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Milienne
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Insgesamt 149 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2024
van Kooij, Rachel

Niemand so wie ich?


ausgezeichnet

Was im Titel als Frage formuliert ist, steht auf Seite 9 als Aussagesatz: „Niemand so wie ich.“ Eine Feststellung, mit der Niki sich mal mehr, mal weniger gut arrangiert, auch wenn sie im Freibad komische Blicke für die blauen Badeshorts mit gelbem Glitzer-Bikinioberteil erhält. Ihr Vater beharrt darauf, dass Niki irgendwann „normal“ werden kann und spart Geld für eine Operation. Auch wenn es von Niki lange nicht direkt ausgesprochen wird, weiß man, dass Niki anscheinend männliche und weibliche Geschlechtsorgane hat. Das hat Niki schon beim Fußballtraining tangiert, als es darum ging, eine reine Mädchenmannschaft zu gründen und sich tatsächlich eine Fußball-Mutti noch aufregen wird, warum man „so ein Kind“ mitspielen lasse.

Diese Probleme rücken ein wenig in den Hintergrund, als ihr unbekannter Onkel eines Tages nach zehn Jahren auftaucht. Nikis Vater ist über den Besuch mehr als bestürzt und will ihn sofort wieder aus seinem Leben verbannen. Doch Niki ist neugierig, außerdem kann Niki diesen Onkel, der nur mit einem alten Koffer durch die Gegend geht, doch nicht einfach der Straße überlassen.
Niki steht auf mehreren Ebenen immer in einer Zwickmühle. Die Zwickmühle, sich für eine Existenz als Junge oder als Mädchen entscheiden zu müssen und jetzt auch noch die Sache mit Onkel Raimund. Um daraus zu kommen, greift Niki auf einige Notlügen zurück, und alles wird irgendwie verzwickter.

Aber vielleicht ist ja gar nicht Niki „das Problem“, sondern die Erwachsenen, die nur in Kategorien denken können: Gut und Böse, Junge und Mädchen. Ich finde, das hat der Roman wirklich toll herausgestellt, ohne mit dem Finger auf die Erwachsenen zu zeigen. Nikis Geschichte ist natürlich schon ohne Onkel Raimund interessant: das tägliche Erklären, die Suche nach den richtigen Pronomen… Süß fand ich die Freundschaft zu Kati, die sich einfach jeden Tag mit den Pronomen „er“ und „sie“ abwechselt.

Wer bis zum Ende liest, erfährt, ob Niki vielleicht eine bessere Lösung findet, was Onkel Raimund eigentlich so Schlimmes gemacht hat und ob es dafür nicht auch einen Ausweg aus der Zwickmühle gibt. Spannend, witzig und ein wenig ernst – eine gelungene Mischung.

Bewertung vom 17.05.2024
Vallejo, Irene

Elyssa, Königin von Karthago


ausgezeichnet

Moderner und gleichzeitig respektvoller Umgang mit dem faszinierenden antiken Stoff!


Ich habe einen Germanistikabschluss und weiß, wenn ich in in meinem damaligen Seminar zu Heinrich von Veldekes Verarbeitung des Aeneas-Stoffs dieses Buch eingebracht hätte, es hätte kritische Blicke gegeben.

Eine feministische Version - wozu?
Das Buch von Irene Vallejo schreit auf jeder Seite, warum.

Wie im Original können die Figuren auch hier der göttlichen Bestimmung nicht entkommen, Elyssa ist Herrscherin von Kathago, Aeneas ist Schiffsbrüchiger nach dem Trojanischen Krieg und landet mit seinen Männern in ihrem Rech, mit dabei sein Sohn. Die Seherin Anna ist ganz begeistert von ihm, und hier beginnen schon die ersten feministischen Aspekte: WIll Anna überhaupt mal Kinder? Ist Elyssa schän genug für Aneas? Wie selbstbestimmt ist das Leben der jungen Frauen in Kathago?

Am meisten gefällt mir jedoch die Erzählperspektive Eros: Was hat der Sohn Aphrodites sich eigentlich dabei gedacht, die beiden Unglücklichen zusammenzuführen, warum lenken die Götter so willkürlich? Dabei wird nicht unbeding entmythisiert, irgendwie schafft Irene Vallejo dem Stoff diesen rationalen Hauch zu verleihen, den er aus feministischer Perspektive braucht, ohne zu rational zu werden.

