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lustaufbuch

Bewertungen

Insgesamt 156 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2024
Zauberberge
Sparr, Thomas

Zauberberge


ausgezeichnet

»Von Davos ging vor mehr als einhundert Jahren alles aus, nach Davos geht es heute zurück.«

Da Thomas Manns 1924 erschienener Roman „Der Zauberberg“ dieses Jahr sein hundertjähriges Jubiläum feiert, tun wir gut daran uns diesem Buch zu widmen. Passend dazu bietet Thomas Sparrs Neuerscheinung „Zauberberge“ eine tolle Aufarbeitung der zentralen Themen und wichtiger Motive.

Nach einem knappen Vorwort, zeigt Sparr Einblicke in die zwölf Jahre umfassende Entstehungsgeschichte des Romans, bevor er sich in seinem Alphabet des Zauberbergs wichtigen Thematiken des Romans, je einem Buchstaben des Alphabets zugeordnet, widmet und diese schlaglichtartig beleuchtet. Diese Auseinandersetzung fußt zugleich auf einer akribischen Lektüre sowie auf einer umfangreichen Wissensbasis über das Leben des Nobelpreisträgers. So wird bspw., die Namensgebung der Figuren ins engere Blickfeld genommen, ebenso die Gespräche zwischen Settembrini und Naphta oder das berühmte „Schnee“-Kapitel. Selbstverständlich kommen leidtragende Aspekte wie Liebe, Philosophie, Krankheit, Sterben sowie der einkehrende Tod nicht zu kurz!
Schließlich endet das Buch mit einem Blick in die weltweite und immer noch andauernde, bereits hundert Jahre umspannende Wirkungsgeschichte.

Auf wirklich grandiose Weise schafft es der Autor, allein durch dieses dünne Buch, die Lust am (Wieder-)Lesen des Zauberbergs zu wecken und fasst darüberhinaus nahezu alle Facetten des Romans prägnant zusammen.
Wer sich nun fragt, ob der Zauberberg eine Lektüre wert ist, wird seine Frage mit diesem Text ausreichend – eindeutig bejahend – belegt und begründet sehen!

Somit bleibt meines Erachtens kein besserer Schluss, als folgenden Worten des Autors ausdrücklich zuzustimmen:
»Niemand, der den Zauberberg gelesen hat, vergisst diese Figuren wieder, zuweilen auch das nicht, was sie gesagt haben.«

Bewertung vom 15.07.2024
Das Land, wo die Kanonen blühn
Kästner, Erich

Das Land, wo die Kanonen blühn


ausgezeichnet

»Das war ein Krieg, den ihr gewannt.
Warum gewannt ihr nicht den Frieden?«

Kästners deutlich ablehnende Haltung gegen jeglichen Krieg ist bekannt, immerhin hat er sie nie verheimlicht, sondern stets offenkundig zur Schau gestellt. Sei es in vielzähligen Gedichten über den Krieg, darunter „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen?“, „Jahrgang 1899“ oder „Sergeant Waurich“, welche – zumindest mir – emotional nahe gehen oder seine Prosa, wie bspw. „Das Märchen von der Vernunft“ oder „Die Konferenz der Tiere“. Letztgenannte Texte blicken beide der Realität gleichermaßen pessimistisch ins Auge, doch versuchen sie zugleich die Welt verbessern zu können, indem sie Vorschläge für ein friedliches Miteinander, ohne Gewalt, böswillige Hintergedanken sowie Machtspiele, liefern.
Dabei darf sein Einsatz als pazifistischer Redner, bspw. gegen den Vietnamkrieg, nicht vergessen werden.

Auf kluge Weise werden die hier versammelten Texte, um Kästners Engagement aufzuzeigen, in vier Teile, benannt nach Erfahrungen, Betrachtungen, Aufrufen sowie Utopien (und eine Dystopie), untergliedert.

