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bedard

Bewertungen

Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2021
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


ausgezeichnet

Ruhig und sehr poetisch

Tomura ist zufällig anwesend, als das Klavier in seiner Schule durch Itadori gestimmt wird. Dieses Erlebnis beeindruckt Tomura so sehr, dass er ohne jeglichen Bezug zu Musik und Instrumenten beschließt, den Beruf des Klavierstimmers zu erlernen. Tatsächlich bekommt er nach der theoretischen Ausbildung eine Anstellung in derselben Firma wie Itadori.
Anfangs nur als Assistent, später auch selbständig, stimmt er meist in Privathaushalten Klaviere. Dabei lernt er die Zwillingsschwestern Kazune und Yuni kennen. Auch das ist eine schicksalhafte Begegnung, denn Tomura ist verzaubert von dem unaufdringlichen Klavierspiel Kazunes, die als die weniger begabte der Schwestern gilt. Obwohl Tomura seine Fähigkeiten grundsätzlich eher geringschätzt, träumt er davon, Kazune bei ihren Konzerten als Klavierstimmer zu unterstützen.

Auf die Geschichte Tomuras muss man sich einlassen und viel Geduld haben. Sprachlich überzeugend, bietet der Roman an Handlung nicht viel mehr als oben beschrieben.
Tomura ist ehrgeizig, aber von Selbstzweifeln geplagt und niemals zufrieden mit seinen erworbenen Kenntnissen. Sein ganzes Handeln und Streben ist darauf ausgerichtet, besser in seinem Beruf zu werden. Dementsprechend viel Raum nimmt die Beschreibung des Klavierstimmens als Prozess ein. Das könnte langweilig und uninteressant sein, aber tatsächlich empfand ich diese Passagen lehrreich und sie haben mir einen neuen Blick auf Klaviermusik eröffnet.

Ich habe die Geschichte Tomuras wirklich genossen, allerdings kenne ich auch schon etliche japanische Romane. Die Charakterzeichnungen empfinde ich häufig als deutlich zurückhaltender, was sich natürlich auch auf die Spannungsbögen auswirkt.

Ein schöner Roman, wenn man sich auf die leisen Töne einlassen kann.

Bewertung vom 27.04.2021
Das Flüstern der Bienen
Segovia, Sofía

Das Flüstern der Bienen


gut

Leider nicht so gut wie erwartet

Dieser Roman lässt mich ein bisschen ratlos zurück.

Auf 480 Seiten erzählt die Autorin in einem ausschweifenden, angenehm lesbaren Schreibstil die Geschichte der mexikanischen Großgrundbesitzerfamilie Morales und dem von ihr adoptierten Simonopio Anfang des 20. Jahrhunderts.

Unter einem Busch wurde der mit einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geborene Säugling neben einer Bienenwabe gefunden und trotz geringer Überlebenschancen von der alten Nana Reja hochgepäppelt. Die Bienen bleiben Simonopios ständiger Begleiter und werden ihn auch in der Zukunft auf seinen ausgedehnten Streifzügen durch die Natur leiten. Während die Familie Morales den Jungen in ihr Herz schließt, lehnt ihn die Dorfbevölkerung ab. Insbesondere der Landarbeiter Espiricueta sieht ihn als Ausgeburt des Teufels, die vernichtet werden muss.

Der Roman behandelt anhand dieser Familiengeschichte die Auswirkungen der mexikanischen Revolution und schildert durchaus anschaulich den grausamen Ausbruch der Spanischen Grippe in Linares. Dabei liegt der Fokus eindeutig auf dem Leid der Privilegierten und beschreibt deren Handeln zu einseitig als wohltätig und auch der Erhalt des väterlichen Erbes zum großen Teil zum Nutzen Aller. Insbesondere im späteren Verlauf bekommt für mich die Charakterisierung des Bösen in Gestalt Espiricuetas einen faden Beigeschmack. Er verkörpert alles Negative, was ein Mensch zu tun imstande ist. Demgegenüber wird kritiklos das Handeln des reichen Großgrundbesitzers beschrieben und seine Strategien, sein Land vor der Enteignung zu retten. Hier hätte ich mir einen deutlich differenzierteren Blick auf die realen historischen Ereignisse gewünscht, ohne die damals begangenen Gräuel gegenüber den Besitzenden verharmlosen zu wollen.

Insgesamt sind mir einige der Charaktere zu verschwommen und nicht wirklich greifbar, andere hingegen schon ein bisschen zu überzeichnet. Historisch hätte ich mir mehr Informationen und eine differenziertere Betrachtungsweise gewünscht.

