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Maralind

Bewertungen

Insgesamt 84 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2021
Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
Schami, Rafik

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen


ausgezeichnet

Rafik Schami ist einfach ein großartiger Erzähler! Diesen Gedanken hatte ich oft beim Lesen und ich habe jede einzelne Geschichte in diesem Buch genossen.
Dabei sind die Kurzgeschichten für mich mit Sicherheit nicht immer zum Träumen oder zum Schmunzeln, sondern bei manchen Geschichten blieb mir das Lachen im Halse stecken, weil sie auch so tragisch sind. Ich habe das Buch auch nicht in einem Rutsch lesen können, weil ich die einzelnen Geschichten immer erst ein wenig sacken lassen musste, darüber nachgedacht habe. Aber es hat so einen Spaß gemacht, sie zu lesen und ich habe mich auf jede Geschichte gefreut, da es immer wieder etwas Neues zu entdecken gab.

Die Kurzgeschichten sind in jeweils verschiedene Oberbegriffe unterteilt, es gibt Geschichten zum Thema Geburtstag, zum Thema Lachen, zum Reisen, zum Thema Geheimnisse, zu den Tieren und zum Thema Sehnsucht. Am Ende folgt stets eine Zusammenfassung von Gedanken, die das jeweilige Thema wunderbar abrunden. Das hat mir auch super gefallen!

Jede Erzählung hat für mich etwas besonders, ob es der Geburtstag ist, der in Syrien eine etwas andere Bedeutung hat, der kleine Oskar, der mich sehr berührt hat, vor allem am Ende der Geschichte, die Besonderen Reisen von Herrn Moritz, die ich einfach großartig und einzigartig fand, der Sohn, der in die Fußstapfen des Vaters tritt, nur anders als erwartet, fasziniert hat mich die Augensprache der Hunde, das Klassentreffen von und des Elias Schahin…ich könnte so weiter machen, weil es für mich kaum möglich ist auch nur eine kleine Auswahl zu treffen, da jede einzelne Geschichte so voller Ideen und Überraschungen steckt, so klug und weise ist, so tragisch und dennoch humorvoll berührt und schmunzeln lässt, so bedeutsam und hintergründig ist, so fein und tiefsinnig und sprach und bildgewaltig ist, so viel zum Nachdenken anregt.

Für mich ist das Buch sehr viel mehr, als „nur“ eine Kurzgeschichtensammlung, die noch sehr lange nachhallen wird.

Liebend gerne gebe ich hier eine absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.07.2021
Eine perfekte Ehe
McCreight, Kimberly

Eine perfekte Ehe


sehr gut

Die Wirtschaftsanwältin Lizzie Kitsakis bekommt unverhofft einen Anruf von ihrem alten Studienfreund Zach, den sie seit Jahren nicht gesehen hat. Er bittet sie eindringlich ihm zu helfen, da er wegen einer doch eher milden Straftat im berühmt berüchtigten Rikers Gefängnis sitzt und dort so schnell wie möglich wieder raus möchte.
Zach vermutet und befürchtet außerdem, dass er nur unter diesem Vorwand festgehalten wird, so lange bis Mordanklage gegen ihn erhoben werden kann. Er soll seine Frau Amanda getötet haben.
Zach beteuert seine Unschuld und zögerlich und aus alter Loyalität lässt sich Lizzie darauf ein, ihn wenigstens zu besuchen und auch ein wenig zu beraten, auch wenn sie Zach als Anwältin nicht vertreten will. Als Lizzie zur Haftanstalt Rikers Island kommt und auf Zach trifft, ist sie von seinem Anblick geschockt. Lizzie möchte seine Vertretung zwar immer noch nicht übernehmen, aber alles dafür tun, dass er aus dem Rikers entlassen wird.

