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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 18.06.2023
Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Sommersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.1


sehr gut

Spannender Sommer in Schweden

Im Krimi "Sommersonnenwende" werden auf kurzweilige und stimmungsvolle Art, reale und fiktive Ereignisse zu einer wendungsreichen und spannenden Krimihandlung verbunden.

Es ist Sommer 1994 und es ist ein heißer in Schweden, nicht nur in Bezug auf Temperatur. Der Erfolg der schwedischen Nationalmannschaft bei der WM in den USA versetzt das Land in zunehmendes Fußballfieber. Aber auch für die Polizei geht es hoch her. Ein Massenmord in Falun beschäftigt die Polizei und die Bevölkerung. Doch diese beiden Ereignisse bilden nur den Rahmen der Handlung, um den Fall, den es für den Polizisten Tomas Wolf geht, ereignet sich im Schatten des Massenmordes. In Falun wird eine Frau erdrosselt aufgefunden, schnell ist klar, dass sie kein Opfer des Massenmordes war. Nach und nach wird ersichtlich, dass es noch weitere Morde an Frauen gab, die diesem Fall ähneln und dass es eine Verbindung zwischen ihnen geben muss. Was dem Fall an Brisanz verleiht ist, ist, dass die Fälle Verbindungen zum skandalumwitterten Schauspieler Micael Bratt aufweisen. Hat er mit all dem etwas zu tun?
Tomas Wolf und die Journalistin Vera Berg, zuerst unabhängig voneinander und beide mit unterschiedlichen Motiven, die Wahrheit herauszufinden, beginnen Nachforschungen anzustellen und begeben sich auf die Suche nach dem Mörder.

Untergliedert in mehrere Teile, die an nachfolgenden Tagen im Sommer 1994 spielen, und abwechselnd aus Sicht von Tomas Wolf und Vera Berg erzählt werden, taucht man schnell in das ereignis- und konfliktreiche Leben der beiden Protagonisten ein sowie in die wendungsreichen und spannende Mordermittlung.
Beide Hauptcharaktere sind komplex und werden gut dargestellt, auch wenn ihr emotionales Gepäck, dass sie beide mit sich herumschleppen, manchmal etwas zu viel des Guten ist.
Tomas ist selbst kein unbeschriebenes Blatt, denn bevor er Polizist wurde, war er in der Neonazi-Szene aktiv, in der seine beiden Brüder immer noch sind. Erst kürzlich als Soldat aus Bosnien zurückgekehrt, wird er von den Kriegserlebnissen noch weiter verfolgt. Er kämpft darum, sein Leben in den Griff zu bekommen, sowohl zu Hause, mit seiner Familie als auch bei der Arbeit, was ihm seine Vergangenheit und seine Brüder nicht leicht machen.
Vera kümmert sich seit kurzer Zeit um den Sohn ihres kriminellen Ex-Freundes. Um die Wahrheit herauszufinden, geht sie oft ihren eigenen Weg und nimmt es dabei nicht immer so genau mit dem Gesetz, auch ist sie leicht korrupt. Dadurch war sie mir nicht wirklich sympathisch, wodurch ihre Handlungsabschnitte mich nicht so fesseln konnten, wie der Rest der gut konstruierten und spannend erzählten Geschichte.

Die Handlung wird ständig vorangetrieben und überraschende Wendungen halten die Spannung hoch. Insgesamt ist das Erzähltempo jedoch besonders am Anfang nicht allzu hoch. Auch steht zu Beginn das Leben der Protagonisten eher im Vordergrund der Geschichte. Dank des angenehmen und atmosphärischen Schreibstils, weiß die Handlung trotzdem zu fesseln.

Wer auf der Suche nach einem spannenden Krimi ist und in den Sommer 1994 in Schweden reisen will, macht mit "Sommersonnenwende" nichts falsch. Es ist ein guter Start in eine neue Reihe und der Cliffhanger am Ende macht Lust auf den zweiten Band.