Trotz dieser Einschränkungen ist der Roman sehr unterhaltsam geschrieben und ich kann nachvollziehen, warum er so viele LeserInnen überzeugt hat. Für mich ist er aus den genannten Gründen leider nicht das erwartete Lesehighlight.

Bewertung vom 15.04.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


ausgezeichnet

Glaubwürdige Charaktere zeichnen diesen Coming-of-Age-Roman aus

Sam Turner ist 15 Jahre alt und lebt in der unattraktiven Kleinstadt Grady in Missouri. Mit dem Ort geht es seit Jahren bergab, sein Vater ist arbeitslos und kommt nur schlecht mit der Situation zurecht. Zu seiner schwer kranken Mutter hat der Außenseiter Sam ein sehr gutes Verhältnis, sie ist sein einziger wirklicher Rückhalt.
Um die Sommerferien nicht mit seinen verhassten Cousins verbringen zu müssen, nimmt Sam einen Ferienjob im örtlichen Kino an. Auch für das Programmkino steht die Schließung zum Jahresende bereits fest, Zuschauer gibt es nur wenige, Sam hat kaum etwas zu tun. Allerdings trifft er hier auf die eingeschworenen Freunde Kirstie, Hightower und Cameron. Sie sind älter als er und werden nach dem letzten gemeinsamen Sommer in Grady auf verschiedene Colleges gehen. Nach anfänglicher Ablehnung nehmen sie ihn in ihre Clique auf. Gemeinsam mit ihnen verbringt er einen aufregenden und verwirrenden Sommer, der sein Leben für immer verändern wird.

Dieser Coming-of-Age-Roman behandelt mit einer Leichtigkeit schwierige Themen, die wirklich bemerkenswert ist. Neben der normalen Orientierungslosigkeit und damit verbundener Unsicherheit, dem ersten (unglücklichen) Verlieben und Auflehnung gegen die Eltern geht es hier auch um Tod und Trauer, wirtschaftlichen Niedergang, Mobbing, Rassismus, Bisexualität... Trotz dieser Masse an Themen, die mit einer Selbstverständlichkeit in die Handlung einfließen, wirkt es nicht überfrachtet.

Das liegt hauptsächlich an den glaubwürdigen Charakteren, die die Handlung zum Leben erwecken. Sie haben Ecken und Kanten, auch die selbstbewusst wirkenden Freunde haben tiefe Verletzungen und Unsicherheiten erlebt. Dabei beschränkt sich der Autor nicht nur auf die Hauptcharaktere, auch die Nebenfiguren werden liebevoll und detailliert entwickelt.

Hinzu kommt die wirklich gelungene Beschreibung des Ortes Grady. Diese langweilige Kleinstadt, die eigentlich dem Untergang geweiht ist und doch für ihre Bewohner so wichtig ist, dass sie versuchen, sie am Leben zu erhalten.

Auch wenn „Hard Land“ für mich nicht ganz das Niveau von „Das Ende der Einsamkeit“ erreicht, kann ich den Roman uneingeschränkt empfehlen. Er ist trotz seiner schweren Themenanteile wunderbar leicht zu lesen, das Ende ist hoffnungsvoll ohne in Kitsch abzudriften. Ein Kunststück, das nicht jedem Autor gelingt.

