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kaffeeelse

Bewertungen

Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2024
Play It As It Lays
Didion, Joan

Play It As It Lays


sehr gut

Werte


„Play it as it lays“ ist ein Klassiker der amerikanischen Literatur, genauso wie Joan Didion eine Ikone in der Literatur war/ist. „Play it as it lays“ ist ein Blick auf die 60er Jahre, „Play it as it lays“ ist ein Blick in die Vergangenheit. Andererseits ist dieses 1970 herausgebrachte Buch auch wieder gar nicht so vergangen.





„Play it as it lays“ zeigt den Umgang der Gesellschaft mit den Menschen. Du bist etwas, wenn du funktionierst, wenn du ein Teil der Geldmaschine bist, wenn du die ersten Fehler, die ersten Macken zeigst, wirst du ein schwieriger Teil der Gesellschaft und dies wird dir von der Gesellschaft vermittelt. So ist es ja immer noch, von den 60ern bis heute. Vielleicht hat man heute mehr Möglichkeiten sich zur Wehr zu setzen als damals, aber unsere Welt tickt noch genauso.





Nun zeigt „Play it as it lays“ die Welt Hollywoods, eine Welt der Täuschungen, der die Schauspielerinnen mehr unterworfen sind als der männliche Teil dieser Welt. Und dies ist heute nicht anders. Das Patriarchat zeigte damals, wie auch heute seine Macht. Nur dass diese Welt sich heute öffnet, in dem auch die weibliche Welt Zugang zu ehemaligen Männerdomänen hat und demzufolge auch Filme und Bücher mit anderen Sichten in das Licht der Öffentlichkeit treten. Aber diese Schönheitsideale gelten nach wie vor und machen den Frauen das Leben schwer.





Und dies macht ja ebenso Klassiker aus, ihre Bedeutung verliert sich nicht mit den Jahren. Und diese patriarchal denkende Welt wird sich weiterhin an die Macht klammern, denn die Gier ist ein wichtiger Teil des Patriarchats.





Der Schreibstil von „Play it as it lays“ ist etwas eigenwillig, hier eröffnet sich nicht so diese erzählerisch und inhaltlich überbordende Geschichte. Eher ist alles etwas knapp und irgendwie abgehackt verfasst, ebenso wie die Geschichte auch etwas distanziert erzählt wird. Dennoch entfaltet aber diese Art des Erzählens eine gewisse Macht, gerade durch diese Form der Geschichte. Die Leserschaft sinniert, gerade dadurch wird das Buch ergreifend und intensiv. Allerdings für mich nicht intensiv genug für Stern 5. Dennoch interessant geschrieben und mich macht die Lektüre neugierig auf weiteres aus der Feder von Joan Didion. Denn dieses Buch war mein erstes Buch von Joan Didion. Aber in meinen Regalen warten natürlich schon weitere Bücher von Joan Didion auf ihre Lesezeit.

Bewertung vom 03.03.2024
Nur nicht zu den Löwen
Doron, Lizzie

Nur nicht zu den Löwen


sehr gut

Veränderung


Rivi Greenfeld lebt in Tel Aviv, im Viertel Neve Tzedek. Dieses Viertel ist gerade angesagt und so soll Rivi ihr Haus verlassen, damit eine neue Welt entstehen kann. Doch Rivi will ihr Heim, ihre Erinnerungen nicht verlieren. Und so fängt sie an sich zu wehren, sie schreibt Briefe und E-Mails an verschiedene Personen, um ihrem Schicksal etwas entgegenzusetzen. In diesen Briefen und E-Mails ist eine Rückschau auf Vergangenes enthalten und dieses Vergangene beinhaltet leider auch den Umgang des Patriarchats mit uns Frauen.