Diese Ausgangssituation fand ich sehr spannend. Mir persönlich gefällt es auch, von juristischen Fachbegriffen und Verbindungen zu lesen. Es macht die Geschichte für mich authentischer und auch besonders. Lizzie und auch ihre teilweise problematische Ehe mit Sam wurde zu Anfang ausführlich beschrieben, aber dadurch hatte ich ein besseres Bild von Lizzie und ich konnte ihr Verhalten, was mir nicht immer sympathisch war, besser nachvollziehen.
Im Buch selber wechseln sich die Kapitel ab, einmal berichtet Lizzie, im nächsten wird über Amanda berichtet-und zwar vor ihrem Tod. Wobei ich hier besonders toll fand, dass man als Leser immer näher zum Todestag von Amanda kam und schon etwas früher wertvolle Informationen erfahren hat. Das fand ich super und machte es für mich sehr spannend!
Total klasse fand ich die kurzen Kapiteleinschübe von den Protokollen und Aussagen vor der Grand Jury! Ich konnte mir das richtig gut vorstellen und mein Kopfkino ist angesprungen, mir gefällt das total!
Auch das vertrauliche Protokoll einer Untersuchung fand ich sehr interessant. Durch die Schriftart haben sich die Protokolle vom übrigen Text unterschieden, sodass ich keine Probleme hatte zu folgen.

Amanda mochte ich sofort, auch oder gerade weil ich sie nicht so richtig zu fassen gekriegt habe. Eine wunderschöne Frau und liebende Mutter, ruhig, ergeben und „leise“ und doch blitzte hier und da für mich ihre Stärke, ihr Wille und ihr Mut auf, das fand ich faszinierend. Ihre neuen Freundinnen Sarah und Maude mochte ich ebenfalls und die Geschichten um und über ihre jeweiligen Ehemänner, über ihre Ehe fand ich äußerst interessant.
Es hat mich ein paar Mal an den Titel des Buches denken lassen, Sarah, Maude, Amanda und auch Lizzie sind alle verheiratet und zumindest nach außen führen sie alle eine gute ,vielleicht sogar für manche perfekte Ehe. Wobei mich das Wort perfekt immer aufhorchen lässt und misstrauisch macht.
Ich mag es ebenso total, wenn wie nebenbei feine, wahre Details über die Menschen, ihren Arten und Eigenarten, und über ihr Verhalten in die Geschichte einfließen.

Eine Wendung relativ zu Anfang hat mich den Atem stocken lassen, eine weitere zum Ende habe ich irgendwann geahnt, jedoch hatte ich nicht mit dem anderen und dem ganzen Ausmaß gerechnet und die Auflösung hat mich echt überrascht!

Mir hat das Buch gut gefallen!

Bewertung vom 31.05.2021
Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1
Pötzsch, Oliver

Das Buch des Totengräbers / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.1


sehr gut

Das tolle Cover, der Klappentext und nicht zuletzt der Autor haben mich sehr neugierig auf diesen historischen Krimi gemacht.

Im Jahr 1893 wird Inspektor Leopold von Herzfeldt zur Polizei nach Wien versetzt und hat dort durch sein Hochdeutsch und durch die zur damaligen Zeit noch neuen und revolutionären Methoden der Tätersuche, die er durchführen will, einen schweren Stand bei seinen Kollegen und wird teilweise misstrauisch beäugt.
Ich fand das sehr spannend und interessant zu lesen, dass Dinge, die heute so selbstverständlich sind wie die zb die Tatortfotografie noch so völlig fremd oder zumindest neu waren. Tatsächlich musste ich mich daran erst gewöhnen und mich auch gedanklich in die Zeit zurückversetzen. Durch den flüssigen und tollen Schreibstil fiel mir das aber nicht so schwer. Auch den Wiener Dialekt, der sich in Maßen durch das ganze Buch zieht, fand ich persönlich total passend und authentisch. Die Atmosphäre des damaligen Wien fand ich dadurch und durch einzelne Wörter, Begriffe und Schreibweisen wunderbar eingefangen!

