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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 268 Bewertungen
Bewertung vom 20.12.2022
Vilma zählt die Liebe rückwärts
Skretting, Gudrun

Vilma zählt die Liebe rückwärts


sehr gut

Briefe aus dem Jenseits
Wie schon der Titel vermuten lässt, ist diese Geschichte etwas wunderlich. Zunächst stellte sich mir die Frage, warum Vilma die Liebe rückwärts zählt. Ich bekam es nicht heraus, aber die Aussage des Titels rechne ich zu den zahlreichen Skurrilitäten, die dieser Roman zu bieten hat. Die Protagonistin Vilma, 35 Jahre alt, lebt als Klavierlehrerin ganz allein in Oslo in einem großen Haus. Ihre sozialen Kontakte sind auf ein Minimum begrenzt. Eines Tages stehen zwei Männer, ein Pfarrer und ein Sektionsassistent, vor ihrer Tür und konfrontieren sie mit dem Tod des Vaters, von dessen Existenz sie bis dahin nichts wusste. Er hinterlässt ihr zahlreiche an sie gerichtete Briefe, die sie nach und nach öffnet wie bei einem Adventskalender die Türchen. Dabei erfährt Vilma die tragische Liebesgeschichte ihrer Eltern. Mehr und mehr kommt sie aus ihrem Kokon und beginnt sich u.a. ihre eigene Vergangenheit zu erschließen.

Mit dem Lesen kam ich schnell voran. Das Buch strotzt vor komischen, grotesken, befremdlichen Charakteren und Begebenheiten. Die Autorin verfügt über viel schwarzem Humor. Das vermutete ich eher in einem englischen Roman, aber das ist dann wohl norwegischer oder skandinavischer Witz. Jedoch manchmal war es mir dann doch zu viel der skurrilen Personen und grotesken Situationen! Der komischen Vilma werden noch einige Charaktere zur Seite gestellt, die ausgewachsene Macken haben.
Gut herausgearbeitet wurde, wie zaghafte Veränderungen bei der jungen Frau vor sich gehen. Ihre Einstellung zum Leben verändert sich. Erkenntnisse werden sichtbar. Großen Anteil daran hat Amdi, das kleine Musikgenie. Er mit seiner kindlichen Unbeschwertheit bringt ihr so nebenbei menschlichen Umgang nahe. Großartig! Und da ist dann noch der unter Tourette leidende Robert, der sich nicht von Vilma abweisen lässt.

Mein Fazit lautet, dass hier eine durchaus unterhaltsame Geschichte vorliegt mit lustigen und traurigen Sequenzen und einem versöhnlichen Schluss.

Lesenswert!

Ich bewerte mit vier von fünf Sternen!

Bewertung vom 10.11.2022
Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1
Sommerfeld, Helene

Zeit der Sehnsucht / Die Töchter der Ärztin Bd.1


ausgezeichnet

Beeindruckende Lebenswege

„Die Töchter der Ärztin – Zeit der Sehnsucht" ist ein gelungener Auftakt zu einer neuen Reihe des Berliner Autorenehepaars, die sich hinter dem Pseudonym Helene Sommerfeld verbergen. Die Basis bildet die Trilogie um die Ärztin Ricarda Thomasius. Henny und Antonia sind ihre Töchter. Beide treten in die Fußstapfen ihrer prominenten Mutter und wurden ebenfalls Ärztinnen. Während Henny, die Ältere der Schwestern, sich in Berlin eine moderne Praxis für Onkologie aufbaut, will Toni sich an ihrem Geburts- und Sehnsuchtsort in Afrika den Lebenstraum erfüllen. Dafür möchte sie ein Praktikum für ein Jahr im Daressalamer Krankenhaus nutzen. Ein Unterfangen mit gewaltigen Aufgaben, dass sie als Frau und Ärztin in große Gefahr bringen sowie ihre Familie und Freunde vor immense Herausforderungen stellen wird...

