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Blümchen
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Dresden

Bewertungen

Insgesamt 156 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2023
Soraya / Ikonen ihrer Zeit Bd.9
Janson, Brigitte

Soraya / Ikonen ihrer Zeit Bd.9


gut

Eine Geschichte mit viel Potential – einiges davon verschenkt

Soraya ist ein junges, privilegiertes deutsch-persisches Mädchen. Aufgewachsen in Persien und in hochdotierten Internaten, z. B. in der Schweiz, wird der Schah von Persien (bzw. zu dieser Zeit schon Iran) auf sie aufmerksam. Er sucht nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau dringend eine passende Nachfolgerin, die gleichzeitig repräsentieren kann und ihm einen Thronerben schenkt… seine Wahl fällt auf Soraya.

Und puh, hier wurde erstmal ganz tief in die Kitschkiste gegriffen… Soraya als Märchenprinzessin in einer hollywoodreifen ersten Hälfte des Buches, in der Sätze fielen wie „Es war ihr erster gemeinsamer Tanz, aber es fühlte sich an als hätten beide ihr Leben lang nichts anderes getan als miteinander zu tanzen.“ Kurzum – für mich wars ein bisschen drüber, zu viel Schmonzette und zu wenig Persönlichkeit.

In der zweiten Hälfte des Buches ging es dann um Sorayas eher unglückliche Zeit auf dem Thron, die vor allem wegen ihrer langjährigen Kinderlosigkeit ein unrühmliches Ende findet. Doch die Zeit der Ehe von Mohammad Reza Pahlavi und Soraya fiel in eine historisch unheimlich interessante Zeit, die von Machtwechseln und dem Kampf um Bodenschätze geprägt war.

Unheimlich gern hätte ich über diese Zeit mehr erfahren, doch für meinen Geschmack war die Handlung zu sehr (nur) auf Soraya und ihren Mann beschränkt und zu wenig verwoben mit den geschichtlichen Hintergründen. Diese wurden zu schnell abgehandelt, was sich für mich manchmal wie ein Auszug aus einem Wikipedia-Artikel las. Z. B. wurde die aufwendige Flucht des Paars wegen Morddrohungen (aus dem Iran über mehrere Stationen nach Rom) auf einer halben Seite abgehandelt.

Soraya wird in dem Buch als sehr soziale Person dargestellt, der andere Menschen sehr am Herzen lagen. So wird zum Beispiel erläutert, wie sie in Berlin eine Stiftung für arme „Trümmerkinder“ gründet, damit diese ein Dach über dem Kopf, Betreuung und Bildung erhalten. Leider stellt sich im Nachwort heraus, dass diese Stiftung der künstlerischen Freiheit der Autorin entsprang. Aus Internetrecherchen nach dem Lesen des Buches hat sich bei mir aber ebenfalls das Bild einer sehr wohlwollenden Herrscherin mit viel sozialem Verständnis herausgebildet. Man sollte nur wissen, dass die hier beispielhaft (aber dafür sehr ausführlich) geschilderte soziale Arbeit von Soraya in Deutschland nicht historisch belegt ist.

Alles in allem habe ich dieses Buch zwar gern gelesen, weil es einfach sehr flüssig geschrieben ist (so als sähe man einen Film über Soraya), aber es haben sich für mich doch einige Kritikpunkte herausgestellt, so dass es für mein Leseempfinden über 3 Sterne nicht hinauskommt.

Bewertung vom 31.01.2023
Altes Leid / Ida Rabe Bd.1
Stein, Lea

Altes Leid / Ida Rabe Bd.1


sehr gut

Ermittlungen im Nachkriegs-Deutschland

„Altes Leid“ ist der Beginn einer neuen Krimi-Reihe um eine Angehörige der weiblichen Polizei - einer neuen Polizei-Einheit im Hamburg der Nachkriegszeit. Ida Rabe hat sich mit viel Einsatz, Fleiß und Durchhaltevermögen einen Platz in dieser Einheit gesichert und ist fest gewillt, diesen auch zu behalten. Denn ein festes Einkommen ist unheimlich viel wert in diesen Zeiten, als viele Städter auf Land „hamstern“ fahren mussten.