Es geschehen sehr grausame Frauenmorde und Leo trifft bei seinen Ermittlungen auf den zunächst etwas sonderbaren und seltsamen Totengräber Augustin Rothmayer, der auf dem berühmten Wiener Zentralfriedhof arbeitet. Augustin schreibt an einem Buch über die Totengräberrei, mehrere Kapitel fangen mit ein paar Sätzen des Almanach an, was ich unheimlich interessant und auch lehrreich fand.
Ich mochte den schrulligen Augustin sofort und konnte ihn mir richtig in seiner Kleidung, in seiner Art und auch bei der Arbeit sehr gut vorstellen! Für mich ein toller und wunderbarer Charakter!

Leo lernt an seinem ersten Tag bei der Wiener Polizei die Telefonistin Julia Wolf kennen. Julia entpuppt sich für mich als die Überraschung im Buch. Wunderbar liebenswert, klug, mutig und clever und mit kleinen, aber feinen Geheimnissen. Einfach toll!
Besonders ein Polizeikollege war mir jedoch sehr unsympathisch und ich hätte ihn aufgrund seiner Einstellung am liebsten geschüttelt!

Der komplexe Fall entwickelt und wendet sich ganz anders, als erwartet und hat mich auch ziemlich überrascht. Teilweise war es für mich auch nicht so leicht zu lesen..ich kann hier leider nicht mehr verraten ohne zu Spoilern.
Die Auflösung selber war dann für mich auch noch mal überraschend! Manchmal für mich persönlich vielleicht ein bisschen „zuviel“ , aber das ist wirklich Geschmackssache.

Für mich ist das Buch ein toller historischer Krimi mit meist sympathischen, liebenswerten und authentischen Figuren, einer spannenden, komplexen Handlung im stimmungsvollen Wien des Jahres 1893.
Und auch das Nachwort des Autors fand ich sehr interessant und lesenswert!

Bewertung vom 02.04.2021
Klima
Klass, David

Klima


sehr gut

Ich habe das Buch gehört und es hat mich gleich von Beginn an gefesselt. Der Sprecher hat mir gut gefallen und auch wenn ich aufpassen musste, wenn plötzlich ein Perspektivwechsel kam, konnte ich sehr gut folgen.

Der Umwelt Terrorist Green Man wird bis auf ein paar Ausnahmen, bei denen meiner Meinung nach doch seine Kaltblütigkeit durchkommt, eher menschlich und als liebender Familienvater dargestellt. Seine Zweifel und Ängste und seine Reue über die sogenannten „Kollateralschäden“, die Opfer seiner Terroranschläge, nimmt man ihm durchaus ab. Jedoch nimmt er sie bewusst in Kauf, um auf ein höheres Ziel aufmerksam zu machen. Der junge, hochintelligente FBI Agent Tom Smith kommt ihm auf die Schliche und ein Katz und Maus Spiel beginnt. Wobei sich auch Tom immer wieder fragt, in wie weit er sich mit Green Man und seinen Gedanken und vielleicht auch sogar Methoden identifizieren kann.

Das sind auch Fragen, die ich mir unweigerlich gestellt habe. Heiligt der Zweck immer die Mittel? Wo liegen die Grenzen? Erreicht man überhaupt mit gewalttätigen, spektakulären Anschlägen ein dauerhaftes Umweltbewusstsein? Oder müssen immer wieder neue Anschläge folgen, damit die Menschen „wach“ bleiben?
Alleine diese Fragen und Szenarien machen für mich persönlich das Buch lesen und hörenswert. Mir gefällt eben auch besonders, dass es nicht nur Gut und Böse gibt, sondern Green Man und Tom Smith verschiedene Facetten haben, die meiner Meinung nach gut herauskommen. Die Jagd wird teilweise sehr temporeich geschildert, manches ist sehr informativ und die mehr oder weniger deutlichen Seitenhiebe auf den Präsidenten haben mich doch sehr amüsiert ,ich fand sie erschreckend real, aber großartig. Die anderen Charaktere fand ich auch sehr gut dargestellt, wobei mir nicht alle sympathisch waren.

Für mich ein gutes Buch, sehr unterhaltsam und spannend und es regt zum Nachdenken an!
Allerdings ist es für mich kein Thriller.