Ein kleines Buch, ein traurig machendes Buch, ein wichtiges Buch. Aber auch ein Buch, welches einen Kampfgeist zeigt, der in uns wohnt. Denn nur weil immer schon etwas war, wie es war, heißt dies ja nicht, dass dies so bleiben muss. Ein Buch einer alten und einsamen Frau, ein Buch einer traumatisierten Frau. Aber ebenso auch ein Buch einer Veränderung. Ein Buch, welches zeigt, welche Kraft in der Kommunikation steckt. Denn das Patriarchat benutzt uns alle ja zum Erreichen seiner Ziele, wir alle besetzen ja irgendwie diese Höher-Schneller-Weiter-Denke. Manchmal mehr und manchmal weniger. Aber wir alle sind Teil des Systems. Aber dieser Teil des Systems ist dem System nicht immer ausgeliefert, sondern in uns, in unserer Denke, in unseren Taten steckt auch die Kraft zur Veränderung. Und die Kommunikation ist der Beginn der Veränderung. Gerade kann man dies beobachten. Ein großer Teil der Bevölkerung sagt gerade nicht mit uns. Dies macht Hoffnung.



Genauso wie dieses kleine Buch einen Geist der Hoffnung verströmt. Denn die 1953 geborene Lizzie Doron schaut mit ihren Büchern ja auf eine Gesellschaft. Durch ihre gelebten und erlebten Jahre hat sie einen Einblick in diese patriarchale Welt erhalten und sie sieht dieses Bröckeln, diese Risse und diesen Verfall in den Mauern des Patriarchats. Langsam. Aber stetig.

Bewertung vom 03.03.2024
Yoga Town
Speck, Daniel

Yoga Town


sehr gut

Reise in die Vergangenheit


Lucy, eine Berliner Yogalehrerin, versucht auch über Yoga zu ihrer Ruhe, zu ihrem inneren Frieden zu gelangen, doch dies klappt irgendwie nicht. Auch ihre Bindungsfähigkeit lässt zu wünschen übrig. Lucy ahnt, dass es dafür Ursachen gibt. Ursachen, die auch in der Vergangenheit begründet liegen müssen. Denn zu einigen Fragen äußern sich ihre Eltern recht vage. Als ihre Mutter Corinna Hals über Kopf verschwindet, regt sich ihr Vater Lou sehr darüber auf. Doch als Lucy herausbekommt, dass Corinna in Indien ist, wird Lou verzagter. Irgendwie will er nicht nach Indien, doch Lucy überredet ihn, zwingt ihn mehr oder weniger. Dies ist der erste Erzählstrang in diesem Buch.



Der zweite Erzählstrang in dem Buch führt in die Vergangenheit, in die Jugend von Corinna und Lou, in das Jahr 1968. Lou und sein Bruder Marc machen sich auf den Weg auf den Hippietrail nach Indien, da Marc die bürgerliche Enge zu Hause nicht erträgt. Mit von der Partie ist noch Marie, Lous Freundin und auf der Reise gelangt in der Türkei noch Corinna zu dem Trio. Auf der Reise erleben sie Einiges, genießen ihre Freiheit und gelangen auch mehr und mehr zu sich selbst. Und schließlich gelangen sie nach Rishikesh, eine Stadt am Ganges und dort kommen sie in den Ashram des Gurus Maharishi. Ein Ashram, in den auch damalige Größen aus dem Showbiz reisten. Hier sind es die Beatles und ihre Anhängerschaft, die die Geschichte noch etwas würzen. Aber nicht nur das beschäftigt das Quartett. Sie werden hier erwachsen werden, sie müssen hier erwachsen werden müssen, also der überlebende Teil von ihnen.



Und genau in dieses Rishikesh, diese Yoga-Metropole am Ganges gelangen rund 50 Jahre später auch Lucy und Lou und finden dort die Gründe, warum sie sind, wie sie sind.



Ein interessantes Buch, welches ich hier gelesen habe. Sehr lehrreich ist es, was die Informationen zu der Stadt Rishikesh und den Ashram des Gurus Maharishi und seine Bedeutung zum Beispiel für die Beatles betreffen. Ebenso interessant ist das Buch von Daniel Speck, was die Figurenzeichnungen und ihre Geschichte so angehen. Manches war etwas vorhersehbar für mich. Aber gut, eine interessante und bunte und auch spannende Geschichte bietet „Yoga Town“ allemal, und dieser Roman ist auch eine glänzende Unterhaltung. Ich habe ihn sehr gern gelesen.