Ich selbst habe von meiner Großmutter erzählt bekommen, wie es war, als die Städter nach dem Krieg in Scharen aus dem Zug fielen und wie eine Mückenplage über die Dörfer der Umgebung herfielen. Sie wollten Kartoffeln, Möhren, Obst - alles was man irgendwie zu Essen verarbeiten konnte und brachten dafür Silberbesteck, Schmuck oder Handwerksarbeiten mit.
Diese Hamsterfahrten spielen auch in diesem Buch eine große Rolle und ich war ehrlich entsetzt, als ich hörte, wie die Polizei mit den verzweifelten, hungrigen Menschen umgegangen ist, wenn sie erwischt wurden. Denn „hamstern“ war verboten. Es gibt eine Szene in „Altes Leid“, in der Ida als Neu-Polizistin gegen ihre Überzeugung arbeiten und auf dem Bahnhof Hamsterer dingfest machen muss. Diese ist mir aus dem Buch besonders in Erinnerung geblieben und wird wohl lange in meinem Kopf bleiben.

Das ist aber auch schon die Krux mit dem Buch, denn so gut mir die Schilderungen des Alltagslebens gefallen haben, habe ich doch recht wenig an dem Fortgang des Falls gehangen, den Ida hier verfolgt. Ein Serien-Vergewaltiger geht um in Hamburgs Umgebung und nach und nach fallen ihm scheinbar eine ganze Reihe von Frauen zum Opfer. Mitunter war ich etwas verwirrt davon, welche Frau nun welche Geschichte hatte, welche Verletzungen, welches Schicksal. Vielleicht lässt sich das beim Lesen (statt Hören) besser nachvollziehen, aber ich habe dadurch nicht so mitgefiebert wie mitunter bei anderen (historischen) Krimis.

Dennoch fand ich das Buch sehr interessant - wie schon erwähnt hauptsächlich wegen der bewegenden Schilderungen des Alltagslebens. Das machte für mich hauptsächlich den Wert des Buches für mich aus. 3,5 Sterne für einen soliden, aber noch ausbaufähigen Reihenauftakt!

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Bewertung vom 19.01.2023
Die Prinzregentenmorde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.1
Aicher, Petra

Die Prinzregentenmorde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.1


ausgezeichnet

Positiv überrascht!

Zuerst mal muss ich sagen: das Cover allein hätte mich nicht überzeugt, das Buch zu lesen. Die Fotografien, die wohl einen Eindruck der beiden Protagonisten geben sollen, wirken auf mich eher kitschig - um es mal krass zu formulieren: das Cover sieht eher nach Groschenroman aus als nach solider Unterhaltung.

Aber genau deshalb wurde ich dann beim Lesen des Buches so positiv überrascht! Die Geschichte ist gut erzählt, bringt viele geschichtliche Fakten und Aspekte aus der Zeit kurz vorm 1. Weltkrieg mit und hat vor allem unheimlich viel Witz und Charme! Etwas, das ich bei einem solchen historischen Roman - eher Krimi - nicht unbedingt erwartet hätte.

Aber der verbale Schlagabtausch zwischen Fritz von Weynand und Anna Zech, der fast immer zu erwarten ist, wenn die beiden aufeinandertreffen, ist vergnüglich und macht einfach nur Spaß beim Lesen.

Da ist einerseits Anna, die in der Gerichtsmedizin als Assistentin arbeitet und sich schnell den Respekt der dort tätigen Ärzte verdient. Dabei bleibt die junge Frau bescheiden und vor allem sittsam - was im München der 1910er Jahre nicht unbedingt selbstverständlich ist. Auf der anderen Seite gibt es den Adligen Fritz von Weynand, der in einer Zweckehe gefangen ist und sich daher ein „Steckenpferd“ gesucht hat - unter dem Pseudonym Fritz Nachtwey ist er in Schwabing als Skandalreporter unterwegs und deckt in seinem Blatt gern die Doppelmoral der feinen Münchner Gesellschaft auf - wobei er die Wahrheit durchaus manchmal ein wenig dehnt und viel Raum für Spekualtionen lässt.

