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Der Medienblogger
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- Alles rund um Medien Für alle Serienjunkies, Leseratten, Kinoliebhaber, Eurovisionfans und Lautaufdreher genau das Richtige. Website: http://medienblogger.wixsite.com/jstreb.

Bewertungen

Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 19.05.2020
Am Ende bin ich / Prosathek Bd.2
Wachter, Alexander

Am Ende bin ich / Prosathek Bd.2


ausgezeichnet

Die Suche nach Selbsterfüllung und der wahren Liebe ist häufig ein zentrales Thema der Gegenwartsliteratur. Charaktere schwimmen im großen Ozean des Lebens, und finden nirgends einen Anker, der sie festhält; fühlen sich in einer sonst so vertrauten Umgebung plötzlich fremd; erkennen sich selbst nicht mehr wieder. Wer ist 'ich'? Wer bin ich? Nachwuchsautor Alexander Wachter wagt in seinem Debütroman "Am Ende bin ich" die berührende Erkundung des Protagonisten Luca.


Dieser ist bereits ab Seite eins ein nahbarer und empathischer Protagonist, dessen zurückhaltende Bescheidenheit sofort eine liebenswerte Eigenschaft an ihm ist. Seine Hoffnung auf eine glückliche Beziehung und einen festen Platz im Leben sind durchaus verständliche Motive, die durch eine schön ausgeführte Innensicht nachempfunden werden können. Sein spontaner, selbstbewusster Umgang mit seinen Mitmenschen machen ihn zu einer total sympathischen Figur, die man gerne auf ihrer emotionalen Reise begleitet.

Aber auch das Ensemble an Nebenfiguren ist wirklich überdurchschnittlich gut ausgearbeitet. Die Zuneigung zwischen den Freunden und der Familie scheint an einigen Stellen besonders deutlich greifbar; die von diesen Personen ausgehende Liebe sorgt für ein wohliges Wärmegefühl während dem Lesen. Einige Menschen treten jeweils nur in einzelnen Szenen Cameo-artig auf und werden bewusst charakteristisch nur angerissen, um das Gefühlschaos und der daraus resultierenden Flucht aus festen Bindungen darzustellen. Diese Orientierungslosigkeit und das damit einhergehende Treibenlassen als Motivik gefielen mir gut und regten mich definitiv zum Nachdenken an. Ich selbst stehe gerade auch vor einem Lebensabschnitt, der von großen Entscheidungen und Veränderungen geprägt ist. Daher ist mir das Gefühl, nicht zu wissen, wer man selbst ist, nur allzu vertraut.

Die zunehmende innere Zerrissenheit von Luca entsteht durch den Verlust von Aurora, und in die Beziehung zu ihr hat er all seine Behutsamkeit und Zärtlichkeit investiert. Der Funke zwischen den beiden Schlüsselfiguren mag für den Leser aber nicht so ganz überspringen, denn: Es wird überwiegend in Retrospektive, im Allgemeinen über ihre Romanze gesprochen. Mir fehlt die szenische Darstellung, die in konkreten Momenten zeigt, worüber sie lachen, weinen und denken, wenn sie zusammen sind. So ist das gebrochene Herz von Luca zwar absolut verständlich; der Zauber, dem er erlegen ist, eher weniger. Hier hätte ich mir mehr Tiefgang und Geduld für das Ausarbeiten dieses handlungstechnischen Kernelements gewünscht.

Zudem, und das geht mit dem vorangestellten Inhaltsverzeichnis einher, birgt der Roman auf seinem Weg nur wenige Überraschungen. Sein endgültiger Verlauf wird bereits durch die Nennung der Namen des jeweiligen Sex- beziehungsweise Liebespartners vorweg gegriffen. Das schmälert aber nicht die Qualität des vorliegenden Werks.

Sprachlich finde ich "Am Ende bin ich" außerordentlich gelungen. Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen und ermöglicht dem*der Leser*in einen schnellen Einstieg in die Geschichte. Der Autor legt ein hohes Tempo an den Tag, das keinen Raum für erzähltechnische Längen lässt. Außerdem ist die tolerante und weltoffene Argumentationsweise des Buchs sehr löblich - und im Jahr 2020 leider noch immer nicht selbstverständlich (weswegen ich diesen Punkt an dieser Stelle für erwähnenswert halte).

Letztendlich stelle ich mir wieder die Frage, wem ich diesen Roman weiterempfehlen kann, und die Antwort lautet kurz angebunden: jedem. Tut euch selbst etwas Gutes, lasst eure Seele baumeln und die emotionale Wucht dieses Romans auf euch wirken.


"Am Ende bin ich"
ist ein tiefgründiges, bewegendes Debüt, das mitten ins Herz trifft.

