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Bavvaria123

Bewertungen

Insgesamt 54 Bewertungen
Bewertung vom 09.05.2022
Die sieben Schalen des Zorns
Thiele, Markus

Die sieben Schalen des Zorns


ausgezeichnet

Wenn die Lesereise endet


Das Buch hat ein schlichtes, aber absolut passendes Cover. Mir gefällt es sehr.

Kurz nachdem ich das Buch bekommen hatte, gab es in meiner Familie einen Todesfall, weshalb ich teilweise nur langsam in dem Buch voran gekommen bin. Das lag allerdings einzig und allein an den Themen: Leben, Sterbehilfe, Tod.

In dem bewegenden Roman gibt es vier Protagonisten. Da ist der fünfzigjährige Allgemeinmediziner Dr. Max Keller, die demente und schwer kranke Tante Maria und ihre Tochter Agnes sowie den Staatsanwalt Jonas.
Während Max mir durchaus sympatisch erscheint, eckt die sehr von Hass erfüllte Agnes bei mir eher an.

Die Geschichte wird in zwei Strängen erzählt, zum einen befinden wir uns in der Gegenwart um das Jahr 2021 und zum anderen in der Vergangenheit der handelnden Personen. Ich finde es als Orientierungshilfe ausgesprochen angenehm, dass der jeweilige Ort und die Zeit vor den Kapiteln angegeben werden.

Das Buch ist relativ sachlich geschrieben, was daran liegen mag, dass der Autor nicht nur Schriftsteller sondern auch Rechtsanwalt ist. So findet auch ein längerer Abschnitt im Gericht statt.
Trotz dieser Sachlichkeit entwickelt sich aber ein Sog, der mich schnell in das Geschehen hinein gezogen hat.

Markus Thiele spricht das schwierige, komlexe und aktuelle Thema des selbstbestimmten Sterbens absolut gelungen an. Er hinterfragt die in Deutschland derzeit geltenden Gesetze und bringt den Leser bzw. die Leserin dazu, sich eine eigene Meinung bilden zu können.

Mich haben die "Sieben Schalen des Zorns" zum einen spannend unterhalten, zum anderen aber auch sehr nachdenklich gemacht.

Gerne empfehle ich mit allen fünf Sternen dieses Buch jedem Menschen, der sich Gedanken um sein eigenes Ableben macht.

Bewertung vom 22.03.2022
Für diesen Sommer
Klönne, Gisa

Für diesen Sommer


sehr gut

Kommen, Gehen, Sterben, Leben, Bleiben

Vom Cover her würde ich meinen, ich habe hier einen leichten beschwingten Roman in der Hand. Eine sanfte Sommerlektüre für mal so zwischendurch, wenn mir die Wärme der Sonne nicht viel Lust zum Denken macht.
Tja, aber hinter dem Cover steckt eine tiefer greifende Geschichte mit vielen, nicht leichten, Themen und Charakteren.

Es wird die Geschichte der Familie Roth erzählt. Vater Heinrich, Mutter Johanne und die beiden Töchter Monika und Franziska. Heinrich ist mittlerweile 84 Jahre und eine fortschreitende Erkrankung der Nerven erschwert ihm den Alltag immer mehr. Eigentlich kümmert sich nach dem Tod von Johanne Monika um ihren Vater, der noch immer in dem Haus lebt, in dem auch die Mädchen aufgewachsen sind. Dann braucht Monika selbst eine Auszeit und so steht Franziska vor dem Haus und neben ihrem Vater.

Den Schreibstil von Gisa Klönne zu beurteilen, fällt mir nicht sehr leicht. Denn zum einen schreibt sie sehr lebendig, so dass ich vor allem die Hauptprotagonisten Franziska und Heinrich direkt neben mir sitzen gehabt habe. Teilweise durchwebt auch ein Faden von Poesie ohne Kitsch die Erzählung, was mir gut gefällt.
Gestört haben mich allerdings die manchmal doch heftigen Zeitsprünge. Da hätte ich eine etwas andere Einteilung der Kapitel besser gefunden, vielleicht mit Jahreszahlen oder zumindest Hinweisen auf die Zeit. So hatte ich im Lesen doch den einen oder anderen Ruckler.