Bewertung vom 03.03.2024
Simone
Reich, Anja

Simone


ausgezeichnet

Suizid und Freundschaft


Zwei Freundinnen. Anja und Simone. Ein Suizid. Simone ist tot und Anja bleibt zurück. Anja versucht zu verstehen. Lebt mit einer Schuld, für die es eigentlich keinen Grund gibt. Eben. Eigentlich. Denn die Zurückgebliebenen werden sich immer fragen. Hätte ich etwas tun können? Hätte ich etwas bemerken können, wenn ich nicht so mit mir beschäftigt gewesen wäre? Hätte ich es verhindern können?



Und dazu muss ich mal aus der eigenen Betrachtungsweise etwas sagen, aus der beruflichen Perspektive sozusagen. Nein, dies kann man nicht. Dies muss man sich einfach mal sagen. Nur der Betroffene kann dies verhindern. In dem der Betroffene, der kranke Mensch sich Hilfe sucht, zum Psychiater geht, sich Medikamente verschreiben lässt, psychologische Hilfe in Anspruch nimmt, über das eigene Befinden redet und durch psychologische und medikamentöse Hilfe eigene Betrachtungsweisen verändert, eigene Schuldzuweisungen an sich selbst negiert und differenzierter auf bisher erlebtes schaut. Klar, dies ist kein einfacher Prozess, den man sich einfach mal aus dem Ärmel schüttelt. Aber es ist eine Möglichkeit aus der eigenen Hölle herauszufinden und dies lohnt sich. Denn das Leben ist schön und man sollte es genießen. Hier mal wieder ein Hoch auf Frieda!



Anja Reich hat mit „Simone“ ein bewegendes und intensives Buch geschrieben, welches ein hochbrisantes Thema beinhaltet. Den Suizid. Und seine Folgen für die Zurückbleibenden. Und damit möchte ich meine Hochachtung vor Anja Reich und ihrem Tun einen Ausdruck verleihen. Sich an solch ein Thema heranzuwagen, trotz der eigenen Betroffenheit, ich ziehe meinen Hut und spende einen tosenden Beifall! Anja und Simone hätten miteinander alt werden können, hätten noch viel miteinander erleben können. Wenn es diese verdammte Krankheit nicht gegeben hätte. Simone wird immer fehlen. Und dieses Fehlen und die mit dem Suizid verbundenen Fragen lassen Anja Reich dieses Buch schreiben. Ein zutiefst berührendes Buch, welches zeigt, was dieser Suizid bedeutet. Ein Buch, dem ich viele Leser wünsche! Ein Buch, von welchem ich mir erhoffe, das es hilft, das es vielleicht manches Tun verhindert. Ein Buch, von dem ich mir erhoffe, das es mehr Verständnis für psychiatrische Krankheiten ermöglicht! Denn genau das brauchen wir in unserer Gesellschaft. Denn nur ein Verständnis könnte eine Verminderung der Suizidraten in unserem Land bewirken. Denn ein Umdenken bei den psychiatrischen Erkrankungen ist immer noch nötig. Denn obwohl wir so modern sind. In dieser Hinsicht müssen wir noch viel lernen.



Vielen Dank an Anja Reich für dieses bewegende Buch „Simone“! Lest es und schaut euch um!

