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R. S.

Bewertungen

Insgesamt 165 Bewertungen
Bewertung vom 20.05.2023
Idol in Flammen
Usami, Rin

Idol in Flammen


weniger gut

Oberflächliche und spannungsarme Umsetzung eines interessanten Themas

"Idol Burning" von Rin Usami gibt den Leser*innen einen Einblick in die Fankultur und die obsessive Verehrung von berühmten Persönlichkeiten.

Erzählt wird die überraschend spannungs- und handlungsarme Geschichte aus der Sicht der Schülerin Akari, deren Gedanken sich nur um Masaki Ueno drehen, einem ehemaligen Kinderschauspieler und jetzt Mitglied der Boyband J-Pop. Ihr ganzes Leben ist von ihrer exzessiven Hingabe zu ihrem Fan-Idol geprägt, das sich auch in ihrem Zimmer widerspiegelt, das immer mehr einem Schrein für Masaki gleicht. Ebenso verwendet Akari ihr Geld, um Konzerte von J-Pop zu besuchen und Fanartikel zu kaufen und sie widmet Masaki einen Blog, in dem sie sich mit anderen Fans austauscht.
Als Anschuldigen gegenüber Masaki auftauchen, dieser sei gewalttätig gegenüber einem weiblichen Fan geworden, ändert dies zunächst nichts in ihrer Begeisterung für Masaki. Sie ist eher traurig, dass ihm so viel Hass entgegenschlägt. Aufgrund ihrer obsessiven Beschäftigung mit ihrem Idol, verschlechtern sich ihre Noten sowie ihre Beziehung zu ihrer Familie, da diese nicht verstehen können, woher Akaris Desinteresse für alles, was nicht mit Masaki zu tun hat, kommt. Die Ablehnung und Entfremdung von ihrer Familie führt dazu, dass sie sich nur noch mehr mit Masaki beschäftigt.

Das Thema Fankultur und die Folgen von obsessiver Fanleidenschaft hat mein Interesse an "Idol Burning" geweckt, doch leider wurden meine Erwartungen enttäuscht. Dem Roman fehlt es vor allem an charakterlicher und inhaltlicher Tiefe. Zudem ist der Schreibstil eher distanziert und zurückhaltend, wodurch das Desinteresse im Verlauf der Geschichte immer weitere zunimmt.

Akari als Protagonistin bleibt blass und unscheinbar. Sie ist eine leere Persönlichkeit, was vielleicht auch Absicht sein soll, da sie vom Leben eines anderen besessen ist. Doch ihr Verständnis von Masaki ist unglaublich verzerrt, da sie ihn nicht als Menschen, als Entertainer, sieht, sondern ihm göttliche Eigenschaften zuschreibt. Ihr Umgang mit ihrer Familie ist frustrierend, da sie sich nicht besonders um sie zu kümmern scheint und nicht versteht, dass sie nicht allein von ihrer Hingabe leben kann. All das führt dazu, dass man nicht wirklich eine emotionale Verbindung zu ihr aufbauen kann.

Des Weiteren fehlte mir auf inhaltlicher Ebene eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Fandomkultur und obsessives Fanverhalten. So werden die Anschuldigungen gegenüber Masaki nicht weiterverfolgt, auch im Zusammenhang damit, bleibt das Thema cancel culture oder haters unerwähnt.
Besonders dass auf die parasoziale Beziehung von Akari zu Masaki nicht näher eingegangen wird, fand ich enttäuschend. Die Geschichte als Ganzes hat so viele vielschichtige Themen zu bieten und keines davon wurde auch nur annähernd näher beleuchtet.

Aufgrund des interessanten Themas habe ich eine dunklere, komplexere Lektüre erwartet und nicht eine so oberflächliche und inhaltslose wie "Idol Burning", sodass ich nicht wirklich eine Empfehlung aussprechen kann.

Bewertung vom 20.05.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


sehr gut

Atmosphärisch und bewegend erzählte Geschichte über Liebe, Familie und Verlust

"So weit der Fluss uns trägt" ist ein stimmungsvoller und bildreich erzählter Roman, der über vier Jahrzehnte des Lebens von Victoria Nash erzählt und in einem bewegenden Ende gipfelt. Es ist ein berührende Geschichte über Liebe, Verlust, Heimat und Familie.

