Sprache, Nature Writing, eine intime Selbsterforschung, ein entwaffnendes sich zeigen, ein stilles Abtragen in sich selbst verkörperter Erinnerungen, eine Geschichte von Orten, Gewalt, Vertrauen und Verstehen. Bodrožić führt heilende Selbstgespräche in einem sendenden Mitteilungsbedürfnis und in einer übersprachlichen Verbundenheit, die mit dem unmittelbaren Kontakt mit Tieren, Pflanzen und Soil Kraft gibt, ohne dass sich an ihr festgeklammert wird, eine innere Freiheit in Verbundenheit. |
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