Bewertung vom 17.05.2020
Die Leiche
King, Stephen

Die Leiche


ausgezeichnet

Der US-amerikanische Schriftsteller Stephen King gilt weltweit zu den populärsten literarischen Vertretern der Gegenwart. Mit seinen Horrorromanen sichert er sich regelmäßig einen Platz auf den Bestsellerlisten. Zahlreiche seiner Werke wurden bereits verfilmt; mal weniger erfolgreich, mal in Oscar-prämierten Kassenschlagern. So auch die ursprünglich in der Anthologie "Frühling, Sommer, Herbst und Tod" veröffentlichten Novelle "Die Leiche", die 1986 mit "Stand By Me" überaus gelungen adaptiert worden ist. Diesen Monat erschien diese Geschichte als Neuauflage im Heyne-Verlag.

Der Eindruck, den ich in seinen Werken wie "Es" oder "Das Institut" gewinnen konnte, bestätigt sich hier erneut: Bei Stephen King stimmt das Handwerk einfach. Er schafft es meisterhaft, seine jugendlichen Charaktere zu etablieren und zwischen ihnen ein starkes freundschaftliches Band aufzubauen. Zwischen den vier Hauptfiguren herrschte eine so starke Gruppendynamik, sodass ich mich als Leser oftmals zugehörig zu ihnen fühlte. Ihre emotionale Entscheidungsbasis wird jederzeit verständlich ausgeleuchtet, und vor allem die wunderbare Beziehung zwischen Chris und Geordie ist es, die direkt ins Herz trifft und dort noch lange nachklingt.

"Die Leiche" greift mit zahlreiche, für die junge Altersgruppe relevante Thematiken auf, in deren Auseinandersetzung die Hauptfiguren ein deutlich stärkeres charakterliches Profil erhalten. In Konflikt mit dem Tod, häuslicher Gewalt und der Frage nach einem Plan für die ungewisse Zukunft trifft King genau den richtigen Ton, behutsam vorzugehen, die Problemstellungen der Jungs aber immer noch ernst zu nehmen. Den Pakt der Freundschaft erhebt er auf den höchsten Rang, stellt aber auch deren Zerfließen mit der Zeit dar, wie Sand, der durch die Hände rieselt, ohne dass man ihn aufhalten könnte. Aus Freunden werden Fremde. Auch das Eingestehen für sich selbst, andere und gegenüber anderen wird dem*der Leser*in als wichtiger Wert vermittelt.

Der Roman verlässt seinen stringenten Aufbau zu keiner Zeit; er hat immer ein klares Ziel vor Augen, das er verfolgt. Einige Spannungsmomente beschleunigen das Tempo streckenweise; sonst birgt die Handlung nur wenige Überraschungen. Durch diese klare Struktur bleibt nur wenig Raum für Ausschweife, somit behält er sein Timing bei und bietet ein stets kurzweiliges Lesevergnügen ohne Längen. Den steten Erzählfluss durchbrechen einige geschickt eingesetzte Einschübe in Form von Kurzgeschichten und retrospektive Bemerkungen auf Metaebene.

Die vorliegende Lektüre löst einen starken Kopfkinoeffekt aus, sodass das Lesepublikum dem Zauber der Natur vollends erliegen und es in nostalgischen Erinnerungen über die eigene Kindheit schwelgen kann. Man möchte sofort wieder Kind sein; die Lust auf Abenteuer brodelt in mir wie ein warmes Lagerfeuer, dessen Leuchten sich gegen das Ausbreiten der Dunkelheit wehrt. Die Schienen, auf denen die Charaktere unterwegs sind, sind ihr direkter Weg zu dem Leichnam, lassen sich aber auch als der Pfad auf einer Reise zu sich selbst interpretieren.

Die teils grob umgangssprachliche und von Flüchen gezeichneten Ausdrucksweise fällt negativ ins Gewicht. Ja, dieses Stilmittel ist Mittel zum Zweck, die Jungen authentisch darzustellen und so ihren sozialen Hintergrund aufzuzeigen; es nimmt der Handlung aber auch einen Teil ihrer Poesie. Zu guter Letzt nimmt King noch mal den Fuß vom Gaspedal, schraubt das Tempo stark herunter und arbeitet ein rührseliges Ende heraus, das mir unter die Haut ging. Wenn man mich also fragt, wem ich "Die Leiche" weiterempfehlen kann, dann lautet meine kurz angebundene Antwort: Jedem. Dieser Roman kommt ohne jeglichen übernatürlichen Gruselelemente aus, sondern erzählt eine herzliche Geschichte über den Wert der Freundschaft.


"Die Leiche"
ist ein rührende und kurzweilige Freundschaftsgeschichte mit vielschichtigen Charakteren und ganz viel Herz.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.05.2020
Friday Black (deutschsprachige Ausgabe)
Adjei-Brenyah, Nana Kwame

Friday Black (deutschsprachige Ausgabe)


weniger gut

Das Debüt des aufstrebenden Autors Nana Kwame Adjei-Brenyah traf auf gewaltige Wellen überschwänglicher Resonanz und wurde ein großer Bestsellererfolg. Im April erschien nun die Anthologie "Friday Black" auch in deutscher Übersetzung. Den Leser*innen wird darin eine große thematische Bandbreite gesellschaftspolitischer Herausforderungen geboten, die in den einzelnen Kurzgeschichten dargestellt werden. Hier beweist der Schriftsteller nicht nur ein bemerkenswertes Maß an Einbildungskraft, sondern auch sein ausgeprägtes Problembewusstsein für einige Streitfragen der aktuellen Gesellschaft.


