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Aischa

Bewertungen

Insgesamt 517 Bewertungen
Bewertung vom 21.11.2023
Unsere liebste Weihnachtszeit
Krais, Milena;Rehbock, Anka

Unsere liebste Weihnachtszeit


ausgezeichnet

Hier ist der Name Programm: Dieses wunderschöne und hochwertig gestaltete Hardcover (mit praktischem Lesebändchen) lässt die Liebe der beiden Autorinnen zur Weihnachtszeit deutlich erkennen.

43 süße Rezepte und 16 kreative Basteleien laden zum Nachmachen ein. Und das ist wirklich einfach, schon Kindergartenkinder können mit basteln und auch bei vielen Plätzchenrezepten wurde an eine Variante gedacht, die auch die Kleinen erfolgreich meistern können. So müssen die klassischen Vanillekipferl nicht unbedingt zu perfekten Miniaturhörnchen geformt werden, sondern der Teig sieht auch zu kleinen Kugeln oder Würsten geformt toll aus, schmeckt ebenso lecker und macht den Nachwuchs-Bäcker*innen großen Spaß.

Überhaupt besticht das Buch durch viele ebenso kreative wie einfach umzusetzende Ideen. Mal wird ein schnell gemachter Rührkuchen aus der Springform durch einen raffinierten Anschnitt zum zauberhaften Winterstern, mal verwandeln sich getrocknete Laubblätter mit roter und weißer Acrylfarbe ruck-zuck in goldige Weihnachtsmänner. Klassiker wie ein gedeckter Apfelkuchen oder die Linzer Torte werden durch Wintermotive aus Teig zum Hingucker auf der weihnachtlichen Kaffeetafel.

Alle Rezepte, die ich bislang ausprobiert habe, waren unkompliziert zu backen und haben bei Familie und im Freundeskreis großen Anklang gefunden. Auch wer gerne Selbstgemachtes verschenkt, bekommt hier zahlreiche Ideen geliefert.

Ein rundum gelungenes weihnachtliches Back- und Bastelbuch für die ganze Familie!

Bewertung vom 14.11.2023
Unsereins
Mahlke, Inger-Maria

Unsereins


ausgezeichnet

Natürlich wäre es unfair oder zumindest vermessen, wollte man Inger-Maria Mahlke auch nur ansatzweise mit dem Literaturpreisträger Thomas Mann vergleichen. Und doch hat man ihn bei der Lektüre von "Unsereins" unweigerlich im Kopf, und dies nicht nur, weil er hier zur Romanfigur wird. Nein, wer je "Buddenbrooks - Verfall einer Familie" gelesen oder eine der Verfilmungen gesehen hat, wird sich beim Lesen des neuesten Romans von Mahlke definitiv daran erinnert fühlen. Schon der formale Aufbau weist Ähnlichkeiten auf: 15 Teile (gut, bei Buddenbrooks sind es "nur" elf) mit zahlreichen Kapiteln erzählen von einer kinderreichen Lübecker Familie inmitten des kaisertreuen Großbürgertums. Die Zahl der handelnden Personen ist - trotz des vorangestellten Verzeichnisses - eine Herausforderung; ich gestehe, dass ich nicht nur anfangs oft hin- und herblättern musste, um den Überblick zu behalten.

Aber die nicht immer einfache Lektüre lohnt sich unbedingt. Mahlke, ebenso wie Thomas Mann in Lübeck aufgewachsen, schafft ein interessantes, hervorragend recherchiertes Sittengemälde des ausgehenden 19. Jahrhunderts und knüpft damit zeitlich an Manns ersten großen Gesellschaftsroman an. Sie zeigt Ausschnitte aus höchst unterschiedlichen Lebenslinien, von Kaufmanns- und Senatorenfamilien, Gymnasiasten, Angestellten und Dienstboten. So unterschiedlich die Lebensumstände der Figuren auch sind, eines ist allen gemein, insbesondere den Frauen: der Mangel an Freiheit. Nicht nur die damalige Mode mit ihren steifen Korsetts, sondern vor allem gesellschaftliche, soziale und familiäre Normen schnüren die Frauen regelrecht ein. Mädchen lernen schon früh, dass sie in der Öffentlichkeit zu schweigen haben. "In Diensten" sind sie völlig abhängig vom jeweiligen Dienstherrn, hat sie dieser geschwängert, werden sie entlassen und sehen oft als einzigen Ausweg aus der Schande den Suizid.