Bewertung vom 18.06.2023
Die Affäre Alaska Sanders
Dicker, Joël

Die Affäre Alaska Sanders


sehr gut

Gut konstruierte Suche nach dem Mörder von Alaska

"Die Affäre Alaska Sanders" ist eine gut erzählte und interessante Geschichte, die mit einer komplexen Handlung voller Intrigen und einem stimmigen Ende aufwarten kann.

Wer schon Bücher des Autors Dicker gelesen hat, wird in "Die Affäre Alaska Sanders" auf altbekannte Charaktere treffen, wie den Erzähler und Protagonisten Marcus Goldman, Harry Quebert und Perry Gahalawood von der Staatspolizei New Hampshire.
Marcus Goldman wird in die Ermittlungen zu einem Mordfall an einer jungen Frau hineingezogen, der nach 11 Jahren wieder neu aufgerollt wird. Im April 1999 wird in der kleinen, beschaulichen Stadt Mount Pleasant die Leiche von Alaska Sanders am Ufer eines Sees gefunden. Die Ermittlungen werden schnell abgeschlossen, da die Polizei sowohl vom mutmaßlichen Täter als auch von seinem Komplizen ein Geständnis erwirkt. Elf Jahre später erhält Perry einen anonymen Brief, der bei ihm Zweifel aufkommen lässt, ob er damals den wirklichen Mörder von Alaska hinter Gittern gebracht hat. Er und Marcus beginnen, den Fall neu aufzurollen und stoßen dabei auf einige Familiengeheimnisse und ein Nest von Intrigen.

Von Beginn an schafft es der Autor Spannung aufzubauen und diese auch bis zum Ende hochzuhalten. Rückblenden in die Vergangenheit und eine wendungsreiche Handlung tragen dazu bei, dass man wissen will, wer hinter dem Mord an Alaska steckt. Die verschiedenen Zeit- und Handlungsstränge sind gut miteinander verwoben und werden in einem schlüssigen Ende zusammengeführt. Es ist eine gute Kombination aus Familiendrama, Ermittlungen und emotionalen Ereignissen. Ebenso lernt man Marcus Goldman etwas näher kennen, was vor allem für Fans der vorherigen Bände interessant ist. Lediglich in Bezug auf Harry Quebert hätte ich mir etwas mehr Szenen gewünscht.
Dank des flüssigen und einfachen Schreibstils, wird man schnell in die Geschichte hineingezogen. Jedoch dauert es am Anfang etwas bis die Handlung so richtig an Fahrt aufnimmt und so die ein oder andere Passage etwas langatmig ausfällt. Trotzdem liefert der Roman eine gut unterhaltende und leicht zu lesende Geschichte, aber einen spannenden Kriminalroman sollte man nicht erwarten.

Wem schon "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" gefallen hat, dem wird auch "Die Affäre Alaska Sanders" zusagen. Aber auch Liebhaber von gut konstruierten Geschichten mit Kriminalelementen werden auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 18.06.2023
Nicht ein Wort zu viel
Winkelmann, Andreas

Nicht ein Wort zu viel


ausgezeichnet

Wenn Wörter töten...

"Nicht ein Wort zu viel" ist ein klug konstruierter und fesselnd erzählter Thriller aus der Feder von Andreas Winkelmann.

Jemand spielt ein perfides Spiel mit ein paar Buchbloggern.
Die Buchbloggerin Faja erhält ein Video, dass einen ihrer Buchblogger mit Folie gefesselt an einen Stuhl zeigt. Um sein Leben zu retten, soll sie sich eine spannende Geschichte, bestehend aus nur fünf Wörtern ausdenken. Was zunächst nur wie ein schlechter Scherz wirkt, entwickelt sich schnell zu einem gefährlichen Spiel auf Leben und Tod für die Buchblogger wie auch für die anfangs voneinander unabhängig agierenden Ermittler.