Bewertung vom 02.04.2021
Blütengrab
Fink, Ada

Blütengrab


sehr gut

Buch und Klappentext versprechen eine super spannende und interessante Geschichte! Auch das Cover finde ich einfach toll und ist für mich ein absoluter Hingucker.

Die junge Ermittlerin Ulrike Bandow aus einem kleinen Ort im Osten Deutschlands muss relativ kurz nach der Wende mit einem westdeutschen Kollegen , Ingo Larssen, zusammenarbeiten, um einen grausamen Mädchenmord aufzuklären.
Die Mädchenleiche wird von der 13 jährigen Ingrid in einem Waldstück entdeckt, über und über mit Blüten bedeckt und mit eingeritzten Runen übersät. Ulrike entdeckt am Fundort eine Halskette, die sie sofort an ihre Vergangenheit und eine vermeintliche Schuld erinnert. Sie behält diese Vermutung jedoch erst mal für sich, versucht aber dann mit ihrer ehemaligen besten Freundin Christa, die mittlerweile mit einem Neonazi verheiratet ist darüber zu sprechen.
Uli schlägt jedoch eine Welle des Hasses entgegen, dessen Wucht mich auch sehr schockiert hat. Erschwerend kommt später noch hinzu, dass Ulrikes Bruder Marc in den Dunstkreis der Neonazis gerät.

Ingo, der ganz eigene Gründe für seinen Aufenthalt im Osten hat und die starrköpfige Ulrike müssen sich zusammenraufen und es ist toll zu lesen, wie sich die beiden aneinander gewöhnen und sich später auch vertrauen.
Der Schreibstil ist schön flüssig und mir haben besonders auch die in kursiv gedruckte Sätze gefallen, die die jeweiligen Gedanken wiedergeben. Die langen Kapitel fand ich zunächst gewöhnungsbedürftig, aber machten für mich dann Sinn, da sie jeweils einen Tag wiedergegeben haben.
Die komplexen Ereignisse weiten sich aus, als ein weiteres Mädchen schwer verletzt gefunden wird und es kommen Verbindungen, Vertuschungen und Geschehnisse aus der Vergangenheit ans Licht, die mich entsetzt haben. Ich fand das sehr eindrücklich, aber eben nicht plakativ geschildert, was für mich eher noch mal eine ganz besondere Wucht entfaltet hat und bis jetzt noch nachhallt.
Die Spurensuche der Runen und deren Bedeutung fand ich sehr interessant und spannend geschrieben. Auch Ingos Gründe für seinen Aufenthalt im Osten hatte ich so auf keinen Fall erwartet!

Und auch wenn mir das Ende überwiegend gefallen hat, finde ich persönlich, dass einiges dann doch zu schnell abgehandelt worden ist und ich hätte gerne mehr von Christa zb erfahren.
Vielleicht deutet der letzte Satz auch noch auf eine Fortsetzung hin, ich würde auf jeden Fall gerne mehr über das ungleiche, sympathische Ermittlerteam lesen!

Bewertung vom 16.03.2021
Die Frau vom Strand
Johann, Petra

Die Frau vom Strand


sehr gut

Rebecca lebt mit ihrer Frau Lucy und ihrer kleinen, fünf Monate alten Tochter Greta seit einiger Zeit im beschaulichen Küstenort Rerik.
Becca fühlt sich in dem Ort sehr wohl, gerade weil sie nach einem Schicksalsschlag dort die Ruhe und Abgeschiedenheit findet, die sie braucht. Lucy arbeitet nach wie vor noch in Hamburg und pendelt daher zwischen Arbeitsstelle und aktuellem Wohnort. Rebecca ist glücklich, sie genießt ihre Spaziergänge mit der kleinen Greta, aber ist manchmal doch recht einsam.

Eines Morgens läuft ihr dann sprichwörtlich eine fremde Frau in die Arme, aber recht schnell fasst Rebecca das erste Vertrauen und hilft der Frau aus einer misslichen Lage.
Die beiden Frauen freunden sich daraufhin an, und Becca merkt auch dadurch, wie sehr ihr eine Freundin oder eben auch Kontakt gefehlt hat.
Sie trifft sich nun eine Woche lang täglich mit Julia und lädt sie anschließend zum Abendessen ein, allerdings taucht Julia dort nicht auf.