Bewertung vom 03.03.2024
Zweistromland
zu Stolberg, Beliban

Zweistromland


ausgezeichnet

Suche nach der Wahrheit


Dilan ist die Tochter von Kurden, die in Deutschland leben. In ihrer Familie gab und gibt es viel Ungesagtes über die Familiengeschichte, über die Vergangenheit. Und dieses Ungesagte hat natürlich Folgen. Dilan lebt mit ihrem schwedischen Mann in Istanbul, auch dies ist ja irgendwie ein Zeichen, sie hätte ja auch in Deutschland bleiben können. Als Wirtschaftsanwältin wird sie ja mit geschichtlichen Entwicklungen in der Türkei durchaus vertraut sein und auch einigen politischen Einblick haben. Dennoch lebt sie als Kurdin dort. Wirtschaftlich geht es den beiden gut, in ihre Beziehung hat sich nur eine gewisse Unlust zum Reden eingeschlichen, vielleicht ist auch etwas aus der Gefühlswelt verschwunden, manchmal kann man ja diese Veränderungen noch nicht so richtig benennen. Auch an diesem bisher sicheren Ort zeigen sich Risse. Der Tod der Mutter und das Geschehen auf der Beerdigung der Mutter reißen ebenso alte Wunden wieder auf, lassen alte Fragen wieder aufkommen und alte Gedanken. Gedanken, die nicht verschwinden, die sich nicht verdrängen lassen. Und so reist die schwangere Dilan vollkommen spontan und ohne Absprachen schließlich in die Heimat der Eltern, nach Diyarbakir in den Osten der Türkei, eine uralte Stadt am Tigris und ein Zentrum der Kurden. Und spürt der Vergangenheit der Eltern nach, spürt der Vergangenheit der Kurden nach. Ein eigenwilliger Schritt. Ein mutiger Schritt. Aber auch ein irgendwie vorschneller Schritt. Würde diesen Schritt jede Frau mit kurdischer Abstammung tun? Dies bezweifele ich etwas. Denn das politische System der Türkei hat seine Tücken. Andererseits zeigt diese Reise auch die Dringlichkeit des zugrunde liegenden Problems.



Denn dieses Ungesagte in Dilans Familie scheint sich zu einem riesigen Berg aufgetürmt zu haben. Von daher verstehe ich diese Reise wieder. Trotzdem bewundere ich Dilan auch für ihren Mut und bin etwas irritiert.



Beliban zu Stoltenberg hat mit „Zweistromland“ ein einfühlsames und berührendes Buch geschrieben, welches zeigt, was dieses Ungesagte mit den Beteiligten machen kann. „Zweistromland“ ist ebenso ein Buch, welches zeigt, was passieren kann, wenn man zwischen zwei Stühlen sitzt. Den Schreibstil von Beliban zu Stoltenberg fand ich ungemein poetisch und wunderschön, der Roman „Zweistromland“ ist ungemein intensiv, man mag sich diesem Buch nicht entziehen wollen. Was natürlich neugierig macht auf Weiteres aus der Feder dieser Schriftstellerin. Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen und empfehle es gern.

Bewertung vom 03.03.2024
Mein Herz ist eine Krähe
Nordquist, Lina

Mein Herz ist eine Krähe


ausgezeichnet

So ist das Leben


Lina Nordquist hat hier eine Familiengeschichte geschrieben. Doch „Mein Herz ist eine Krähe“ ist nicht nur eine Familiengeschichte. Dieses Buch ist viel viel mehr, denn es ist spannend und fesselnd wie ein Thriller, düster und dunkel wie so einige Bücher aus den nordischen Gefilden und es ist unheimlich intensiv und ergreifend, ohne dabei auf die Tränendrüse zu drücken. Eine interessante Mischung! Und ein Buch, welches ich im vorigen Jahr sehr, sehr gern gelesen habe. Es war eines meiner Jahreshighlights! Und das heißt etwas. Alle, die mein Tun im Literaturbereich in den letzten Jahren verfolgen, werden dies wissen.