Zum ersten Mal begegnet man ihr in den 1940er-Jahren als sie 17 Jahre alt ist und nach dem Tod ihrer Mutter den Haushalt der Familie in Iola, Colorado führt. Als einzige Frau muss sie nun kochen, putzen und sich um ihre männlichen Verwandten kümmern, während diese auf der Pfirsichfarm der Familie arbeiten. Eine zufällige Begegnung mit Wilson Moon, einem jungen Fremden, der nicht dazugehört, wird das Leben der beiden für immer verändern.
Wilson Moon ist ein junger Herumtreiber mit einer mysteriösen Vergangenheit, der aus seinem Stammesland in der Region Four Corners vertrieben wurde. Als Victoria Wilson an einer Straßenecke begegnet, fühlen sich beide direkt zueinander hingezogen. Doch ihre gemeinsame Verbindung birgt neben leidenschaftlichen Gefühlen auch Gefahren für beide. Als es zu einer Tragödie kommt, flieht Victoria in die schöne, aber raue Wildnis der nahe gelegenen Berge. In einer kleinen Hütte kämpft sie ums Überleben, ohne eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft zu haben. Über die Jahre begibt sie sich auf die Suche nach alldem, was sie verloren hat.

Neben der Protagonistin Victoria Nash, ist auch die atmosphärisch und detailliert beschriebene Landschaft ein wichtiger Teil der bewegend erzählten Geschichte.
Der Roman versetzt einem von Beginn an in eine Zeit ein, in der Frauen weniger Rechte hatten und von den Männern nur für als zuständig, für den Haushalt angesehen wurden. Ebenso war sie von Diskriminierung und Rassismus geprägt. Auch wenn die Themen des Buches keine leichten sind, so fliegt man dank des flüssigen und lebendigen Schreibstils nur so durch die Seiten.

Was mir weniger gut gefallen hat, ist, dass manchen Ereignissen sehr viel Raum gegeben wurde, während andere zu schnell überflogen werden. So blieb trotz der an sich vielschichtigen Charakterzeichnung mancher Charakter in seiner Darstellung leider etwas oberflächlich. Ein paar mehr Seiten hätte der Geschichte an der ein oder anderen Stelle gutgetan.

Bewertung vom 12.05.2023
Komplizin
Li, Winnie M

Komplizin


sehr gut

Die Schattenseiten der Filmindustrie - eindringlich erzählt

3.5/5

"Komplizin" von Winnie M Li ist ein eindringlicher und solider Roman über sexuelle Übergriffe in der Filmindustrie, der sich gut in die #MeToo-Bewegung einfügt, jedoch etwas Zeit braucht, um in Schwung zu kommen.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht von Sarah Lai, deren chinesisch-stämmige Eltern ein China-Restaurant in New York besitzen. Sarah arbeitet an einem College in New York als Filmdozentin, doch das war nicht immer so. Sie war schon immer ein größer Fan der Filmwelt und hat seit jungen Jahren davon geträumt, in der Filmbranche tätig zu sein. Als sie sich auf eine Stellenausschreibung für eine kleine Arthouse-Produktionsfirma bewirbt, wird sie als Praktikanten dort eingestellt und ihr Traum scheint wahr zu werden. Mit der Zeit übernimmt sie immer mehr Aufgaben und bald fällt ihr Talent Hugo North, Milliardär und später auch Investor für die Arthouse-Produktionsfirma, auf. Als sie für einen Filmdreh nach Hollywood geht, um dort an einem Film für ihre Produktionsfirma zu arbeiten, scheint der Erfolg zum Greifen nah. Doch die dunklen Seiten von Hugo Norths Charakter treten immer mehr hervor, wie auch seine sexuellen Übergriffe Norths ihr sowie anderen Frauen gegenüber. Nach Ende des Filmdrehs kehrt Sarah zurück nach New York und kehrt der Produktionsfirma nach der Übernahme durch North den Rücken. Zehn Jahre später, kontaktiert sie ein Journalist, der mehr über sie und ihre gemeinsame Zeit mit Hugo North wissen will. Während Sarah von den dunklen und schmutzigen Geheimnissen der Branche erzählt, wird ihr klar, dass sie selbst vielleicht nicht ganz unschuldig damals war.