Ich liebe historische Romane und wenn sie, wie hier, so fesselnd geschrieben sind wie ein Krimi, dann umso mehr. Die Ereignisse überschlagen sich mit dem Fortgang der Geschichte, wobei die Situationen um Toni in Afrika um einiges aufregender sind.
Berlin Ende der 20er Jahre, reich an geschichtlichen Umbrüchen, bekommt mit den Familien Thomasius und von Freystetten ein vielseitiges Gesicht. Es zeigt vor allem auf, wie sich Frauen der gehobenen Gesellschaftsschicht immer mehr emanzipieren und aus der üblichen traditionellen, scheinbar vorgegebenen Geschlechterrolle ausbrechen. Ganz extrem fällt die junge Frieda von Freystetten mit ihrem radikalen Verhalten auf. Sie nimmt sich wie selbstverständlich Freiheiten, die bis dahin nur den Männern vorbehalten waren. Dabei sind Frieda natürliche Grenzen gesetzt, die sie jedoch auch noch gewitzt für sich zu nutzen weiß. Ganz gewiss begegnet uns die exzentrische junge Frau im nächsten Band wieder.
Die Autoren statten die Personen mit authentischen Charakterzügen aus und bilden damit den Zeitgeist ab. Allen voran handelt die junge Toni mutig, tatkräftig, durchsetzungsstark und vor allem glaubhaft. Mit ihrer Reise nach Afrika und ihrem monatelangen Aufenthalt durchlebt sie eine für sich sehr prägende Zeit mit schönen, aber auch schmerzhaften Erfahrungen.

Recht eindrucksvoll wird die besondere afrikanische Welt mit ihrer Fauna und Flora beschrieben. Ebenso erhält man Einblicke in das schwere Leben der einheimischen Bevölkerung. Hat sich da überhaupt viel Positives bewegt bis zum heutigen Tag?

Zum Schluss noch eine Bemerkung zum ansprechenden Cover und der Ausstattung des Buches. Insgesamt machte alles auf mich einen runden Eindruck durch die zarte Farbgestaltung, der Abbildung der beiden Schwestern und je einer Darstellung Afrikas und Berlins. Vervollständigt wird das Ganze im Innenteil noch durch eine Berlinkarte, dem Stammbaum der Familien Thomasius und von Freystetten sowie durch ein Personenregister zum besseren Verständnis.

Fazit:
Wir erleben starke Frauen Ende der 20er Jahre, die sich in einer dominanten Männerwelt zu behaupten wissen. Das tun sie recht oft mit unkonventionellen Methoden.
Ich fühlte mich bestens unterhalten und freue mich auf die Fortsetzung im November 2023. Der Titel lautet „Die Töchter der Ärztin - Zeit der Hoffnung".

Von mir gibt es die Höchstbewertung und eine unbedingte Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 31.10.2022
Düsteres Wasser: Thriller
Shepherd, Catherine

Düsteres Wasser: Thriller


ausgezeichnet

Rasanter Thriller mit vielen Verdächtigen
„Düsteres Wasser“ ist schon der siebte Fall aus der Reihe um die Rechtsmedizinerin Julia Schwarz.

Wie in all ihren Thrillern gelingt es der Autorin auch hier, die Spannung bis zum Schluss hoch zu halten. Von Beginn an geht es aktionsreich zur Sache. Beständig werden falsche Fährten gelegt. Da sorgte Catherine Shepherd bei mir wieder für ganz schöne Verwirrung.

Die Handlungsfäden werden so geschickt gesponnen, dass fast jeder neue Charakter verdächtig daherkommt. Was sie da für Personen erfindet, die sich von fraglich bis absonderlich, teilweise auch bizarr verhalten! Das zeugt sowohl von Erfindungsreichtum als auch von sehr guter Beobachtungsgabe.

Eine grundlegende private Veränderung sorgt bei dem äußerst sympathischen Paar, dem Ermittler Florian und der Rechtsmedizinerin Julia dafür, dass ich mich besonders auf den nächsten Roman freue. Wie wird es bei ihnen weitergehen? Finden sie akzeptable Wege für die privaten und beruflichen Belange? Bringen sie alles unter einen Hut? Es wird auf alle Fälle nicht einfach werden.