Dank der verschiedenen Erzählperspektiven, darunter die der zwei Ermittler, der Opfer, des Täters und der Buchbloggerin Faja, sowie der kurzen Kapitel entwickelt der Thriller schnell eine Sogwirkung. Kleine und größere Cliffhanger und viele überraschende Wendungen tragen ihr Übriges dazu bei.
Von Beginn an zeigt sich, dass die Stärke des Thrillers in seiner gut durchdachten und logisch aufgebauten Handlung liegt. Was die Buchblogger in nur fünf Wörtern schaffen soll, schafft Winkelmann über den ganzen Handlungsverlauf hinweg, eine spannende und zugleich überzeugende sowie plausible Geschichte zu erzählen. Geschickt werden hierbei auch Themen wie soziale Medien, Bookstagram und deren positive wie negative Seiten mit einem fesselnden Thriller verknüpft.

Einzig der nüchterne und wenig atmosphärische Schreibstil des Autors konnten mich nicht wirklich überzeugen. So fiel es mir beim Lesen schwer, trotz der thrillertypischen Schockmomenten und der teils an sich berührenden Einzelschicksale, irgendeine emotionale Verbindung zu den handelnden Personen aufzubauen. Die jeweiligen Charaktere blieben dadurch für mich eher blass und oberflächlich in ihrer Darstellung. Auch fühlte mir die düstere und bedrohliche Stimmung, die viele Thriller auszeichnet.
Die Spannung leidet jedoch nicht unter diesen Schwächen.

Wer auf der Suche nach einem fesselnden und auch blutigen Thriller mit leichten Literatur- und Buchszenebezug ist, der wird von "Nicht ein Wort zu viel" von Andreas Winkelmann enttäuscht sein.

Bewertung vom 18.06.2023
Die Wölfe von Pompeji
Harper, Elodie

Die Wölfe von Pompeji


gut

Starke Frauen im alten Pompeij - spannungsarm erzählt

"Die Wölfe von Pompeij" ist ein interessanter, aber spannungsarmer historischer Roman, der einen Einblick in das Leben der Frauen in einem Bordell in der antiken Stadt Pompeji liefert.

Von ihrer Mutter in die Sklaverei verkauft und zur Prostitution gezwungen, sehnt sich Amara nach einem Leben als freie Frau und dafür kämpft sie. Als Prostituierte ist sie gezwungen, ihren Körper für einen Mann zu verkaufen, den sie verachtet. Doch Amara versucht mittels ihrer Bildung und ihren unerbittlichen Überlebenswillen, einen Weg in die Freiheit zu finden. Die Mittel, die sie dabei wählt, lassen sie jedoch nicht immer in einem sympathischen Licht erscheinen, was sie jedoch authentischer erscheinen lässt.
In der Charakterisierung von Amara und den anderen Frauen liegt die Stärke des Romans, auch wenn manche Nebencharaktere etwas zu eindimensional dargestellt wurden. Ebenso scheut die Autorin nicht davor zurück, die harte Realität des Lebens im Bordell zu erkunden. Sexuelle, emotionale und körperliche Gewalt sind an der Tagesordnung für die Frauen, die alle wie Waren behandelt werden. Doch gibt es auch schöne Momente für die Frauen. So gibt es Momente der Liebe und des Lachens zwischen ihnen allen, sie feiern Feste und besuchen gemeinsam die Gladiatorenkämpfe. Aber auch Eifersucht und Bitterheit prägen ihr Leben.

Die Geschichte spielt vor der Kulisse von Pompeji, aber die Autorin schafft es leider nicht ganz, die damalige Zeit und die Stadt lebendig werden zu lassen. Als Leser*in bewegt man sich in Amaras Welt, die sich vorwiegend um das Bordell und ihre Bewohner dreht, sodass man nicht viel von außerhalb mitbekommt. Trotzdem hätte eine Ausweitung auf die umliegende Stadt geholfen, der Geschichte als Ganzes etwas mehr Seele und historisches Flair zu verleihen. So hatte man, abgesehen von den Nennungen der römischen Götter und von Gladiatoren, nicht wirklich den Eindruck, der Roman würde in der Antike spielen.
Zudem schreitet die Handlung nur sehr langsam voran. Der Roman ist stark von den Charakteren geprägt, und der Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des Lebens dieser Frauen. Dennoch hat man beim Lesen das Gefühl, dass nicht wirklich viel an Handlung passiert. Das Erzähltempo nimmt erst zum Schluss hin etwas an Fahrt auf, um dann jedoch in einem vorhersehbaren und etwas unrealistischen Ende zu enden.