Aber auch Bürgerliche waren weit davon entfernt, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Studieren war den Männern vorbehalten, ein Frau "aus gutem Hause" kam der Bildung noch am nächsten, indem sie einen Professor heiratete. Und auch die Freiheit der Männer war beschränkt: Homosexualität war strafbar, Schwule lebten in ständiger Angst vor Denunziation. Und wer wirtschaftlich oder politisch Karriere machen wollte, musste geschickt taktieren und nur ja keine der Konventionen verletzen.

Mahlkes Stil ist oft detailreich, dann wieder sehr zurückgenommen, manches wird nur angedeutet, vieles knapp geschildert, etwa die häusliche Gewalt in einer Familie: "Sein Vater war Schlachtergehilfe, seine Mutter schwanger oder am Stillen, mit Hämatomen von violett bis gelb bedeckt." Mit knapp 500 Seiten ist der Roman recht umfangreich, doch ich möchte keine Seite missen. "Unsereins" ist ein anspruchsvolles, gewichtiges Epos, das die volle Aufmerksamkeit der Leser*innen fordert, dafür aber tiefe Einblicke in das Ende der deutschen Kaiserzeit erlaubt.

Bewertung vom 06.11.2023
Ein Hund kam in die Küche
Mall, Sepp

Ein Hund kam in die Küche


ausgezeichnet

Der mehrfach preisgekrönte Südtiroler Sepp Mall mach in diesem klugen Roman en Stück Zeitgeschichte seiner Landsleute sichtbar, das viele wohl lieber vergessen würden, nämlich dass sich im Zuge der sogenannten "Option" viele Südtiroler für die Auswanderung vom faschistischen Italien ins nationalsozialistische Deutschland entschieden und somit von (im Nazisprech) "Volksdeutschen" zu "Reichsdeutschen" wurden.

Dabei geht es Mall weniger um politisch-ideologische Motivationen, diese werden zwar auch behandelt, doch eher nebenbei. Vielmehr zeigt er auf, wie die Suche nach Heimat fehlschlagen kann, wie schnell sich Migrantinnen und Migranten entwurzelt fühlen können. Selbst dann, wenn sie wieder in ihre Ursprungsland zurückkehren. Zudem verdeutlicht die Geschichte einmal mehr, wie grausam, ja bestialisch die Ideologie der Nationalsozialisten in die Praxis umgesetzt wurde. Anton, der kleine Bruder des Protagonisten, ist mehrfach behindert, "zurückgeblieben", wie man im Heimatdorf sagte. Dies erfasst die gründliche reichsdeutsche Bürokratie umgehend, und den Leser*innen wird schneller klar als Antons Familie, was dies für seine Zukunft bedeutet - er hat schlichtweg keine.

Was mich an diesem Roman sehr beeindruckt hat ist, wie er es schafft, das eigentlich Unsagbare in Worte zu kleiden. Sepp Mall gelingt dies hier, in dem er konsequent aus der Sicht von Kindern erzählt. So wird die Auswanderung, die wohl zu abstrakt für das Vorstellungsvermögen einer Grundschülerin ist, eben zu einer "Wanderung" und die unbekannten Sudetendeutschen zu "Schwedendeutschen". Starke Bilder und nur wenige, aber stets durchdacht gewählte Worte, mehr braucht Mall nicht, um gegen das Vergessen anzuschreiben.