Fazit:
Das war mal wieder eine rasante Geschichte, die auch noch einen außergewöhnlichen Abschluss bereithielt. Es war spannend und unterhaltsam zugleich. Für mich bedeutete es eine Lektüre, bei der ich eigentlich keine Ablenkung möchte und Arbeiten jeglicher Art nur stören.

Ich vergebe die Höchstbewertung, d.h. fünf von fünf Sternen!

Bewertung vom 24.10.2022
Tage des Lichts / Kinderklinik Weißensee Bd.3
Blum, Antonia

Tage des Lichts / Kinderklinik Weißensee Bd.3


ausgezeichnet

Deutsche Geschichte, fassbar erzählt

Berlin ab 1928 bis 1930 und Epilog Dez. 1931:
In Band 3 geht es weiter mit den Lindow-Schwestern Marlene (inzwischen Marlene von Weilert) und Emma (verheiratete Vogel) vor ereignisreichem, historischen Hintergrund.
Antonia Blum stellt die Kinderklinik Berlin – Weißensee in den Mittelpunkt ihrer Romanreihe. Sie beschreibt unterschiedliche Lebensläufe in der geschichtlichen Entwicklung der Zeit.

Mich fesselten über die 30 Kapitel und den 496 Seiten die lebendig dargestellten Charaktere in außergewöhnlichem Maß. Sie waren so authentisch gezeichnet, dass ich mir sie sehr gut vorstellen konnte. Das kommt besonders gut zur Geltung in den Nebenfiguren, die gleichzeitig Gesellschaftschichten oder/und politische Gesinnung repräsentieren. Vielfältige Verhaltensweisen, Charakterstärken und – schwächen werden thematisiert (wie z. B. Standesdünkel, Hochmut, übersteigertes Selbstbewußtsein, Selbstüberschätzung, Kaltherzigkeit, Eifersucht, Gewalt...) und in den Verlauf der Geschichte geschickt eingebunden.
Die Zeit des stetigen Niedergangs der Weimarer Republik und des Erstarkens der braunen Kräfte mit dem Aufstieg der NSDAP schlägt sich spürbar nieder im Alltag der Menschen. Das versteht die Autorin in den Schicksalen ihrer Figuren eindrücklich darzustellen. Darüber hinaus hält der medizinische Fortschritt Einzug durch die Entdeckung des Penicillins und seiner baldigen Anwendung in der Kinderheilkunde.
Der Schreibstil ist flüssig und überzeugend. Wunderbar sind die Dialoge in der berühmten "Berliner Schnauze".
Die privaten und gesellschaftlichen Geschehnisse sind sehr komprimiert. Doch die Zeit war ähnlich wie heute sehr ereignisreich. Der Weltwirtschaftskrise folgte die Massenarbeitslosigkeit und vor allem eine unbeschreibliche Armut. Berlin war ein Zentrum. Hier kamen die Gegensätze am deutlichsten zum Ausdruck.
Ich kann die Reihe sehr empfehlen.

Fazit:
Anschaulicher und sehr unterhaltsamer Geschichtsunterricht, beeindruckend, berührend!

Ich bewerte mit höchster Sternenanzahl!

Bewertung vom 19.10.2022
Auf der Spur des Jägers
Hartung, Alexander

Auf der Spur des Jägers


ausgezeichnet

Ermittlung der anderen Art
Ich finde den Thriller unterhaltsam, mit schwarzem Humor versehen, und vor allem spannend von Beginn an. Mit Hilfe seines unkonventionellen Teams versucht der Berliner Kriminalkommissar Jan Tommen erneut komplizierte Verstrickungen bei den brutalen Morden herauszufinden. Mit Max, Zoe und Chandu hat er Freunde, denen nicht die Hände gebunden sind. Sie ermitteln auf illegale Weise. Ich flog von Seite zu Seite und war voller Wissbegier, wie sie die Fälle lösen werden und wie sie miteinander in Verbindung stehen. Ganz schön komplexe Verwicklungen lässt sich der Autor mit zahlreichen, interessanten Figuren bis hin zu den Nebencharakteren einfallen. Er lockte mich damit auf die eine oder andere falsche Fährte. Das aber macht(e) für mich die zusätzliche Spannung aus.

