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probelesen
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 22.03.2022
In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3
Ventura, Luca

In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3


sehr gut

Die Polizisten der Ferieninsel Capri leben ein eher beschauliches Leben, bis ein mysteriöser Koffer mit einer Frauenleiche auf einer Klippe entdeckt wird. Ganz ruhig und systematisch entflechten Rizzi und Cirillo die Verbindungen zwischen der ermordeten Musikwissenschaftlerin, ihrer Familie, ihren Schüler-innen und Konkurrent-innen. Sie entdecken verschiedene Machenschaften im Musik-Business, vermuten familiäre Zwistigkeiten und kommen schließlich zu einer überraschenden Lösung des Falls. Ein Krimi der sanfteren Art mit viel Urlaubsfeeling und Bodenständigkeit. Eine Tote, ja, aber eher aus Versehen oder besser im Affekt, keine grausame Brutalität. Überall zwischenmenschliche Probleme, sehr lebensnah und nachvollziehbar. Eine schöne Lektüre, die auf einen weiteren Band der Reihe - dieser ist der dritte Fall - hoffen lässt.

Bewertung vom 13.03.2022
Im Rausch des Aufruhrs
Bommarius, Christian

Im Rausch des Aufruhrs


ausgezeichnet

Den Zwanziger Jahren in Deutschland werden im Moment viel Beachtung geschenkt z.B. in der Fernsehserie Berlin Babylon. Der Journalist Bommarius stellt hier für alle Monate des Jahres 1923 ein Kaleidoskop ganz verschiedener Ereignisse zusammen: politisch Bedeutsames, kulturelle Begebenheiten aus Literatur oder Theater, Alltagsgeschehen. So steht die Schilderung des Hitler-Putsches neben der Verurteilung des Mörders Haarmann oder der Aufführung des Theaterstücks Baal von Brecht. Gleichzeitig erlebt man die Schwierigkeiten des Alltagslebens, wenn der jeweilige Brotpreis des Monats genannt wird: von 250 Mark im Januar bis 399 000 000 000 im Dezember. Kleine Episoden werden aneinander gereiht und ergeben so ein Bild des entscheidenden, ereignisreichen Jahres, in dem bereits Zeichen des aufkommenden Rechtsextremismus und des Antisemitismus deutlich werden. Der sehr schön gestaltete Band ist kenntnisreich und dabei kurzweilig. Ergänzt werden die Kapitel durch einen Anhang mit Erläuterung zu dem weiteren Lebensweg der Biographierten. Sehr empfehlenswert.

Bewertung vom 26.02.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


gut

Drei Frauengenerationen werden nicht chronologisch, sondern mosaikartig in Episoden geschildert, aus denen sich langsam ein Gesamtbild formt. Eleonora, die Älteste, ist geprägt durch das Aufbegehren gegen ihre spießigen Eltern und durch die Studentenunruhen. Sehr eindrucksvoll wird der Kampf der Arbeiter 1969 in den Fiat-Werken Turin geschildert, wenn auch die Auseinandersetzung mit den Studenten etwas schlagwortartig ist. Interessant finde ich die Beobachtung der Frauen, die meist nur theoretisch emanzipert sind, trotz ihres Anspruchs auf Beteiligung. Aber auch die nächsten Generationen, die durchaus sehr viel selbstbewusster entscheiden, handeln irrational, sobald sie verliebt sind. Das ist ein bisschen klischeehaft. Insgesamt ein guter Unterhaltungsroman mit gesellschaftpolitischem Hintergrund, dem manchmal die Zwischentöne fehlen.

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Bewertung vom 07.02.2022
Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1
Deen, Mathijs

Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1


sehr gut

Kompetenzstreitigkeiten zwischen den niederländischen und deutschen Behörden bestimmen zunächst die Ermittlungen um den toten Wattwanderer vor Borkum. Aber dann übernimmt "Der Holländer" und ermittelt inoffiziell. Der Roman glänzt durch stimmungsvolle, atmosphärisch dichte Naturbeschreibungen und genaue Charakterdarstellungen, weniger durch Spannung in der Kriminalgeschichte. Es ist ein eher ruhiger Krimi, in dem sich das Tötungsdelikt erst allmählich aus den emotionalen Spannungen der drei befreundeten Wattwanderer und deren Frauen entwickelt. Denn was im ersten Moment als alte Männerfreundschaft erscheint, ist doch differenzierter und vielschichtiger. Sehr kenntnisreich, was die Landschaft und die Menschen an der Nordseeküste angeht. So ist das Erscheinung im Mare-Verlag gerechtfertigt. Eine entspannende Ferienlektüre.

Bewertung vom 28.01.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


sehr gut

Als die autofiktional schreibende Schriftstellerin auf einer Lesung einer Frau begegnet, die ihr mitteilt, sie hätten denselben Vater, ist das der Beginn einer Selbstreflexion, die die eigenen Familienverhältnisse, die Kindheit, die Ehe, den Beruf in Frage stellt. Während eines Studienaufenthalts in den USA mit den Kindern und der Mutter stellt sie sich den Erinnerungen an den Vater und der eigenen Kindheit in der sich auflösenden DDR. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Bedeutung der eigenen Beziehung zum Vater ihrer Kinder. In diesem fast essayistischen Roman werden eindringliche Fragen gestellt nach der Wahrheit der Wahrnehmung, nach der Bedeutung von Literatur als Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Was ist Fiktion, was ist Wahrheit? Es handelt sich um den ersten von drei geplanten Bänden der "Biographie einer Frau". Man kann auf die Fortsetzung gespannt sein.