Eine tolle Zusammenstellung von Kästners Lyrik und Prosa, welche dessen Haltung zu Krieg und Frieden deutlich macht. Darüberhinaus schließt diese Sammlung mit dem erst 2023 wiederentdecktem Gedicht „Das posthistorische Zeitalter“, bevor der Kästner-Forscher Sven Hanuschek seine diesbezüglichen Gedanken in einem Nachwort zu Wort bringt und überdies eine knappe inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Pazifismus darbietet.

Ein kleines Buch, das sich hervorragend zum Entdecken oder Wiederentdecken von Kästners Werken sowie als Geschenk eignet.

Bewertung vom 15.07.2024
Schicksalsstunden einer Demokratie
Ullrich, Volker

Schicksalsstunden einer Demokratie


ausgezeichnet

»Jetzt nichts als Verzweiflung, keine Zukunft mehr, kein Glaube irgendwelcher Art.« ~ Victor Klemperer

Volker Ullrich schildert in seinem Buch, beginnend mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, den Weg zur ersten Demokratie in Deutschland – der Weimarer Republik.
Das Demokratien zerbrechlich sind, wurde in den darauffolgenden Jahren deutlich. Immer wieder gab es Entschlüsse, deren Ausgang eine ganz andere Richtung hätte einschlagen können. So ist auch das Scheitern der Weimarer Republik und der Aufstieg der Nationalsozialisten keineswegs bestimmt und unvermeidbar gewesen, sondern beruht auf einer Kette von Handlungen und Entscheidungen einzelner Personen.
Alles hätte auch anders kommen können.
Genau dieser Tatsache widmet sich Ullrich besonders ergiebig, indem er nicht nur nachzeichnet wie es war, sondern auch wie es hätte sein können.

Auch wenn das Buch inhaltlich manchmal, aufgrund der vielen aufeinanderfolgenden Geschehnisse und beteiligten Personen, anspruchsvoll ist, lohnt sich das Weiterlesen! Schließlich bekommt man einen umfangreichen sowie detaillierten Abriss über eines der wichtigsten Kapitel deutscher Geschichte, vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Machtübertragung an Adolf Hitler. Bereichernd und den Text stützend sind zudem die enthaltenen Fotografien.

Richtet man den Blick auf die heutigen politischen Geschehnisse lassen sich teilweise parallele Strukturen erkennen. Einzig um zu wissen, wie es damals so weit kommen konnte, ist dieses Buch lesenswert und bietet zugleich eine Grundlage für Diskussionen über heutige rechte politische Strömungen. Ohne die Unterstützung von Millionen Menschen wäre es nie so weit gekommen, doch die NSDAP schaffte es viele Leute zu begeistern und diese in ihren Bann zu ziehen.
Heute tut die AfD es ihr gleich und lenkt die politische Richtung dementsprechend. Nutzen wir unser Wissen und diese Lektüre, um zu zeigen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben!

Bewertung vom 28.06.2024
Klopstock!
Kauffmann, Kai

Klopstock!


ausgezeichnet

Am 02. Juli 1724 kam Friedrich Gottlieb Klopstock, als erstes von 17 Kindern, in Quedlinburg zur Welt. Schon während seiner schulischen Ausbildung, übte er sich an ersten dichterischen Versuchen. So begann er sein in Hexametern verfasstes Hauptwerk „Messias“ zu dieser Zeit zu planen und arbeitete während seiner Studienzeit an den ersten Gesängen. Schlussendlich beschäftigte er sich über fünf Jahrzehnte, bis zur ironisch betitelten Ausgabe „des letzten Fingers“, mit diesem Heldengedicht.

Neben dem „Messias“ sowie der Trilogie der „Hermannsdramen“ schrieb Klopstock, welcher der Empfindsamkeit zugeordnet wird, eine Vielzahl an Oden, in damals unüblichen Hexametern und inspirierte durch diese freien Rhythmen u.a. Goethe sowie Hölderlin zur Nachahmung.
Dabei beeinflusste er Goethe nicht nur in Anbetracht seiner Lyrik, sondern auch im Hinblick auf seine Dramen. So war das Drama „Hermanns Schlacht“ ein wichtiger Impuls für Goethes „Götz von Berlichingen“. Darüberhinaus fanden Klopstock und dessen Ode „Landleben“ Erwähnung in dessen Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“.