Es dauert ein wenig, bis Anna hinter die Fassade des Reporters schauen und seine wahre Identität entlarven kann - aber dann fühlt sie sich doch irgendwie angezogen von dem interessanten Adligen mit den zwei Gesichtern, der so herrlich launig über die bayerische Monarchie herzieht und dessen halb ernst gemeinte Annäherungsversuche Anna doch irgendwie schmeicheln.

Die beiden Hauptfiguren bei ihren Ermittlungen zum Tod der berüchtigten Schauspielerin Adele Röckl zu begleiten ist ein Genuss! Einerseits wegen der Dialoge, die wirklich köstlich sind und bei denen zwischen Anna und Fritz ordentlich die Funken sprühen, obwohl beide natürlich absolut schicklich bleiben. Andererseits, weil auch der „Fall“ - angesiedelt im zwielichtigen Künstlermilieu - gut aufgebaut und gestrickt ist. Erst kurz vor Ende des Buches, auf den letzten 30 Seiten, ahnte ich, wer der wirkliche Täter war... die „Lösung“, die dann letztlich für diesen Fall gefunden wird, ist so typisch und stimmig für die damalige Zeit und die agierenden Figuren, dass ich das Buch mit einem süffisanten Lächeln zugeklappt habe.

Fritz und Anna haben mich absolut in ihren Bann gezogen und ich freue mich jetzt schon auf den zweiten Teil „Die Schwabinger Morde“, der im Juli 2023 erscheinen wird. Ich bin definitiv wieder mit dabei! Für diesen ersten Teil vergebe ich 4,5 Sterne.

Bewertung vom 17.01.2023
Sturmtage / Waldfriede-Saga Bd.3
Bomann, Corina

Sturmtage / Waldfriede-Saga Bd.3


ausgezeichnet

Mit solchen Romanen macht Geschichte richtig Spaß!

Von Corina Bomann bin ich ja gute Unterhaltung gewohnt. Diesmal empfand ich es allerdings sogar als hervorragende Unterhaltung!

Im dritten Teil ihrer Saga rund um das Berliner Krankenhaus Waldfriede geht es aufgrund der zeitlichen Umstände sehr dramatisch zu - diesmal werden die Jahre 1939 bis 1945 beleuchtet. Zugrunde lagen auch diesmal die tatsächlichen Aufzeichnungen einer Krankenschwester aus dem Waldfriede, die eine Art Chronik des Krankenhauses geführt hat und der die Figur der Schwester Hanna im Buch nachempfunden ist.

So hat auch die Protagonistin dieses Bandes, die junge Chirurgin Helene Jakobs, einen wahren Hintergrund. Denn in der Zeit des 2. Weltkriegs gab es tatsächlich eine Chirurgin im Waldfriede, von der die Chronik berichtet. Auch sie hat sich in einen der Gärtner des Anwesens verliebt - also beruht selbst die Liebesgeschichte zwischen Helene und Timo auf handfesten Grundlagen.

Natürlich hat sich die Autorin viel künstlerische Freiheit nehmen müssen, um aus den wenigen überlieferten Fakten eine spannende Geschichte zu machen, die ihre Leser fesselt und mitnimmt - aber das ist ihr zu 100 % gelungen.

Ich hatte die Gelegenheit, das Buch nicht nur zu lesen, sondern teilweise auch hören zu können und war sehr angetan davon, wie gut Sprecherin Beate Himmelstoß sowohl den Krankenhausalltag als auch die privaten Entwicklungen bei Hanna, Helene und den anderen Figuren beschreibt. Mit ihr hat das Hörbuch sehr viel Freude gemacht!