Zeitlos und fesselnd leiten die Buchstaben durch den bekannten und doch neuen Inhalt, ich habe diese Lektüre mehr als genossen!

Bewertung vom 03.05.2024
Quin, Sara;Quin, Tegan

Tegan and Sara: Junior High - Chaos im Doppelpack


ausgezeichnet

Tegan und Sara sind unzertrennlich und froh, die Veränderungen in ihrem Leben nicht alleine durchstehen zu müssen. Ihre Eltern sind geschieden, die Mutter ist mit Bruce zusammen, doch die beiden sollen trotzdem regelmäßig ihren Vater sehen. Also ziehen sie in seine Nähe, was einen Schulwechsel bedeutet. Ab sofort gehen sie auf die Edmunds Junior High, auch noch in getrennte Klassen. Als wenn das nicht genug wäre, stehen die beiden auch noch kurz vor der Pubertät.

Doch was, wenn die beiden auf die Veränderungen nicht gleich reagieren? Wenn eine andere Freunde findet, sich anders entwickelt oder körperliche Veränderungen nicht gleichzeitig erlebt werden?

Besser als mit Tegan und Sara könnte man so eine Situation nicht vergleichen, denn wir begleiten sie ein komplettes Jahr auf der Junior High. Ich muss zugeben, auch ich habe Probleme die beiden zu unterscheiden, was nicht gegen die Illustrierung sprechen soll, die ist zwar relativ einfach gehalten, aber dafür fängt sie wunderbar das quirlige Teen-Werden der beiden ein. Am liebsten habe ich ihre Gesichter, wenn ihnen etwas unangenehm ist und da sie sich mit Themen wie Periode, Gefühlen und BH’s auseinandersetzen müssen, ist das nicht selten der Fall.
Da ich selber Zwilling bin, kann ich vieles gut nachvollziehen, gerade die Streitigkeiten und das Danach-wieder-lieb-haben kennen vermutlich alle Geschwister.
Ich finde die Konflikte der beiden aber besonders authentisch, was bestimmt auch an den Autorinnen liegt, die tatsächlich Zwillinge sind und Tegan und Sara heißen.
Mit den beiden wird es absolut nicht langweilig, mich haben sie wunderbar unterhalten und nochmal in die eigene Teenager-Zeit versetzt, auch wenn meine nicht ganz so amerikanisch war. Ich freue mich, den nächsten Teil zu lesen, wenn es noch mehr um das Thema Liebe mit all ihren Problemen geht.

Bewertung vom 21.04.2024
Elsäßer, Tobias

Mute - Wer bist du ohne Erinnerung?


ausgezeichnet

Espe lebt als eines von drei Adoptivkindern mit einer leiblichen Tochter zusammen bei ihren liebevollen Eltern, die beide wissenschaftlich engagiert sind und sich stets bemühen, ihren Kindern ein gutes Leben zu bieten. Dieses Streben führt dazu, dass die Familie häufig umzieht, zuletzt in ein Haus in St. Engberts. Dort ereignet sich ein Unfall, der glücklicherweise glimpflich endet. Seitdem jedoch wird Espe regelmäßig von unerklärlichen Bildern heimgesucht, die besonders durch unangenehme Gerüche ausgelöst werden. Ihre jüngere Schwester Yuma zeigt sich seit dem Unfall ebenfalls verändert, zieht sich von der Familie zurück und beginnt, allem zu misstrauen.
Die Situation eskaliert weiter, als die Eltern verhaftet werden und die Familie ins Kreuzfeuer der Medien gerät. Die genauen Vorwürfe gegen die Eltern werden erst allmählich enthüllt und scheinen mit der Vergangenheit der adoptierten Kinder verknüpft zu sein. Dieses schrittweise Zusammensetzen der Ereignisse verdeutlicht das Leid der Geschwister, die als Adoptivkinder ohne Erinnerungen an ihre eigene Herkunft kämpfen. Ihre Identität ist durch diese Lücken geprägt.