Die Stärke des Romans liegt eindeutig in seiner detaillierten Beschreibung der patriarchischen, sexistischen und diskriminierenden Zuständen in der Filmindustrie. Der Autorin gelingt es gut, Sarahs Schuldgefühle und deren Komplexität einzufangen, und zwar in Bezug einerseits darauf, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben und andererseits in ähnlichen Situationen geschwiegen zu haben, zum Schaden anderen Frauen. Es wird hierbei ein vielschichtiges Bild der unterschiedlichen Charaktere und ein durchaus realistisches Bild der Filmbranche gezeichnet, ohne dabei in Polemik zu verfallen.
Die Schlagkraft des interessant und differenziert beschriebenen Themas würde insgesamt jedoch von einem mehr packenden und besonders am Anfang höheren Erzähltempo durchaus profitieren. So schaffte es die Autorin leider nicht, mich von der ersten Seite so zu fesseln, wie ich mir das erhofft habe. Anfangs werden mir zu viele Nebensächlichkeiten erzählt, wohingegen ich mir zum Ende hin es mir etwas an Tiefe fehlte.

Trotzdem ist "Komplizin" ein lesenswerter und inhaltlich fesselnder Roman, der schonungslos die dunklen Seiten der Filmindustrie aufdeckt.

Bewertung vom 06.05.2023
Die Verborgenen
Geschke, Linus

Die Verborgenen


sehr gut

Die Gefahr aus den eigenen vier Wänden - fesselnder psychologischer Thriller

Es hat sich jemand in das nach außen perfekt scheinende Leben der Familie Hoffmann geschlichen und versucht wortwörtlich von innen heraus die Fassade einer glücklichen Familie zum Einsturz zu bringen. Der als "DU" bezeichnete Eindringling hat sich unbemerkt in das Haus von Sven, Franziska Hoffmann und der gemeinsamen 17-jährigen Tabea eingenistet und hinterlässt Spuren. So bedient sich der Eindringling sich heimlich am Essen, dringt in die Zimmer ein, lässt Gegenstände verschwinden und hinterlässt Fußspuren. Sven und Franziska suchen Erklärungen für die Spuren und beschuldigen einander dafür verantwortlich zu sein. Schnell wird deutlich, dass beide Geheimnisse voreinander verbergen und ihre Ehe alles andere als glücklich ist. Auch ihre Tochter Tabea scheint etwas zu verbergen und zudem mehr über das Verschwinden der 17-jährigen Rebecca zu wissen als sie zunächst zugibt.

"Die Verborgenen" von Linus Geschke ist ein psychologischer Thriller, der vor allem durch seinen subtilen Spannungsaufbau und seiner gut durchdachten Handlung überzeugen kann. Dank kurzer Kapitel, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden, erzeugt der Thriller von Anfang eine Sogwirkung. Anfangs zwar noch etwas gemächlich, kommt nach und nach immer mehr an Spannung auf, die dann in einem wendungsreichen und glaubhaft konstruierten Finale gipfelt.
Der Autor kommt dabei ohne unnötiges Blutvergießen und Brutalität aus. So liegt die Stärke des atmosphärisch düster und fesselnden Psycho-Dramas in der vielschichtigen Charakterzeichnung der handelnden Figuren. Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven, gewinnt man ein gutes Bild von Sven, Franziska, Tabea und dem Eindringling "DU". Einen wirklich sympathischen Eindruck hinterlässt jedoch keiner von ihnen, was jedoch auch den gewissen Reiz an der Geschichte ausmacht. So möchte man gerne hinter all die Geheimnisse kommen, die nach und nach ans Licht kommen.

Wer auf der Suche nach einem subtil spannend erzählten Thriller ist, der zwar erst nach und nach an Fahrt aufnimmt, dann aber ein fesselndes Psychogramm einer Familie zeichnet und dies mit einem mysteriösen Vermisstenfall einer Jugendlichen verbindet, der wird mit "Die Verborgenen" auf seine Kosten kommen. Zudem lernt man mehr über "Phrogger" und wird demnächst vielleicht anders über unerklärliche Spuren im eigenen Heim nachdenken.