Nach einer ersten, nicht erfüllten Liebe, lernte er seine spätere erste Ehefrau kennen und lieben. Klopstock widmete ihr, da sie bei einer Totgeburt starb, die Publikation „Hinterlaßnen Schriften von Margaretha Klopstock“, die neben ausgewählten Briefen auch ihre dichterischen Schriften enthielt, die er dadurch würdigen wollte.
Nach deren Tod im November 1758 ruhte sein dichterisches Schaffen vorübergehend. Im Alter, über dreißig Jahre später, heiratete er mit Johanna Elisabeth Dimpfel eine Nichte von ihr.

Heutzutage findet man seine Werke kaum mehr, umso wertvoller, dass es nun eine neue Biografie gibt, die ihn und dessen Werk weiterleben lässt.
Kauffmanns im Prolog proklamiertes Ziel, mit dieser umfassenden Biografie, das Interesse an Klopstock zu wecken, ist, zumindest bei mir, geglückt. Trotz wenig Vorwissen, war diese eine kurzweilige, lehrreiche Reise durch Klopstocks Leben und Werk sowie die damalige Kultur- und Literaturgeschichte.

Bewertung vom 24.06.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


ausgezeichnet

»Dabei ist es doch so: Unter Flüchtlingen gibt es auch Arschlöcher. Unter Nazis gibt es nur Arschlöcher.«

Das neue Buch von Marc-Uwe Kling ist ein brisanter, aktueller und zugleich politischer Roman, der unbedingt gelesen werden muss!
Gnadenlos überfällt dieser spannende Roman den Leser und portraitiert unsere Gesellschaft in abbildhafter Form.

Eigentlich hatte die BKA-Kommissarin Yasira Saad an diesem Abend ein Date mit einem Stefan, doch dann tauchte plötzlich dieses schockierendes Video auf, in dem die spurlos verschwundene 16-jährige Lena Palmer zu sehen ist. Die Reaktionen darauf lassen nicht lange auf sich warten, besonders rechte Gruppierungen fühlen „ihr“ Land bedroht und rufen den „Aktiven Heimatschutz“ ins Leben, welcher in kürzester Zeit riesige Unterstützung erfährt. Yasira und ihr Kollege Michael bekommen den Auftrag, den Hintergründen des Videos auf die Spur zu gehen. Eine wilde Spurensuche beginnt.

Der Autor hat mit diesem Buch eine Story geschrieben, die aktueller nicht sein könnte! Nah am Zahn der Zeit, inmitten von täglich steigerndem Rassismus, getrieben von Hetze der BILD-Zeitung und rechten Parolen, ist unsere Gesellschaft immer bereit für den nächsten Skandal. Dabei fungieren Menschen nicht-deutscher Herkunft und/ oder anderer Hautfarbe für eine Vielzahl der Bevölkerung – auch grundlos – regelrecht als Schuldige.
Damit nicht genug. Auch die aufkommende künstliche Intelligenz und deren Einsatz spielt eine große Rolle im Fortlauf des Romans. Können wir diese stets erkennen oder wurde diese Grenze schon längst überschritten? Wie viel Macht hat KI bereits jetzt über uns?

Es sind unzählige Fragen, die mir nach der Lektüre im Kopf herumschwirren. Fragen, über unsere Gesellschaft, den Umgang untereinander und ob es sich überhaupt wieder bessern kann?

Sicher ist, dass dieser Roman noch lange in mir – hoffentlich auch in der ganzen Buchwelt –, nachhallen wird und zu meinen bisherigen Jahreshighlights zählt!