Um die Zusammenarbeit Jans mit den drei ungewöhnlichen Spezialisten richtig einordnen zu können, sollte meiner Meinung nach zumindest Band 1 bekannt sein. Dort finden sie in einer ausweglosen, total irren Situation (für den Kommissar!) zueinander und helfen ihm aus der Patsche. Seitdem sind sie alle drei ein wichtiger Bestandteil nicht nur im beruflichen Leben des Ermittlers, sondern auch privat eine gute Truppe.

Die Story um hochkriminelle Machenschaften wie Menschenhandel, Zwangsprostitution hat mir gut gefallen. Bis zur letzten Seite empfand ich das Geschehen hochspannend. Es gab tragische Momente, die durch Selbstjustiz zustande kamen und teuer bezahlt wurden (Tod und schwere Verletzungen). In letzter Minute konnte Leben gerettet werden. Ich bin gespannt, ob im nächsten Fall das exklusive Trio erweitert wird um Dr. Volpe. Sie erscheint mir als Bereicherung.

Den nächsten Band erwarte ich sehnsüchtig. Ich bewerte mit fünf von fünf Sternen und vergebe gern meine Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 05.10.2022
Die versteckte Apotheke
Penner, Sarah

Die versteckte Apotheke


gut

Zuviel Zufall!
Mit großer Freude ging ich an die Lektüre des herrlich gestalteten Buches mit Lesebändchen. Nicht nur der Schutzumschlag besticht durch seine Farbigkeit, sondern auch das schön bedruckte Hardcover gefällt mir gut.
»Die versteckte Apotheke« ist der erste Roman Sarah Penners und wurde schon in elf Sprachen weltweit übersetzt. Diese Tatsachen weckten neben dem tollen Cover, dem aussichtsvollen Klappentext und dem geheimnisvollen Titel mein gesteigertes Interesse.

Meine Meinung:
Der lockere Schreibstil gefällt mir gut und der Erstlingsroman besitzt unverkennbar Potential. Doch irgendwie war die Autorin zu überambitioniert, sowohl bei den Handlungen der Protagonisten in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit, als auch bei der Gestaltung der Figuren selbst. Es gibt sicher Leser, die darüber hinwegsehen, aber mich störte das schon sehr. Ich möchte nicht spoilern. Doch einen Hinweis gebe ich! Das betrifft das Apothekenbuch von Nella, wo sie akribisch alle Daten ihrer Kundinnen vermerkt, d. h. mit Namen, Adresse, Art des zu verabreichenden Giftes bis hin zum Namen des Todgeweihten.
Den Sinn dieser Vorgehensweise habe ich überhaupt nicht verstanden.
Die Story verläuft oft zu konstruiert. Es gibt zu viele Zufälle, die den Verlauf der Handlung in die gewünschte Richtung lenken. Das wirkte häufig unglaubwürdig.
Schön allerdings fand ich die Idee der Autorin mit dem Mudlarking. Sie entwickelte die Geschichte mit dieser traditionellen Schatzsuche im Uferschlamm der Themse, ließ Caroline ein antikes Glasfläschchen finden...
Mit weniger Übertreibungen wäre der Roman für mich vielleicht zum Highlight geworden. So reichte es leider nur für eine mittelmäßige Bewertung (3 von 5 Sternen) .

Fazit:
Der Roman beschert gute Unterhaltung, allerdings mit wenig Tiefgang, unrealistischen Handlungen sowie einer nervenden Protagonistin in der Gegenwart.

