Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Lesefreak
Wohnort: 
Oberland

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 21.02.2022
Ein Präsident verschwindet / Philipp Gerber Bd.2
Langroth, Ralf

Ein Präsident verschwindet / Philipp Gerber Bd.2


ausgezeichnet

Nach seinem ersten Roman rund um Krimalhauptkomissar Gerber, legt Ralf Langroth mit diesem Roman einen würdigen Nachfolger vor.
Bereits nach wenigen Seiten ist man vollkommen in die junge Republik eingetaucht und mit den Problemen der 50er Jahre konfrontiert. Der Verfassungsschutzpräsident John ist verschwunden und "der Alte" beauftragt Gerber damit, sich der Sache anzunehmen. Spannend, unterhaltsam und mit jeder Menge geschichtlichen Bezügen angereichert, wird die Handlung vorangetrieben und immer wieder fragt man sich, wem man eigentlich trauen kann. Welcher Geheimdienst ist involviert, wer arbeitet für welche Seite und welche Interessen werden verfolgt. Es entsteht so ein eindrucksvolles Bild des beginnenden kalten Krieges und ein absolut lesenswerter Roman. Besonders gelungen finde ich die Problematisieren der Nazigrößen in führenden Positionen, in der noch jungen Republik. Gerber äußert sich, zu Besuch bei Adenauer: "[Die Bürger] verstehen nicht, warum Sie ausgerechnet auf die Mitarbeit der alten Nazis bauen." Adenauer antwortet: "Weil ich keine besseren Leute habe" und fragt aus meiner Sicht zurecht, warum die Alt-Nazis nicht die Pflicht und Schuldigkeit hätten, das in Trümmern liegende Land wieder aufzubauen, da sie ja schließlich die Schuld daran tragen würden. (Vgl. S. 347f.)

Insgesamt ein absolut lesenswerter Roman und eine gelungene Fortsetzung.

Bewertung vom 21.02.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


gut

Mit nur knapp 200 Seiten ist der Roman "Das Vorkommnis" keine sehr umfangreiche Lektüre, trotzdem hat sich das Lesen für mich sehr hingezogen und lässt mich am Ende auch etwas ratlos und zwiegespalten zurück.
Auf der einen Seite schreibt die Autorin anspruchsvoll und literarisch wertvoll und schafft es, den Leser durch kleine, fast schon tagebuchartige Gedankenschnipsel an den Denkprozessen der Protagonistin teilzuhaben. Durch ein plötzliches Ereignis hinterfragt sich diese und ihre vergangenen Entscheidungen zunehmend, woraus sich eine vorstellbare Verunsicherung ergibt. Leider wird dies alles auf theoretischer Ebene aufgearbeitet und kommt für den Leser äußerst gefühlsarm und wenig greifbar daher. Leider mangelt es dem Roman für meinen Geschmack auch etwas an Handlung. Zwar prasseln jede Menge Gedanken, Gefühle und Zweifel auf die Protagonistin ein, dass diese jedoch alle von diesem einen Vorkommnis ausgelöst werden, erscheint mehr als fraglich. Auch die unglaubliche Fülle an Gedanken, die für mich nicht immer im Zusammenhang stehen, ließen bei mir oft den Wunsch nach dem Aufhören oder Weglegen aufkommen, vor allem weil nichts wirklich passiert, was einen fesselt.

Ohne Zweifel werden einige durchaus interessante fragen aufgeworfen, Episoden aus dem Leben erzählt oder einfach nur Gedanken geäußert, über die man als Leser durchaus auch nachdenkt, mir fehlt es jedoch an echten Gefühlen, Handlung und "Sinn" hinter diesem Roman. Von mir gibt es daher solide drei Sterne, da ich mir mehr erhofft hatte und mich die Geschichte nie richtig fesseln konnte.

Bewertung vom 12.02.2022
Unser wirkliches Leben
Crimp, Imogen

Unser wirkliches Leben


sehr gut

Ein wirklich gelungener moderner Roman, der zahlreiche Probleme der heutigen Zeit, auch durchaus gesellschaftskritisch aufgreift. Zum einen die Rolle der Künstlerin Anna (Opernsängerin), die von der Gesellschaft belächelt wird für ihren Berufswunsch und gleichzeitig, obwohl sich die Leute an ihrer Performance erfreuen, nicht beachtet wird, da die Kunst, wie Max es immer wieder deutlich macht, für viele Menschen nur ein Hobby und kein Beruf ist, mit dem man seinen Lebensunterhalt gestalten kann.
Auch das Problem der toxischen Beziehungen ist treffend und wird gut ausgearbeitet. Man verfolgt die Entwicklung der Protagonistin hin zu einer selbstständigen Persönlichkeit und muss teilweise schockiert sein, wie Max auf der einen Seite seine Machtposition ausspielt, auf der anderen Seite nicht auf der Gefühlsebene mit ihre kommuniziert.
Natürlich dürfen auch hier moderne Elemente wie die Mitbewohner Annas nicht fehlen. Extreme Feministinnen, Personen auf der Suche nach ihrem Geschlecht und auch sonst leider etwas zu stereotyp gestaltete junge Erwachsene.