Mich fasziniert bei dieser Reihe insbesondere, wie Corina Bomann diesen Spagat schafft, historische Fakten so in eine Geschichte einzubinden, dass man davon völlig gefesselt wird. Natürlich liest man zuerst den Roman und erfährt dann erst im Nachwort, was davon tatsächlich überliefert ist und welche Teile der Fantasie entsprungen sind. Aber wie schon bei den ersten beiden Teilen habe ich gestaunt, wie viel Wahrheit hinter den Figuren und ihren Erlebnissen steckt - diesmal zum Beispiel bei der Szene, als zwei Schwestern es beim Bombenalarm nicht rechtzeitig in den Luftschutzkeller geschafft haben, später aber weitestgehend unverletzt im Bombenkrater gefunden wurden. Hier hätte ich auf eine fiktive Szene getippt - tatsächlich wird diese Begebenheit aber in der Chronik beschrieben.

Letztendlich kann ich zu diesem Buch nur sagen: mit solchen Romanen macht Geschichte richtig Spaß! Man liest einen tollen Schmöker, lernt aber gleichzeitig unheimlich viel über die Geschichte eines Ortes. So muss gute Unterhaltung sein - da vergebe ich gern 5 Sterne!

Bewertung vom 14.01.2023
Die Verbrechen der anderen
Goldammer, Frank

Die Verbrechen der anderen


sehr gut

Zwei Kriminalfälle und viel Spannung

Ich kenne nur wenige deutsche Autoren, denen es richtig gut gelingt Zeitgeschichte zu transportieren. Frank Goldammer ist einer von ihnen. Seine Bücher haben neben meist komplexen und verzwickten Kriminalfällen auch diese besondere historische Komponente. Man glaubt ihm, was er da schreibt. Es fühlt sich „echt“ an. Und bei dieser Reihe stimmt das auch ganz und gar, denn der Autor ist selbst ein Kind der Wende und lässt diese Erfahrungen in seine Krimis einfließen.

Diesmal befinden wir uns im Februar 1990, mitten in der völlig chaotischen Zeitspanne nach dem Mauerfall und vor der Wiedervereinigung. Alte Strukturen sind noch fest in den Köpfen verankert und Neues wird einerseits euphorisch begrüßt, andererseits skeptisch beäugt. Jeder ist unsicher, keiner weiß, wie es weitergehen wird.
So erlebt der junge Dresdner Polizist Tobias Falck den Wende-Winter als eine Achterbahn der Gefühle und Gedanken, zumal auch privat so einiges zu klären wäre - doch welche Entscheidungen soll man treffen, wenn man sich so völlig im „Niemandsland“ befindet und keine Ahnung hat, wie sich das Leben weiterentwickeln wird?

Beruflich bekommt es Falck einerseits mit der Geschichte eines Mauerschützen zu tun, den die Eltern des getöteten Geflüchteten nun zur Rechenschaft ziehen wollen. Andererseits taucht plötzlich in der berühmten Gemäldegalerie Alte Meister die Kopie eines flämischen Gemäldes auf - wo doch eigentlich das Original hängen sollte!?

Beide Fälle beschäftigen Falck weit über Arbeitszeitgrenzen und Werktage hinaus, so dass er und seine Kollegen mit ihren Kräften am Ende sind. Doch kann man denn den Kollegen überhaupt noch trauen?

In einem komplexen Verwirrspiel aus Absichten, Zielen, Strategien und Ängsten lässt Goldammer seine Hauptfiguren straucheln. Die Fälle entsprechend der Stimmung der Zeit - völlig verwirrend. Und so tappen sowohl Polizei als auch Leser bis zum Schluss im Dunkeln über Täter und Motive.

Die vielen beteiligten Figuren und die ambivalenten Beziehungen zwischen ihnen stellen allerdings auch für geübte Krimileser eine Herausforderung dar, würde ich behaupten. Wer die Möglichkeit hat, sollte sich vielleicht ein paar Notizen machen, um die Entwicklung der Geschichte konsequent verfolgen zu können. Für mich war es kein Buch zum „Nebenbeilesen“, ich musste mich schon sehr konzentrieren, um den Faden nicht zu verlieren und den Überblick zu behalten.

Ich frage mich allerdings, warum in diesem Buch zwei Fälle beleuchtet wurden, die aus meiner Sicht beide für sich allein auch Potential für einen ganzen Band gehabt hätten.