Die Autorin greift eine Vielzahl von Themen auf. Politik, in der globalen Welt, aber auch innerhalb einer Familie, Ängste, Krankheiten, Zumutungen, Krieg, Tod, Trauer, Verdrängungen und einiges mehr. Das wird erstaunlicherweise aber nicht zu viel, hat mich aber zum Nachdenken gebracht und auch zum Reflektieren der eigenen familiären Geschichte.

Sehr gern vergebe ich diesem Buch vier Sterne und eine Leseempfehlung für jeden, der einen Roman mit viel authentischem Lebensgefühl schätzt.

Bewertung vom 12.03.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


sehr gut

Wer die Wahrheit sagt braucht keinen Rechtsanwalt


Ich bin ein Fan von den Covern des Diogenes Verlags. Auch hier finde ich es wieder einmal richtig gut gelungen.

Dror Mishani nimmt uns mit in einen Vorort von Tel Aviv. Dort wird in einer Tasche ein ausgesetztes Baby gefunden. Gleichzeitig gibt es einen Vermissten in einem Strandhotel. Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Fällen, die letztlich auch nach Paris führen?

Der Autor hat einen sehr bildlichen Schreibstil in der Beschreibung der Handlungsorte. Auch die Charaktere stellt er so dar, dass man die Personen direkt vor sich sieht.
Inspektor Avi Avraham ist mir dabei durchaus sympathisch, seine Kollegin Esthi Wahabe kommt mir ein wenig emotionsarm vor.

Die Spannung entwickelt sich allmählich und bleibt dann auch bis zum Ende.
Es geht nicht nur um die beiden Kriminalfälle, sondern auch Themen wie Kindeswohl, religiöse Konflikte, der Mossad, das Leben in Israel allgemein und auch das titelgebende Vertrauen werden aufgegriffen. Dabei versteht Mashani es, das Buch nicht zu überfrachten.
Er geht in seiner Schilderung über die eigentlichen Verbrechen hinaus und übt durchaus auch ein wenig gesellschaftliche Kritik.

Die Auflösung der Fälle ist in meinen Augen nicht ganz stimmig. Ich hätte gern mehr über das "Warum" erfahren.

Wer einen unblutigen, sehr dichten und daher eher ruhig wirkenden Kriminalroman lesen mag, der findet in "Vertrauen" genau das geboten. Und man bekommt zudem noch eine Beschreibung der politischen und sozialen Verhältnisse in Israel in einer spannenden Geschichte.
Für ein paar offene Fragen, die mir geblieben sind, ziehe ich einen Stern ab.

Bewertung vom 04.03.2022
Das Fundbüro der verlorenen Träume
Paris, Helen Frances

Das Fundbüro der verlorenen Träume


sehr gut

Verlust ist saisonabhängig

Das Cover finde ich wirklich schön, diese nicht ganz perfekte Tulpe an der lilafarbenen Tasche. Das hat mich richtig angesprochen, zusammen mit dem Titel " Das Fundbüro der verlorenen Träume".

Die Geschichte ist in 29 Kapitel, plus Prolog und Epilog eingeteilt. Das finde ich gut gewählt, zumal die Kapitel nicht zu lang sind und jeweils mit einem kleinen Hinweis beginnen. Darin steht, was verloren, oder gefunden wurde, die Beschreibung und der Ort des Verlustes.

Erzählt wird der Roman in "Ich-Form". Dot, eigentlich Dorothea Watson, arbeitet in einem Fundbüro in London, nachdem sie ihr Studium in Frankreich abgebrochen hat als ihr Vater tragisch verstorben ist.
Obwohl Dot die Geschichte, und damit auch ihre eigene Geschichte, erzählt, ist sie mir ein wenig unsichtbar geblieben. Zumindest äußerlich. Innerlich ist sie ein sehr emotionaler Mensch und sie entwickelt sich im Laufe der Handlung, was ich positiv empfinde.
Dann sind da beispielsweise noch ihre Kollegin Anita, die mir sehr sympathisch ist, Dots Schwester Philippa und beider Mutter Gail.