Aufgrund der allerdings recht auf die Beziehung zwischen Anna und Max ausgerichteten Handlung ergeben sich immer wieder kleine Längen, da für mich teils unnötige Einschübe gemacht und Nebenhandlung eingeflochten werden, die man durchaus hätte weglassen können.

Insgesamt ein gelungener Roman mit ein paar Längen.

Bewertung vom 30.01.2022
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


gut

Der Roman Erschütterung thematisiert das langweilige und gewöhnliche Leben des Professors Zach Wells, das plötzlich aus der Bahn gerät. Während der Handlungsstrang, der die plötzliche Erkrankung seiner Tochter behandelt, sehr berührend und nachvollziehbar geschrieben ist, aber auch etwas an Erklärung und Tiefe vermissen lässt, wirken die anderen Handlungsstränge teils unmotiviert, konstruiert und unnötig. Richtig schade ist das gerade deshalb, weil so kein restlos überzeugende Geschichte, sondern eine teils bruchstück- und sprunghafte Aneinanderreihung von einzelnen Episoden entsteht. Wer lässt seine Familie wochenlang zurück, um einem mysteriösen Hilferuf in einem Ebay-Paket nachzuforschen, zumal die Tochter todkrank ist? Was hat es mit dem Selbstmord einer Mitarbeiterin im Institut auf sich? Das sind nur zwei von dutzenden Fragen, die sich mir nach der Lektüre stellen und leider nicht beantwortet bzw. logisch begründet werden.

Auch im sprachlichen Bereich ist das Buch gewöhnungsbedürftig. Die ersten etwa 50 Seiten wirken sehr hölzern und sprunghaft, im Laufe des Romans wird die Sprache jedoch etwas einfacher und anschaulicher, insgesamt angenehmer zu lesen. Dennoch stören immer wieder total unzusammenhängende Einschübe, deren Sinn und Wirkung sich mir nicht erschließen und den Lesefluss einfach unnötig stören.

Insgesamt also ein Roman, der mich nicht restlos überzeugen konnte, obwohl die Geschichte Potential hatte. Von mir gibt es nur eine bedingte Empfehlung.

Bewertung vom 30.12.2021
Strahlentod / Sabine Kaufmann Bd.6
Holbe, Daniel;Tomasson, Ben

Strahlentod / Sabine Kaufmann Bd.6


sehr gut

"Strahlentod" macht mit seinem markanten Cover direkt auf sich aufmerksam, die Handlung hat jedoch nur entfernt mit dem Titel zu tun. Zwar geht es um die Endlagerfrage des deutschen Atommülls, Anti-Atomkraft-Demos und auch in Ansätzen um geschichtliche Hintergründe der zivilen Nutzung der Atomkraft in Deutschland., ich hätte mir aber ehrlichgesagt noch ein wenig mehr Tiefgang bezüglich dieser Thematik gewünscht. Davon unberührt ist allerdings der wirklich gelungene Handlungsverlauf, der immer wieder Wendungen, Sackgassen und Überraschungen bereithält. Als Leser konnte man sich gut zurechtfinden und die Spannungskurve war meist in angemessenem Maße vorhanden, auch wenn man keinen übermäßig spannenden Thriller, sondern einen soliden Krimi erwarten kann.
Da es der erste Band der reihe für mich war, fehlt mir etwas die Vorgeschichte der beiden Ermittler, zwischen beiden knistert es jedoch heftig und die sich andeutende Liebschaft ist wirklich ansprechend und gelungen eingearbeitet.
Insgesamt hätte man aber die Geschichte noch etwas komprimierter gestalten und so ein paar Seiten sparen können. Es kam zwar keine Langeweile auf, zwischendurch wäre etwas mehr Zug aber durchaus nicht verkehrt gewesen.
Sprachlich kann man das Buch fraglos empfehlen. Gut verständlich und flüssig zu lesen, lässt der Krimi keine Wünsche offen.