Bewertung vom 06.05.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


gut

Poetisch erzählter politischer Roman mit Schwächen

Im Mittelpunkt von "Zwischen Himmel und Erde" stehen Melissa und Catarina, zwei junge Frauen brasilianischer Herkunft, die sich eine Wohnung in Mile End, London, teilen. Im Januar 2016 treffen sich beide zum ersten Mal, und während sich die politischen Unruhen in Brasilien und Großbritannien ausbreiten, werden sie zu Freundinnen. Catarina stammt aus einer bekannten politischen Familie in Olinda, Brasilien, und wächst im Schatten ihrer toten Tante Laura auf. Melissa, die aus Südlondon stammt, wird von ihrer Mutter und einer Gruppe von Großmüttern erzogen. Ein großer Teil des Buches ist dem Rückblick auf ihr früheres Leben gewidmet – Catarinas in Brasilien und Melissas in Tooting. Ihre Geschichte führt einen über Kontinente und Generationen hinweg – von der Wahl Lulas über die Londoner Unruhen bis hin zu den dunkelsten Jahren der brasilianischen Militärdiktatur.

Das Hauptproblem, das ich mit "Zwischen Himmel und Erde" habe, ist die Art und Weise, wie die an sich spannende und interessante Geschichte über Revolution, Liebe, Politik und Geschichte erzählt wird bzw. die Wahl der stilistischen Mittel konnte mich beim Lesen nicht wirklich überzeugen und ist somit der Wirkung der Geschichte eher abträglich.
Obwohl durchaus stimmungsvoll und eindrücklich beschrieben, bleiben die handelnden Charaktere in ihrer Beschreibung teils etwas blass. Im Mittelpunkt des Romans stehen eindeutig die politischen Geschehnisse in Brasilien und Großbritannien.
Der poetische Schreibstil und der Einbau von Rezepten, Liedern und Textpassagen in Portugiesisch innerhalb der Erzählstruktur sorgen anfangs noch für atmosphärisches und schnelles Eintauchen in die Handlung, doch mit zunehmender Romanlänge wirken dies eher gezwungen und konstruiert.
Zudem wird durch die wenig überzeugende sprachliche und stilistische Gestaltung des Romans wird nicht so richtig klar, was die Autorin den Leser*innen eigentlich insgesamt sagen will. So blieb "Zwischen Himmel und Erde" für mich irgendwo zwischen einem politischen und experimentellen Roman stecken, ohne eines von beiden so richtig zu sein. Beigetragen zu meinem zwiespältigen Eindruck hat auch, dass an manchen Stellen die politischen Ereignisse zu sehr im Vordergrund standen, wodurch die Figuren in den Hintergrund rückten und letztendlich nur als Vehikel dienten, um das vergangene und gegenwärtige politische Klima in Großbritannien und Brasilien diskutieren zu können.

Wer sich für Brasilien und dessen Geschichte und Politik interessiert sowie experimentelleren und nicht linearen Erzählungen gegenüber aufgeschlossen ist, wird sicherlich Gefallen an "Zwischen Himmel und Erde" finden.

Bewertung vom 06.05.2023
Leonard und Paul
Hession, Rónán

Leonard und Paul


sehr gut

Eine besondere Freundschaft - berührend erzählt

Leonard und Paul sind gute Freunde, Mitte dreißig, zwei ruhige und bescheidene Männer, die noch bei ihren Eltern wohnen und sich einmal in der Woche zum Brettspielen treffen. Beide scheinen zufrieden mit ihrem ruhigen und für den ein oder anderen ihrem langweilig erscheinenden Leben zu sein. Leonard lebt mit seiner verwitweten Mutter zusammen, und er genießt die gemeinsame Freundschaft sowie Gesellschaft mit Paul. Paul hat eine Schwester, die bald heiraten wird und er liebt seine Eltern und könnte sich nicht vorstellen, sein Leben anders zu gestalten. Die beiden sind sozial ziemlich unbeholfen, Leonard ist schüchtern und wenig selbstbewusst, während Paul einige Symptome von Autismus zeigt, auch wenn dies nie ausdrücklich erwähnt wird. Es ist eine Freude zu sehen, wie die beiden ihre Komfortzone verlassen und sich der Welt öffnen.