Ich bin gespannt, wie es mit Tobias Falck und seinen Kollegen weitergeht - hoffentlich so spannend und turbulent wie in diesem Roman!

Bewertung vom 19.12.2022
Fifty-Fifty / Eddie Flynn Bd.5
Cavanagh, Steve

Fifty-Fifty / Eddie Flynn Bd.5


ausgezeichnet

Sensationell!

Wie würde ich jemandem, der den Autor nicht kennt, die Bücher von Steve Cavanagh beschreiben? „So wie John Grisham. Nur besser!“

Nachdem ich „Thirteen“ von Steve Cavanagh schon im April zum Thriller des Jahres erklärt hatte, hatte ich aber meine Zweifel, ob er an diesen furiosen Roman mit seinem neuen Werk wirklich anknüpfen kann.

Kann er! Fifty-Fifty hat erneut eine unheimlich spannende Grundidee und sobald man einmal angefangen hat, kann man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen!

Zwei Schwestern wählen unabhängig voneinander den Notruf und melden die Ermordung ihres Vaters. Die Notrufe erfolgen im Abstand von nur einer Minute. Beide halten sich dabei im Haus des Vaters auf. Beide bezichtigen die jeweils andere Schwester, den grausamen Mord verübt zu haben. Welche der jungen Frauen sagt die Wahrheit? Und welche spielt ein ausgeklügeltes Spiel?

Steve Cavanagh versteht es unheimlich gut, den Plot so zu stricken, dass man beim Miträtseln im Unklaren bleibt und immer wieder Zweifel an der eigenen Theorie aufkommen. Er schickt die Leser auf falsche Fährten und interessante Spuren werden des Öfteren zunichte gemacht, weil sich plötzlich herausstellt – das hätte jetzt auch die andere Schwester sein können.

Ich muss dem Autor für seine großartigen Plots einfach Respekt zollen – wie er die Fälle aufbaut, ist wirklich sensationell und seine Art zu schreiben hat mich richtig gepackt. Die Story ist dynamisch und voller Rätsel, gleichzeitig gibt sie einen unheimlich interessanten Einblick in das US-amerikanische Rechtssystem.

Die Dialoge der Verteidiger im Prozess, z.B. bei den Kreuzverhören der Gutachter, waren auf dem Punkt. Präzise nehmen sie die Sachverständigen auseinander und die Story wirkt dabei an keiner Stelle konstruiert. Das muss man als Autor erstmal schaffen!

Hier hilft es natürlich ungemein, dass Cavanagh selbst lange Zeit als Anwalt gearbeitet hat und dieses Metier in- und auswendig kennt. Das merkt man seinen Romanen an und das macht gerade die Beschreibung der Gerichtsprozesse so authentisch.

Dass der Thriller an einigen Stellen doch sehr plastisch ist und ins Detail geht, was die im Buch vorkommenden Morde angeht, war für mich persönlich ein Tick zu viel. Aber das muss man bei dieser Art von Roman wohl hinnehmen.

Ich bin jedenfalls – spätestens nach diesem zweiten Volltreffer von Cavanagh – ein großer Fan und werde auch die anderen Bücher rund um Eddie Flynn lesen. Auch hier nochmal ein Lob – diese Hauptfigur ist nicht einfach ein „Gutmensch-Anwalt“, sondern ein cleverer Typ, der sich vor seiner Anwaltskarriere als Trickbetrüger durchgeschlagen hat. Trotzdem ist er sympathisch und nimmt die Leser für sich ein.

Cavanagh macht mit dieser Reihe alles richtig und ist auf dem Weg, die Ikone John Grisham einzuholen. Oder zu überholen?

Bewertung vom 12.12.2022
Die Rote Insel / Fräulein Gold Bd.5
Stern, Anne

Die Rote Insel / Fräulein Gold Bd.5


sehr gut

Neues Leben in unsicheren Zeiten

Im bereits 5. Band der Hulda-Gold-Reihe begleiten wir die hochschwangere Hulda durch ihr neues Leben. Nach dem Tod ihres Verlobten Johannes ist sie als ledige werdende Mutter vielen Schwierigkeiten ausgesetzt. Ihre Stelle als Hebamme im Krankenhaus musste sie aufgeben, ihre Wohnung am Winterfeldtplatz ebenso.