Die Handlung wird durch die chronologische Erzählweise sowie Einschübe von Interviews einer Investigativreporterin und Notizen aus einem Tagebuch, das von einem Klinikaufenthalt berichtet, reichhaltig gestaltet. Themen wie Erinnerungen, Trauma und Epigenetik bilden ein komplexes wissenschaftliches Geflecht, das von Tobias Elsässer fesselnd in die Geschichte integriert wird. Im Nachwort betont Elsässer, dass diese Themen primär der Erzählung dienen und nicht vollständig sachlich aufgearbeitet sind. Das heißt. dass man nicht alle wissenschaftlichen Erklärungen zur Epigenetik vollständig verstehen muss, es reicht, sie als spannenden Motor der Geschichte zu sehen.
Absolut kein alltäglicher Thriller, durchweg fesselnd und bis zum Schluss voller Innovationen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2024
Schäfer, Lorena

The dreams we chase / Emerald Bay Bd.3


ausgezeichnet

Ein letztes Mal Emerald Bay - Mein Lieblingsteil!
Im dritten Teil der Reihe verschlägt es Lexi für ein Meeresbiologie Studium vom Outback nach Emerald Bay. Mit diesem Studium erfüllt sie sich einen Traum, den sie schon strebsam verfolgen will. An der Uni trifft sie auf Hazel, die wir schon aus dem zweiten Teil kennen und die beiden freunden sich an. Jake kennen wir ebenfalls aus dem zweiten Teil, genauso ist Lexi ihm in der Vergangenheit bereits begegnet, doch hat sie daran keine gute Erinnerung, denn sie hält Jake für einen privilegierten Sohn bekannter Meeresforscher. Jake ist genauso wenig begeistert, als die beiden dann ausgerechnet zu einem gemeinsamen Projekt verdonnert werden …

“The dreams we chase” ist mein Lieblingsteil der Reihe, erst mal ist es natürlich irgendwie wie an einen bekannten Ort zurückzukehren und es war auch schön, zumindest einige Figuren wiederzutreffen. Aber ich hatte dieses Mal nochmal mehr das Gefühl, dass die Autorin sich von gängigen Romance-Klischees versucht abzuheben, ohne den Faktor “Romance” zu streichen. Der Konflikt der beiden spitzt sich nicht künstlich zu und sie schaffen es öfter mal, tatsächlich zu kommunizieren und Sachen aus der Vergangenheit zu klären.
Außerdem verlieren beide ihre persönlichen Ziele nicht aus den Augen, sofern sie sich derer sicher sind. Ganz sicher ist, dass beide das Meer lieben und sehr viel Ahnung davon haben, das hat mir am Buch auch super gefallen. Da wurde Emerald Bay als Umgebung richtig ausgeschöpft und nochmal anders beschrieben.
Einfach eine richtige Wohlühlgeschichte und ich bin traurig, erst mal nicht mehr in Emerald Bay zu sein!