Bewertung vom 15.09.2022
Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1
Goldammer, Frank

Ein dunkler Ort / Felix Bruch Bd.1


gut

Ein kauziges Ermittlerduo!
Ein neues Buch von Frank Goldammer! Auf die Lektüre freute ich mich sehr, machte ich doch mit den Bänden seiner historischen Kriminalroman-Reihe über Max Heller, den Dresdner Kommissar, die besten Leseerfahrungen. Toll geschrieben!
Hier nun mit „Bruch – Ein dunkler Ort" bin ich zwiegespalten. Auch dieser Krimi zeichnet sich durch einen guten Schreibstil aus, aber die Handlung geriet für meinen Lesegeschmack zu langatmig und in großen Teilen unglaubwürdig. Darunter litt die Spannung. Zudem wiederholten sich zu viele Fakten.

In einem Stadtteil am Rande Dresdens verschwindet ein zwölfjähriges Mädchen spurlos. Zwei Jahre zuvor war das bereits schon mal mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft geschehen. Doch zwei Wochen später kam sie scheinbar unversehrt zurück.
Die Eltern und der Bruder des zuerst verschwundenen Kindes verhalten sich extrem abweisend gegenüber der Polizei. Sie mauern und schotten sie wirkungsvoll ab. Warum sie das tun, ist unverständlich, klärt sich erst gegen Ende des Buches auf. Das Ermittlerduo Felix Bruch und Nicole Schauer scheint im Nebel zu stochern. Wirkliche zielführende Untersuchungen zum Fall des zweiten entführten Mädchens konnte ich nicht erkennen. Eine gruselige, Gänsehaut erzeugende Atmosphäre entwickelte sich durch das wiederholte nächtliche Aufhalten der beiden Kommissare in dem ruinösen, vergammelten einsturzgefährdeten Anwesen der alten Frau.
Sowohl Bruch als auch Schauer werden als Charaktere sehr überzeichnet, so dass sie für den Polizeidienst eigentlich untauglich sind. Sie sind äußerst problembeladen mit ihrer Vergangenheit. Felix Bruch ist extrem in sich gekehrt, läßt Schauer agieren, die gerade erst von Hamburg nach Dresden versetzt wurde. Nicole Schauer hat ein sehr hohes Aggressionspotential, schlägt unvermittelt und hart zu mit Verletzungsfolgen, die schon mal im Krankenhaus enden. Beide gehören in Therapie und nicht an vorderste Front zur Ermittlung von Kriminalfällen! Jedenfalls ein sehr seltsames Duo und kein Ruhmesblatt für die Polizei.

Obwohl alles recht skurril abläuft in dem Krimi, bin ich gespannt auf den nächsten Band, wenn es einen geben sollte. Wie werden sich Bruch und Schauer entwickeln? Haben sie noch Perspektiven bei der Polizei nach dieser chaotischen, unprofessionellen und unrealistischen Ermittlungsarbeit?

Dem Autor gebe ich nach meinen sehr guten bisherigen Leseempfindungen die Chance den komischen Eindruck, den dieses Buch bei mir hinterließ, zu revidieren. Wäre es mein erster Krimi von ihm gewesen, hätte ich noch einen Stern weniger gegeben. So sind es noch drei von fünf Sternen geworden!

Bewertung vom 19.08.2022
Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1
Erler, Lukas

Das letzte Grab / Carla Winter Bd.1


ausgezeichnet

Perfide, skrupellose Machenschaften
Lukas Erler schrieb mit „Das letzte Grab“ einen Kriminalroman, der mich von Anfang bis zum Ende fesseln konnte. Jede Unterbrechung kam mir sehr ungelegen! Ja, das ist ein Krimi ganz nach meinem Lesegeschmack. Es beginnt schon sehr schwungvoll.

Carla Winter, eine unkonventionelle, sehr taffe Frankfurter Rechtsanwältin wird vom türkischen Konsulat mit dem Unfalltod ihres Exmannes konfrontiert und gebeten, die Kosten für die Überführung der sterblichen Überreste sowie die für die Bestattung zu übernehmen. Sie sagt zu, obwohl diese Vorgehensweise eine sehr ungewöhnliche Angelegenheit ist. Wieder in ihrem schönen Zuhause am Stadtrand angekommen, erwartet sie der Schock ihres Lebens. Außer der Verwüstung der Wohnräume findet sie den jungen Lover für eine Nacht, von dem sie nicht einmal den Namen kennt, brutal zugerichtet als Leiche im Kleiderschrank. Bald folgt Carla dieser Killer, aber sie kann mit seiner Forderung zu der geraubten babylonischen Statue gar nichts anfangen. Um zu überleben, macht sie sich auf, um Antworten zu der mysteriösen Angelegenheit zu finden.