Sie hilft nun ihrer Bekannten, der Ärztin Grete Fischer, in ihrer Praxis und kann in einer kleinen Wohnung im Souterrain der Praxis wohnen. Doch ihr neuer Kiez ist berüchtigt… die „Rote Insel“ – ein Gebiet zwischen zwei Bahnstrecken - ist eine Hochburg der Kommunisten und immer wieder Schauplatz von Unruhen. Da auch Grete und ihr Lebensgefährte überzeugte Kommunisten sind, wird Hulda in die Unruhen auf der Roten Insel direkt hineingezogen.

Wie in jedem ihrer Hulda-Gold-Romane gelingt es Anne Stern auch diesmal wieder, ein umfassendes und authentisches Bild des Berliner Lebens in den 1920er Jahren zu zeichnen. Die verschiedenen politischen Strömungen und die Umstände, unter denen die Berliner versuchen ihr Leben zu gestalten, schildert sie anschaulich, so dass man immer wieder das Gefühl hat mittendrin zu sein.

Mir haben diesmal besonders Huldas Reflexionen ihres eigenen Zustands gefallen – jahrelang hat sie Frauen auf Geburten vorbereitet, sie begleitet während und nach der Geburt und ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Doch jetzt merkt sie auf einmal, wie es ist „auf der anderen Seite“ zu stehen und selbst diese Situation zu durchleben. Ihre Zweifel und ihre Erkenntnisse fand ich sehr schön wiedergegeben, sehr wirklichkeitsnah und nachvollziehbar.

Im Herbst 2023 geht es dann schon mit Band 6 weiter – das Buch enthält auf den letzten Seiten schon eine Leseprobe zu „Die Lichter der Stadt“. Ich werde gern wieder mit dabei sein!

Bewertung vom 28.11.2022
Federleicht
Goris, Eva;Hutter, Claus-Peter

Federleicht


ausgezeichnet

Kleine Helden!

Was für ein wunderschönes, lehrreiches und unterhaltsames Buch! Hier passt mal wirklich alles zusammen - die liebevolle Gestaltung, die unterhaltsam präsentierten Fakten und die Geschichte eines kleinen Spatzenmädchens, das uns im Buch immer wieder begegnet.

Wenn ich jemandem ein Buch vorschlagen müsste, das als Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk geeignet ist, dann wäre es definitiv dieses. Denn schließlich kennt absolut jeder die kleinen frechen Piepser, die in Mitteleuropa allgegenwärtig scheinen - und es doch nicht (mehr) sind. Den Blick auf ihre Situation zu lenken, die stellvertretend für so viele Probleme der heutigen Zeit steht, ist mit diesem Buch perfekt gelungen.

Denn angesichts der Horden von Spatzen, die in der Nähe von Cafes und Biergärten geradezu ungeduldig auf die nächsten Brötchenkrümel warten (und dabei mitunter echt nervig sein können), ist es kaum denkbar dass sie eine bedrohte Art sind. Und doch - die Spatzenpopulation ist in den letzten 100 Jahren um bis zu 70 % zurückgegangen. Tendenz? Man kann es sich leider denken...

Die Autoren zeigen in ihrem Buch auf, dass man das Gefüge Natur immer im Ganzen betrachten muss, welche Faktoren sich gegenseitig bedingen und dass manche Maßnahmen wie Dominosteine Folgen auslösen, an dessen Ende ein Ende stehen kann. Das vom Spatz. Oder, wenn wir es übertreiben, das vom Mensch. So schnell kanns gehen... Diese Zusammenhänge untechnisch und kurzweilig präsentiert zu bekommen, ist unheimlich interessant und schult definitiv das Problembewusstsein. Meine ersten Taten nach dem Lesen? Vogelhaus auf Tauglichkeit prüfen, Futter kaufen (natürlich nun das sinnvolle Futter - schließlich hab ich was gelernt aus dem Buch!), Spatzen-Wellnessbereich einrichten. Und nun: die Piep-Show genießen und sich daran freuen, dass man etwas Gutes tut.