Ich bin mit Rebecca am Anfang gar nicht warm geworden, gerade ihre Reaktion, nachdem ihre „beste Freundin Julia“ nicht zum Abendessen erschienen ist, fand ich übertrieben und befremdlich. Ebenso ihre hartnäckige und schon verzweifelte Suche nach ihr, nachdem Julia auch per Telefon nicht zu erreichen ist. Je mehr ich jedoch von Rebecca und ihren Kämpfen mitbekommen habe, desto mehr konnte ich sie aber verstehen.
Becca begreift nun langsam, dass Julia wohl absichtlich ihre Nähe gesucht hat und obwohl sie immer noch schwankt und es nicht so recht glauben kann und will, ist sie fest entschlossen herauszufinden was dahinterstecken mag. Kurz nach einer Entdeckung passiert allerdings ein Unglück und die Geschichte nimmt eine Wendung…

Ich fand das unheimlich spannend! Auch wenn der Prolog schon auf etwas hingedeutet hat, wusste ich lange Zeit nicht, was wirklich passiert war. Edda Timm, die die Ermittlungen übernimmt und deren Auftreten und Verhalten zunächst für mich sehr ungewöhnlich war, hat mir im Laufe der Geschichte immer besser gefallen. Ich konnte mir Rebecca und Edda regelrecht im Wortgefecht vorstellen, das fand ich toll! Und als ich dann noch von Sebastian erfahren habe, habe ich Eddas Verhalten noch mal in einem ganz anderen Licht gesehen.
Die Ermittlungen in Lucys Firma haben mir auch gefallen, ich konnte mir von Lucys besten Freund Finn, dessen Frau und Lucy selber ein schönes und besseres Bild machen. Ebenso aufschlussreich und interessant fand ich die Ermittlungen innerhalb Beccas Familie.

Trotzdem habe ich nicht mit dem Paukenschlag gerechnet, der alles verändert! Ich mag es total, wenn mich eine Sache so völlig überrascht und ich habe fieberhaft gerätselt, was alles noch so dahinterstecken mochte!
Bis zum Schluss habe ich völlig gebannt verfolgt, wie sich alles zusammenfügt, es gab unerwartete Wendungen und auch wenn ich nicht alles so nachvollziehbar oder eben einleuchtend fand, war es doch sehr spannend! Sehr gelungen und lebendig fand ich das letzte Kapitel aus der Ich Perspektive und einer Auflösung, mit der ich zwar gerechnet, aber auch wieder nicht gerechnet habe.

Mir hat das Buch gut gefallen!

Bewertung vom 02.03.2021
Die Mitternachtsbibliothek
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


ausgezeichnet

Wer kennt dieses Gefühl nicht? Dieses Gefühl, etwas verpasst zu haben, vermeintliche Chancen und Gelegenheiten nicht wahrgenommen zu haben. Es zu bereuen, die vermeintlich falschen Entscheidungen getroffen zu haben oder sie zumindest in Frage zu stellen.

Nora Seed leidet an Depressionen und mit 35 Jahren ist sie des Lebens müde, sieht keinen Sinn mehr darin, fühlt sich von allen verlassen und überflüssig und ihre Reue über bestimmte Entscheidungen ist grenzenlos.
Nora findet sich jedoch nach ihrem Selbstmordversuch in einer großen Mitternachtsbibliothek wieder und trifft dort auf ihre ehemalige Schulbibliothekarin Mrs Elm, eine für Nora wichtige Konstante aus ihrer Jugend.
Mrs Elm erklärt nun der verwirrten Nora, dass jedes dieser Bücher ein anderes Leben darstellt, ein Leben das Nora hätte führen können, wenn sie andere Entscheidungen getroffen hätte. Sie ermuntert Nora, verschiedene Bücher und damit Leben auszuprobieren, um dann vielleicht ein Leben zu finden, das Nora „passt“ und wo sie sich zu Hause fühlt.