Bewertung vom 16.04.2024
Köhler, Karen

Himmelwärts


sehr gut

Toni (Toni-Peperoni) ist 10 Jahre alt, sie verbringt am liebsten Zeit mit ihrer besten Freundin YumYum, liebt Pommes, Halloween, Lakritze und ihr Mama-Regal, und hasst den Geruch von Krankenhäusern und Beerdigungen. Das alles erfährt man durch das detailliert ausgefüllte Freundschaftsbuch, in dem auch die besagte beste Freundin YumYum nicht zu kurz kommt, als Leser*in darf man ebenfalls eine Seite ausfüllen. Wenn das nicht schon genug zum Nachdenken anregt, dann im folgenden Teil, denn Toni philosophiert auf liebenswerte Weise über die Zeit und das man eigentlich gar nicht weiß, „wie viele Erlebnisperlen man noch auf die Zeit-Lakritzschnur” ziehen” kann.
Toni weiß das aus eigener Erfahrung, denn ihre Mama hatte irgendwann keine Erlebnisperlen mehr übrig. Zwischen den Kapiteln notiert Toni jeden Erinnerungsfetzen, der ihr mit ihrer Mutter einfällt, der harte Verlust ist die ganze Zeit spürbar.
Auch wenn Toni eine gute Zeit mit ihrer besten Freundin beim abenteuerlichen Garten-Zelten hat und die beiden es sogar schaffen, mit ihrem umgebauten Radio eine echte Astronautin zu erreichen, die super viele spannende Insider-Infos über das Weltall hat, denkt sie immer an ihre Mutter.
Das Universum, von dem die Astronautin erzählt, ist für sie trotzdem ein tröstlicher Gedanke, denn wer weiß, wo es ihre Mama dorthin verschlagen hat, immerhin verschwindet Energie nie komplett.
Als ich das Buch in der Bahn angefangen habe, kamen direkt so viele schöne Gedanken von Toni, dass ich das Buch doch lieber in Ruhe zuhause lesen wollte, um kein Wort zu verpassen. Nicht alle von Tonis Gedanken waren so stark philosophisch, was ich auch nicht authentisch gefunden hätte, schließlich ist sie immer noch ein trauerndes Mädchen.
So schön ich finde, dass sie ihre Mutter ehrt finde ich Aussagen wie „Eure Cafeteria-Mamas reichen ihr nicht das Wasser” hinsichtlich ihrer Klassenkameraden jedoch schade, da das Buch eigentlich so sensibel mit dem Thema Tod umgeht, dann aber abwertende Äußerungen ihren Platz finden.

Insgesamt erlebt man mit Toni und YumYum eine magische Nacht, die zeigt, wie endlos die Liebe zur Mutter, aber auch zu Freunden, zu Süßigkeiten und dem Leben sein kann.

Bewertung vom 03.04.2024
Kroon, Oskar

Gurke und die Unendlichkeit


ausgezeichnet

„Eigentlich war alles gut‟, erzählt Gurke am Anfang von seinem Leben mit seinen Eltern in Schweden. Der Alltag hält alle auf Trab, vor allem die Diskussionen über das Weltall und die Unendlichkeit, denn Gurkes Mama ist “Weltraumdoktorin”, bzw. wird eine, wenn sie endlich ihre DOKTORARBEIT, wie Gurke betont, fertig hat. Sein Papa ist Verkäufer in einem Elektrogeschäft, außerdem sorgt er für Ordnung und leckeres Essen im Haushalt, ist ein Abenteurer (zumindest wenn abends Tierdokus geschaut werden), liest Gurke vor dem Schlafen aus “Mumins” vor und holt ihn von der Schule ab. Kurz um, Papa ist Gurkes Held und als er irgendwann krank wird, fällt das auf. Mama holt ihn eben nicht so ab, wie Papa, sie weiß dann nicht von Eis-Versprechungen und sie kann auch nicht so reden wie “Tofsla und Vifsla”.
Das Buch zeigt, wie unverstanden sich Kinder bei Krankheit der Eltern fühlen können. Gurke versteht nämlich viel, schließlich denkt er ständig über das Universum, die Unendlichkeit und den Weltuntergang nach, aber es darf halt nicht der Papa sein, der sein Ende findet.
Trotzdem wird mit ihm nicht richtig über den Stand von Papas Krankheit geredet, es heißt nur „Alles wird gut‟.
Wirklich berührend, wie diese ganzen Details, die einen Alltag und letzten Endes ein Leben ausmachen, auf einmal wegfallen und unendlich vermisst werden. Die Geschichte wird mit schönen Illustrationen unterstützt.

Ich würde es Kindern und Eltern gleichermaßen empfehlen. Ganz nebenbei kriegt man wieder Lust, ein wenig mehr über das Weltall und seine Unendlichkeit zu philosophieren!