Der Schreibstil von Helen Francis Paris ist ausgesprochen mitfühlend und teilweise herrlich poetisch. Die Geschichte anhand von verlorenen Dingen zu schreiben finde ich gut gewählt.
Allerdings ist das Buch kein leichter Wohlfühlroman, er beinhaltet auch ernst betrachtete Themen wie Demenz oder Selbstmord.

Eigentlich würde ich gerne 5 Sterne vergeben, aber an manchen Stellen hat mich die etwas zu heftig ins Mystisch abgleitende Stimmung dann doch gestört. So bleiben vier Sterne und eine Empfehlung für jeden, der verlorene Träume sucht und dabei auch etwas Ernstes verkraftet.

Bewertung vom 24.02.2022
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


ausgezeichnet

Mach keine Dummheiten, Tell

Das Buch trägt ein klares Cover. Einfach nur ein stilisierter Apfel auf grünem Grund. Das ist so typisch für den Diogenes Verlag und ich mag diesen Wiedererkennungswert sehr. Und man denkt bei "Tell" natürlich auch sofort an einen Apfel. Das Äußere ist also schon mal gelungen.

Wie sieht es mit den inneren Werten des Buches aus?

Gegliedert ist die Geschichte um Tell in 10 große Kapitel. Hier erzählen dann verschiedene Personen das Geschehen aus ihrer Sicht, also wird immer die Ich-Erzählform genutzt und doch hat man als Leser*in ganz unterschiedliche Perspektiven. Allein im ersten Kapitel lernt man somit sechs handelnde Personen kennen. Da manche Unterkapitel wirklich sehr kurz sind, muss man erst einmal dafür ein gewisses Lesegefühl entwickeln. Das hat bei mir ein wenig gedauert, dann aber habe ich dadurch ein spannendes Leseerlebnis entwickelt.
Die Kapitel werden mit besonderen Gedanken eingeleitet. Gefallen hat mir schon der erste: Der Mensch ist doch nichts weiter als eine Heuschrecke. Passt auch in die heutige Zeit.

Der Autor hat sich mit diesem Buch also dem Tell gewidmet, jenem Mann, der auch schon 1803/1804 Titelheld im Drama von Friedrich Schiller gewesen ist. Schiller ging es vor allem darum, den Freiheitskampf in der Schweiz darzustellen. Natürlich hat sich die Sprache seit 1804 sehr verändert und so war ich auf die Umsetzung für die heutige Zeit sehr gespannt.

Während Schiller Tell als wirkenden Held und Freiheitskämpfer darstellt, ist sein Auftreten bei Joachim B. Schmidt eher ein anderes. Er ist ein nörgelnder Einzelgänger, ein geplagter Bauer, der vor allem ein ruhiges Leben möchte. Und einen gefüllten Bauch. So musste er sich bei mir auch erst Sympathie erarbeiten. Das hat er mit seinem prinzipientreuen Verhalten und dem Beschützen seiner Familie erreicht.

Tell soll ja im 13. / 14. Jahrhundert gelebt haben. Und aus dieser Zeit weht auf jeden Fall ein starker Wind der Gewalt, der Willkür, den großen Standesunterschieden in die Erzählung. Und der Gestank, der in jener Zeit in der Luft gelegen haben muss. Teilweise waren mir die Beschreibungen schon fast zu real.

Dem Autor ist auf jeden Fall ein spannendes Buch gelungen. Schillers Drama wurde von ihm verdichtet, neu interpretiert und in einem besonderen Schreibstil verpackt. Egal, ob man nun Tells Drama schon kennt oder nicht, diese Fassung lohnt sich, gelesen zu werden. Daher auch alle fünf Sterne von mir.

Bewertung vom 20.02.2022
Die Feuer
Thomas, Claire

Die Feuer


ausgezeichnet

Was sollst du bedeuten?

Das Cover ist ein Hingucker. Es passt zum Titel und zur Geschichte. Ein Kleid wie ein Feuer, und auf der Rückseite brennt es förmlich ebenfalls. Darunter verbirgt sich noch ein feuerroter Einband. Ja, das finde ich schon mal sehr gelungen.