Die Idee einer Mitternachtsbibliothek finde ich einfach großartig!
Auch das die unendlich vielen Bücher, und wie unendlich zeigt sich noch im Laufe der Geschichte, bis auf das große Buch der Reue eine Farbe haben, ist ein schönes Detail. Durch die ausgewählten Bücher sprichwörtlich in andere Leben einzutauchen, die Nora hätte führen können, ist sehr reizvoll und für mich spannend umgesetzt.
Zuerst probiert Nora ein Leben mit ihrer vermeintlich jüngsten Fehlentscheidung aus, das fand ich sehr sinnig und gut nachvollziehbar. Gebannt habe ich dieses mögliche Leben und deren Auswirkungen verfolgt, wobei ich mir auch gedacht habe, dass es hier ja auch wieder unendliche Varianten geben muss, je nachdem welche Entscheidungen in jeweiligen Situationen getroffen werden…

Es folgen so einige Leben, die ich alle sehr interessant fand, besonders gefallen hat mir dabei die Gletscherforscherin. Dabei bergen alle Leben mindestens eine wichtige Erkenntnis für Nora, das fand ich auch super. Richtig gut fand ich auch, dass vieles sogar konstant bleibt, egal welches Leben sie wählt.
Die Geschichte ist wunderbar erzählt und es kommen auch so einige philosophische Zitate vor, die mir aber alle sehr gut gefallen haben und die ich auch sehr passend fand. Ich hätte mir sogar am liebsten welche notiert.

Das Ende war für mich sehr passend, lebendig und intensiv und ich habe regelrecht mitgefiebert!
Abwechselnd hatte ich Gänsehaut und dann musste ich aber auch wieder besonders bei einer Situation schmunzeln. Nora hatte ich schon zu Anfang ins Herz geschlossen und auch Joe und vor allen Mrs Elm mochte ich gern.

Ein wunderbares Buch, toll geschrieben, gelesen und lebendig vorgetragen! Mit der Mitternachtsbibliothek für mich sehr charmant und einfallsreich und mit den verschiedenen Paralleluniversen super spannend und faszinierend umgesetzt.
Das Ende hat mir persönlich teilweise Gänsehaut bereitet und auch wenn sich natürlich nicht alle Probleme und Sorgen auf wundersame Weise auflösen und es nicht einfach ist, hat mir die Aussage des Buches wirklich sehr gefallen!

Bewertung vom 21.02.2021
Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Schröder, Alena

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid


ausgezeichnet

Dieses Buch mit dem unfassbar langen Titel hat mich nicht mehr losgelassen und ich habe es mir dann spontan als Hörbuch geladen. Und ich habe es nicht bereut, ganz im Gegenteil! Die Sprecherin fand ich großartig und die Geschichte hat mich gleich von Anfang an gepackt. Dabei war ich erst tatsächlich unschlüssig, ob der Roman was für mich ist. Das Thema fand ich zwar hochinteressant, aber Bücher mit dem Thema Nationalsozialismus sind für mich nicht gerade leicht zum Lesen oder eben auch zu hören.

Die Geschichte umfasst vier Generationen, sie startet mit Großmutter Evelyn, die mittlerweile in einem gehobenen Seniorenheim lebt und einmal wöchentlich von ihrer Enkelin, der 27 Jährigen Hannah besucht wird. Die Besuche waren für mich irgendwie distanziert, sie folgten einer regelmäßigen Routine und gerade Evelyn ist alles andere als herzlich zu Hannah.
Germanistik Studentin Hannah, die zwar ihre Doktorarbeit angefangen hat, aber trotzdem noch nicht weiß, ob und was sie richtig will, entdeckt bei einen ihrer Besuche einen Brief an ihre Omi und Evelyn, die stur und sehr harsch alles abblockt und nichts mit dem Brief aus Israel zu tun haben will, erlaubt Hannah dennoch den Brief mitzunehmen.