Insgesamt also ein gelungener Krimi mit einigen wenigen Punkten, die ich mir für eine 5-Sterne-Bewertung gewünscht hätte.

Bewertung vom 20.12.2021
Der Herzgräber
Williams, Jen

Der Herzgräber


gut

Mit dem Thriller "Der Herzgräber" hat Jen Williams einen solide gemachten Thriller vorgelegt, der an der ein oder anderen Stelle jedoch Potential verschenkt und zumindest mich nicht vollständig überzeugt hat. Mysteriöse Leichenfunde und liebevoll arrangierte Körper versprechen zu Beginn eine wirklich ansprechende Geschichte, im weiteren Verlauf fehlt mir jedoch der Zug. Erst gegen Ende kommt dann etwas Fahrt in die Geschichte. Zwar wird am Ende die Geschichte aufgeklärt, dies passiert jedoch sehr knapp und schnell, hier hätte man durchaus noch ein paar Seiten investieren können.

Während der solide konstruierten Handlung stören immer wieder kleinere Punkte den Lesegenuss. Die kleinen Rückblenden wirken für mich sehr unverständlich und ich habe mir immer wieder Fragen dazu gestellt, Spannung kam aber nicht so richtig auf.
Auch blieben die Figuren insgesamt recht blass, etwas mehr Tiefe hätte sicher nicht geschadet.
Überflüssig war auch die angedeutete Liebesbeziehung zum Ermittler Parker, die quasi im Vorbeigehen abgehakt wurde und weder nötig noch richtig romantisch war.
Positiv muss man die kurzen Märcheneinschübe erwähnen, die ruhig etwas genauer beleuchtet hätten werden sollen.

Sprachlich war das Buch ordentlich geschrieben, die Übersetzung wirkte größtenteils passend, nur an manchen Stellen hätte man etwas nachschärfen können.

Insgesamt ordentliche Unterhaltung ohne allzugroße Spannung.

Bewertung vom 15.11.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


ausgezeichnet

„Wie schön wir waren“ ist eines dieser Bücher, das spaltet. Es spaltet nicht wegen des Inhalts, der ohne Frage hochaktuell und gesellschaftlich große Brisanz besitz, sondern vielmehr aufgrund der Art und Weise, wie das Thema umgesetzt wurde.

Nüchtern und unaufgeregt werden die Bewohner von Kosawa, einem kleinen afrikanischen Dorf, das seit Jahrzehnten mit den Auswirkungen der Ausbeutung durch eine amerikanische Ölfirma zu leiden hat, dargestellt und gezeigt, wie sie über Jahrzehnte versuchen dagegen vorzugehen, aber immer wieder scheitern. Schließlich sagen sie sowohl der Gesellschaft als auch dem Staat und seinem korrupten politischen System den Kampf an. Unter Führung der selbst in jungen Jahren bereits sehr eloquent und reflektiert denkenden Thula versuchen die Bewohner letztendlich ihr Leben wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

Eindrucksvoll und von der ersten Seite an mit einer sprachlichen Brillanz gelingt es der Autorin die Konflikte aus Sicht der heimat- und naturverbundenen Bewohner des Dorfes darzustellen und als Leser ist man immer wieder am Schlucken, wenn man liest, mit welcher Ignoranz die Bewohner und deren Interessen abgetan werden, da sie das System von Profitsteigerung und Machterhalt stören.
Kleinere Schwächen, wie die Gelegentlichen Wiederholungen, die den Perspektivwechseln geschuldet sind, kann man ohne Frage verschmerzen.
Größter Kritikpunkt ist für viele Menschen sicherlich die Darstellung der Dorfbewohner. Deren Naivität und häufig auf die menschlichen Grundtriebe (Essen, Trinken und Anziehung zum anderen Geschlecht) beschränkte Art und Weise, ebenso wie die teilweise etwas ausschweifende Schilderung von vermeintlichen Nebensächlichkeiten, wirkt für den Leser stellenweise unangebracht und zäh. Der Autorin gelingt es dadurch jedoch, wie ich finde, die tatsächliche Einstellung in zahlreichen Dörfern im afrikanischen Hinterland sehr gut einzufangen.

Insgesamt für mich ein Buch, das man ohne Umschweife empfehlen kann, 4,5 Sterne von mir.

Bewertung vom 18.10.2021
Diese Frauen
Pochoda, Ivy

Diese Frauen


sehr gut

Mit dem Roman „Diese Frauen“ hat Ivy Pochoda einen Gesellschaftsroman vorgelegt, der diejenigen Personen zeigt, die den amerikanischen Traum nicht erreicht haben und am unteren Ende der Gesellschaft zu finden sind. In erschreckender Deutlichkeit wird aufgezeigt, wie mit diesem Teil der Gesellschaft umgegangen wird.