Diese Familiengeschichte wird in zwei Handlungssträngen erzählt, einmal erzählt Unni von der Flucht der Familie um 1900 aus Norwegen nach Schweden und der zweite Handlungsstrang wird von Kåra erzählt, rund 70 Jahre später, kurz nach Roars Tod, Unnis Sohn und Kåras Schwiegervater. Lina Nordquist erzählt hier eine unheimlich intensive Familiengeschichte, deren Figuren psychologisch dicht gestrickt sind und die ein Leben in den nordischen Gefilden widerspiegelt, welches schockiert und gleichzeitig bei mir auch düstere Ahnungen bestätigt. Denn manch altes Geschehen hat seine Fühler ins Jetzt ausgestreckt und verfolgt die Generationen. Diese Geschichte ist wunderbar von Lina Nordquist verfasst worden und ich spende einen tosenden Applaus für dieses fesselnde Buch. Dieser Roman sollte der heutigen Leserschaft zeigen, in welch glücklichen Zeiten wir leben. Vielleicht lässt es unsere nörgelnden und niffenden Gedanken mal kurz verstummen und lässt diesem grausigen Geschehen seinen gebührenden Platz. Denn solange her ist dieses Geschehen nicht. Gerade uns Frauen sollte der Roman zeigen, in welch glücklichen Zeiten wir leben. Und dieses Buch sollte uns auch zeigen wieviel diese freie Zeit, in der wir leben, uns wert sein sollte. Gerade in den heutigen Zeiten, in denen diese braunblaue Brut uns Frauen in unseren Rechten wieder einschränken möchte und uns unseren ihrer Meinung nach angestammten Platz am Herd zuweisen möchte. Denn dabei vergisst diese rechte Brut die Geschichte mit ihren Kriegerinnen und auch die urgermanischen Walküren.



Dieses Buch, die Handlung ist brutal und hart, das schreckt sicher ab. Aber mir kam diese Härte nicht als zu viel oder irgendwie unglaubwürdig rüber. Nein, dieser Roman spiegelt für mich das Leben wider, schrecklich und schön zugleich, dieser Roman hat Charaktere, die nicht Schwarz oder Weiß sind, sie verkörpern beides und gerade dies macht dieses Buch sehr authentisch. Denn mal ehrlich, wir sinds ja auch nicht, wir sind ja auch nicht Schwarz oder Weiß, auch wenn wir es sein wollen und uns Mühe geben. Aber letztendlich scheitern wir auch an unseren hehren Zielen und manchmal gewinnt einfach die falsche Seite.

Bewertung vom 03.03.2024
Nincshof
Sebauer, Johanna

Nincshof


sehr gut

Schwarz und Weiß oder Grau


„Nincshof“! Schon dieser Titel ist absolut außergewöhnlich. Für mich als Nichtösterreicherin auf jeden Fall. Ob dies Österreichern auch so ergeht. Keine Ahnung. Dann das Titelbild, ein Dorf, welches im Gras/Schilf verschwindet. Interessant gemacht. Auf jeden Fall. Aber dies wirft viele Fragen auf. Man muss sich von der Geschichte einfangen lassen, muss dazu bereit sein. Der Plot fängt ein, mich zumindest. Cover und Titel wirken auf mich wenig anzündend.



Die Geschichte liest sich flüssig und leicht. Obwohl in der Geschichte eine gewisse Gesellschaftskritik mitschwingt. Aber eigentlich kann man die Geschichte auch als Kritik am menschlichen Denken und Handeln verstehen. Denn diese hehren Ziele, sie gibt es zwar in den Köpfen, aber in der Umsetzung hapert es manchmal, denn dieses uns allen so bekannte Schwarz und Weiß, es verschwimmt im Leben oft zu changierenden Grautönen und dann, ja dann kehren sich manches Denken um. Das ist das Tolle an dieser Geschichte. Es gibt in dieser Geschichte jetzt nicht so diesen augenöffnenden Moment, es gibt eine Veränderung, die einfach passiert und dies findet man auch manchmal im Leben. Bisherige Wichtigkeiten werden plötzlich unwichtig. Genau dies fängt dieses Buch ein.



In diesem Dorf gibt es die klitzekleine Gruppe der Oblivisten, welches das Dorf Nincshof in den Nebel der Vergessenheit bringen wollen, aus dem es vor langer Zeit gerissen wurde. Eine interessante Denke. Eine Denke, die auf Schwarz/Weiß-Einteilungen beruht. Und darüber einiges vergisst. Dann gibt es die aus der Stadt Zugezogenen, die eigentlich dem Trubel der Stadt in die beschauliche Ruhe des Landes entfliehen wollen, andererseits auch wieder diesen Trubel vermissen und darum auf dem Land gewisse Veränderungen anstreben. Auch dies entspricht ja einem gewissen Schwarz/Weiß-Denken. Gibt es für beide Gruppierungen diesen einen Weg in diesem Ort? Wer dazu eine Antwort in diesem Buch sucht, wird enttäuscht werden. Denn Antworten liefert dieses Buch zum Glück nicht. Denn diese gibt es ja auch nicht. Jeder braucht seinen eigenen für sich gangbaren Weg und dieser muss erst gefunden werden. Dies vermittelt „Nincshof“ bestens.