Ein guter, wichtiger Roman, gerade in heutiger Zeit. (Anmerkung für Bibliophile: Der Leykam Verlag hat der Geschichte ein wunderbares Gewand gegeben, in Form eines hochwertig ausgestatteten Hardcovers mit bezaubernder Gestaltung!)

Bewertung vom 06.11.2023
Pasta von Alfabeto bis Ziti
Roddy, Rachel

Pasta von Alfabeto bis Ziti


sehr gut

Eine Britin als Autorin eines Pasta-Kochbuchs, kann das gut gehen? Im Fall von Rachel Roddy definitiv, schließlich lebt die leidenschaftliche Köchin seit beinahe 20 Jahren in Rom und hatte reichlich Gelegenheit, sich in Sachen italienischer Teigwaren fortzubilden, nicht nur, aber auch in der Küche ihrer sizilianischen Schwiegermutter.

Nun lässt sie auch die interessierte Leserschaft an ihrem Erfahrungsschatz teilhaben: Mit diesem hochwertig und liebevoll gestalteten Hardcover kann man sich (wie der Titel schon vermuten lässt) auf einen alphabetisch angeordneten Streifzug durch mehr als 50 Pastasorten begeben. Roddy zeigt, wie einfach man Nudelteig selbst herstellen kann und sie erläutert ihre Interpretation von Klassikern wie Bolognese, Arrabiata oder Carbonara. Daneben gibt es aber auch eher Unbekanntes zu entdecken, wie die "barocke Lasagne" Vincisgrassi, Pasta mit Kartoffeln oder die bis zu einem Meter (!) langen Ziti.

Die Rezepte sind äußerst vielfältig und detailliert beschrieben. Lediglich Angaben zur gesamten Zubereitungszeit habe ich vermisst, aber dafür sind zu Beginn des Buchs Vorschläge für schnelle Gerichte wie auch zu besonderen Anlässen aufgelistet. Nicht jedes Gericht ist bebildert, dafür finden sich Schritt-für-Schritt-Fotos für die Herstellung ausgewählter Pastasorten.

Neben den Rezepten enthält das Buch äußerst kurzweilige und informative Stories rund um die Nudel. Es lädt zum Schmökern ein und ist hervorragend geeignet, damit die Wartezeit zu überbrücken, bis die Pasta al dente oder der Sugo eingedickt ist. Leider verstecken sich aber auch hilfreiche Basics inmitten der Geschichten, etwa die Entsprechungen deutscher und italienischer Mehl- und Grießsorten oder Mengenangaben zu Kochwasser und Salz, hier hätte mir die Zusammenfassung in einem einleitenden Kapitel besser gefallen. Auch dass die meisten Vier-Personen-Rezepte mit 400 Gramm getrockneter Pasta gekocht werden, ist in meinen Augen unpraktisch, enthält die Standardnudelpackung hierzulande doch 500 Gramm.

Doch das sollte Nudelfans keinesfalls davon abhalten anhand dieses außergewöhnlichen Kochbuchs mehr Vielfalt auf den heimischen Tisch zu zaubern!

Bewertung vom 06.11.2023
Im Prinzip ist alles okay
Polat, Yasmin

Im Prinzip ist alles okay


gut

In mehreren Rückblenden zeichnet Yasmin Polat das Bild einer 30-jährigen Mutter, die - zwischen Verzweiflung, Überforderung und Depression - versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen.

Dabei ist ihre Ausgangssituation nicht die beste: Sie kommt aus einer reichlich kaputten Familie, ihre Kindheit war von permanenter Angst vor dem cholerischen, gewalttätigen Vater geprägt und von einer schwachen Mutter, die weder sich selbst noch ihre beiden Kinder schützen konnte. Die junge Frau, Miryam, möchte nichts mehr, als es selbst besser zu machen, sie möchte ihrem Kind eine gute Mutter sein. Doch ihre Selbstzweifel sind ständig präsent und werden durch die permanenten Vergleiche mit Instagram-Mums nur noch verstärkt.

