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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
katharina.51
Wohnort: 
Kaiserslautern

Bewertungen

Insgesamt 62 Bewertungen
Bewertung vom 16.03.2022
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn
Matthiessen, Susanne

Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn


sehr gut

In der Zeit des ersten "lock-downs" hat man auf Sylt zum ersten Mal Zeit, sich
seine Insel während der Saison ohne Touristen zu betrachten. Man kennt zwar jeden Grashalm, und doch sieht plötzlich alles anders aus.
Die Autorin lässt die Zeit Revue passieren, von ihrer Kindheit bis zur Gegenwart. Sie schreibt über die Vergangenheit und die Entwicklung, sowohl
der Insel, als auch ihres eigenen Lebens. Auch Sagen erzählt sie, die die Grundlage sind für Sitten und Gebräuche der Insulaner, wie z.B. das Biikebrennen, das ursprünglich ein Leuchtfeuer war, für die nachts hinaus-
fahrenden Fangschiffe.

Susanne Matthiessen schreibt in einer bilderreichen Sprache, mit trockenem
Humor und absolutem Durchblick.
Der Titel ihres Buches, auch das Cover kann einem leicht in die Irre führen,
man könnte sich schnell an einen seichten Liebesschmöker für Sylt-Fans erinnert fühlen. Zum Glück habe ich die Leseprobe geöffnet und war sehr
angetan.
Ich würde das Buch weiterempfehlen, auch an Leser, die sich nicht einmal für
die Insel Sylt interessieren!
"Es (das Meer) kümmert sich nicht um uns. Das ist das Tröstliche am Inselleben. Man lebt Seite an Seite mit der Unendlichkeit." S.28

Bewertung vom 06.03.2022
Im Rausch des Aufruhrs
Bommarius, Christian

Im Rausch des Aufruhrs


sehr gut

Das Jahr 1923 in Deutschland ist das Jahr, in dem Grundsteine gelegt werden für die nachfolgenden berühmten Goldenen Zwanziger.
Es ist ein Jahr, in dem es vielen Menschen außerordentlich schlecht geht,
der 1. Weltkrieg ist zwar vorbei, doch durch die nachfolgenden Zwänge ist Deutschland in einer schlimmen Lage.

Der Autor beschreibt dieses Jahr in zwölf Monatsabschnitten, beginnend mit dem Januar.
In knappen prägnanten Notizen, erzählt er Markantes aus dem jeweiligen
Monat. Wir begegnen fast jedem, der nicht nur in diesem Jahr mehr oder weniger Rang und Namen hatte, Künstlern und ihren Werken, Politikern, Adeligen, Kriegsgewinnlern und Verlierern, Reichen und Armen, Saboteuren und Märtyrern und nicht zuletzt dem deutschen Kaiser.
Das Brot wird von Tag zu Tag teurer. Im Januar kostet es 250 Mark, im
Dezember erreicht es die bizarre Summe von 390 000 000 000 Mark!
Für Interessierte ein Leckerbissen.

Bewertung vom 06.03.2022
Vertrauen
Mishani, Dror

Vertrauen


gut

Ein Fall für Avi Avraham, ein Polizeiermittler aus Israel.
Eigentlich sind es zwei Fälle, die nichts miteinander zu tun haben, außer einem Treffen in Paris.
In dem einen Fall findet er den richtigen Zugang zu einem jungen Mädchen,
das ansonsten eisern schweigt; in dem zweiten Fall ist er auf den Spuren des Mossad, dem berühmt und berüchtigten Geheimdienst Israels, dessen
Geheimnisse nicht ans Licht kommen sollen, doch Avi ist schlauer.

Das Cover des Buches hat mich verführt und auch das erste Buch "Drei" von Dror Mishani hatte Erwartungen auf etwas Besonderes in mir geweckt, doch von diesem Buch war ich enttäuscht.
In meinen Augen ist nichts an ihm besonders, es hat mich teilweise sogar gelangweilt. Vielleicht muss man die Vorgängerbücher über den Polizisten
Avraham kennen, um schon Bekanntes wieder zu finden, um ihn besser zu verstehen.