Bewertung vom 21.01.2022
Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe
Hazelwood, Ali

Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe


ausgezeichnet

Selten habe ich mich so amüsiert wie beim Lesen dieser Liebesgeschichte. Grotesk, komisch, spritzig und unterhaltsam ist die Geschichte der Doktorandin Olive und des Dozenten Adam, die sich eigentlich nicht wollen und doch immer mehr verstricken und letztlich - natürlich - lieben lernen. Die Geschichte der Fake-Beziehung, in der beide ein Liebesverhältnis ihrer Umgebung nur vorgaukeln, um etwas anderes zu erreichen, spielt im akademischen Milieu, das die Autorin als Neurobiologin nur zu gut kennt. Es geht um wissenschftliche Konkurrenz, um Benachteiligung von Frauen, um die Ausbeutung junger Akademiker und natürlich kommt auch die Debatte um sexuelle Belästigung nicht zu kurz. Bei aller Ernsthaftigkeit ist es ein extrem kurzweiliges Buch geworden, das richtig Spaß macht. Besonders natürlich für junge Akademikerinnen sehr empfohlen.

Bewertung vom 09.01.2022
Das Loft
Geschke, Linus

Das Loft


sehr gut

Blutspuren in einem Loft, der von drei Personen bewohnt wird. Mord in einem Beziehungsdrama? Die Kommissarin Bianca Radow scheint einen einfachen Fall vor sich zu haben: einer der beiden muss der Mörder sein. In einem spannend aufgebauten Szenario wechseln sich Selbstgespräche der beiden Verdächtigten und Protokolle der Vernehmungen ab. Aber die Verhältnisse werden immer komplizierter. Alle drei der WG sind tief verstrickt im Hamburger Drogenmilieu. Liegt dort ein Mordmotiv? Die Geständnisse führen zu einem gemeinsamen Urlaub, in dem alle Schuld auf sich geladen haben. Doch der Mord an dem Mitbewohner erfährt eine überraschende Aufklärung, die nirgendwo vorhersehbar ist und auch ein wenig unwahrscheinlich erscheint. Aber der Roman ist sehr spannend geschrieben und die gegenseitigen Abhängigkeiten und Gefühle fesselnd geschildert. Gute Unterhaltung!

Bewertung vom 11.10.2021
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


sehr gut

Das eigentlich unwahrscheinliche Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Milieus ist ein besonderes Kennzeichen der Romane von Schlink. Der erste Teil zeichnet eine Ost-West-Liebe im geteilten Deutschland der 60er Jahre nach, die nach geglückter Flucht eigentlich glücklich enden könnte. Aber die junge Studentin erliegt immer mehr dem Alkohol und stirbt schließlich daran. Im Nachlass findet der Ehemann Texte, die den tieferen Grund der Zerrissenheit erklärt: sie hat ihr neugeborenes Kind in der DDR zurückgelassen. Hier beginnt der zweite Teil des Romans: die Suche nach der verlorenen Tochter, die er schließlich in einer völkischen Gemeinschaft im Osten Deutschlands findet. Zu seiner in diesem Milieu verwurzelten Enkelin nimmt er vorsichtig Kontakt auf und versucht, ihre Sicht auf die Welt zu erweitern, was schließlich in einem Desaster endet. Ein Text mit viel Wissen zur politischen Situation, mit Verständnis und Anregungen zur Gesprächsaufnahme mit Rechtsradikalen. Ich bin zweigespalten.

Bewertung vom 01.10.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


sehr gut

Ein Krimi, aber ein ungewöhnlicher. Ein Kommissar in Rente, frühzeitig, wegen des "Russen im Nacken" - Morbus Bechterev. Als sein Jugendfreund tot aufgefunden wird. hat er ein Ziel. Mord oder Unglück, er möchte wissen, was passiert ist, wie sich alles entwickelt hat. Und er sieht die Stadt München, wie sie sich verändert hat seit seiner Kindheit. Und er sieht die drei Freunde, den weltreisenden Hippie, der jetzt eine Kneipe hat, den Toten, erfolgreicher Bauunternehmer, der um Anerkennung in der Münchener Gesellschaft kämpft und sich selbst den kranken Mordkommissar, dem die vielen Toten nicht aus dem Kopf gehen. Es ist kein spannungsgeladener Krimi, eher eine Milieustudie um die Menschen in den kleinen Vierteln, ausgesetzt Veränderungen, die sie nicht beeinflussen können, in einer wuchtigen, frechen Sprache, die eher gesprochen als geschrieben ist. Und ganz zum Schluss wird der Fall wie nebenbei auch noch gelöst. Gute Unterhaltung!

Bewertung vom 21.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


ausgezeichnet

Die Handlung des Romans beschränkt sich auf eine stundenlange Fahrt im tief verschneiten Großbritannien. Ein Vater holt seinen erkrankten Sohn, um mit ihm in der Familie Weihnachten zu feiern. Den Gedanken und Erinnerungen in dieser Einsamkeit folgt der Text, in dem sich immer stärker wie in einer Zwiebel die tief liegenden Konflikte und Schuldgefühle herauskristallisieren. Sehr sensibel werden die Verhältnisse zu seiner Frau und seiner Familie in den Selbstgesprächen herausgearbeitet und mit großer Spannung erwartet man die Offenlegung seiner Verfehlung. Interessant dabei der entlarvende Blick des Fotografen und der Kontrast der weißen, konturlosen Landschaft. Eine bewegende Schilderung der Reise eines Mannes zu sich selbst, des Eingeständnisses einer Schuld und des Versuchs der Erlösung. Eine sehr klare, fast schlichte Sprache, dabei sehr eindrucksvoll.
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