Und „Nincshof“ vermittelt dies in einer niedlichen leichten Geschichte mit einigen schrulligen Charakteren und diesem wunderbaren österreichischem Humor. Ein schönes Sommerbuch würde ich sagen.

Bewertung vom 03.03.2024
Drifter
Sterblich, Ulrike

Drifter


sehr gut

Phantastische Reise


„Drifter“ ist mein erstes Buch von der Autorin Ulrike Sterblich und ich muss sagen, dieses Buch war eine spannende und absolut interessante Reise, denn was soll ich sagen, ich fühlte mich irgendwie an Mitchells und Ruffs Phantastik erinnert und dies finde ich sehr bezeichnend. Denn die deutsche Literaturlandschaft hat mir bisher noch keine ähnliche Reise ermöglicht und so war ich sehr erfreut.



Anfänglich dachte ich, was wird denn das hier. Aber nach und nach entfaltet sich ein immenser Lesesog, der die Leserschaft fesselt und mit dieser sehr interessanten Phantastik fesselt. Aber nicht nur diese Phantastik ist interessant, dieser Phantastik wohnt auch noch eine gewisse Kritik an unserer Welt inne, dabei wirkt diese Kritik in meinen Augen nicht aufgesetzt oder unstimmig und dies muss man in so einer Verbindung erst einmal schaffen.



Chapeau vor dieser Leistung! Dieser Leseeindruck erklärt mir auch die Platzierung dieses Buches in der Longlist und auch der Shortlist des Deutschen Buchpreises.



Nun könnte man bei der bis jetzt tönenden Lobeshymne denken, wo ist dann der fünfte Stern. Den fünften Stern habe ich deshalb nicht gezückt, weil mir das Buch dafür etwas zu distanziert rüberkam, mich nicht vollends gepackt hat. Aber dies muss es ja auch nicht.



Wer meine Bewertungskriterien kennt, wird wissen, dass alle 4 Sterne Bücher für mich sehr gute Bücher sind, denen nur das letzte Fünkchen gefehlt hat. Die ich der Leserschaft empfehle. So wie bei diesem Buch, denn diese phantastische Reise, die den beiden tragenden Figuren des Buches „Drifter“ bevorsteht, fesselt, verwundert und begeistert die Leserschaft und dieses Buch ist schon ein gewisses Kleinod in der deutschen Literaturlandschaft.

Bewertung vom 03.03.2024
Marschlande
Kubsova, Jarka

Marschlande


sehr gut

Gegenüberstellungen


In dem Buch „Marschlande“ von Jarka Kubsova treffen das Gestern und das Heute aufeinander, wieder eine interessante Verbindung, wie schon in dem auch in diesem Jahr von mir gelesenen „Ein Geist in der Kehle“ von Doireann Ní Ghríofa. Wobei mich das Buch der irischen Autorin deutlich mehr überzeugen konnte, denn „Marschlande“ will manchmal einfach viel zu viel und die Charakterzeichnungen wirken nicht immer authentisch, sondern sind eher aufgesetzt und mit dem Zeigefinger winkend dargestellt. Was mir nicht unbedingt gefallen hat. Die Botschaft des Buches gefällt mir schon, aber nicht die Umsetzung.