Neben der Geschichte des Spatzenmädchens „Federle“, die sich durch das ganze Buch zieht, gibt es von den Autoren auch Tipps zum spatzenfreundlichen Garten und für sinnvolle Nisthilfen, eine Übersicht über das „Spatzenjahr“ und Hinweise zur Ersten Hilfe, falls man mal über einen jungen Bruchpiloten stolpert, der unsanft auf dem Boden der Tatsachen gelandet ist.

Abgerundet wird das liebevoll gestaltete Buch von Illustrationen des Malers Bernd Pöppelmann. Der auf Tiermalerei spezialisierte Künstler hat mit feinen Bleistiftzeichnungen die Eigenarten der Spatzen eingefangen und viele alltägliche, aber auch besondere Spatzensituationen festgehalten. Diese Zeichnungen geben dem Buch noch einmal eine ganz besondere Wertigkeit, genau so wie der hübsche bunte Inneneinband.

Wer nach dem Lesen dieses Buches nicht sofort in den nächsten Baumarkt sprintet, um ein Vogelhaus zu kaufen, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen! Es ist ein ganz wunderbares Buch, das uns daran erinnert, immer das Besondere im Alltäglichen zu suchen (und zu hinterfragen) - für mich ist dieses Buch DIE Geschenkidee fürs diesjährige Weihnachtsfest. Ich wünsche ihm ganz viele begeisterte Leser und die Aufmerksamkeit, die es verdient!

Bewertung vom 11.11.2022
Die Sehnsucht nach Licht
Naumann, Kati

Die Sehnsucht nach Licht


ausgezeichnet

Ein Bergmann jammert nicht!

Wie oft habe ich beim Lesen dieses Romans gedacht: „Oh Gott, wie beschwerlich!“ Heutzutage können wir uns kaum noch vorstellen wie anstrengend der Arbeitsalltag früherer Generationen war. Wie bescheiden man früher gelebt hat. Und wie zufrieden man trotzdem mit der Situation war!

Ein Bergmann jammert nicht - daran erinnern die Protagonisten dieses Romans ihre Kinder und Enkel des öfteren. Denn es ist ein hartes Leben - aber sie würden es um keinen Preis der Welt missen wollen.

Kati Naumann nimmt uns in diesem Roman mit unter Tage - weit hinunter, bis 1.800 m unter die Erdoberfläche. Sie zeigt uns eine verborgene Welt, die kaum einer von uns je wirklich erfahren hat. Gleichzeitig hält sie mit diesem Roman die Geschichte des Bergbaus im Erzgebirge und der Region rund um Aue und Bad Schlema fest. Und erzählt außerdem eine spannende und intensive Familiengeschichte.

Das sind gleich drei Dinge auf einmal - und sie verbindet das alles so geschickt, dass man beim Zuklappen des Romans nach dem Lesen denkt: mehr geht nicht.

Die Handlung ist in zwei Erzählsträngen aufgebaut. Einerseits begleiten wir im Jahr 2019 Luisa Steiner, die in einem Besucherbergwerk arbeitet. Luisa besucht regelmäßig ihre Großtante Irma im Altenheim. Als die Rede auf Irmas Bruder Rudolf kommt, der in den 1950er Jahren spurlos verschwand, will sie mehr darüber herausfinden, damit ihre geliebte Großtante endlich Frieden finden kann.

Zwischen diesen Kapiteln wird chronologisch die Geschichte von Luisas und Irmas Familie über die letzten 100 Jahre erzählt - von der Zeit vor dem ersten Weltkrieg bis nach der Wende und dem Ende des Bergbaus in der Region. Während Luisa und Irma versuchen, dem Schicksal von Rudolf auf die Spur zu kommen, lernen die Leser die Familie Steiner genau kennen. Sie begleiten ihren Alltag und ihre Traditionen, aber auch den Wandel, dem die Region um Schlema immer wieder unterworfen ist. Von der Bergbausiedlung zum mondänen Kurbad, von den Anfängen der Wismut AG nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Wendezeit. Und immer müssen sich die Mitglieder der Familie Steiner den Umständen anpassen, ihre Werte hinterfragen und sich zum Teil auch einfach durchboxen. Aber: ein Bergmann jammert nicht und deshalb ist der Roman nicht nur ein Zeugnis der mitunter schwierigen Lebensbedingungen, sondern vor allem auch die Geschichte einer Familie, in der man immer zusammenhält - egal was kommt.