Bewertung vom 18.06.2024
Klaus Mann
Medicus, Thomas

Klaus Mann


ausgezeichnet

»Überall werde ich ein Fremdling sein. Ein Mensch meiner Art ist stets und allüberall durchaus einsam.« ~ Klaus Mann

Das Leben Klaus Manns war geprägt von dem stetigen Streben nach Anerkennung, übermäßigem Drogenkonsum, dem freien Ausleben seiner Homosexualität, politischen Unruhen, einschließlich zwei Weltkriegen und letztlich dem ewigen Wunsch zu sterben.
Darüber hinaus litt er unter seinem mächtigen Schriftstellervater Thomas Mann, da er neben ihn kaum bestehen konnte und meistens schlichtweg „der Sohn“ blieb.
Kein leichtes Leben, das heutzutage, wie seine vielfältige schriftstellerische Arbeit, oft vergessen wird.

Der Autor Thomas Medicus hat mit diesem Werk die erste umfängliche Biografie über Klaus Mann geschrieben, welche für Liebhaber und Interessenten der Familie Mann sowie für Forschende gleichermaßen bestens geeignet ist.
Größtenteils chronologisch werden Leben, Werk sowie politisches, antifaschistisches Engagement, von der rebellischen Kindheit in München bis zu dem heimatlosen und innerlich einsamen Autor, erzählt.
Zudem beschäftigt sich der Biograf vertieft mit Klaus‘ Verhältnissen zu seinen Bekanntschaften sowie zur Familie, welche stets ambivalent waren, um dessen Lebensumstände zu verstehen. Die einzige Person, an der er ein Leben lang hing, war seine ältere Schwester Erika. Doch auch diese „Liebe“ ging nicht gut aus; schließlich entfernte sie sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs immer mehr von ihm und unterstützte stattdessen den Vater bei Arbeiten und Reisen.

Bereits in jungen Jahren begann Klaus Mann zu schreiben. Die Literatur war ein Leben lang sein Zuhause, spendete ihm Trost und doch verletzte sie ihn auch, besonders als sich während des aufkommenden Nationalsozialismus von ihm verehrte Dichter, bspw. Gottfried Benn, zu dieser neuen politischen Richtung bekannten.

Klaus Mann – ein Autor, der am Leben scheiterte und die Exilliteratur nachhaltig prägte.

Bewertung vom 06.06.2024
Zeit der Zäune
Riemann, Katja

Zeit der Zäune


ausgezeichnet

»Ich sehe mich als Botschafterin, als Schallverstärker und spreche mit Menschen statt über sie.« ~ Katja Riemann

Hört man den Namen Katja Riemann, denkt man eher weniger an die Autorin und UNICEF-Botschafterin, die sich schon seit vielen Jahren für Menschenrechte auf der ganzen Welt einsetzt, sondern vielmehr an die bekannte Schauspielerin.
In ihrem neuen Buch begibt sie sich an Orte der Flucht. Sie begegnet Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen, vor Verfolgung und Angst, aber auch aufgrund der Folgen des spürbaren Klimawandels, ihre Heimat verlassen mussten.
Dabei werden nicht nur Fluchterfahrungen aus Ländern geschildert, welche die vergangenen Jahre des Öfteren in den Medien besprochen wurden, sondern u.a. auch die vergangenen sowie aktuellen politischen Geschehnisse in Tibet.

Einfühlsam tritt Katja Riemann den Menschen gegenüber, bietet ihnen Nähe an und hört jenen, die ihre Geschichte erzählen wollen, aufmerksam zu.
Dabei legt sie in ihrem Buch besonderen Wert auf die Schilderungen des gesellschaftlichen Miteinanders in den unterschiedlichen, von ihr bereisten Camps. Dort, wo man ihn nicht erwartet, sucht sie regelrecht nach dem Funken Hoffnung und findet ein überwiegend menschliches Miteinander. So wird sie Zuschauerin von Fußballturnieren und Theateraufführungen, besucht Schulen und wird gastfreundlich von Menschen empfangen, die eigentlich jeden Cent sparen müssten.