Die Hauptcharaktere des im Hamburger Marschland spielenden Romans sind die im 16. Jahrhundert lebende Hufnerbäuerin Abelke Bleken und die fünfhundert Jahre später ins Marschland gezogene Mutter Britta Stoever. Die Handlung um die Bäuerin Abelke Bleken erschien mir noch gelungener und deutlich interessanter, aber das Geschehen in der Jetztzeit um die aus der Stadt zugezogene Britta Stoever ist schon sehr klischeebehaftet und auch etwas unglaubwürdig. Ich will nicht sagen, dass es das Tun der Britta Stoever nicht gibt, denn genau solche Reinfälle in der Partnerwahl und in zum Familienwohl getroffenen Entscheidungen gibt es sehr wohl. Aber es ist doch recht viel auf einmal, was in dieser Britta Stoever und ihrer Familie so alles schlummert. Da spricht wohl eine Aussage der Autorin überdeutlich mit. Es ist ja auch wichtig auf misogyne Zustände hinzuweisen und die wichtige Rolle des Feminismus zu betonen. Ja. Aber bitte etwas glaubhafter. Denn eine gewisse Authentizität macht bei der Lektüre einfach mehr Spaß.



Meine Punktevergabe beinhaltet auch eine Bewertung des wichtigen Themas, denn eigentlich tendiert dieses Buch für mich leider mehr nach den 3 Sternen. Was bei der Thematik schade ist, für mich zumindest, denn es gibt ja auch viele begeisterte Stimmen. Aber das schon erwähnte „Ein Geist in der Kehle“ spricht mich persönlich zu dieser Thematik deutlich mehr an und überzeugt mich auch mehr.

Bewertung vom 03.03.2024
Die Liebe an miesen Tagen
Arenz, Ewald

Die Liebe an miesen Tagen


gut

Die Liebe recht dramatisch


Ewald Arenz hat mit diesem Buch hoch gepokert. Die Liebe an miesen Tagen. Ja. Miese Tage gibt es. Definitiv. Aber was den hier liebenden Hauptcharakteren passiert, ist mir deutlich zu viel des Guten. Am Anfang hatte mich das Buch aber gepackt und ich dachte dies wird etwas Schönes. Nur nach und nach mit den wachsenden Schicksalsschlägen der Hauptcharaktere wurde es mir dann etwas zu viel. Denn meiner Meinung wäre hier etwas weniger Drama deutlich besser gewesen. Spannend zu lesen war das Buch dennoch, nur die Handlung hat es mir etwas verleidet. Auf Sonntagabendfilme des ZDF verzichte ich bisher recht gern. Und auf ähnliches in Büchern verzichte ich eigentlich auch. Man merkt, man muss noch etwas besser aussieben. Allerdings vermute ich auch, dass dieses Buch in mir etwas getriggert hat. Denn es gibt viele von mir geschätzte User, die voll des Lobes sind. Nur ich kann dieses Buch nicht loben. Schade. Denn eine schöne Reise mit dem inspirierenden Thema der Liebe hätte mir durchaus gefallen. Aber gut. Dieses Mal hier war es keine schöne Reise. Aber eine schöne Reise wird kommen. Auf jeden Fall.



Clara und Elias verlieben sich in „Die Liebe an miesen Tagen“ und diese Phase wird von Ewald Arenz toll eingefangen. Beide sind nicht mehr ganz so jung, wobei Clara noch etwas älter ist. Beide schleppen Erlebtes mit sich herum. Und die Liebe schlägt dennoch zu. Warum auch nicht. Wenn dieses Gefühl kommt, kann man eh nichts machen. Und das Alter zählt hier nicht. Dieses Gefühl trifft eben die, die es treffen soll. Bis hierhin ist noch alles schön. Aber dann kommen Schicksalsschläge und eben auch der Kampf, den die Figuren kämpfen, rationales Denken trifft bei beiden Akteuren auf die Emotion. Und beides fand ich deutlich zu viel des Guten. Einiges erinnert wirklich an kitschige Liebesfilme und lässt sich schwer verdauen. Für mich jedenfalls. Aber da es viele User gibt, deren Meinung ich schätze, die dieses Buch sehr loben, muss hier jeder Leser selbst probieren, welcher Fraktion er angehört. Also ihr Lieben, viel Spaß beim Herausfinden, ob dieses Buch euren Geschmack trifft, oder eben nicht.