Bewertung vom 20.03.2021
Freiflug
Drews, Christine

Freiflug


gut

Unterhaltungsroman mit realem Hintergrund

Anfang der 1970er-Jahre herrschte in der BRD das traditionelle Frauen- und Familienbild vor. Es gab zwar die Studentenbewegung, die sich gegen die verkrusteten Strukturen wandte, aber das betraf nur einen geringen Teil der westdeutschen Bevölkerung. Obwohl Frauen im 2. Weltkrieg und besonders in den Jahren danach einen wesentlichen Beitrag außerhalb der Familie geleistet hatten, waren viele von ihnen jetzt wieder ausschließlich für Heim, Herd und Kindererziehung zuständig. Erwerbstätigkeit von Frauen war keine Selbstverständlichkeit, sie bedurfte der Zustimmung des Ehemannes (!) und die Berufsfelder waren noch deutlich eingeschränkter als heute.
Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund muss man die bemerkenswerte Berufswahl von Rita Maiburg sehen. Sie lässt sich auf eigene Kosten als Pilotin ausbilden und bewirbt sich als erste Frau bei der Lufthansa als Linienflugkapitänin. Die Absage wird ausschließlich mit ihrem Geschlecht begründet. Sie klagt gegen diese Entscheidung und unterliegt in zwei Instanzen. Trotzdem wird sie von einer kleineren Fluggesellschaft für deutlich weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen eingestellt, allerdings dürfen die Passagiere ihr Geschlecht nicht erfahren. Eine Stewardess begrüßt die Fluggäste im Namen von Kapitän Maiburg…
Im Roman wendet Rita Maiburg sich an die Anwältin Katharina Berner. Sie stammt aus einer angesehenen, sehr konservativen Familie, mit einer ausgesprochen patriarchalischen Struktur. Als jüngste von vier Kindern hat sie sich mit ihrer Berufswahl allen Erwartungen widersetzt. Mit 35 Jahren ist sie immer noch unverheiratet, lebt in einer WG und macht sich trotz aller Widerstände schließlich selbständig. Als sie dann auch noch das Aufsehen erregende Mandat übernimmt, spitzt sich der Konflikt mit ihrer Familie zu. Unterstützung erfährt sie in dieser Situation von ihren Freundinnen in der WG und ihrem Vermieter, mit dem sie im Laufe des Romans eine Liebesbeziehung eingeht.
Die fiktive Geschichte von Katharina Berner nimmt in diesem Roman einen sehr großen Raum ein. Die Autorin vermittelt anhand der Frauen in der Familie Berner sehr anschaulich, wie machtlos und unglücklich diese letzten Endes waren, zunächst aber Katharinas Weg auch nicht unterstützten. Im Vergleich dazu erhält Rita Maiburg durch ihre Eltern bedingungslosen Rückhalt. Sie finanzieren den Pilotenschein, nehmen sie wieder im elterlichen Haushalt auf und stellen ihre Berufswahl niemals in Frage. Die Klage gegen die Lufthansa bzw. die Bundesrepublik als Anteilseignerin scheint ihnen folgerichtig.
Der Roman lässt sich sehr leicht und flüssig lesen. Die Atmosphäre der 1970er Jahre und die Benachteiligung von Frauen auch in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung ist sehr anschaulich beschrieben.
Trotzdem hat das Buch meine Erwartungen nicht erfüllt. Nach Lesen des Klappentextes hatte ich mit einem biographischen Roman gerechnet, der Rita Maiburg und den Prozess viel mehr in den Mittelpunkt stellen würde. Tatsächlich nimmt Katharina Berner und ihre fiktive Geschichte aber den größten Raum ein. Das Ende war mir dann leider auch noch viel zu süßlich.

Bewertung vom 10.02.2021
Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1
Maurer, Martin

Die Krieger / Nick Marzek ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Ein realer Fall als Vorlage für einen gelungenen Kriminalroman

Nick Marzek wechselt 1984 nach einer schweren persönlichen Krise aus Berlin nach München in die Mordkommission. Er fremdelt mit der Stadt, ein richtiges Zuhause hat er sich auch noch nicht geschaffen. Sein einziger Halt ist sein Freund und Kollege Aki. Da passieren kurz nacheinander im Bahnhofsviertel zwei Anschläge, die zunächst auf einen Krieg im Rotlichtmilieu hindeuten. Doch dann gibt es ein Bekennerschreiben, das den Brandanschlag in der Diskothek in ein ganz anderes Licht rückt. Es sieht danach aus, als würde ein Zusammenhang mit vorherigen Morden in Italien bestehen. Nick soll vor Ort herausfinden, ob es sich tatsächlich um eine Anschlagsserie handelt. Der italienischen Sprache selbst nicht mächtig, wird ihm kurzerhand die aus Italien stammende Reinigungskraft Graziella als Dolmetscherin an die Seite gestellt.

Gemeinsam versuchen sie in verschiedenen Orten Norditaliens die Verantwortlichen für die Morde zu finden. Dabei müssen sie sich durch einen Dschungel an Zuständigkeiten und persönlichen Eitelkeiten arbeiten. Daß sie schließlich in einem höchst politischen Fall ermitteln, dessen Ausmaße schwer abzuschätzen sind, konnte niemand erwarten.