Ich habe mit den Steiners gelitten und gefeiert, getrauert und geliebt. Ich habe sie lieb gewonnen, die Robusten wie die Sensiblen, die Brummigen und die Plappermäulchen. Ich bin unheimlich froh, diese Geschichte und damit auch einen Teil meiner Heimat - ich bin selbst am Fuß des Erzgebirges aufgewachsen - (neu) entdeckt zu haben. Jedem, der sich für deutsche Geschichte interessiert, kann ich diesen atmosphärischen Roman nur wärmstens ans Herz legen!

Bewertung vom 07.11.2022
Die Symphonie der Sterne
Kornberger, Ruth

Die Symphonie der Sterne


sehr gut

Die große Leidenschaft der Caroline H.

19. Jahrhundert in England. Eigentlich ist Caroline Herschel Sängerin. Sie genießt den Applaus und die hübschen Roben, die sie bei ihren Auftritten trägt – doch wenn das Publikum sich spätabends zu Hause ins Bett legt, wird Caroline erst so richtig wach. Denn ihre geheime Leidenschaft gilt den Sternen – eine Passion, die sie durch ihren Bruder Wilhelm entdeckt hat.

Sie unterstützt ihn, den bekannten Astronomen, in seinen Forschungen und notiert seine Beobachtungen, während er am Teleskop steht. Immer häufiger zieht sie abends auch allein nach draußen, um den Nachthimmel zu durchforsten. Sie hat es darauf abgesehen, Kometen zu entdecken und durch diese Entdeckungen selbst in der astronomischen Society (einer Institution, in der nur Männer Mitglied sind) wahrgenommen zu werden.

Als es endlich soweit ist und sie tatsächlich einen Kometen entdeckt, den vorher noch niemand katalogisiert hat, erntet sie zwar durchaus Respekt der männlichen Kollegen, doch in der Öffentlichkeit wird ihre Entdeckung mit dem zweifelhaften Titel „Damenkomet“ bekannt. So als sei es gar keine „richtige“ Entdeckung gewesen. Auch bei ihren weiteren Kometensichtungen muss Caroline um Anerkennung kämpfen – zeit ihres Lebens steht sie im Schatten ihres Bruders, wenn es um ihre astronomischen Fähigkeiten geht, die den seinen jedoch in nichts nachstehen.

Ruth Kornberger hat sich intensiv mit dem Leben der Caroline Herschel auseinandergesetzt und beschreibt detailreich ihren Kampf um Anerkennung in einem männerdominierten Berufsfeld. Dieser Detailreichtum ist einerseits beeindruckend, allerdings machte dies den Roman auch etwas behäbig. Nur langsam kommt die Handlung voran und auch die Zeitsprünge, mit deren Hilfe hier erzählt wird, können die Spannung nicht so recht vorantreiben.

Als Spannungselement hat die Autorin die Figur des Dienstmädchens Agnes eingebaut, die versucht der betagten Dame eine geheimnisumwitterte Liebesgeschichte aus der Vergangenheit zu entlocken. Doch auch dieses Element konnte für mich die Spannung nicht so weit aufbauen, dass ich die Seiten atemlos umgeblättert hätte.

Wer diesen Roman liest, sollte sich also darüber im Klaren sein, dass es ein eher ruhiges Buch ist, das den Fokus auf Carolines Wirken als Astronomin legt und dies im Kontext ihrer Zeit detailreich darstellt. Wenn man gern in der Vergangenheit schwelgt, kann man das Buch aber auf jeden Fall genießen und erfährt viel über den Wissensstand der Astronomie gegen Ende des 19. Jahrhunderts.