Genau diese Vielzahl an Konflikten ist es aber auch, die dem Buch schnell zum Verhängnis wird. Und das liegt an mehreren Faktoren: Zum einen schwankt die Qualität der einzelnen Novellen immens, sowohl was Authentizität, Glaubwürdigkeit und mögliche Identifikationsfläche anbelangt. Dafür wirken mir viele Figuren mit ihrem Erwartungshorizont zu schablonenhaft. Trotz des stark begrenzten Umfangs der einzelnen Texte hätte man die einzelnen Protagonisten tiefgründiger etablieren können und müssen.


Auch wird der ziemlich direkte und nüchterne Schreibstil nicht jedem gefallen. Er lässt wenig Raum für den Einblick in innere Handlungen und gedankliche Auseinandersetzungen, sondern gewährt lediglich eine objektive Sicht in Vogelperspektive auf das Geschehen. Zunehmend fällt negativ auf, eine wie lange Eingewöhnungsphase jedes Mal zum Eintauchen in das neue Szenario nötig ist. Die unmittelbaren Einstiege, die oftmals zu Beginn noch den Überblick über die angesprochene Thematik verdecken, strapazieren schnell die Geduld des Normallesers.


Trotz der unverblümten Ausdrucksweise des Autors bleibt immer häufiger der wahre Sinn der Geschichte hinter einer metaphorisch verschlüsselten Fortentwicklung verborgen. Diese nehmen dem Text nicht selten einen Großteil seiner Schlagkraft. Denn obgleich "Friday Black" vor beißender Satire nur so trieft, wird keine eindrückliche Aussage getroffen; so wirkt das Buch leider oftmals unentschlossen und mundtot. Und das konnte gewiss nicht das Ziel gewesen sein.


Einige anthropologische Ansätze sind nichtsdestotrotz und das möchte ich nicht abstreiten, interessant und definitiv des Anstellens einiger Überlegungen wert: Wenn sich eine Geschichte mit den Abgründen und Negativfolgen der Menschheit und Menschlichkeit auseinandersetzt, rückt die Bedrohung eines baldigen Eintretens der dystopischen Zukunftsausblicke für den*die Leser*in in greifbare Nähe und hinterlässt ein mulmiges Gefühl in der Magengrube.


Meine persönlichen Favoriten sind, nebenbei erwähnt, "Lark Street", "Friday Black" und "Die Finkelstein Fives". Die Qualitäten der hier zuletzt aufgeführten, im Buch aber direkt zu Beginn platzierten Kurzgeschichte kann keine weitere erreichen. Bei dem Aussprechen einer Leseempfehlung tue ich mich in diesem Fall besonders schwer.


"Friday Black"
ist eine thematisch vielseitige Anthologie, die trotz der pessimistischen Zukunftsvision ausdrucksschwach bleibt.

Bewertung vom 08.05.2020
Das Flüstern der Magie
Kneidl, Laura

Das Flüstern der Magie


sehr gut

Die deutsche Autorin Laura Kneidl feiert hierzulande große Erfolge: Mit ihren Liebes- und Fantasyromanen wie "Berühre Mich. Nicht." oder "Someone New" aus dem LYX-Verlag erschien sie wochenlang nicht nur regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, sondern auch auf unzähligen Posts und Bildern der Bookstagram-Community. Vor nur wenigen Tagen erschien ihr neuestes Fantasywerk im Piper-Verlag, dessen Titel in golden leuchtender Schrift auf einem verrauchten, mit mysteriösen Runen verzierten Cover prangt: "Das Flüstern der Magie".





Ich habe zuvor noch keines ihrer Bücher gelesen; sondern war bisher lediglich Zeuge des regelrechten Hypes, der um Laura Kneidl herrschte, ihm aber nie erlegen. Sie benötigt nicht viel Zeit, um ihre Leser*innen in den Bann zu schlagen und für ihre kurzweilige, mitreißende Geschichte zu begeistern. Das hohe Erzähltempo, das die Autorin anfänglich an den Tag legt, behält sie konstant bei. Lange schon habe ich einen Roman nicht mehr so flüssig 'weggelesen', wie es hier der Fall war.



Mit Fallon und Reed etabliert sie zwei sympathische Hauptfiguren, die ab der ersten Seite einen Platz in meinem Herzen erobern. Ihre gedanklichen Ansätze sind bis auf einige Ausnahmen weitgehend gut nachvollziehbar dargestellt; die romantischen Gefühle zwischen den beiden blühen in einer glaubwürdigen Entwicklung allmählich auf. Vor allem Fallons Leidenschaft für die Magie und der Wunsch, sich vor ihren Eltern zu beweisen und das Archiv weiter führen zu dürfen, wirken ehrlich und aufrichtig.