Bewertung vom 03.04.2024
Jägerfeld, Jenny

Meine geniale Liebe


sehr gut

Nach “Mein geniales Leben” und “Mein genialer Tod” ist “Meine geniale Liebe” der dritte Teil, der von dem Teenager Sigge handelt
Sigge ist noch nicht so lange an der Schule, auf der er jetzt Schüler ist und vorher an der alten Schule gemobbt wurde. Die geplante Klassenfahrt zur Insel Esterö hat er deswegen gar nicht auf dem Schirm - er ist zu sehr beschäftigt, sich anzupassen und damit, Adrian ganz heimlich anzuhimmeln. Am liebsten würde Sigge sich sofort entlieben, damit niemand merkt, dass er homesexuell ist …
Bei den vielen ungewohnten Namen, muss man erst mal durchblicken, auch sonst sind die Verhältnisse ein wenig wirr, aber auch amüsant.
Das Hotel der Oma, in dem die Familie noch wohnt, kann ich mir in seinem Chaos ziemlich gut vorstellen. Wer Krille ist und warum er dort wohnt habe ich bis zuletzt nicht verstanden und es hat mich auch erst verwirrt, dass die kleine Schwester in Großbuchstaben spricht.
Sigge ist ein beschäftigter Junge: Er zeichnet „Ansichtskarten für Faule“ zur Finanzierung der Klassenfahrt, setzt seine Eislaufkarriere fort, navigiert durch familiäre Veränderungen und entwickelt zusammen mit seiner Freundin Juno eine Tinder-ähnliche App für Tiere. Gleichzeitig ringt er mit seinen Gefühlen für Adrian und dem Kampf, seine sexuelle Identität zu akzeptieren.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass in jedem Kapitel immer nur eins der vielen Themen behandelt wurde, daher hat sich für mich nicht unbedingt eine fließende Geschichte daraus ergeben.
Die vielen Figuren fand ich fast alle allerliebst und sympathisch, vor allem die Oma mit ihrem englischen “Slang” war einfach unterhaltsam. Die Geschichte von Sigge und Adrian und vor allem Sigges Unsicherheit, zu seiner Sexualität zu stehen, ging ein wenig unter.
Trotzdem ein sehr schönes Buch zu dem Thema und sehr unterhaltsam!

Bewertung vom 03.04.2024
Wahl, Carolin

Golden Heritage / Crumbling Hearts Bd.2


schlecht

Während Aleksander Skogen im ersten Teil der Crumbling Hearts Reihe gerade wegen seines Skandal im Lampenricht Aufmerksamkeit auf sich zieht, lebt Ellinor Skogen, seine jüngere Schwester, ein anderes Leben: Ihr ist jede Form von Aufmerksamkeit zu viel, die Presse hat kein aktuelles Bild von ihr und alleine der Gedanke, mal kein chronischer People-Pleaser zu sein bereitet ihr Panik. Nichtsdestotrotz möchte sie in das Keksunternehmen der Familie Skogen eintreten und nutzt ihre Unbekanntheit, um dort hinter die Kulissen zu blicken. Schon kurz vorher war sie Lucas, ihrem ehemaligen besten Freund, der sie damals einfach geghostet hatte, nach Jahren wieder begegnet und nun der nächste Schock: Sie müssen beide eng zusammenarbeiten. Da er eine Kälte und Distanz hat, die ihr fehlt und sie die Kontakte, die ihm fehlen, überlegen sie sich einen zunächst rationalen Plan, diese Zusammenarbeit irgendwie gewinnbringend für beide Seiten zu machen - mit emotionalen Folgen.