Die Geschichte glänzt mit einer Hand voll humorvoller Formulierungen, etwa wenn Miryam ihren Party-Salat "mit einer Vinaigrette aus Himbeeressig und Bestätigungsdrang" würzt. Leider enttäuscht mich der Roman jedoch stilistisch, oft ist die Sprache zu simpel und Polat verwendet eine Menge Anglizismen wie etwa "Caps lock", die wohl Ausdruck einer hippen Blase sein sollen, in meinen Ohren aber nervig und wenig authentisch wirken. Auch die Konstruktion des Plots ist nicht immer stimmig, der Roman weist leider noch einige handwerkliche Fehler auf.

Davon abgesehen (und das kann man bei einem Erstlingsroman durchaus) ist es eine Mut machende, zeitgemäße Emanzipationsgeschichte, die Geschlechterrollen in Frage stellt und einen kritischen Blick auf Social Media wirft.

Bewertung vom 03.11.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


ausgezeichnet

Rezensionen und Bewertungen
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Cover des Buches Endstation Malma (ISBN: 9783423283533)
Bewertung zu "Endstation Malma" von Alex Schulman
Endstation Malma
Aischavor 30 Minuten
Kurzmeinung: hervorragend konstruierte, intelligente und fesselnde Erzählung über Wunden der Kindheit und ihre Folgen
Von der Verletzlichkeit des Kindes
Der schwedische Literaturstar Alex Schulmann bleibt auch in seinem neuesten Roman seinem zentralen Thema treu, nämlich gestörten familiären Beziehungen.

Diesmal schreibt er aus drei Perspektiven: Aus der einer kleinen Tochter, die nach der Trennung der Eltern beim Vater bleibt und um dessen Aufmerksamkeit buhlt. Aus der eines Mannes, der sich in einer Ehe findet, die auf einer Lüge fußt. Und auf der einer jungen Frau auf Spurensuche nach ihrer Mutter. Alle sind unterwegs in einem Zug von Stockholm ins fiktive Malma.

Schulmann versteht sein Handwerk, geschickt verknüpft er Handlungsstränge und verwebt Zeitebenen und fordert dabei seine Leserinnen und Leser. Aber ich habe es sehr genossen, die literarischen Puzzleteile nach und nach zu einem Bild zusammen zu setzen. Der Roman vermittelt meisterlich, wie bedrohlich das Ende der Ehe der Eltern für Kinder sein kann. Etwa wenn die kleine Harriet ungewollt mit anhören muss, wie ihre Eltern die Geschwister untereinander aufteilen und kein Elternteil sie haben möchte. Letztlich verschwindet die Mutter mit ihrer großen Schwester, und Harriet bleibt beim Vater zurück. Einem Vater, der in Selbstmitleid versinkt und der aufhört, ein Vater zu sein.

Mit viel psychologischem Feingefühl und erzählerisch kunstvoll stellt Alex Schulman die große Frage, wie sehr die Zukunft von der Vergangenheit bestimmt ist. Lesenswert!

Bewertung vom 31.10.2023
Aus Liebe zum Backen
Saffitz, Claire

Aus Liebe zum Backen


sehr gut

Autorin Claire Saffitz hat sich mit diesem Backbuch nicht gerade wenig vorgenommen: Es soll Anfänger*innen wie erfahrene Hobbybäcker*innen gleichermaßen begeistern. Beiden Gruppen gleich gerecht zu werden ist in meinen Augen eine nahezu unlösbare Aufgabe. Denn entweder sind Neulinge überfordert, weil nicht alle Details erklärt werden, oder routinierte Bäckerinnen und Bäcker sind von den haarklein beschriebenen Einzelschritten der Zubereitung genervt.