Der Inhalt von "Leonard und Paul" kommt auf den ersten Blick ruhig und unscheinbar daher. Doch das bedeutet nicht, dass nichts von Interesse im unaufgeregten und feinfühlig erzählten Roman passiert. Erzählt aus verschiedenen Perspektiven, liegt die Stärke des Buches in seiner feinen Beobachtungsgabe des Innenlebens der jeweils auf ihrer eigenen Art besonderen und liebenswerten Charaktere, die man einfach in ihr Herz dafür schließt, dass sie so sind wie sie sind. Man wird Zeuge ihrer kleinen inneren Dramen und wünscht ihnen einfach nur das Beste.

"Leonard und Paul" steckt voller Wärme für seine Charaktere, sodass die Bezeichnung Wohlfühlbuch hier nicht fehl am Platz ist. Keine überflüssigen Dramen, die die Spannung künstlich erhöhen sollen, um so die Leser*innen bei der Stange zu halten, sondern einfach vielschichtig gezeichnete Personen, die durch ihre Einfachheit und aufgrund ihrer ereignisarmen Alltagsleben eher selten in einer Romanhandlung stehen. Aber genau das macht diesen Roman so besonders und lesenswert.

Es ist eine kurzweilige, leicht humorvolle, berührende und empathisch erzählte Geschichte, die einem für einen kurzen Moment, aus dem Alltag entfliehen lässt und so den Stress und mögliche Sorgen vergessen machen lässt.

Bewertung vom 29.04.2023
Als wir Vögel waren
Banwo, Ayanna Lloyd

Als wir Vögel waren


gut

Reise in die Welt der Toten mit Schwächen

"Als wir Vögel waren" ist eine mythische Liebesgeschichte, die in Trinidad und Tobago spielt, und ein Roman, der mich leider nicht komplett überzeugen konnte. Gut gefallen hat mir das stilistische Element des magischen Realismus und die geheimnisvolle Atmosphäre der Geschichte. Weniger gut hat mir die fehlende Tiefe in Bezug auf den Inhalt zum Ende des Romanes gefallen.
Darwin, der in einem strengen Elternhaus aufgewachsen ist, nimmt den einzigen Job an, der ihm zur Verfügung steht, den eines Totengräbers. Um seine Familie zu ernähren, muss er gegen seine Traditionen und das einzige Leben, das er je gekannt hat, verstoßen.
Yejide stammt aus einer Familie von Frauen, die in der Lage sind, mit den Toten zu kommunizieren, und die für den Übergang der Seelen ins Jenseits verantwortlich sind. Doch Yejides Beziehung zu ihrer Mutter war schon immer angespannt, und nach deren Tod ist Yejide nicht darauf vorbereitet, ihre Bestimmung zu erfüllen.
Bald treffen sich Darwin und Yejide auf dem Friedhof, zusammengeführt durch ihre Verbindung zu den Toten.

Was den stimmungsvoll geschriebenen Roman, der von Familie, Liebe, Verlust und Selbstfindung handelt, so besonders und außergewöhnlich macht, ist der Friedhof als wichtiger Handlungsort und die Rolle, welche die Totenwelt und die Kommunikation dabei spielt. Man taucht dank der beiden Hauptcharaktere in eine fremde Kultur ein und wird Teil dieser.
Erzählt aus den Perspektiven beider Protagonisten, gewinnt man ein vielschichtiges Bild von Darwin und Yejide und deren gesellschaftlichen und familiären Hintergrund. Leider konnte ich jedoch nicht wirklich eine emotionale Bindung zu beiden aufbauen. Ihre Liebesgeschichte blieb für mich vergleichsweise blass. Auch konnte mich der Handlungsverlauf an sich nicht komplett überzeugen. Anfangs nimmt die Geschichte sich vergleichsweise viel Zeit bei ihrer Entwicklung um dann zum Schluss hin deutlich an Fahrt aufzunehmen, wodurch manche Handlungsstränge etwas zu einfach gelösten bzw. zu oberflächlich abgehandelt werden. So verliert die Handlung als Ganzes betrachtet bedauerlicherweise an inhaltlicher Stärke und Tiefe. Was wirklich Schade ist, den der magische Aspekt der Geschichte ist besonders gut dargestellt.