Für meinen Geschmack lernen die Leser*innen aber viel zu wenig über die Umstände des Szenarios: Wie funktioniert die Magie denn? Und wo liegen ihre Grenzen? Die Gleichgültigkeit, die die Protagonistin diesen essenziellen Fragen entgegenbringt, kauft man ihr schlichtweg nicht ab. Hier hätte ich mir mehr Mut von der Autorin gewünscht, eine Welt mit eigenen Regeln und Werten zu etablieren, anstatt sich hinter einer Maske des Desinteresses zu verstecken.



Die dichte Atmosphäre der schottischen Hauptstadt wird geschickt mit den fantastischen Elementen des Archivs verknüpft. Die schlussendliche Wirkung mag zwar unerwartet daher kommen, haftet im Nachgang jedoch nur wenig raffiniert und etwas plump an; der Showdown rundet die Handlung überraschungskarg ab. Ja, die vorliegende Lektüre ist an einigen Stellen etwas beliebig, weiß aber dennoch durch ihren großen Unterhaltungswert durchweg zu vergnügen. Meine Interesse gegenüber möglichen Fortsetzungen ist definitiv geweckt. Ich möchte daher eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.



"Das Flüstern der Magie"

ist ein kurzweiliges und spaßiges Romantasy-Abenteuer mit zwei sympathischen Hauptfiguren und einer gehörigen Portion Magie.

Bewertung vom 07.05.2020
Ein Wort verändert die Welt / Project Jane Bd.1
Noni, Lynette

Ein Wort verändert die Welt / Project Jane Bd.1


weniger gut

Worte verwenden wir alle zur täglichen Kommunikation: Um zu informieren, zu belustigen, zu hinterfragen, zu bekräftigen, zu argumentieren, zu verletzen - wir sind alle an unsere Sprache gebunden. Was aber, wenn du diesen Worten eine besondere Bedeutung verleihen und damit Dinge erschaffen könntest, die sonst nur in deinem Kopf Realität sind? Wie würdest du mit dieser Fähigkeit und der damit einhergehenden Verantwortung umgehen? In dem Jugendbuch "Project Jane" widmet sich Autorin Lynette Noni genau dieser Frage.


Der Einstieg gelingt ihr ziemlich gut; sie bietet ihren Leser*innen eine starke und atmosphärische Einführung in die vielversprechend klingende Handlung und behält geschickt essenzielle Informationen vor, um das Interesse durchgehend aufrecht zu halten. Die Protagonistin, aus deren Perspektive geschildert wird, scheint dabei genauso geheimnisvoll wie das Umfeld, in dem sie sich befindet. Die Geschichte aus der Sicht einer sich zu einem Mythos etablierenden Figur zu erzählen, besitzt definitiv einen Reiz und konnte in mir zunächst durchaus Neugier wecken.


Leider geht "Project Jane" recht schnell die Puste aus und das Buch verliert sein Erzähltempo. Das seitenlange Verdecken der Hintergründe wird zu schnell und abrupt aufgegeben; wurde erst einmal die Katze aus dem Sack gelassen, verliert sich die Handlung in einem uninspirierten Machtkampf, der rasch beginnt zu langweilen. Die Motivation des Antagonisten ist mir persönlich zu eintönig und schwach ausgeführt. Zu seiner anfänglichen Stärke findet der Roman leider nicht mehr zurück.


Nüchtern betrachtet bietet das Szenario letztendlich nicht viel mehr als einen bunt zusammengewürfelten Mix aus Ideen, die man alle schon zu oft irgendwo gehört hat und dem Genre keine kreative Ergänzung bietet. Teilweise lehnte sich die Autorin auffällig stark an Funkes "Tintenherz", ohne jedoch annäherungsweise an dessen Qualität heranzureichen.


Trotz ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten bleibt die namenlose Protagonistin leider austauschbar und verliert nach der Auflösung jegliches Alleinstellungsmerkmal, das sie zuvor zu einer unnahbaren und dadurch spannenden Figur gemacht hatte. Zunehmend fällt auf, dass sie dem Handlungsfortschritt aktiv nichts Essenzielles beiträgt, sondern lediglich Opfer der Umstände bleibt. Leider sind auch die meisten Nebencharaktere mehr schlecht als recht ausgearbeitet und bleiben blass.


Einige wichtige Aspekte werden meiner Meinung nach nicht zureichend ausgeführt, obwohl ihre grundlegende Bedeutung für die Erzählung nicht von der Hand gewiesen werden kann. Zudem ist die Fortentwicklung des Romans über längere Strecken hinweg weitgehend vorhersehbar. Ihm fehlt ein richtiges Ziel, auf das er hinarbeitet, eine richtige Spannungskurve, aber nein: Der Showdown wird auf wenige Seiten zusammengestaucht und sich ein Cliffhanger zurecht gebastelt, der mich einfach nicht packt.