Bewertung vom 20.05.2023
City of Dreams / City on Fire Bd.2
Winslow, Don

City of Dreams / City on Fire Bd.2


sehr gut

Danny goes west – ruhige, aber dennoch fesselnde Fortsetzung

"City of Dreams" ist ein wilder sowie ein zugleich kurzweiliger und fesselnder Ritt, der nahtlos an den ersten Band "City on Fire" der Mafia-Trilogie rund um Danny Ryan anknüpft. Für besseres Verständnis der Handlung ist es deshalb von Vorteil, den ersten Band im Vorfeld gelesen zu haben, bevor man mit dem zweiten anfängt.

Wie schon aus dem ersten Band bekannt, wird die Gangster-Geschichte aus der Sicht verschiedener Perspektiven atmosphärisch und bildlich erzählt und die Ereignisse passieren Schlag auf Schlag, im wahrsten Sinne des Wortes.

Danny Ryan ist auf der Flucht und versucht, dem kommenden Zorn der italienischen Mafia zu entgehen. Er und die Iren haben den Bandenkrieg verloren und er hat beschlossen, dass es an der Zeit ist, sich und den Rest seiner Familie aus Providence zu retten, bevor es zu spät ist. Da sowohl das FBI als auch die italienische Mafia ihm auf den Fersen sind, ist es die Regierung, die den ersten Kontakt zu Danny aufnimmt. Er bietet der Regierung an, ihr bei der Zerschlagung eines mexikanischen Kartells zu helfen, und zwar so, dass es für Danny Millionen wert wäre und er eine weiße Weste hätte. Ein Angebot, das er nur schwer ausschlagen kann, vor allem, wenn der Kontaktmann des FBI andeutet, dass das Leben aller seiner irischen Freunde und seiner Familie ernsthaft in Gefahr wäre, sollte er ablehnen. Während also Danny nach Westen geht, bleibt sein Gegenspieler Peter Moretti in Providence und sinnt auf Rache. Das Problem für Danny ist, dass er überall beobachtet wird und es gar nicht so einfach ist, unauffällig zu bleiben.

Die Handlung spielt diesmal größtenteils in Arizona, Nevada und Kalifornien (vor allem in Hollywood) und bewegt sich in einem rasanten Tempo vorwärts.
Dem Mafia-Thriller merkt man deutlich an, dass es sich um ein Bindeglied zwischen dem ersten Band und dem letzten Band, in dem es wohl oder über zu einem großen und blutigen Finale kommen wird, handelt.
Es steht eindeutig die Flucht von Danny & Co. und wie sich versuchen sich ein neues Leben aufzubauen im Vordergrund. Alles wird etwas ruhiger erzählt, es weniger action- und energiegeladen als im ersten Band. Für einen Thriller über die Mafia, ist das Buch vergleichsweise zahm, dennoch ist unterschwellig eine gewisse Bedrohung spürbar, die bestimmt in Band 3 vollständig zu Entfaltung kommen wird.
Das bedeutet jetzt aber nicht, dass handlungstechnisch nichts Großartiges passiert, ganz im Gegenteil. Liebschaften, Geschäfte, Auftragsmorde und die Familie spielen wieder eine große Rolle. Nebenbei erfährt man auch mehr über Danny und die anderen seiner Bande und lernt, was sie antreibt.