Der Inhalt ist außergewöhnlich, Evelyn wird dort als einzige Erbin eines Kunstschatzes genannt, der im Nazideutschland geraubt worden sein soll und Evelyn wird gebeten eine Kanzlei für die Suche zu bevollmächtigen. Hannah, die nichts von ihren jüdischen Vorfahren gewusst hat, und das erst auch gar nicht so richtig greifen kann, möchte mehr erfahren, aber Evelyn bleibt stur und sagt kein Wort. Lehnt es kategorisch ab, über diese Zeit zu sprechen.

Die Geschichte wechselt zu Senta, Evelyns Mutter, die in den 20er Jahren ungeplant schwanger eine überhaste Ehe mit einem Fliegerhelden eingeht, jedoch nicht glücklich wird und kurze Zeit später allein zu ihrer besten Freundin Lotte nach Berlin zieht. Evelyn wird von ihrer Tante Trude, eine spätere glühende Nationalsozialistin, aufgezogen, mit der Evelyn eine innige Beziehung hat. Die Beziehung zur Mutter Senta gestaltet sich allerdings schwierig und sehr konfliktreich.
Der Mutter Tochter Konflikt zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, sowohl Senta und Evelyn als auch später Evelyn und ihre Tochter Silvia haben ihre Probleme miteinander und die Mütter mit ihrer Rolle als Frau und Mutter.
Ich fand das sehr spannend mitzuverfolgen und habe so manches Mal mit Mutter oder Tochter mitgelitten, wobei ich sagen muss, dass mir Senta noch am sympathischsten war. Mit Trude hatte ich die meisten Probleme, auch schon von Anfang an und Evelyns Charakter war manchmal auch ein bisschen schwierig für mich.

Sehr fesselnd und wunderbar lebendig war für mich die Spurensuche nach den verschollenen Kunstschätzen, auch wenn es nicht ganz so viel Raum eingenommen hat, wie ich gedacht hätte. Die moderne und teilweise humorvolle Erzählweise, wenn von Hannah und ihrem Leben erzählt wurde, fand ich herrlich erfrischend. Und auch ihr Verhältnis zu Andreas und auch zu Jörg haben mir sehr gut gefallen. Besonders gefallen daran hat mir auch die Schilderung, dass eben auch Hannahs Generation ihre Kämpfe austragen muss, vor allen in einem späteren fast beiläufigen Satz wird das sehr deutlich.

Die aufkommende Judenverfolgung fand ich trotz allem sehr beklemmend und die Wucht mancher schlimmer Szenen wird mir im Gedächtnis bleiben.
Der lange Titel des Buches klärt sich im Laufe der Geschichte und ich fand das ganz wunderbar gelungen!

Mir hat dieses Buch super gefallen und ich empfehle es sehr gern weiter!

Bewertung vom 19.01.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1


sehr gut

Nikolas Nölting fährt eines Sonntag morgens mit seinem Fahrrad los, winkt seiner Tochter noch mal kurz zu und wenig später tritt er in eine Bäckerei und schießt um sich. Allein diese Kurzbeschreibung hat mich elektrisiert und ich musste diesen Justiz Krimi einfach lesen.

Nikolas tötet einen Mann und verletzt zwei Personen, kurz nach dem Überfall lässt Nikolas sich jedoch widerstandslos festnehmen, aber er sagt kein Wort und schweigt zu seiner Tat. Auch später gegenüber seinem Anwalt, den renommierten Rocco Eberhardt, den seine Frau Anja verzweifelt und fassungslos über das Geschehen engagiert hat.

In klarer und sachlicher Sprache und in sehr kurzen Kapiteln, wird nun über das Gerichtsverfahren berichtet. Das hat mir super gefallen! Jedes Kapitel trägt eine Überschrift mit genauer Ort, Zeit und Datumsangabe, was das Ganze für mich noch authentischer macht. Roccos Gegenstreiter ist der selbstverliebte Staatsanwalt Bäumler, den ich schon regelrecht im Licht der vielen Fernsehkameras sehen konnte, so gut konnte ich mir das vorstellen.