Grundsätzlich ist dies in diesem Buch ganz gut gelöst, da man anhand einer doppelseitigen Matrix auf einen Blick Backwerke nach Schwierigkeitsgrad und Zubereitungszeit auswählen kann. Zu Beginn jedes Rezepts sind zudem die passende Jahreszeit und die Personenzahl angegeben. Ein großer Pluspunkt ist, dass außer der übersichtlichen Angabe der Zutaten auch die benötigten Küchenutensilien aufgelistet sind. Eine pfiffige Idee, die ich so noch in keinem anderen Backbuch gefunden habe. So sollte es nicht passieren, dass man erst gegen Ende des Rezepts merkt, dass man die benötigte Backform nicht hat. Hilfreiche Tipps und Tricks zu jedem Rezept lassen die professionelle Ausbildung und den reichen Erfahrungsschatz der Autorin erkennen.

Bei der Beschreibung der Zubereitung ist wirklich jeder Schritt detailliert und gut verständlich beschrieben, oft zusätzlich noch durch eine anschauliche Fotostrecke bebildert. Doch leider leidet darunter etwas die Übersichtlichkeit: Die meisten Rezepte erstrecken sich über zwei oder mehr Seiten, so dass man häufig hin und her blättern muss.

Aber das nehme ich gerne in Kauf, denn am wichtigsten an einem Backbuch ist für mich, dass ich aus einer Vielzahl von Rezepten wählen kann und die Ergebnisse überzeugen. Und beides ist hier gegeben: Saffiz stellt über 100 Rezepte vor, von süß bis herzhaft, es gibt Klassiker und kreative Innovationen. Alles, was ich bislang selbst nachgebacken habe, ist hervorragend gelungen und hat außerordentlich gut geschmeckt. Ob Khaki-Gewürzkuchen, Limetten-Häppchen mit Minze oder würzige Tomaten-Tarte mit Feta - Familie, bewirtete Freunde und auch ich waren restlos begeistert!

Bewertung vom 27.10.2023
60 Kilo Kinnhaken
Helgason, Hallgrímur

60 Kilo Kinnhaken


sehr gut

Mit "60 Kilo Kinnhaken" legt Hallgrímur Helgason den zweiten von insgesamt drei Teilen seiner monumentalen Island-Saga vor. Die Geschichte spielt von 1906 bis Ende des zweiten Weltkriegs, eine Zeit voller tiefgreifender Umbrüche.

Der Wechsel von Haifisch- auf Heringsfang brachte den Bewohnern der kargen, unwirtlichen, politisch noch zu Dänemark gehörenden Insel wirtschaftlichen Aufschwung, die Industrialisierung hielt Einzug und - im europäischen Vergleich relativ früh - Frauen erhielten 1915 das Wahlrecht. Wir begleiten Helgasons Protagonisten Gestur auf dem Weg ins Erwachsenwerden, er entdeckt seine Sexualität und lebt sie in wechselnden Frauengeschichten munter aus. Übrigens spielt der Name eine große Rolle, denn Gestur bedeutet Gast. Und wie der Autor in einem Interview verraten hat, ist er der Meinung, die meisten Isländer würden sich im eigenen Land nicht wirklich zu Hause, sondern als Gast fühlen.

Der Roman zeichnet sich durch einen sehr eigenwilligen und originellen Stil aus, die Sprache ist oft derb, kippt ins Ordinäre, um dann wieder unvermittelt poetisch zu werden, die Erzählung ist voller Brutalität aber auch Witz. Gleich zu Beginn begeisterte mich die Darstellung des Autors als Eule im eigenen Werk, während davon die Rede ist, dass sich der Leser in Druckerschwärze am wohlsten fühle. Etwas überstrapaziert wurden für meinen Geschmack Anachronismen als Stilmittel, der Autor zieht viele Vergleiche zu Dingen, die es zur Zeit der Romanhandlung noch nicht gab.