In "City of Dreams" stellt Don Winslow gekonnt und durchaus spannend die Weichen für einen fesselnden und wendungsreichen Showdown im finalen 3. Akt der Trilogie der Danny-Ryan-Reihe. Fans des ersten Bandes werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen.

Bewertung vom 20.05.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


weniger gut

Oberflächliche und spannungsarme Umsetzung eines interessanten Themas

"Idol Burning" von Rin Usami gibt den Leser*innen einen Einblick in die Fankultur und die obsessive Verehrung von berühmten Persönlichkeiten.

Erzählt wird die überraschend spannungs- und handlungsarme Geschichte aus der Sicht der Schülerin Akari, deren Gedanken sich nur um Masaki Ueno drehen, einem ehemaligen Kinderschauspieler und jetzt Mitglied der Boyband J-Pop. Ihr ganzes Leben ist von ihrer exzessiven Hingabe zu ihrem Fan-Idol geprägt, das sich auch in ihrem Zimmer widerspiegelt, das immer mehr einem Schrein für Masaki gleicht. Ebenso verwendet Akari ihr Geld, um Konzerte von J-Pop zu besuchen und Fanartikel zu kaufen und sie widmet Masaki einen Blog, in dem sie sich mit anderen Fans austauscht.
Als Anschuldigen gegenüber Masaki auftauchen, dieser sei gewalttätig gegenüber einem weiblichen Fan geworden, ändert dies zunächst nichts in ihrer Begeisterung für Masaki. Sie ist eher traurig, dass ihm so viel Hass entgegenschlägt. Aufgrund ihrer obsessiven Beschäftigung mit ihrem Idol, verschlechtern sich ihre Noten sowie ihre Beziehung zu ihrer Familie, da diese nicht verstehen können, woher Akaris Desinteresse für alles, was nicht mit Masaki zu tun hat, kommt. Die Ablehnung und Entfremdung von ihrer Familie führt dazu, dass sie sich nur noch mehr mit Masaki beschäftigt.

Das Thema Fankultur und die Folgen von obsessiver Fanleidenschaft hat mein Interesse an "Idol Burning" geweckt, doch leider wurden meine Erwartungen enttäuscht. Dem Roman fehlt es vor allem an charakterlicher und inhaltlicher Tiefe. Zudem ist der Schreibstil eher distanziert und zurückhaltend, wodurch das Desinteresse im Verlauf der Geschichte immer weitere zunimmt.

Akari als Protagonistin bleibt blass und unscheinbar. Sie ist eine leere Persönlichkeit, was vielleicht auch Absicht sein soll, da sie vom Leben eines anderen besessen ist. Doch ihr Verständnis von Masaki ist unglaublich verzerrt, da sie ihn nicht als Menschen, als Entertainer, sieht, sondern ihm göttliche Eigenschaften zuschreibt. Ihr Umgang mit ihrer Familie ist frustrierend, da sie sich nicht besonders um sie zu kümmern scheint und nicht versteht, dass sie nicht allein von ihrer Hingabe leben kann. All das führt dazu, dass man nicht wirklich eine emotionale Verbindung zu ihr aufbauen kann.

Des Weiteren fehlte mir auf inhaltlicher Ebene eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Fandomkultur und obsessives Fanverhalten. So werden die Anschuldigungen gegenüber Masaki nicht weiterverfolgt, auch im Zusammenhang damit, bleibt das Thema cancel culture oder haters unerwähnt.
Besonders dass auf die parasoziale Beziehung von Akari zu Masaki nicht näher eingegangen wird, fand ich enttäuschend. Die Geschichte als Ganzes hat so viele vielschichtige Themen zu bieten und keines davon wurde auch nur annähernd näher beleuchtet.

Aufgrund des interessanten Themas habe ich eine dunklere, komplexere Lektüre erwartet und nicht eine so oberflächliche und inhaltslose wie "Idol Burning", sodass ich nicht wirklich eine Empfehlung aussprechen kann.