Anfangs habe ich mich schwer getan mit der Vielzahl an Personen und Ortsbeschreibungen, aber relativ schnell konnte mich Martin Maurer mit seinem Roman abholen. Die Atmosphäre Mitte der Achtziger-Jahre war sehr gelungen herausgearbeitet. Liebevolle Details, wie der Kampf mit dem Stadtplan, tagelanges Warten auf Informationen, die heute in Minuten verfügbar wären, Musik, die auf Cassetten zusammengestellt wurde - das alles hat sehr dazu beigetragen, sich in die damalige Zeit hinein zu fühlen. Die Beschreibung des Rotlichtmilieus scheint ebenso realistisch wie die Beziehung zur Ordnungsmacht Polizei.

Wie realistisch die späteren Ermittlungen tatsächlich beschrieben wurden, kann ich nicht beurteilen. Vorstellbar scheint es mir. Die Charakterzeichnungen und Beziehungen zueinander scheinen mir sehr glaubwürdig. Auch der Spannungsaufbau ist gelungen. Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem ich von anfänglicher Skepsis eine Steigerung zu absoluter Faszination erlebt habe.

Mein Fazit lautet in diesem Fall: dranbleiben lohnt sich!

Bewertung vom 02.02.2021
Super Fresh
Hay, Donna

Super Fresh


sehr gut

Sehr ansprechende Rezepte in schöner Optik, aber nicht ganz so einfach umzusetzen wie der Titel verspricht

Dieses hochwertig gestaltete Kochbuch in sehr moderner Optik lässt schon auf den ersten Blick keinen Zweifel an dem Hintergrund der Autorin aufkommen. Das Schwergewicht hat tatsächlich eher einen Magazincharakter: Druck auf schwarzem Untergrund, sehr stylische Fotos, Verwendung mehrerer Schrifttypen in einem Textblock.

Die Kapiteleinteilung ist sehr einfach gehalten, die Namen der Rezepte geben schnörkellos die Zutaten wieder. Das gilt auch für die Zubereitungsanleitungen. Sie sind kurz und leicht verständlich geschrieben und lassen sich problemlos umsetzen. Größere Schwierigkeiten bereitet mir allerdings die Beschaffung der Zutaten. Viele der Rezepte erfordern Zutaten, die ich entweder nur schwer beschaffen kann oder in zu großen Mengen für unseren Haushalt.

Nach anfänglicher Enttäuschung gibt es inzwischen aber einige Rezepte, die es mir sehr angetan haben. Besonders gefallen mir einige Gerichte aus den Kapiteln „ruck-zuck-dinner“ und „ab in den tiefkühler“. Die Zutaten sind wirklich einfach zu beschaffen, die Rezepte lassen sich gut umsetzen und sie sind trotzdem viel mehr als nur „ruck-zuck“.

Mein Fazit nach einer ausführlichen Testphase ist deshalb ein wenig durchwachsen.

Besonders geeignet ist dieses Kochbuch für Menschen, die ohnehin viel frisches Gemüse z.B. für Smoothies im Haushalt haben. Etliche Rezepte verwenden beispielsweise Schwarzkohl oder Grünkohl in geringen Mengen. Hinzu kommen einige asiatische, insbesondere japanische Zutaten, die es zumindest bei uns nicht in jedem Supermarkt gibt.

Wegen dieser Einschränkungen gibt es von mir einen Punkt Abzug.

Bewertung vom 07.01.2021
Das Eis schmilzt
Fuchs, Arved

Das Eis schmilzt


ausgezeichnet

Noch ist es nicht zu spät, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

Arved Fuchs reist seit vielen Jahren in Regionen, die für die meisten Menschen unerreichbar sind. Die Bilder und Beschreibungen dieser Reisen haben schon immer fasziniert und entsprechend schön sind sie auch in diesem Buch, gleichzeitig aber auch unsagbar deprimierend. Der Autor beschreibt in leisen, eindringlichen Tönen den Wandel der Natur durch die durch Menschen verursachte Umweltzerstörung. Er lässt uns teilhaben an ersten abenteuerlichen Exkursionen, als er in menschenleere Regionen vorstieß, und absurden Begegnungen mit Kreuzfahrtschiffen 40 Jahre später an denselben Orten. Neben erschreckenden Beispielen für Fehlverhalten in ganz unterschiedlichen Bereichen zeigt Arved Fuchs aber auch bemerkenswerte Beispiele für einen anderen, verantwortungsvollen Umgang mit unserem Planeten.

Das Buch ist auf 250 Seiten in 16 Kapitel unterteilt, in sehr leicht verständlicher Sprache geschrieben und reich bebildert. Der erste Teil kann eher als Bestandsaufnahme und Problematisierung bezeichnet werden, der zweite Teil zeigt Lösungswege und anhand einiger ausgewählter Beispiele auch gelungene, ermutigende Umsetzungen.