Mich hat die Inhaltsangabe dann auch ausgesprochen neugierig auf das Buch gemacht. Drei Frauen sind in einem Theater in Melbourne um ein Stück von Samuel Beckett zu sehen während in den Bergen die Buschfeuer wüten. Was wird dieser Abend mit den Frauen machen? Die Geschichte beginnt ziemlich direkt vor Beginn der Theateraufführung und endet kurz nachdem der Vorhang nach dem zweiten Akt fällt. Das Stück, das aufgeführt wird, ist "Glückliche Tage".

Dieses Bühnenwerk kenne ich als Buch. Laut Anweisung wird die Bühne die gesamte Zeit über in gleißendes Sonnenlicht getaucht. Das passt zu den Bränden, die draußen wüten. Protagonistin ist eine etwa 50jährige Frau namens Winnie, die in einem Erdhügel gefangen ist und ihr Leben, ihren Untergang und ihr Sterben reflektiert.

Wir begleiten drei weitere Frauen bei dieser Aufführung. Die etwa 70jährige Literaturprofessorin Margot, deren Mann an Demenz leidet. Ivy, die 40 jährige Kunstmäzenin, die noch immer nicht über den plötzlichen Kindstod ihres ersten Kindes hinweg gekommen ist. Und dann ist da noch die dunkelhäutige Platzanweiserin Summer, 20 Jahre jung, die an Angststörungen leidet und sich um ihre Lebensgefährtin sorgt.

Während des Schauspiels hängen die drei Frauen ihren eigenen Gedanken immer wieder nach. In der Pause zwischen den Akten kommt es zu einem zufälligen Treffen.

Ich finde es eine hervorragende Idee, gerade dieses Beckett Stück zu solch einer Geschichte zu nutzen. Es brennt. Auf der Bühne, in den Köpfen und draußen. Auf diese Art können Themen wie Klimakrise, Älterwerden, Rassismus oder auch Angst aufgegriffen werden. Im Prinzip passiert gar nicht viel und doch ist nach dem Stück so vieles ganz anders. Das hat bei mir noch lange im Kopf nachgearbeitet.
Diese drei Frauen, die alle jeweils ihr Päckchen zu tragen haben, waren mir jede für sich sympathisch und ihre Charaktere wurden gut, lebendig und bildhaft dargestellt.

Claire Thomas, schreibt in einem feinen und bewegenden Schreibstil. Sie lässt auch eine Prise Humor einfließen, was aber nicht albern wirkt.

Mich hat dieses Buch ausgesprochen berührt und so empfehle ich es nicht nur Theaterfans.

Bewertung vom 14.02.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


sehr gut

Der Krimmwinger Kirschkernhügel

Eines gleich zu Anfang: Lange ist es mir nicht so schwer gefallen eine Rezension über ein Buch zu schreiben, wie bei "Die dritte Hälfte eines Lebens" von Anna Herzig.

Die Plastikhülle außen herum darf beim nächsten Mal gern fehlen.
Das Cover ist sehr klar. Einfach ein Tisch mit einem nicht ganz so frischen Apfel. Fertig. Schlicht, aber schön. Allerdings sehe ich keine direkte Bindung zum Inhalt des Buches.
Der Titel ist dann schon nicht mehr so klar. Sind nicht zwei Hälften ein ganzes? Wo kommt die dritte Hälfte her und wann findet sie statt?

Mit 130 Seiten kommt das Buch eher schmal daher und ich dachte zunächst, dass es sicher in ein paar Stunden ausgelesen ist. Aber ganz schnell musste ich zugeben, ein zügiges Lesen war mir hier gar nicht möglich.
Zum einen liegt das am Schreibstil. Der ist einfach anders. Bei wörtlicher Rede beispielsweise wird einfach mit Bindestrichen verfahren, ohne alles. Dann wechseln auch mal die Namen, mit denen die Figuren angesprochen werden. Das musste ich zunächst begreifen.
Manche Passagen haben mich dann auch einfach mit einer solchen Wucht getroffen, dass ich gar nicht weiter lesen konnte. Und dann fragte ich mich, was Hypothese und was wirklich war.

Die Geschichte spielt in Krimmwing, einem fiktiven Dorf in Österreich. Es könnte aber auch in vielen anderen realen Dörfern spielen. Als Dorfkind darf ich das so behaupten.
Es gibt die großen Abschnitte "Was man gehört hat" und "Was die Leute sagen". Diese sind wiederum in kleine Kapitel unterteilt. Da sie mit dem jeweiligen ersten Satz des entsprechenden Kapitels anfangen, finde ich das auch eine Besonderheit.