Man mag dem Roman mehrere Dinge zugute halten, die er sehr wohl erfüllt: Ein durchgängiger Unterhaltungswert, die zunehmende Fusion der Gut- und Böse-Fronten und einige kurzweilige szenische Darstellungen wissen sehr wohl in einem Feld, wo sonst vorwiegend inspirationstechnische Ödnis herrscht, zu begeistern. Insgesamt kann ich hier aber aus genannten Gründen nicht wirklich eine Leseempfehlung aussprechen.


"Project Jane: Ein Wort verändert die Welt"
beginnt stark, verliert sich aber zunehmend in eine stereotype, schnell langweilende Handlung.

Bewertung vom 21.04.2020
Nackt im Hotel - Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft
Schück, Jo

Nackt im Hotel - Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft


sehr gut

Meine Schulzeit neigt sich dem Ende zu; bereits in wenigen Wochen wird die letzte Abiturprüfung und somit eine zwölfjährige Ära voller abwechslungsreicher und spannender Bekanntschaften abgeschlossen sein. Immer öfter wird das Gedankenexperiment gewagt, zu welchen der liebgewonnenen Mitschüler*innen man in einigen Jahren wohl noch regelmäßigen Kontakt pflegen und über welche Freundschaften Gras wachsen wird, so wie es bei den meisten Sandkastenbeziehungen allmählich der Fall war. Wer ist ein wirklich wahrer, wer womöglich sogar einer meiner besten Freunde? Dem Herzensthema 'Freundschaft' widmet sich auch Moderator und Kulturjournalist Jo Schück in seinem Debütroman "Nackt im Hotel".


»Ich bin mir sicher, Wohl und Wehe dieser Gesellschaft wird maßgeblich davon abhängen, wo wir die Freundschaft auf unserer persönlichen und gesellschaftlichen Prioritätenliste ansiedeln. Sie gehört nach ganz oben.«

Mit dieser steilen These schafft der Autor eine interessante Basis für dieses Sachbuch, denn: nicht jeder wird sofort mit der Behauptung konform sein, Freunde seien wichtiger als die Beziehung oder die Familie. Er bürdet sich somit selbst bereits zu Beginn die Aufgabe auf, die Leser*innen von dieser zu überzeugen.


Schück schreibt in salopper, jugendlicher Sprache, die nie aufgesetzt wirkt, sondern sich gut dem aktuellen Zeitgeist anpasst. In den sachlichen Passagen – und diese nehmen den Großteil des vorliegenden Werks ein – nimmt er das Lesepublikum an die Hand und erklärt seine Schlussfolgerungen stets deutlich und leicht nachvollziehbar. Die zahlreichen Quellenangaben bezeugen seine gründliche Recherchearbeit und stützen die eigenen Argumente geeignet.


Er fügt geschickt einzelne fiktive Passagen ein, aus denen er synthetisch neue Erkenntnisse ziehen und an denen er seine Überzeugungen deutlich artikulieren kann. Zunehmend verstrickt er sich hier jedoch in dem verzweifelten (und überflüssigen) Versuch, Bezüge zwischen den Kurzgeschichten herzustellen und die knappen Handlungen miteinander zu verknüpfen. Dies ist nicht nötig, und nimmt dem Ganzen etwas seiner knackigen Frische. Auch durch einige Dopplungen büßt der Text einige Schlagkraft ein.


Gesamtheitlich gelangt Schück nicht zu wirklich progressiven oder sonderlich überraschenden Erkenntnissen, sondern bezieht vielmehr logische Konsequenzen und stellt Elemente in neue Zusammenhänge. Dass der Autor dabei sichtlich mit ganzem Herzen hinter der Thematik steht und sich für die öffentliche Wertschätzung dieser Art menschlicher Beziehung engagiert, macht ihn nicht nur verdammt sympathisch, sondern regt gleichzeitig definitiv zum Nachdenken an. "Nackt im Hotel" bewirkte die starke Aufwertung der Freundschaft in meiner eigenen Weltansicht und ließ mich über die Intensität zu meinen eigenen Mitmenschen hinterfragen.


Ja, der Anfangsthese, die der Freundschaft eine weitaus größere Wichtigkeit zuspricht als der gesellschaftliche Konsens, würde nach Beendigung der Lektüre viel eher zustimmen – und genau dadurch hat sie ihr Ziel voll erreicht. Für den kurzweiligen und interessanten Exkurs mit einer unterhaltsamen Erzähltechnik möchte ich daher definitiv eine Leseempfehlung aussprechen.


"Nackt im Hotel – Wie Freundschaft der Liebe den Rang abläuft"
ist ein überzeugendes Plädoyer über die Bedeutung der Freundschaft.

Bewertung vom 21.04.2020
OMG, diese Aisling!
Breen, Sarah;McLysaght, Emer

OMG, diese Aisling!


weniger gut

In Irland feiert das Autorinnenduo Sarah Breen und Emer McLysaght mit ihrer Reihe "Oh My God, What A Complete Aisling" riesige Erfolge und konnte neben einer Platzierung ganz oben auf der Bestsellerliste mehrere Buchpreise gewinnen. Unter einem recht ähnlichen Titel erschien der Roman bei dtv-bold in deutscher Übersetzung. Ich habe mich gemütlich in meine Bettdecke eingewickelt, in Erwartung einer gemütlichen Wohlfühllektüre – kann das Buch letztendlich seine Versprechungen durch den Klappentext einhalten?