Anders als viele andere Publikationen zu diesem sehr ernsten Thema macht Arved Fuchs Mut. Wenn wir jetzt handeln, dann ist es noch nicht zu spät. Es gibt genügend Ansätze in ganz unterschiedlichen Bereichen, die bereits funktionieren. Und anders als in den letzten Jahrzehnten gibt es seit „Fridays for Future“ eine breite Bewegung, die sich dem Klimawandel entgegenstellen will und umfangreiche Maßnahmen einfordert.

Arved Fuchs liefert mit diesem Buch einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion und vielleicht wird sein eher leiser, nichtsdestotrotz eindringlicher Appell gerade deshalb gehört.

Das Buch bekommt eine klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 03.01.2021
Uri Buri - meine Küche
Jeremias, Uri;Mangold, Matthias F.

Uri Buri - meine Küche


ausgezeichnet

Viel mehr als (nur) ein Kochbuch

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass Uri Buri bzw. Uri Jeremias ein mir völlig unbekannter Name war, bevor ich dieses Buch erstmals gesehen habe. Und auch dann hat mich das Cover nicht sonderlich angesprochen. Ein weiteres Fischkochbuch eben, das ich eher desinteressiert aufgeschlagen habe. Doch dann hat mich bereits das kurze, aber sehr eindrückliche Vorwort von Uri Buri gepackt. Dieser Mann hat eine Lebensphilosophie, die sein ganzes Handeln bestimmt. Was er macht, das macht er richtig und umfassend. Folgerichtig ist "Uri Buri - Meine Küche" viel mehr als ein Kochbuch.

Eine sehr ausführliche Einleitung beschreibt das Leben und das Team Uri Buris. Wunderschöne Fotos ergänzen diesen Text. Erst dann folgt ein noch ausführlicherer Teil, in dem es ausschließlich um Fisch geht: Einkauf, Verarbeitung und die verschiedenen Zubereitungsarten. Und erst dann folgt der in einem normalen Kochbuch zu erwartende Rezeptteil. Überwiegend handelt es sich dabei natürlich um Fischrezepte, es gibt aber auch einige Salate, Desserts und Beilagen.
Überrascht hat mich die Einfachheit dieser Rezepte. Wenige Zutaten, eine sehr präzise Zubereitungsanleitung und zum Abschluss Anmerkungen, die Anregungen beinhalten, manchmal aber auch einfach nur sehr unterhaltsam sind. Zu jedem dieser Rezepte gibt es ein Foto, das passend zu Uri Buri ohne Schnickschnack einfach nur ein sehr appetitlich aussehendes Gericht darstellt.

Dieses Buch ist für mich viel mehr als ein Kochbuch und ich kann nicht sagen, welcher Teil mir am besten gefallen hat. Ein absolutes Highlight in diesem Genre!

Bewertung vom 27.12.2020
Unter uns das Meer
Gaige, Amity

Unter uns das Meer


sehr gut

Gescheiterter Rettungsversuch einer Ehe

Das Ehepaar Partlow lebt mit den noch recht kleinen Kindern in einer amerikanischen Vorstadt. Während Michael beruflich erfolgreich, aber unzufrieden ist, leidet Juliet unter Depressionen und hat ihre Dissertation immer wieder verschoben. Nicht nur deshalb kriselt es in der Ehe. Als Michael eine gemeinsame einjährige Weltreise auf einem Segelboot vorschlägt, um sich wieder anzunähern, reagiert Juliet zunächst mit Ablehnung. Michaels Segelerfahrungen sind eher rudimentär, Juliet hat überhaupt keinen Bezug zum Segeln. Trotzdem kaufen die beiden ein Boot und lassen sich auf das gewagte Abenteuer ein.

Bereits zu Beginn ist der unglückliche Ausgang dieser Reise bekannt, doch man weiß nicht genau, was eigentlich passiert ist. Die Autorin erzählt abwechselnd aus Juliets und Michaels Blickwinkel. Dabei lässt sie Michael in Form von Logbucheinträgen während der Reise zu Wort kommen. Er nutzt dieses Buch auch als eine Art Tagebuch, in dem er sich sowohl über aktuelle Erlebnisse, Gefühle und Gedanken als auch über die Vergangenheit und Gegenwart mit Juliet auslässt. Juliets Sichtweise wird anfangs nach Ende der Reise in Rückblenden beschrieben. Ergänzt und vertieft wird das Bild durch den Blickwinkel der siebenjährigen Tochter, die die Reise und die neue Verfügbarkeit des Vaters genießt. Der Sohn ist noch zu klein, um als aktiv beschreibende Person das Bild abzurunden.