Aber auch auf gewalttätige Ausschreitungen seitens Geflüchteter geht sie diesbezüglich ein, welche sich nicht pauschal aufgrund ihrer anderen Nationalität begründen, sondern sich aus dem Patriarchat heraus ableiten lassen und geschlechtsspezifisch sind.

Darüberhinaus ergänzen sich ihre eigenen Erfahrungsberichte durch Gespräche mit Experten, bspw. über Gewalttheorien sowie grundlegende Fragestellungen rund um das Asylrecht.

Ein Buch, das hinter die alltägliche Fassade blickt und Menschen sowie deren Schicksalen, welches sie sich nicht selbst ausgesucht hätten, eine Stimme gibt.

Bewertung vom 01.06.2024
Prima facie
Miller, Suzie

Prima facie


ausgezeichnet

»Das Gesetz ist dazu da, alle Menschen zu beschützen. Oder?«

Tessa Ensler, eine junge engagierte und motivierte Strafverteidigerin hat sich ihre angesehene Laufbahn hart erarbeiten müssen. Doch, sie hat es geschafft und kann stolz auf sich sein. Außer ihrer manchmal nicht ganz leichten Beziehung zu ihrer Mutter sowie zu ihrem Bruder scheint alles in Ordnung. Als sich eine Beziehung zwischen ihr und dem charmanten Arbeitskollegen Julian anzubahnen scheint, könnte sie nicht glücklicher sein.
Stets hat sie Männer, die wegen mutmaßlichem sexuellen Missbrauchs vor Gericht standen, mit Bravour verteidigt und diese Prozess mit Geschick für sich gewinnen können. Doch auf einmal nimmt ihr Leben eine schonungslose Wende und sie steht selbst als betroffene Zeugin dar, der nicht geglaubt wird.
Ihr Glaube, dass die Justiz, allem Anschein nach, der Gerechtigkeit aller dient, gerät ins Wanken.

Schon seit einigen Monaten habe ich diesen Roman bei mir zu Hause liegen und seitdem unzählige, meiner Erinnerung nach ausschließlich begeisterte Rezensionen darüber gelesen. Die positive Welle an Besprechungen ebbt dabei keineswegs ab.
Ich war neugierig und skeptisch, gespannt und voller Vorfreude. Trotz allem traf mich das Buch mit einer ungeahnten Wucht.
Ich wusste, dass die Lektüre schwer und bewegend sein würde, doch die genauen Schilderungen Millers, welche den Leser regelrecht eine hautnahe Beteiligung am Geschehen ermöglichen, riefen während des Lesens ähnliche Emotionen hervor, wie sie die Protagonistin Tessa Ensler während ihrer Verhandlung verspürt haben muss.
Gefühle der Ohnmacht, der Unfähigkeit etwas dagegen zu tun und vor allem grenzenlose Wut kamen in mir auf und das nur als Außenstehender.

Ein einzigartiges, wirklich schonungsloses und unendlich wichtiges Buch, das jeder gelesen haben sollte! Eine unbedingte Leseempfehlung an alle, die diesen Roman bisher noch nicht kennen.

»Es muss sich etwas ändern. Nicht nur im Justizwesen, sondern auch in der Gesellschaft.«

Bewertung vom 01.06.2024
Trophäe
Schoeters, Gaea

Trophäe


ausgezeichnet

»Afrika ist sein Vergnügungspark, sein Jagdgebiet. Mehr nicht.«

Der wohlhabende Amerikaner Hunter ist nicht ohne Grund wieder auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs. Sein Freund Van Heeren hat ihm ein Nashorn angeboten, welches für ihn, gegen eine horrende Geldsumme, zum Abschuss bereit steht.
Löwe, Elefant, Büffel und Leopard hat er schließlich schon erlegt. Ein Nashorn ist also genau das Tier, welches ihm noch fehlt, um seine Big Five zu vervollständigen.
Die Jagd kann beginnen und ungeduldig sehnt sich Hunter nach dem perfekten Moment für einen gut gezielten Schuss, um das erlegte Tier anschließend als präparierte Trophäe mit nach Hause nehmen zu können. Doch plötzlich kommen ihm Wilderer dazwischen und er geht gezwungenermaßen leer aus.
Sein Freund Van Heeren merkt seine große, mit Wut gefütterte Enttäuschung und hat eine Idee. Anstelle des Nashorns macht er ihm nun das unmoralische Angebot der Big Six …