Nachdem ich den ersten Teil noch durchaus gelungen fand und mir sicher war, dass er für Fans von Romance ein guter Fund ist, weiß ich nicht, ob ich das gleiche auch für den Teil behaupten kann. Klar, die Romance-Tropes sind gut vertreten, nicht nur Fake-Dating, wie es auf dem Buch schon angegeben ist, auch Enemies-to-lover, genauso die großen Emotionen und einige “spicy” Momente.
Die Story ist nicht neu, zwei Leute, die aus welchen Gründen auch immer nicht verstehen, dass sie Gefühle füreinander haben, das stört mich nicht.
Aber wie kann es sein, dass sie beim anderen wirklich jede Regung wahrnehmen, jedes Zucken, jede „Veränderung der Haltung” usw., nur um dann aber die falschesten Schlüsse daraus zu ziehen? Am häufigsten war eigentlich etwas mit dem Brustkorb. Um es einmal exemplarisch zu verdeutlichen: Auf Seite 86 „rollt etwas Mächtiges” durch seine Brust, ein paar Zeilen später kämpft er „gegen das dumpfe Gefühl” in seiner Brust an, auf Seite 88 schmerzt sie und fühlt sich eng an. Der Magen kommt genauso oft vor, er hat ein „protestierendes Ziehen”, er krampft sich eine Seite später und rebelliert auf der nächsten.
Dass Nervosität sich so körperlich in der Brust und im Magen zeigt, sehe ich ein. Aber beim Lesen wird einem jedes sprachliche Klischee gefühlt in 10 Varianten vorgeworfen. Gerne werden auch Vergleiche gebracht, hauptsache irgendein „wie” folgt, „brennen wie Brennnesseln”, „schneiden wie Fleischmesser”, eigentlich auch das Übliche, aber so gehäuft, dass ich mich zwischendurch wirklich fragte, ob das eine Parodie ist.
Das “Komm schon, Kätzchen, zeig mir deine Krallen”, das Lucas sehr früh, als die beiden noch sehr distanziert sind, ständig sagt, kommentiere ich einfach mal damit, dass ich dachte, diese Phrase ist vielleicht nicht ideal übersetzt, er nennt sie doch nicht wirklich so abwertend Kätzchen? Dann ist mir eingefallen, dass das Original ja schon auf Deutsch ist.

Man hätte so viel mehr aus allem machen können, die Gespräche über das Unternehmen, die Beziehung zum manipulativen Großvater, die arabischen Wurzeln von Lucas … .
Es muss ja nicht unendlich viel Tiefe bekommen, aber dieser krampfhaft bildliche Schreibstill war für mich alles andere als intensiv, eher sehr oberflächlich.

Es gibt bestimmt Abnehmer*innen für dieses Buch, die sich bei meinen Ausführungen denken, dass das doch alles toll klingt. Gleichzeitig bin ich trotzdem enttäuscht, nach einem soliden ersten Teil so ein Leseerlebnis zu haben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2024
Angel, Frauke

Neue Heimat 1404


ausgezeichnet

Weil ihr Vater abgehauen ist landen Enna und ihre Mutter un der “Neuen Heimat”, einem Gebäudekomplex. Obwohl Emmas Mutter die Aussicht auf ihr neues Zuhause zunächst skeptisch betrachtet, da sie die geräumige Wohnung in einer wohlhabenden Gegend nicht länger finanzieren kann, erkennt Emma, die Tics hat, und deswegen unvermittelt Beleidigungen loslässt,das Potenzial ihres neuen Umfelds. Besonders fasziniert ist sie von Vivien, einem Mädchen in einer Pufferjacke, die sofort ihr Interesse weckt.
Ennas Neugierde wird jedoch bald auf eine andere Probe gestellt, als ihr Fahrrad gestohlen wird. Und so gelangt sie unverhofft in eine ulkige Bande, bestehend aus Firuz, den Zwillingen Jack und Joy, Vivien (aka dem Pufferjackenmädchen) und natürlich sich selbst. Da sich der Fall des gestohlenen Fahrrads und weitere Diebstähle im Haus mitten in der Corona-Pandemie ereignen, haben sie mehr als genug Zeit, sich der der Suche nach dem Dieb zu widmen und auch, um ihre besondere Art der Freundschaft zu festigen.
In der „Neuen Heimat“ treffen viele Leben und Geschichten Tür an Tür aufeinander, was zu einer außergewöhnlichen Mischung von Menschen und teilweise bizarren Situationen führt. Besonders die Zwillinge JJ, die im Singular angesprochen werden, da sie ohnehin immer im Einklang antworten, haben es mir angetan. Aber auch Firuz, den Enna mal als Panda beschreibt – bekannt für seine unzähligen Nebenjobs – sowie die freche Vivi, die auch im Hochsommer eine Pufferjacke trägt und deren Mutter für ihre wechselnden Liebhaber bekannt ist, haben schnell einen Platz in meinem Herzen gefunden.
Ennas Tics fallen in dem Hochhaus schon weniger auf, vielleicht, weil die Leute zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind.
Ein super unterhaltendes Buch, das zeigt, wie viel Spaß man trotz Handicaps in einem scheinbaren “Ghetto” haben kann.