Bewertung vom 20.05.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


sehr gut

Atmosphärisch und bewegend erzählte Geschichte über Liebe, Familie und Verlust

"So weit der Fluss uns trägt" ist ein stimmungsvoller und bildreich erzählter Roman, der über vier Jahrzehnte des Lebens von Victoria Nash erzählt und in einem bewegenden Ende gipfelt. Es ist ein berührende Geschichte über Liebe, Verlust, Heimat und Familie.

Zum ersten Mal begegnet man ihr in den 1940er-Jahren als sie 17 Jahre alt ist und nach dem Tod ihrer Mutter den Haushalt der Familie in Iola, Colorado führt. Als einzige Frau muss sie nun kochen, putzen und sich um ihre männlichen Verwandten kümmern, während diese auf der Pfirsichfarm der Familie arbeiten. Eine zufällige Begegnung mit Wilson Moon, einem jungen Fremden, der nicht dazugehört, wird das Leben der beiden für immer verändern.
Wilson Moon ist ein junger Herumtreiber mit einer mysteriösen Vergangenheit, der aus seinem Stammesland in der Region Four Corners vertrieben wurde. Als Victoria Wilson an einer Straßenecke begegnet, fühlen sich beide direkt zueinander hingezogen. Doch ihre gemeinsame Verbindung birgt neben leidenschaftlichen Gefühlen auch Gefahren für beide. Als es zu einer Tragödie kommt, flieht Victoria in die schöne, aber raue Wildnis der nahe gelegenen Berge. In einer kleinen Hütte kämpft sie ums Überleben, ohne eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft zu haben. Über die Jahre begibt sie sich auf die Suche nach alldem, was sie verloren hat.

Neben der Protagonistin Victoria Nash, ist auch die atmosphärisch und detailliert beschriebene Landschaft ein wichtiger Teil der bewegend erzählten Geschichte.
Der Roman versetzt einem von Beginn an in eine Zeit ein, in der Frauen weniger Rechte hatten und von den Männern nur für als zuständig, für den Haushalt angesehen wurden. Ebenso war sie von Diskriminierung und Rassismus geprägt. Auch wenn die Themen des Buches keine leichten sind, so fliegt man dank des flüssigen und lebendigen Schreibstils nur so durch die Seiten.

Was mir weniger gut gefallen hat, ist, dass manchen Ereignissen sehr viel Raum gegeben wurde, während andere zu schnell überflogen werden. So blieb trotz der an sich vielschichtigen Charakterzeichnung mancher Charakter in seiner Darstellung leider etwas oberflächlich. Ein paar mehr Seiten hätte der Geschichte an der ein oder anderen Stelle gutgetan.

Bewertung vom 12.05.2023
Komplizin
Li, Winnie M

Komplizin


sehr gut

Die Schattenseiten der Filmindustrie - eindringlich erzählt

3.5/5

"Komplizin" von Winnie M Li ist ein eindringlicher und solider Roman über sexuelle Übergriffe in der Filmindustrie, der sich gut in die #MeToo-Bewegung einfügt, jedoch etwas Zeit braucht, um in Schwung zu kommen.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Sarah Lai, deren chinesisch-stämmige Eltern ein China-Restaurant in New York besitzen. Sarah arbeitet an einem College in New York als Filmdozentin, doch das war nicht immer so. Sie war schon immer ein größer Fan der Filmwelt und hat seit jungen Jahren davon geträumt, in der Filmbranche tätig zu sein. Als sie sich auf eine Stellenausschreibung für eine kleine Arthouse-Produktionsfirma bewirbt, wird sie als Praktikanten dort eingestellt und ihr Traum scheint wahr zu werden. Mit der Zeit übernimmt sie immer mehr Aufgaben und bald fällt ihr Talent Hugo North, Milliardär und später auch Investor für die Arthouse-Produktionsfirma, auf. Als sie für einen Filmdreh nach Hollywood geht, um dort an einem Film für ihre Produktionsfirma zu arbeiten, scheint der Erfolg zum Greifen nah. Doch die dunklen Seiten von Hugo Norths Charakter treten immer mehr hervor, wie auch seine sexuellen Übergriffe Norths ihr sowie anderen Frauen gegenüber. Nach Ende des Filmdrehs kehrt Sarah zurück nach New York und kehrt der Produktionsfirma nach der Übernahme durch North den Rücken. Zehn Jahre später, kontaktiert sie ein Journalist, der mehr über sie und ihre gemeinsame Zeit mit Hugo North wissen will. Während Sarah von den dunklen und schmutzigen Geheimnissen der Branche erzählt, wird ihr klar, dass sie selbst vielleicht nicht ganz unschuldig damals war.