Mit einer Sprachgewalt trifft dieser Roman, der sich wie ein schonungsloser Thriller liest, den Leser, zieht ihn gleich zu Beginn in seinen Bann und lässt ihn bis zur allerletzten Seite nicht mehr los.
Dabei schafft es die Autorin, den Leser in die Irre zu führen, unerwartete Wendungen heraufzubeschwören und die einhergehende spannungsgeladene Atmosphäre nie abklingen zu lassen.

Gaea Schoeters wirft gekonnt höchst moralische Fragen auf, welche sich u.a. mit der Trophäenjagd, rücksichtsloser Wilderei, Kolonialismus und der afrikanischen Natur beschäftigen. Diese lässt sie ihre Figuren mit sich selbst sowie untereinander ausmachen und regt darüberhinaus eine intensive, kritische Auseinandersetzung damit an.

Dürfen Menschen mit Macht und Geld alles machen, was sie wollen?
Schonungslos, radikal und ehrlich baut sich der Roman immer weiter auf und steigert sich stetig, sodass diese Geschichte, auch nach der Lektüre, weiter im Kopf herumschwirrt.

Eine Leseempfehlung für alle, die spannende Romane mögen und gerne über moralische sowie ethische Fragen nachdenken.

Bewertung vom 26.05.2024
I walk between the Raindrops. Storys (deutschsprachige Ausgabe)
Boyle, T. C.

I walk between the Raindrops. Storys (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

In diesem Erzählungsband des amerikanischen Autors T. C. Boyle versammeln sich 13 Storys unterschiedlicher Ausprägungen, dennoch jeweils ähnlichen Umfangs.
So lassen diese Geschichten u.a. den Ausbruch der Corona-Pandemie Revue passieren, blicken kritisch ins Unbekannte der Zukunft und offenbaren menschliche Abgründe.
Manche dieser Erzählungen sind, aus psychologischer Sicht betrachtet, relativ schwer zu verdauen, andere emotional nahe gehend und einige auch abstoßend. Über allen steht jeweils die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Aspekten.

Wird es eine Welt geben, in der Autos nicht nur selbstständig fahren, sondern auch kommunizieren und nachdenken können? Wie geht man mit einem schwierigen Sohn um, der sich immer weiter von einem sozialen Miteinander entfernt?
Ist es moralisch vertretbar Operationen an Hunden zu üben, bevor sich Menschen unter das Messer legen?
Unter anderem mit diesen Fragestellungen beschäftigen sich diese Erzählungen auf hochbrisante sowie aktuelle Art und Weise. Aber auch gesellschaftliche und soziale Probleme der Zukunft sowie die kommenden Herausforderungen aufgrund der Klimakatastrophe werden, wie von Boyle gewohnt, anschaulich sowie leicht verständlich geschildert und diskutiert.
Was alle eint, ist eine präzise Sprache, welche es den Leser ermöglicht, selbst auf jeweils knapp 20 Seiten, in die Geschichte einzutauchen und mit den geschilderten Protagonisten mitzufühlen.

Negativ anzumerken sind abwertende Schilderungen aufgrund des Aussehens weiblicher Figuren in mehreren Erzählungen, welche Boyle schlichtweg als fettleibig abstempelt. Bei diesen Zeilen musste ich stets kurz stocken, schließlich liest man solche herabwürdigenden Zuschreibungen heute nur noch selten. Ob diese ein Abbild der amerikanischen Gesellschaft darstellen sollen oder als Provokation gedacht sind, bleibt jedoch offen. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch.

Trotzdem lohnt sich die Lektüre!