Der recht uninspirert zusammengeschusterte Beginn der Erzählung konnte zunächst nicht mein Interesse für sich erwecken. Das mag vielleicht an dem anstrengenden Schreibstil liegen, an den ich mich gewöhnen musste: In die Belanglosigkeit ausufernde, verschraubte Hypotaxen langweilen die Leser*innen mit billigen Informationen über die entferntesten Dorfbewohner oder füttern sie mit parodistisch dargestellten, sogenannten Klischees, zu denen ich überhaupt keinen Zugang finden konnte. Dazu fehlte mir jegliche Identifikationsfläche.



Das vorliegende Buch wird als Charakterstudie ausgegeben, durch die die Leser*in zu einem tiefen Einblick in das Innenleben der Titelfigur gelangen soll. Trotz der stetigen "Abkultung" von Aisling als gesellschaftliches Phänomen bleibt das Mysterium bestehen: Wer ist sie denn überhaupt und was soll denn bitte "typisch Aisling" sein? Ich empfand überhaupt keine emotionale Nähe zu ihr; mag es daran liegen, dass sie selbst oftmals nicht so recht zu wissen scheint, aus welchen Motiven sie gerade handelt, oder aber an der Tatsache, dass ihr ein Esprit, die gewisse Entschlossenheit fehlt. Sie bleibt jederzeit ein flacher und sogar langweiliger Charakter, der in ihrem Umfeld untergeht.



»So viel Klatsch und Drama! Und das von mir. Das bin so überhaupt nicht ich.«


Ja, wer bist du dann, liebe Aisling? – Die Figur ist so vertieft in ihre eigene Gefühlswelt, dass sie die Empfindungen ihrer Mitmenschen missachtet und ihre starrsinnige, egozentrische Weltansicht nie verlässt. Zudem äußert sie sich teilweise grob unangemessen und intolerant; fähig zur Selbstreflektion zeigt sie sich dabei nicht. Auch wirkt es oft so, als wäre sie emotional festgefahren, weiß den Zug aber nicht mehr aus dem Tunnel zu lotsen.



Eigentlich ist die Frage nach dem eigenen Sein und die Erkundung der eigenen Persönlichkeit ein interessanter Prozess für ein Buch: Aisling möchte aus dem familiären Haus ausziehen und findet Unterkunft in der Wohngemeinschaft einer ihrer Arbeitskolleginnen. Sie muss fortan die Balance zwischen der Fürsorgepflicht zu ihren Eltern und dem Aufrechterhalten ihres sozialen Status quo halten. Eine logisch daraus resultierende Synthese fehlt hier, ja, das Buch gelangt nicht einmal zu einem Zwischenergebnis. Somit hinterlässt "OMG, diese Aisling!" keinen bleibenden Eindruck.



Das vor sich hinplätschernde Spannungsniveau und eine überraschungskarge Handlungsentwicklung kann nur der halbwegs unterhaltsame Mittelteil durchbrechen, der unbeschwerte Phasen im Umgang mit den neu dazugewonnenen Freundinnen porträtiert. Diese Nebenfiguren werden leider unzureichend ausgearbeitet und keine einschlägigen Charakterzüge zugewiesen. Dennoch ist das Buch zwischendrin wenigstens kurzweilig, eine Leseempfehlung kann ich hier aber keineswegs aussprechen.



"OMG, diese Aisling!"
ist ein enttäuschender Reihenauftakt ohne Aussagekraft.

Bewertung vom 19.04.2020
Der Atem einer anderen Welt
McGuire, Seanan

Der Atem einer anderen Welt


ausgezeichnet

1865 fiel Alice durch ein Kaninchenloch in das mysteriöse Wunderland und erlebte dort fantastische Abenteuer, die dank Lewis Carrolls Erzählung heute auf dem gesamten Erdball bekannt sind. Die kalifornische Autorin Seanan McGuire denkt dieses Szenario in ihrem Werk "Der Atem einer anderen Welt" konsequent weiter: Was passiert mit diesen von fremden Welten geküssten Figuren, wenn sie wieder in ihren gewöhnlichen Alltag zurückkehren? Wie können sie sich nach dem, was sie sahen, wieder in unsere gesellschaftliche Normen fügen?



Basierend auf diesem Hintergrund entwirft sie ein grandioses Szenario, das durch seine schier gewaltigen Ausmaße unzählige Möglichkeiten zum Entdecken, für Überraschungen und neue kreative Ideen bietet. Das vorliegende Buch ist ein bunt schillerndes Potpourri aus atemberaubenden Schauplätzen, fantastischen Elementen und vielschichtigen Figuren, das wirklich Freude macht.