Die Stärke des Romans liegt eindeutig in seiner detaillierten Beschreibung der patriarchischen, sexistischen und diskriminierenden Zuständen in der Filmindustrie. Der Autorin gelingt es gut, Sarahs Schuldgefühle und deren Komplexität einzufangen, und zwar in Bezug einerseits darauf, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben und andererseits in ähnlichen Situationen geschwiegen zu haben, zum Schaden anderen Frauen. Es wird hierbei ein vielschichtiges Bild der unterschiedlichen Charaktere und ein durchaus realistisches Bild der Filmbranche gezeichnet, ohne dabei in Polemik zu verfallen.
Die Schlagkraft des interessant und differenziert beschriebenen Themas würde insgesamt jedoch von einem mehr packenden und besonders am Anfang höheren Erzähltempo durchaus profitieren. So schaffte es die Autorin leider nicht, mich von der ersten Seite so zu fesseln, wie ich mir das erhofft habe. Anfangs werden mir zu viele Nebensächlichkeiten erzählt, wohingegen ich mir zum Ende hin es mir etwas an Tiefe fehlte.

Trotzdem ist "Komplizin" ein lesenswerter und inhaltlich fesselnder Roman, der schonungslos die dunklen Seiten der Filmindustrie aufdeckt.

Bewertung vom 06.05.2023
Die Verborgenen
Geschke, Linus

Die Verborgenen


sehr gut

Die Gefahr aus den eigenen vier Wänden - fesselnder psychologischer Thriller

Es hat sich jemand in das nach außen perfekt scheinende Leben der Familie Hoffmann geschlichen und versucht wortwörtlich von innen heraus die Fassade einer glücklichen Familie zum Einsturz zu bringen. Der als "DU" bezeichnete Eindringling hat sich unbemerkt in das Haus von Sven, Franziska Hoffmann und der gemeinsamen 17-jährigen Tabea eingenistet und hinterlässt Spuren. So bedient sich der Eindringling sich heimlich am Essen, dringt in die Zimmer ein, lässt Gegenstände verschwinden und hinterlässt Fußspuren. Sven und Franziska suchen Erklärungen für die Spuren und beschuldigen einander dafür verantwortlich zu sein. Schnell wird deutlich, dass beide Geheimnisse voreinander verbergen und ihre Ehe alles andere als glücklich ist. Auch ihre Tochter Tabea scheint etwas zu verbergen und zudem mehr über das Verschwinden der 17-jährigen Rebecca zu wissen als sie zunächst zugibt.

"Die Verborgenen" von Linus Geschke ist ein psychologischer Thriller, der vor allem durch seinen subtilen Spannungsaufbau und seiner gut durchdachten Handlung überzeugen kann. Dank kurzer Kapitel, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden, erzeugt der Thriller von Anfang eine Sogwirkung. Anfangs zwar noch etwas gemächlich, kommt nach und nach immer mehr an Spannung auf, die dann in einem wendungsreichen und glaubhaft konstruierten Finale gipfelt.
Der Autor kommt dabei ohne unnötiges Blutvergießen und Brutalität aus. So liegt die Stärke des atmosphärisch düster und fesselnden Psycho-Dramas in der vielschichtigen Charakterzeichnung der handelnden Figuren. Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven, gewinnt man ein gutes Bild von Sven, Franziska, Tabea und dem Eindringling "DU". Einen wirklich sympathischen Eindruck hinterlässt jedoch keiner von ihnen, was jedoch auch den gewissen Reiz an der Geschichte ausmacht. So möchte man gerne hinter all die Geheimnisse kommen, die nach und nach ans Licht kommen.