Im Dorf leben besondere Menschen. Da ist der Seppi mit seiner nicht nur im Sommer dunkleren Haut, die alleinerziehende Rosa Steinbacher oder auch die Liesel mit ihrer körperlichen Eigentümlichkeit.
Die Protagonisten und Protagonistinnen sind anders, speziell.
Aber sie leiden, sind einsam, spüren Gewalt. Absolut menschlich eben.
Sie werden beobachten, sie beobachten. Sie werden verurteilt und sie urteilen.

Was mir ein wenig gefehlt hat, war, dass es nicht nur Unterdrückung in einem Dorf gibt. Nicht nur das Reden hinter vorgehaltenen Händen. Nicht nur das Bespitzeln.

Alles in allem hat mich "Die dritte Hälfte des Lebens" total überrascht und hallt noch lange in mir nach. Und das mit gerade einmal diesen 130 Seiten. Möglicherweise ist genau das die dritte Hälfte eines Lebens.

Ich gebe vier Sterne und empfehle das Buch auf jeden Fall, nicht nur Dorfbewohner*innen.

Bewertung vom 23.01.2022
The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1
Prose, Nita

The Maid / Regency Grand Hotel Bd.1


ausgezeichnet

Mach mir eine Tasse Tee

Das Cover ist absolut gelungen. Man sieht sofort, die Geschichte spielt im Hotel, ein Zimmermädchen ist beteiligt und wir werden uns beim Lesen nach Großbritannien begeben. Fast hätte ich auf Schottland getippt, aber es ist London. Genauer gesagt das altehrwürdige Londoner Regency Grand Hotel.

Nun, Geschichten, die in London spielen gibt es unzählige. Geschichten im Hotelgewerbe ebenso. Und auch ermittelnde Frauen, die nicht der Polizei angehören. Aber einen Krimi, wie den von Nita Prose habe ich eher noch nicht gelesen.

Gleich auf den ersten Seiten lernen wir Leser Molly Gray kennen. Molly ist Zimmermädchen im besagten Hotel, liebt ihren Job und erzählt uns die Begebenheit, die sich ab einem bestimmten Montag zugetragen hat.

Der Schreibstil ist auf den ersten Seiten ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber dann passt er eben. Vor allem zu Molly. Diese Frau ist besonders. Oder sind wir alle gleich, aber auf unterschiedlicher Weise?

Jene Molly Gray habe ich sehr schnell in mein Herz geschlossen. Ihre Grandma ist vor nicht allzu langer Zeit gestorben. Aber diese Gran hat der Enkelin viel mitgegeben. Sehr viel Liebe und viele kluge Sprüche. Und diese Grandma erinnert mich mit voller Wucht an meine Oma.

"The Maid" ist ein Krimi. Und ein Krimi braucht etwas kriminelles und deshalb stirbt auf mysteriöse Weise der Mr. Black. Und so ein Tod braucht auch meist auch einen Mörder oder eine Mörderin. Ist es vielleicht die Maid, also Molly?

Die Geschichte ist fesselnd, aber auch charmant und es tut mir sehr leid für Mr. Black, dass er dafür sterben musste. Aber dadurch ist ein originelles Buch entstanden. Es hat mich durch ein regnerisches Wochenende getragen und mich richtig gut unterhalten.

Ich empfehle "The Maid" nicht an die knallharten Krimifans, die schon ein bisschen mehr Blut brauchen, als den Tropfen, der sich auf dem Cover Bahn bricht. Aber ich empfehle das Buch sehr gerne an Leser*innen, die ein besonderes Zimmermädchen kennen lernen wollen, mit einem etwas kuriosem Verhalten, einer liebenswerten Oma und einer großen Vorliebe für Inspektor Columbo. Klingt originell? Ist es auch - und sogar spannend. Und bekommt deshalb auch gerne alle 5 Sterne von mir.