Der Roman ist in drei Novellen gegliedert, die jeweils neue Hauptakteure und eigenständige Spannungsbögen besitzen. Somit können die Leser*innen die Handlung aus unterschiedlichen Perspektiven erleben und sich somit einen umfassenden Überblick anzureichern. Die einzelnen Geschichten sind derart wirkungsvoll, sodass ein stimmiges Gesamtbild entsteht, das an keinen streckenweisen Längen leidet und fast suchtartig in den Bann zieht.



Dies ermöglicht auch der fabelhafte Schreibstil, der mehrfach aus der Position des neutralen Berichts heraustritt, um aus einer Metaebene über die Handlung zu sprechen. Die Autorin verpackt gelungen märchenhafte Botschaften in die kuriosen Umstände und erinnert dabei durchaus an die Werke der Gebrüder Grimm. Sie entwickelt einen überzeugenden Nährboden für die Figuren, bei dem man sich unweigerlich an die eigene Kindheit zurückerinnert fühlt und sich ein wohlig-heimeliges Gefühl wie bei einer Lagerfeuergeschichte breit macht.



Das Figurenensemble besteht aus vielschichtigen Charakteren, die mir sofort ans Herz wachsen konnten. Sie werden stimmig ausgearbeitet, die Beweggründe und Sehnsüchte stets nachvollziehbar ausgeleuchtet und die kindliche Naivität als ein immer wiederkehrendes Motiv verwendet, die noch jede Neugier und jeden Entdeckersinn legitimieren. Positiv zu erwähnen sind die unzähligen Ansätze der Autorin, sich durch die ethnische, sexuelle und religiöse Vielfalt der auftretenden Personen für soziale Diversität stark zu machen.



Das Erzähltempo der verschiedenen Novellen ist ab der ersten Seite mitreißend, sodass ich nicht lange brauchte, mich in der jeweiligen neuen Umgebung zurechtzufinden. Fast hätte ich mir an einigen Stellen mehr Zeit und Gelassenheit zum Fertigstellen einiger Handlungsstränge gewünscht, um dem Roman seine gelegentliche Hektik zu nehmen. Zusätzlich brachten mich einige Logikfehler zwischendrin zum Stirnrunzeln. Dennoch möchte ich, aufgrund der ausgeführten Argumente, für das Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen.



"Der Atem der anderen Welt"
ist eine der spannendsten Fantasyreisen, die ich seit Langem antreten durfte.

Bewertung vom 16.04.2020
Ein Mädchen nicht von dieser Welt
Appelfeld, Aharon

Ein Mädchen nicht von dieser Welt


ausgezeichnet

Der 2018 verstorbene Schriftsteller Aharon Appelfeld wird heutzutage zu den bedeutendsten Autoren Israels gezählt. In unzähligen Werken berichtet er über die Judenverfolgung und seine eigene Vergangenheit im Krieg. Der für Kinder bedachte Roman "Ein Mädchen nicht von dieser Welt" erzählt die Geschichte zweier Jungen, die von ihren Müttern in den Wald geschickt wurden, um sich vor den Gefahren des Ghettos zu schützen. Welche Eindrücke ich aus der Lektüre gewinnen konnte, erfährst du in der folgenden Rezension.



Durch die biographischen Elemente ist die vorliegende Handlung von großer Authentizität, denn der Autor weiß treffsicher, worüber er da schreibt. Er präsentiert eine kurzweilige, märchenhafte Erzählung für eher jüngere Leser*innen, die richtige und wichtige Werte vermittelt. Appelfeld agnosziert die barmherzige Menschlichkeit, die altruistische Fähigkeit zum Teilen und die christliche Nächstenliebe.

In sehr reduzierter Sprache ohne rhetorische Verzierungen beschränkt er sich auf die knappe, aber saubere Wiedergabe der inneren und äußeren Handlung. Dies erzielt eine hohe Konzentration auf den tatsächlichen Inhalt; genau diese zurückhaltende, kühle Erzählweise sorgt aber gleichzeitig dafür, dass der Roman keinen bleibenden Eindruck in mir hinterlassen konnte. Ich hätte mir hier mehr Mut gewünscht, diesen vorhersehbaren Pfad zu verlassen und einen eigenen Weg einzuschlagen.

Adam und Thomas sind zwei leicht zu händelnde, authentische Protagonisten, die glaubwürdige Erwartungen an ihr Leben und Ängsten vor ihrer Zukunft haben, gleichzeitig jedoch merkwürdig substanzlos und austauschbar wirken. Sie handeln genau so, wie man es von ihnen erwarten würde.

Eine angemessene Einführung der jungen Zielgruppe in den historischen Kontext und die behandelte Kriegsthematik geschieht hier nicht; so bleibt bis zum Schluss die aufkeimende Frage offen, wieso sich die Hauptfiguren und ihre Familien überhaupt in dieser Lage befinden. Immer scheint sich eine stets unpräzise bleibende Bedrohung anzunähern, wodurch die Furcht, die zugezogenen Verletzungen, die Hoffnungen der auftretenden Menschen nicht ausreichend legitimiert werden.