Wer auf der Suche nach einem subtil spannend erzählten Thriller ist, der zwar erst nach und nach an Fahrt aufnimmt, dann aber ein fesselndes Psychogramm einer Familie zeichnet und dies mit einem mysteriösen Vermisstenfall einer Jugendlichen verbindet, der wird mit "Die Verborgenen" auf seine Kosten kommen. Zudem lernt man mehr über "Phrogger" und wird demnächst vielleicht anders über unerklärliche Spuren im eigenen Heim nachdenken.

Bewertung vom 06.05.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


gut

Poetisch erzählter politischer Roman mit Schwächen

Im Mittelpunkt von "Zwischen Himmel und Erde" stehen Melissa und Catarina, zwei junge Frauen brasilianischer Herkunft, die sich eine Wohnung in Mile End, London, teilen. Im Januar 2016 treffen sich beide zum ersten Mal, und während sich die politischen Unruhen in Brasilien und Großbritannien ausbreiten, werden sie zu Freundinnen. Catarina stammt aus einer bekannten politischen Familie in Olinda, Brasilien, und wächst im Schatten ihrer toten Tante Laura auf. Melissa, die aus Südlondon stammt, wird von ihrer Mutter und einer Gruppe von Großmüttern erzogen. Ein großer Teil des Buches ist dem Rückblick auf ihr früheres Leben gewidmet – Catarinas in Brasilien und Melissas in Tooting. Ihre Geschichte führt einen über Kontinente und Generationen hinweg – von der Wahl Lulas über die Londoner Unruhen bis hin zu den dunkelsten Jahren der brasilianischen Militärdiktatur.

Das Hauptproblem, das ich mit "Zwischen Himmel und Erde" habe, ist die Art und Weise, wie die an sich spannende und interessante Geschichte über Revolution, Liebe, Politik und Geschichte erzählt wird bzw. die Wahl der stilistischen Mittel konnte mich beim Lesen nicht wirklich überzeugen und ist somit der Wirkung der Geschichte eher abträglich.
Obwohl durchaus stimmungsvoll und eindrücklich beschrieben, bleiben die handelnden Charaktere in ihrer Beschreibung teils etwas blass. Im Mittelpunkt des Romans stehen eindeutig die politischen Geschehnisse in Brasilien und Großbritannien.
Der poetische Schreibstil und der Einbau von Rezepten, Liedern und Textpassagen in Portugiesisch innerhalb der Erzählstruktur sorgen anfangs noch für atmosphärisches und schnelles Eintauchen in die Handlung, doch mit zunehmender Romanlänge wirken dies eher gezwungen und konstruiert.
Zudem wird durch die wenig überzeugende sprachliche und stilistische Gestaltung des Romans wird nicht so richtig klar, was die Autorin den Leser*innen eigentlich insgesamt sagen will. So blieb "Zwischen Himmel und Erde" für mich irgendwo zwischen einem politischen und experimentellen Roman stecken, ohne eines von beiden so richtig zu sein. Beigetragen zu meinem zwiespältigen Eindruck hat auch, dass an manchen Stellen die politischen Ereignisse zu sehr im Vordergrund standen, wodurch die Figuren in den Hintergrund rückten und letztendlich nur als Vehikel dienten, um das vergangene und gegenwärtige politische Klima in Großbritannien und Brasilien diskutieren zu können.

Wer sich für Brasilien und dessen Geschichte und Politik interessiert sowie experimentelleren und nicht linearen Erzählungen gegenüber aufgeschlossen ist, wird sicherlich Gefallen an "Zwischen Himmel und Erde" finden.