Eingebettet in eine zugegebenermaßen nicht immer hochspannenden Kriminalgeschichte, wird so eine wirklich interessante Gesellschaftsstudie gezeichnet. Die Jagd nach einem Serienkiller wird aus mehreren Perspektiven geschildert, wobei es der Autorin gut gelingt die unterschiedlichen Charaktere in ihrer Ausdrucksweise und der Präsentation ihrer Eindrücke zu variieren, auch wenn einzelne Blickwinkel so anstrengend zu lesen sind.

Insgesamt also ein guter und lesenswerter Roman, auch wenn mir persönlich etwas die Spannung fehlte. Der Leser muss sich jedoch bewusst sein, dass es sich hier keinesfalls um einen Wohlfühlroman handelt, sondern dass man durchaus mit schweren Schicksalen und eindrücklichen Bildern konfrontiert ist. Trotzdem kann ich das Buch guten Gewissens weiterempfehlen!

Bewertung vom 26.09.2021
Böse
Wagner, Jonas

Böse


sehr gut

Gelegentlich lassen mich Bücher nach dem Lesen etwas ratsam zurück bei der Frage, wie ich es nun finde. Auch den Thriller „Böse“ von Jonas Wagner würde ich in diese Kategorie einordnen. Auf der einen Seite handelt es sich um einen spannenden Thriller, der einige interessante Thematiken aufgreift und vertieft, auf der anderen Seite fehlt am Ende eine Auflösung und der Leser wird etwas in der Luft hängend zurückgelassen.

Katharina Bosch zieht nach der Scheidung mit ihrer Tochter in ein kleines Dorf, in dem „die Neuen“ kritisch durch die Dorfgemeinschaft beäugt werden und für Unruhe sorgen. Diese Abneigung von kleinen eingeschworenen Dorfgemeinschaften, in denen jeder jeden kennt, wird eindrucksvoll geschildert.
Fenja, die Tochter verschwindet und niemand im Dorf zeigt Verständnis, Mitgefühl und Bereitschaft das Verschwinden aufzuklären.

Eindrucksvoll schildert der Autor dann die Qualen, die die Gefangenen erdulden müssen, lässt dabei dem Leser aber große Interpretationsspielräume.
Man fiebert auch mit, wann es endlich gelingt, eine Spur zu den Opfern zu finden, oder wer der Täter sein könnte.

Leider kommt es dann am Ende zu einem recht abrupten und wenig erhellenden Ende. Auch hier werden hauptsächlich Andeutungen gemacht, der Leser erfährt jedoch nicht die Beweggründe für die Entführungen oder ob der am Ende als Täter dargestellte, wirklich auch der Täter war. Schade, hier hätte ich mir deutlich mehr Klarheit gewünscht.

Insgesamt ein gelungener Thriller, der spannend geschrieben ist, am Ende jedoch meiner Meinung nach etwas mehr Konkretheit im Abschluss benötigt hätte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


sehr gut

Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein können, treffen an Weihnachten aufeinander. Nur langsam, für meinen Geschmack auf den ersten 150 Seiten etwas zu langsam, erfahren wir über die Probleme, die zwischen den beiden Schwestern und ihrer jeweiligen Persönlichkeit bestehen. Esther ist eine sehr vereinnahmende Frau, die alles und jeden in ihrer Umgebung versucht zu kontrollieren und zu manipulieren, teils mit perfiden und rücksichtslosen Methoden. Im zweiten Teil nimmt der Roman dann etwas an Spannung und Fahrt auf, als Martin, der Mann von Esther und ebenfalls Opfer ihrer Machspielchen, mit aufgenommen wird. Es werden wirklich aktuelle und sehr wichtige Probleme der heutigen Gesellschaft, die von den drei Protagonisten verkörpert werden, thematisiert und der Leser zum Nachdenken angeregt. Mir persönlich fehlt jedoch etwas mehr Spannung und Handlung. Die meiste Zeit passiert gar nicht so viel und die Geschichte lebt im Prinzip nur davon, dass man sich immer wieder fragt, wie würde ich in der Situation handeln, was entspricht der Wahrheit (alle Erzähler sind teils unzuverlässig) und wie wird das enden. Am Schluss wurde ich dann etwas überrascht, was mich sehr gefreut hat.

Insgesamt also ein lesenswerter Roman, der gut und flüssig zu lesen war, an manchen Stellen jedoch etwas mehr Handlung und Spannung vertragen hätte können.