Angenehm zurückhaltend taucht der Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer auf, der schon oft im Gericht mit seinen fundierten Aussagen überzeugen konnte und zu dem Rocco dann auch Kontakt sucht. Dr. Jarmer Aussage ist es auch, die Roccos Sichtweise auf den Fall und seinen Mandaten eine ganz andere Richtung gibt.

Obwohl die Tat selber schon von Beginn an klar ist und auch ein mögliches verstricken in die Unterwelt von Berlin angedeutet wird, ist das Buch trotzdem spannend.
Ich mag es, über Gerichtsverfahren, Zeugen, Befragungen, Plädoyers zu lesen. Rocco Eberhardt und Justus Jarmer sind sehr sympathisch und ich kann mir sie sehr gut als künftiges Team vorstellen, zumal sie zwar nicht immer einer Meinung sind, aber sich anscheinend wunderbar ergänzen.
Tobias Baumann, Privatdetektiv und bester Freund von Rocco, mochte ich auch auf Anhieb und da auch einige Familien Hintergründe von Eberhardt eine Rolle spielen und das Buch mit einen vielversprechenden Hinweis endet, darf man auf weitere Bücher gespannt sein!

Bewertung vom 14.01.2021
Leichenblume / Heloise Kaldan Bd.1
Hancock, Anne Mette

Leichenblume / Heloise Kaldan Bd.1


sehr gut

Das Cover und vor allen der Buchtitel sind für mich ein echter Blickfang. Etwas später wird dieser Titel auch noch erklärt, das ist schon wirklich sehr interessant!

Zu Anfang habe ich mich allerdings etwas schwer getan mit der Geschichte, ich wurde nicht so ganz warm mit der Hauptfigur Heloise Kaldan, einer Investigativ Journalistin und musste mich erst ein bisschen an den fast schon schnodderigen Ton gewöhnen.
Dagegen hat mir gut gefallen, dass ich in die Geschichte gleich „reingeworfen“ wurde, ich mag das gern, wenn man mit dem ersten Satz gleich schon mittendrin ist. Mit Anna Kiel konnte ich zwar am Anfang auch noch nicht viel anfangen, aber das hat sich schnell gegeben. Auch Heloise wurde mir mit der Zeit immer sympathischer und ich kann jetzt schon mal sagen, dass ich mich auf jeden Fall schon mal auf den Nachfolgeband freue, der glaube ich im Sommer 21 erscheinen soll!

Heloise Kaldans Job ist gefährdet, da sie eine brisante Story veröffentlicht hat, ohne noch mal ihre Informanten Quelle, eine neue Bekanntschaft, gegen zu prüfen. Sie ist sich zwar schon sicher, dass sie ihren Job aus verschiedenen Gründen nicht verliert, aber ist privat sehr verunsichert.
In dieser Situation erreichen sie kryptische Briefe, unterschrieben mit Anna Kiel, einer Mörderin auf der Flucht. Anna soll ohne ersichtliches Motiv einen jungen, erfolgreichen Anwalt überfallen und getötet haben.
Obwohl auch erst skeptisch, ist Heloises Interesse geweckt und sie versucht zusammen mit Kommissar Erik Schäfer, den ich auf Anhieb mochte, mehr herauszufinden. Gerade auch weil Anna in ihren Briefen private Dinge erwähnt, die sie eigentlich gar nicht wissen kann und auch eine Verbindung zu Heloise andeutet.

Die Geschichte hat mich immer mehr gefesselt, durch die verschiedenen Schauplätze fand ich das ganze sehr spannend! Die anderen Figuren, wie zb Annas Mutter, die Eltern des Ermordeten Anwalts, Martin, und besonders ein alter Freund von Anna fand ich sehr interessant und ich konnte mir sie durch den Schreibstil sehr gut vorstellen!

Am Ende kommt allerdings etwas ans Licht, womit ich so nicht gerechnet habe und für mich persönlich auch harter Tobak war. Die Schilderungen waren dann auch für mich doch schwer zu ertragen.
Und obwohl-oder gerade weil!-das Ende und die Auflösung so gut nachvollziehbar war, lässt mich das Ende zwiespältig und vor allen nachdenklich zurück.