Helgason schildert seine Landsleute - sicher mit einem Augenzwinkern - als rückständige Dörfler, es wird reichlich Alkohol getrunken, sich zum Spaß geprügelt und bei der Wahl der Sexualpartner*innen ist man nicht gerade zimperlich. An Hygiene mangelt es allenthalben, nicht aber an Lektüre: Isländer sind ein Volk der Dichter, und die Geschichte steckt voller Anspielungen auf Isländersagas. Hier hätte ich mir allerdings etwas mehr Begleitung durch das deutsche Lektorat anhand von erläuternden Fußnoten gewünscht. Auch das Verzeichnis der Personen- und Ortsnamen ist etwas kurz geraten. Zwar finden sich Erläuterungen zu Namensbedeutungen, aber die Beziehungen der Figuren zueinander sucht man vergebens. Da ich den ersten Teil (60 Kilo Sonnenschein) nicht gelesen habe, hatte ich gerade anfangs etwas Schwierigkeiten, mich in der Geschichte zurecht zu finden.

Dennoch ist Helgason mit diesem Roman ein großer Wurf gelungen, Leseempfehlung!

Bewertung vom 27.10.2023
The Chain
McKinty, Adrian

The Chain


gut

This thriller was my salvation: my flight back from Barcelona was delayed by two and a half hours, the travel reading I had brought with me had long since been read and "The Chain" was the only English-language book in the bookshop at the airport that interested me. And it fulfilled the purpose for which I had bought it perfectly, namely to bridge the waiting time. No more, but also no less.

The plot implements an original idea and, after a few initial lulls, is quite exciting. The language is characterised by short, simple sentences, which suited me as a non-native speaker. I had entertaining hours with this novel.

However, one should not be too demanding, because the characters are quite stereotypical and the plot is not very credible. In any case, I have my doubts about a cancer-stricken philosophy lecturer turning into an unerring sniper to save her teenage daughter. There are rows of child abductions, a policeman is shot dead in the street, but none of this puts the kidnappers - who had no previous criminal experience - in any difficulty. Nor is any development of the characters apparent.

But well, my appetite for reading doesn't always have to be satisfied with starred literary cuisine, in this case it was just rather average fast food.

Bewertung vom 23.10.2023
Die Kathedrale des Königs
Crönert, Claudius

Die Kathedrale des Königs


sehr gut

Mit seinem neuesten Historienroman nimmt Claudius Crönert seine Leserschaft mit nach England, ins Jahr 1260. König Heinrich III. regiert, doch der Adel erhebt sich , um gegen die verschwenderische Politik des Regenten vorzugehen. Das wirbelt das Leben des Protagonisten gehörig durcheinander: Der junge französische Maurer ist aufgrund einer Verwechslung unversehens zum Baumeister der - später weltberühmten - Westminster Abbey erkoren worden.

Die Geschichte glänzt mit einigen extrem spannenden Passagen und gelungenen Figurenzeichnungen. Lediglich die Liebesbeziehung des Baumeisters zu einer jungen Adeligen ist für mich nicht immer glaubhaft, was ich aber gerne verzeihe. Denn ansonsten ist die Story rund und gut recherchiert. Mit großem Interesse habe ich gelesen, dass zur damaligen Zeit viele Handwerkerinnen auf den Kirchenbaustellen arbeiteten, eine Baustelle also keine reine Männerdomäne war. Und ich habe - auf sehr unterhaltsame Weise - gelernt, wie das britische House of Commons entstand. Gut gefallen hat mir die Ausstattung des Softcovers: eine farbige historische Karte Londons

Der Autor hat eine schöne Melange aus Geschichtsstunde, mittelalterlicher Baukunst und einer Liebe über Standesgrenzen hinweg geschaffen. Im Anhang erfolgt eine genauere zeitliche Einordnung der Geschichte und Crönert erläutert, was faktenbasiert und was erfunden ist.