Bewertung vom 15.11.2021
Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher
Rygiert, Beate

Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher


ausgezeichnet

Weiße, gelbe oder rote Rosen

So ein schönes Cover. Ein wenig Gold, ein wenig altes Berlin, zwei hübsche Frauen. Und schon hat man eine Ahnung, worum es wohl gehen mag.
Und der Titel beschreibt es dann auch mit Worten. "Die Ullstein-Frauen und das Haus der Bücher". Es beginnt also eine Reise nach Berlin, zu den Ursprüngen des Ullstein Verlags. Das klingt absolut interessant.

Beate Rygiert nimmt ihre Leserschaft mit in das Berlin der goldenen 1920er Jahre. Das wird schon auf den ersten Seiten deutlich. Zum einen die Zeit, zum anderen aber eben auch Berlin.
Durch den sehr lebendigen, anspruchsvollen und spannenden Schreibstil wird man förmlich in die Geschichte eingesogen. Obwohl mich eine Bindehautentzündung ausgebremst hat, konnte ich das Buch nur widerwillig aus den Händen legen.

Wir lernen die junge Rosalie Gräfenberg kennen - eine geschiedene, erfolgreiche Journalistin. Und nicht nur wir, auch der Generaldirektor Franz Ullstein macht ihre Bekanntschaft. Und dann gehen wir gemeinsam durch Höhen und Tiefen und werden unter anderem von Vicki Baum und ihrem aufgeweckten Tippfräulein Lilli begleitet.

Der Autorin ist ein überaus unterhaltsamer Roman gelungen, der auch trotz über 480 Seiten niemals langweilig wird. Ganz im Gegenteil. Die sehr ausgeprägte Recherche wird in eine wunderbare Gefühlswelt eingewoben. Das mag ich ausgesprochen gern, wenn historische Fakten so köstlich serviert werden.

Nicht nur die Personen sind detailreich dargestellt, auch das Leben in den 20er Jahren und die Stadt Berlin zu dieser Zeit sind hervorragend skizziert.

Ich empfehle das Buch bereitwillig mit allen fünf Sternen, eigentlich an alle, die sich gern gepflegt auf eine interessante und lebhafte Lesereise begeben.

Bewertung vom 10.10.2021
Die Übersetzerin
Lecoat, Jenny

Die Übersetzerin


sehr gut

Liebe und Überlebenswille
Das Cover ist eher schlicht gehalten, aber gerade deshalb schön und zu dem Buchinhalt sehr passend gewählt.

Ich mag es, wenn zeitgeschichtliche Romane einen wahren Hintergrund haben. Und das ist in diesem Buch der Fall, wenn es auch eine eher ungewöhnliche wahre Geschichte ist.
Protagonistin ist die junge jüdische Frau aus Wien, die Hedy genannt wird. Sie nimmt im Lager der Deutschen eine Stelle als Dolmetscherin an und muss versuchen, ihren Hintergrund geheim zu halten. Dann verliebt sie sich ausgerechnet in einen Wehrmachtssoldaten.

"Die Übersetzerin" ist eine Liebesgeschichte vor einem grausamen Szenario auf der schönen Insel Jersey. Der Originaltitel ""Hedy`s War" vermittelt die Brutalität der Zeit treffend.

Das erste Drittel des Buches habe ich als eher langsamen Einstieg in diese 1940 beginnende Geschichte gesehen. Danach nimmt die Autorin mehr Fahrt auf und es wird zum Ende hin richtig spannend. Absolut gelungen finde ich auch den Epilog.

Jenny Lecoat schreibt ausgesprochen einfühlsam, lebendig und bildhaft. Man erkennt, dass sie heimatliche Wurzeln auf Jersey hat.

Nicht ganz so intensiv werden die Charaktere der handelnden Personen dargestellt. Hedy blieb mir bis zum Schluss ein wenig fremd, ebenso wie ihr Geliebter Kurt. Gefallen hat mir da sie Freundin Dorothea, die wirklich überzeugend dargestellt worden ist.

Für mich waren die Umstände auf der Kanalinsel nach dem Krieg so nicht bekannt und somit gab mir das Buch auch eine interessante Geschichtseinheit.

Mit kleinen Abzügen, aber dicken vier Sternen empfehle ich "Die Übersetzerin" gerne weiter, vor allem, wenn man Romane mag, die wahre Begebenheiten und Fiktion gekonnt miteinander verweben.