Bewertung vom 03.02.2022
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


ausgezeichnet

Da die Geschichte von Wilhelm Tell von den Historikern in das Reich der Legende verwiesen worden ist, kann sich jeder, der Sage bemächtigen und
sie auf seine Art schreiben. Schiller hat ein heroisches Drama daraus gemacht,
Max Frisch eine Satire und Joachim B. Schmidt eine spannende Geschichte,
deren Charaktere er auf seine Weise aufbaut und ihr einige interessante
Aspekte hinzufügt. Raffiniert weißt er auf Quellen hin.
Da die ersten "Apfelschusslegenden" in den nordischen Erzählungen zu finden sind, hat er für Geßler einen Besuch aus dem Nordland
hinzugefügt und am Ende des Buches begegnet uns noch Tschudi, gemeint ist der Chronist Aegidius Tschudi, der sich im sechzehnten Jahrhundert auf den Weg macht auf den Tellenhof, um auf historische Spuren der "Tellensaga" zu stoßen.


Wer das Schiller´sche Drama in der Schule widerwillig als Pflichtlektüre lesen
musste, sei dieses Buch empfohlen, auch wer es gerne gelesen hat, auch dem
sei dieses Buch empfohlen.
Joachim B. Schmitt hat uns ein großartiges Buch geschenkt, seine Beschreibungen sind kraftvoll und poetisch zugleich, äußerst spannend hat er ein wahres Drama daraus gemacht.

Das Cover hat mir leider überhaupt nicht gefallen, ich wäre seinetwegen an dem Buch vorbeigelaufen. Eines der wenige bei Diogenes, die mich sonst
begeistern und ich mich schon allein des Covers wegen dem Buch zugewandt
habe.

Bewertung vom 29.01.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Die Autorin schreibt die Geschichte einer türkischen Familie, die in den siebziger Jahren als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland kamen.
Das Ziel aller war es, ein besseres Leben zu erschaffen. Ob das gelungen ist,
erzählt das Buch in der Geschichte von Hüseyn, seiner Frau Emine und seinen
Kindern.
Die große Tragik liegt in den Konflikten der verschiedenen Generationen und
Kulturen. Sie kommen aus einer alten Welt im Herzen Asiens, aus einem Leben, das bestimmt ist durch Tradition und Religion.
Wie kommt man in Deutschland zurecht, wo all dies keine Rolle mehr zu spielen scheint. Die Kinder wachsen zwischen zwei Welten auf, sie streben voran, während die Eltern versuchen, sie in der Sicherheit des Alten festzuhalten. Man versteht sich nicht, in dieser Familie, die fortwährend spricht, ohne etwas preiszugeben", sagt Peri, eine der Töchter.

Fatma Aydemir hat uns ein wunderbares Buch geschenkt.
In fantasievollen, treffenden, bildhaften Beschreibungen schildert sie Situationen und Geschehen und nimmt uns mit in tiefe Gefühle von Verletzung und Trauer.
"Niemand wird je meinen Schmerz verstehen", sagt Emine, die Mutter.
"Dschinns" ist ein Buch mit tiefgehenden Erkenntnissen einer Autorin,
"die mittendrin war".

Dschinns sind in der islamischen Welt allgegenwärtige, oft übelwollende Geistwesen, doch die Autorin bietet uns noch eine andere Erklärung an.
In ihrem Buch schreibt sie(S.193): "Vielleicht sind das die Dschinns, die
Wahrheiten, die immer da sind, die immer im Raum stehen, ob man will oder
nicht, aber die man nicht ausspricht, in der Hoffnung, dass sie einen dann in
Ruhe lassen, dass sie im Verborgenen bleiben für immer."

Bewertung vom 21.01.2022
Erschütterung
Everett, Percival

Erschütterung


sehr gut

Zach Wells und seine Frau, beides Hochschuldozenten, leben ein relativ sorgenfreies Leben. Das Feuer in der Ehe ist zwar am erlöschen, dafür haben aber beide ihre unendliche Liebe zu ihrer begabten Tochter Sarah.
Neben ihrem wissenschaftlichen Arbeiten ist sie zum Inhalt und Sinn ihres
Lebens geworden.
Dieses Leben wird bis in seine Grundfesten erschüttert, als bei ihrer Tochter schon mit acht Jahren eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wird, die schnell voranschreitet und mit Demenz einhergeht. Sarah wird bald ihre Eltern nicht mehr kennen.
Wie kann man mit einem solchen Schicksal umgehen?
Zach flieht vor dem Unerträglichen in ein nicht ungefährliches Abenteuer.
Er rettet eine Anzahl mexikanischer Frauen, von denen eine ihn an seine Tochter erinnert
Er erklärt selbst:"Ich war hier, um jemanden zu retten, irgendwen. Ich brauchte das."