Zunehmend verstrickt sich der Autor in deutlich christlich geprägten, oftmals repetitiven Denkansätzen und der märchenhaft-skurrilen Fertigstellung der Handlung, die der Glaubwürdigkeit entbehren. "Ein Mädchen nicht von dieser Welt" fühlt sich eher an wie eine zu lang geratene Kurzgeschichte. Den angesetzten Preis von zehn Euro, verglichen mit dem Umfang, den das Buch letztendlich bietet, finde ich dementsprechend etwas zu hoch – daher gibt es von mir heute nur eine beschränkte Leseempfehlung.



"Ein Mädchen nicht von dieser Welt"
ist eine märchenhafte Erzählung über zwei Jungs während den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die sehr an der Oberfläche bleibt.

Bewertung vom 16.04.2020
Wir fliegen, wenn wir fallen
Reed, Ava

Wir fliegen, wenn wir fallen


ausgezeichnet

Die deutsche Schriftstellerin Sabrina Scherer ist seit 2014 unter dem Pseudonym Ava Reed als Bloggerin und Autorin tätig. Dem 2017 erschienenen realistischen Jugendroman "Wir fliegen, wenn wir fallen" eilen zahlreiche positive Resonanzen voraus, sodass ich mit großen Erwartungen an mein erstes Buch von mir herangegangen bin. Begleitet von dem orchestralen Filmsoundtrack von "Interstellar" schlug ich die erste Seite auf – und berichte nun, welche Eindrücke die vorliegende Lektüre in mir hinterlassen hat.



Der abrupte Einstieg, in dem sich die Ereignisse nur so überschlagen, reißt die Leser*innen sofort mit. Uns werden zwei authentische Protagonisten und ihr Innenleben ausführlich vorgestellt, aus deren Sicht die folgende Handlung erzählt ist. Der persönliche Verlust und der Umgang mit der Trauer und dem kriechenden Sichschuldigfühlen ist förmlich greifbar, und die daraus resultierende Selbstabschottung und Distanzierung absolut verständlich.

Ich fühlte mich sofort wohl mit den beiden Figuren; sie während den dreihundert Seiten auf ihrer enormen charakterlichen Entwicklung zu begleiten, die zu keiner Zeit an Glaubwürdigkeit verliert und sogar zu einem zunehmenden Perspektivwechsel auf eine subjektive Weltansicht führt, bereitet große Freude. Hier wird angemessen einfühlsam, und nicht zu einlullend behutsam, mit der menschlichen, alles um sich herum verdrängenden Trauer umgegangen, dass es mich berührt hat.

Mehr noch ist "Wir fliegen, wenn wir fallen" aber eine leichte Lektüre fürs Herz, die sich gut 'weglesen' lässt und bei der man sich dem Titel entsprechend fallen lassen und die Charaktere lieben lernen kann. Das Buch erzählt die Geschichte eines gelungenen Roadtrips, der zum Kofferpacken einlädt und zum Schwelgen in Reiseträumen verleitet, in der man die große weite Welt für sich erobert.

Das gesamte Szenario ist zauberhaft, die verschiedenen bereisten Orte und die dort erlebten Begebenheiten wunderschön, sodass dauerhaft ein Kopfkinoeffekt erzielt wird, der die eigene Fantasie anregt. Ava Reeds Schreibstil ist durchweg eindrucksvoll, lässt sich gut lesen und auch aufgrund seiner sprachlichen Bilder ab der ersten Seite an überzeugend: beispielsweise zu nennen ist das Pusteblumenmotiv, welches nicht nur in die Handlung, sondern auch die Gestaltung der Buchseiten und dem Cover verankert ist.

Die Beziehung zu Phil, dessen Persönlichkeit für die Leser*innen durch die Erinnerungen der beiden Hauptfiguren puzzleartig zusammengesetzt wird, ist das Fundament des Romans, ein Dreh- und Angelpunkt für die Handlung. Leider wird die Nostalgie, die feierliche Erinnerung an diesen liebgewonnenen Menschen zwischendrin etwas vernachlässigt, und sich stattdessen stark auf eigene Bedürfnisse fokussiert. Dadurch emanzipiert sich der Roman zwar von seinem Ausgangspunkt, die beiden Figuren verlieren so aber auch den Auslöser für die gemeinsame Reise aus den Augen. Die emotionale Schlussszene hingegen führt die Handlung so gelungen zu Ende, dass ich mit Gänsehaut, wie paralysiert zurückblieb.

Bleiben denn überhaupt irgendwelche Wünsche an das Buch offen, die es nicht erfüllen kann? Nicht wirklich. Ein wenig mehr Zeit beim Ausformulieren essenzieller Passagen wäre vielleicht schön gewesen, einige Sequenzen wirken auf den zweiten Blick vielleicht etwas zu zuckrig. Aber ich möchte auch nicht länger nach möglichen Kritikpunkten wühlen, wo es keine gibt – die vorliegende Lektüre ist eine Leseempfehlung, die ich wirklich jedermann ans Herz legen kann.



"Wir fliegen, wenn wir fallen" ist eine kurzweilige Lektüre fürs Herz, die glücklich macht.