Die rasante Handlung über verschiedene Orte in mehreren Ländern auf unterschiedlichen Kontinenten entwickelt bald eine eigene fesselnde Dynamik. Die tatkräftige und entschlussfreudige Hauptperson Carla Winter führt den Leser zu interessanten Kontaktpersonen, die ihr stets auf vielfältige Weise Unterstützung bieten können bei ihrer gefährlichen Mission. Auf nur 288 Seiten und in 54 Kapiteln sowie in zwei entscheidenden, kurzen Abschnitten zum Schluss wird atemlose Spannung geboten. In den wenigen Seiten steckt eine Brisanz, die nichts zu wünschen übrig lässt. Darüber hinaus werden aktuelle Themen wie der Raub von antiken Kunstwerken, deren Schmuggel und der Handel auf dem Kunstmarkt angesprochen und wie skrupellos dabei vorgegangen wird. Da schreckt man vor gar nichts zurück! Menschenleben zählen nicht.

Fazit:
„Das letzte Grab“ ist ein unterhaltsamer, sehr spannender Krimi mit Thrillerelementen (wobei das Genre, weder Krimi noch Thriller, gar nicht benannt ist).
Von mir gibt es die Höchstbewertung mit unbedingter Lese- und Kaufempfehlung!

Bewertung vom 22.07.2022
Als das Böse kam
Menger, Ivar Leon

Als das Böse kam


sehr gut

Wehe, wenn der Zeigefinger zittert!
Beinahe Junos gesamtes Leben versteckt sich die Familie auf einer einsamen Insel. Gemeinsam mit ihrem Bruder Boy bewohnen sie eine Blockhütte mitten im Wald. Einen kleinen Eindruck der düsteren Atmosphäre vermittelt das Cover recht eindringlich. Vater, Mutter, Kinder sind angeblich aus Südland geflohen, was es aber auf ihrem Brettspiel gar nicht gibt. Ebenso Nordland nicht, wo sie leben.
Eine unbestimmte Gefahr bedroht die kleine Gemeinschaft und deshalb müssen die Heranwachsenden viele Regeln und Gebote beachten. Eine davon ist, wenn die Sirene ertönt, müssen sie in einen Schutzraum, der sie vor dem Zugriff der Fremdlinge bewahrt.

Die bizarre Geschichte wird aus der Sicht der 16jährigen Juno dargestellt. Ihr naiver, unverstellter Charakter machte mir zunächst viel Freude. Das junge Mädchen hatte meine Sympathie. Sie kannte ja kein anderes Leben; sie wußte nichts von der Außenwelt. Eine gewisse Spannung stellte sich recht bald ein. Juno beginnt Fragen zu stellen und sie macht sich ihren Reim drauf. Unbedingt will sie die andere Seite des Sees erkunden. Dabei bringt sie sich und ihren 12jährigen Bruder in Gefahr.

Es hätte ein noch packenderer Thriller werden können bei der Thematik, von der ich hier noch nichts verraten möchte. Doch irgendwie fand ich einiges stark überzogen, ja regelrecht unlogisch. Lustig fand ich den Einfall des Autors, Junos Zeigefinger zittern zu lassen, wenn sie lügt. Ein untrügliches Zeichen für die Mutter, die sich als böse Frau entpuppt, eine Hexe wie im Märchen.
Wäre ich um einiges jünger, hätte ich das Buch sicher verschlungen. Es ist durch den einfachen, schönen Schreibstil für Jugendliche sehr geeignet und sie sehen vieles sicher nicht so kritisch wie ich.

Es reicht für vier von fünf Sternen und meine bevorzugte Empfehlung für jugendliche Leser!