Insgesamt kann "Als wir Vögel waren" mit einem einzigartigen Konzept, Setting und einem bildlich und stimmungsvollen Schreibstil aufwarten, dessen inhaltliche Umsetzung jedoch nicht komplett überzeugen kann, abgesehen vom magischen Aspekt. Aber es ist definitiv eine interessante Lektüre, die einen in eine fremde Kultur um Tod und Leben eintauchen lässt.

Bewertung vom 29.04.2023
Malibu Rising
Reid, Taylor Jenkins

Malibu Rising


gut

Ein vielversprechender Roman, der zu viel will

TJR weiß es, wie man Romane schreibt, die einen schnell in die Handlung eintauchen lassen, die für Stimmung sorgen und die sich schnell weglesen lassen. Doch leider konnte mich "Malibu Rising" nicht so fesseln wie erhofft.

Es ist August 1983 und die berühmten Geschwister Riva geben ihre jährliche Party und Malibu Beach steht in Flammen.
Bevor die eigentliche Party Gegenstand der Handlung wird, folgen erstmal Rückblicke in die Vergangenheit. Man erfährt, wie sich die Eltern der Geschwister Riva kennenlernten und wie die dysfunktionale Beziehung zu ihrem berühmten Sänger-Vater zustande kam. Ihr Vater war kaum Teil ihrer Erziehung, er hatte häufige Affären und verließ auch oft die gemeinsame Familie. Ihre Mutter war zwar physisch anwesend ist, die Sehnsucht nach ihrem untreuen Ehemann ließ sie jedoch in die Alkoholabhängigkeit abgleiten. So zieht die älteste Tochter Nina ihre Brüder und Schwestern auf, während ihre Mutter noch lebt. Diese Verantwortung prägt sie in einer Weise, die dazu führt, dass sie keinen Sinn für Selbsterhaltung hat, keinen Sinn für die Pflege ihres persönlichen Raums oder ihrer Gefühle. Alle Kinder haben ein überwältigendes Gefühl des Verlassenseins, aber sie haben einander.
Zurück in die Gegenwart von 1983 treten immer mehr Konflikte und unterdrückte Gefühle an die Oberfläche und zusammen mit unerwarteten Besuchen kommt es im Verlaufe der Party zur Katastrophe.

Der Anfang beginnt noch vielversprechend. Die Rückblenden in die Vergangenheit sind erzähltechnisch auch die besten Passagen im Buch. Besonders wenn es zum Handlungsstrang in die Gegenwart 1983 und zur Party an sich kommt, verliert sich der Roman in Oberflächlichkeiten und unnötiger Dramatisierung, die in einem vergleichsweise lahmen Ende gipfelt.
Anfangs kann die Beschreibung der Geschwister, deren Charakterzeichnung sowie die Beschreibung deren komplexen Familiendynamik noch mit Tiefe überzeugen. Je mehr der Fokus jedoch auf die Party gerichtet wird, desto stärker geht diese jedoch verloren. Zwar ist es ein kluger stilistischer Schachzug, die Party aus verschiedenen Personenperspektiven zu erzählen, doch bleiben so die jeweiligen Personen, aus deren Sicht erzählt wird, enttäuschenderweise sehr blass und oberflächlich. Auch dass der Schwerpunkt auf Drogen, Sex, Alkohol und Schönheit gelegt, führt eher zu einem stereotypen Bild dieser und lässt den erwarteten Schockeffekt ungünstigerweise verpuffen.
Des Weiteren fand ich die subtilen Anspielungen auf Charaktere, die in Reids anderen Büchern eine Rolle spielen, etwas zu viel des Guten.

Für Fans und wer auf der Suche nach einer leichten und angenehm und atmosphärisch geschriebenen Geschichte über die Stärke des Bandes zwischen Geschwistern vor dem Hintergrund der verlogenen Welt der Reichen und Schönen im sonnigen Malibu ist, der wird Gefallen an "Malibu Rising" von TJR finden. Mehr als eine nette Urlaubs- oder Strandlektüre ist es jedoch nicht.