Diese Art des Erzählens war durchaus faszinierend, wenn auch nicht immer ganz einfach zu lesen. Im Laufe des Romans entstand wie bei einem Puzzle ein vollständiges Bild, das zumindest bei mir nicht unbedingt meinen Erwartungen entsprach. Auch die Charakterzeichnungen waren gelungen. Aus anfänglich eher groben Umrissen entstanden gegen Ende sehr detaillierte und glaubwürdige Persönlichkeiten. Dabei haben sich meine Sympathien nach und nach verschoben. Je mehr ich über Michael und Juliet erfahren habe, desto weniger konnte ich bestimmte Handlungsweisen und Überzeugungen nachvollziehen oder teilen.

Das Ende lässt mich ein bisschen ratlos zurück. Einerseits hat die Autorin durch ihre Erzählweise eine Spannung aufgebaut, die es stellenweise auch mit einem Thriller aufnehmen könnte. Andererseits wird dann soviel in die Geschichte gepackt, dass es einfach zu viel des Guten ist. Hinzu kommt, dass mir als Nicht-Seglerin einige Stellen dann doch zu langatmig waren. Dafür kann die Autorin aber nichts.

Insgesamt kann ich das gut geschriebene Buch deshalb mit leichten Einschränkungen empfehlen.

Bewertung vom 13.12.2020
Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2
Horowitz, Anthony

Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2


gut

Zu hohe Erwartungen werden (meist) enttäuscht

Anthony Horowitz spielt in seinem Roman selbst eine Hauptrolle – diese Idee ist originell.

Im zweiten Fall des Duos Horowitz - Hawthorne wird ein prominenter Scheidungsanwalt ermordet aufgefunden. Auf den ersten Blick scheint der Fall eindeutig, eine ebenso prominente Künstlerin hat ihn zuvor in einem Restaurant bedroht. Horowitz, der als Drehbuchautor mit einer Verfilmung komplett ausgelastet ist, hat einer dreiteiligen True Crime-Serie mit dem ebenso genialen wie undurchschaubaren ehemaligen Detective Hawthorne zugestimmt. Er muss jetzt widerwillig zwischen Filmset und Ermittlungsorten hin und her eilen. Als ihm dann noch die absolut unsympathischen und unkorrekt handelnden ermittelnden Polizisten Steine in den Weg legen, ist sein Ehrgeiz geweckt, den Fall vor allen anderen zu lösen. Und der stellt sich als komplexer heraus als erwartet.

Die Parallelen zu Sherlock Holmes, Doctor Watson und Lestrade sind so gewollt und eindeutig, dass sie unmöglich übersehen werden können. Trotzdem bleiben die Charaktere für mich hier ein bisschen zu blass. Horowitz ist der Autor mit vielen erfolgreichen Büchern, der auch als Drehbuchautor arbeitet. Faktisch korrekt, aber als Person nicht wirklich greifbar. Und Hawthorne bleibt nebulös. Clever, belesen, charakterlich eher schwierig. Die Besetzung der Rolle von Lestrade mit einer weiblichen, geistig etwas beschränkten Polizistin mit einem brutalen, skrupellosen Assistenten empfinde ich als ein bisschen fragwürdig. Die anderen, in diesem Fall auftretenden Personen zeichnen sich auch nicht unbedingt durch ein korrektes Verhalten aus. Insofern gibt es hier durchaus Parallelen zu der Sherlock Holmes Vorlage, aber Horowitz überzeichnet, ohne wirkliche Sympathien zu wecken.

Für mich war es tatsächlich das erste Buch dieses Autoren, obwohl mir der Name seit vielen Jahren als Jugendbuchautor und später als Autor der Sherlock Holmes Romane bekannt ist. Vielleicht bin ich genau aus diesem Grund ein bisschen enttäuscht. Der Schreibstil ist wirklich gut lesbar und vermutlich wäre es genau das richtige Buch, um es an einem verregneten Wochenende oder im Urlaub entspannt in einem Rutsch zu lesen. Tatsächlich habe ich viel zu lange gebraucht, weil es mich nicht wirklich fesseln konnte. Ich denke, meine Erwartungen waren einfach viel zu hoch und konnten nur enttäuscht werden.

Mein Fazit: Wirklich gut zu lesen, tolles Cover, nicht ganz so überzeugende Charakterzeichnungen.