Bewertung vom 19.07.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


ausgezeichnet

Teppichgeschichte(n)
Der Ausgangspunkt für Karin Kalisas Roman „Fischers Frau" sind die sogenannten Fischerteppiche, die Ende der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhundert durch Nebenerwerb von Fischern und ihren Familien der Region Ostpommern entworfen und geknüpft wurden.
Der Anlass für diese Art der Beschäftigung war die Verhängung eines dreijährigen Fischfangverbotes im Jahr 1928 in der südlichen Ostsee, damit sich die stark gelichteten Fischbestände erholen konnten. In ganz Europa wurden die Teppiche der Verkaufsschlager. Doch der Grüne in dieser Geschichte fällt aus dem Rahmen, denn diese Farbe verwendeten die Fischer kaum. Farbschattierungen, Musterung, Materialien, Symbolik und Signierung, alles sehr ungewöhnlich. Wer und was steckt dahinter?

Mia Sund ist eine diplomierte Faserarchäologin an der Greifswalder Universität. Ihr wird vom Chef der außergewöhnliche Fischerteppich vorgelegt mit einer Bemerkung, die sie tief im Innersten erschüttert, die ihre verdrängte Vergangenheit wieder unliebsam hervorruft. Sie wird durch den Satz „Nicht, dass es eine Fälschung ist“ mehr als wachgerüttelt. Dabei war es ihr bis dahin so wichtig, dass sich rein gar nichts in ihrem Leben verändert. Sie beginnt sich intensiv mit dem Teppich zu beschäftigen, will seinem Geheimnis auf den Grund gehen und verlässt dafür ihre mühsam erkämpfte Komfortzone, ihr Dasein im selbstgewählten Mittelmaß. Die Spur führt nach Zagreb. Dort auf der Suche nach Fakten findet Mia zwar ihr persönliches Glück, wahrscheinlich endlich ihr Lebensziel, aber zu der talentierten Teppichknüpferin gibt es leider nur Fragmentarisches. So beginnt sie das Wenige über Nina, die außerdem eine begnadete Erzählerin gewesen sein soll, in eine märchenhafte, fiktive Geschichte mit realem Bezug zum Zeitgeschehen einzubinden. Es entstehen wunderbare Erzählfäden, Interpretationen, die aus neuer Perspektive mit vertauschten Rollen betrachtet werden (z. B. hier hat der Fischer Wünsche im Gegensatz zum Märchen!).
Die beiden Frauen, Mia und Nina, sind grundverschieden und irgendwie auch wieder nicht. Sie trennen viele Jahrzehnte, gehören verschiedenen Generationen an. Und doch versteht es Karin Kalisa in ihrer Erzählung zwischen den Zeitebenen, zwischen dem Hier und Heute, zwischen Gegenwart und Vergangenheit Schicksale und geschichtliche Ereignisse zu verflechten.

"Als sei die Vergangenheit ein Brausepulver und die Gegenwart ein Glas Wasser.“ (S. 136)

Der Erzählfaden verbindet das Echte mit dem Falschen, die Fantasie mit der Wirklichkeit, das Märchenhafte mit dem Realen. Ab und zu sprudeln die Ideen über und drohen sich zu verheddern, aber dann folgen die Gedanken wieder einer mir klaren Linie. Ich konnte mich auf dieses Buch einlassen und der Kraft des Erzählens folgen.

Fazit:
Mit Karin Kalisas „Fischers Frau“ war ich sehr gern unterwegs; und zwar mit Mia (Gegenwart) und Nina (Vergangenheit) auf den Spuren eines geheimnisvollen Teppichs. Der Weg führte von Greifswald, Stralsund, Freest nach Zagreb, durch halb Europa u.a. Spanien und schließlich nach Schweden.
Eine interessante, recht ungewöhnliche Reise zu eigenen Erkenntnissen mit vielen textilen Metaphern. Hier werden Fäden geknüpft, verknotet, verbunden, fallengelassen, als lose Enden hängengelassen, vergessen oder irgendwann wieder aufgenommen.
Teils realistisch, teils fiktiv. Fischerteppiche von der Ostsee - für mich ein ganz neues textilgeschichtliches Thema!