Bewertung vom 22.04.2023
Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3
Horowitz, Anthony

Wenn Worte töten / Hawthorne ermittelt Bd.3


gut

Lauwarme Mördersuche auf einer Insel

Als Ex-Polizist und jetzt Privatdetektiv Daniel Hawthorne und der Autor Anthony Horowitz zu einem exklusiven Literaturfestival auf die Insel Alderney eingeladen werden, ahnen sie noch nicht, dass sie sich bald mitten in einer Mordermittlung wiederfinden. Zunächst verläuft noch alles wie geplant im Verlauf des Literaturfestivals. Hawthorne und Horowitz lernen die anderen Festivalgäste kennen, darunter eine blinde Wahrsagerin, französische Dichterin, ein bekannter Fernsehkoch, ein Historiker und ein Kinderbuchautor. Jedoch schon kurz nach Beginn des Festivals wird der Geldgeber des Literaturfestivals unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden. Daraufhin wird die Insel abgeriegelt, niemand darf sie betreten oder verlassen. Steht der Mord im Zusammenhang mit einem geplanten Stromprojekt auf der Insel oder ist der Mörder unter den Gästen des Literaturfestivals zu finden? Hawthorne und Horowitz beginnen zu ermitteln.

Eines muss man Horowitz lassen, er schafft es unterhaltsame und gut zu lesende Krimis zu schreiben, die in der Regel mit gut konstruierten Handlungsverläufen überzeugen können. Er versteht es, den Leser zu fesseln, indem er immer wieder infrage stellt, wer der Mörder sein könnte. Man kennt alle Verdächtigen, man hat alle Hinweise gehört, aber trotzdem kann die Auflösung am Ende überraschen.
Leider konnte mich dieser Kriminalroman im Kriminalroman nicht so wirklich begeistern, wie ich mir das erhofft habe.
Zum einen fiel es mir schwer, mich mit der Dynamik zwischen Hawthorne und Horowitz anzufreunden. Sie arbeiteten nicht wirklich zusammen, sondern eher jeder für sich und Hawthorne ließ Horowitz manchmal etwas dümmlich dastehen. Sympathisch ist was anderes.
Was die Handlung angeht, begann diese vielversprechend und erinnerte stellenweise an locked-room-Krimis à la Agatha Christie. So richtig außergewöhnlich und fesselnd ist "Wenn Worte töten" jedoch im Vergleich zu diesen jedoch nicht.

Wer auf der Suche nach einem kurzweiligen und unterhaltsamen Krimi ist und Fan von Horowitz, wird Gefallen am dritten Band um Horowitz und Hawthorne finden. Ein Muss ist jedoch nicht.

Bewertung vom 09.04.2023
Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1 (eBook, ePUB)
Brownlow, John

Seventeen / Die Seventeen Reihe Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Temporeicher Agententhriller, aber auch nicht mehr

"Seventeen" von John Brownlow handelt von 17, dem besten Auftragskiller der Welt. Die Bezeichnung "17" deswegen, weil vor ihm sechzehn andere Leute davor seinen Posten innehatten. Er ist weltweit gefürchtet außer von einem sein Vorgänger, Agent Nr. 16, der vor einiger Zeit spurlos verschwunden ist. Als 17 den Auftrag erhält, 16 zu finden und zu töten, geht die Mission schief, und aus dem Jäger wird der Gejagte. Doch die eigentliche Gefahr geht von jemand anderes aus.

"Seventeen" ist ein temporeicher und anspruchsloser Agenten-Thriller, der vor allem durch gute Nonstop-Action à la James Bond besticht.
Obwohl aus der Ich-Perspektive des Protagonisten geschrieben, bleibt die Charakterbeschreibung eher oberflächlich und inhaltliche Tiefe kommt zu keinem Zeitpunkt wirklich auf. Trotzdem gelingt es Agent Nr. 17 einem beim Lesen durch seine sarkastische und unterhaltsame Erzählweise die Leser*innen in seinen Bann zu ziehen und man folgt ihm gerne.
Von der Geschichte an sich sollte man sich jedoch nicht zu viel erwarten, "Seventeen" erfindet das Genre des Agententhrillers nicht neu. Die Handlung ist nicht sehr ausgeklügelt und hält wenig überraschende Wendungen bereit, eine typische 08/15-Agentengeschichte eben.

Dank der kurzen Kapitel und der hohen Erzählgeschwindigkeit schafft es der Thriller dennoch, Spannung zu erzeugen und für einen netten und actionreichen Zeitvertreib für zwischendurch zu sorgen.
Für Fans von James Bond und temporeicher Agentenromanen zu empfehlen.