Zach Wells erzählt seine Geschichte in einem lakonischen, sachlichen Stil, wie
man es von einem Naturwissenschaftler erwarten kann.
Seine Gefühle jedoch finden wir ab und zu versteckt und auf den Punkt gebracht in seinen Kapitelüberschriften und Anfügungen am Ende der Sätze.

Zwei Beispiele: "Camaieu"- monochrome Malerei, häufig in Grautönen,
bei seinem Schicksal kann Zach die Welt nicht mehr bunt
sehen, alle Farbe ist verschwunden.

Zach schreibt, "transit lux, umbra permanet"
Der "alte Lateiner" weiß, dass der Satz umgekehrt lautet, das Licht bleibt,
die Schatten vergehen, doch für Zach ist es nicht so, für ihn bleiben die
Schatten, sein Leid wird nicht vergehen.

Das Buch war für mich nachdenklich, aber auch spannend, keine einzige langweilige Zeile, und durch die eingestreuten, eigenwilligen Erhellungen,
fast eine Rätselform, hatte es seinen besonderen Reiz.

Bewertung vom 07.12.2021
Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1
Hector, Wolf

Die Brücke der Ewigkeit / Die Baumeister Bd.1


gut

Wolf Hector, alias Ruben Laurin, alias, alias .....
Thomas Ziebula schreibt unter vielen Pseudonymen die verschiedensten Arten von Literatur. Warum er das tut, wissen wir nicht, man kann nur ahnen, dass er sich vielleicht nicht als Schöpfer von "Heftchen - Romanen" zu erkennen geben will, allerdings hat er aber auch den "Goldenen Homer" für historische Romane von 2019 gewonnen, unter dem Namen Ruben Laurin.

In dem vorliegenden Buch führt uns der Autor in das 14. Jahrhundert, die Zeit des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, nach Prag, der Hauptstadt Böhmens. Die Erzählung rankt sich um die Erbauung der Karlsbrücke, der "Brücke der Ewigkeit" und ihrem Erbauer.
Der Autor hat ein Gespinst von spannenden Intrigen aufgebaut und bis zum
bittersüßen Ende wieder aufgelöst.
Er hat einen Schmöker geschrieben, von dem man keine besonderen literarischen oder historischen Höhenflüge erwarten darf, aber ein spannender Zeitvertreib, ähnlich einem Krimi.

Bewertung vom 26.10.2021
Grace
Lynch, Paul

Grace


sehr gut

Es ist die Zeit der "Großen Hungersnot" in Irland.
Von 1845 bis 1849 sterben über eine Million Menschen, und über zwei Millionen wandern aus nach Amerika.
Die Kartoffel, das Hauptnahrungsmittel der Armen, wird von der Kartoffelfäule überfallen, der Weizen gehört den Reichen und wird nach England verschifft.
Ein Heer von Hungrigen wandert kreuz und quer durch das Land, auf der Suche nach Arbeit, oder etwas Essbarem, im letzten Winter bleibt nur noch die Rinde der Bäume.
Grace, ein vierzehnjähriges Mädchen, wird von ihrer verzweifelten Mutter
auch auf diese grauenvole Wanderschaft geschickt. Ihr Begleiter ist der kleine Bruder, der nach einem tödlichen Unglück in ihrem Kopf, als ihr "Alter Ego" weiterlebt. Er ist beständig am Reden, beraten und schimpfen mit ihr, in seiner rohen, groben Sprache.
Sie wandert vom äußersten Norden des Landes bis in den Süden, mal alleine,
mal mit Begleitung, von Nässe, Kälte und Hunger getrieben, die Gedanken durchwoben von Sagengestalten, Halluzination und Aberglauben.

Paul Lynch hat ein außergewöhnliches Buch geschrieben, mitten heraus aus
dem Geschehen. Er ist nicht der Beobachter oder Beschreibende, Grace selbst spricht. Schöne, poetische Sätze wechseln sich ab, mit der derben
Sprache der grauenhaften Wirklichkeit.
Sein Werk ist nicht einfach zu lesen.
Sein letzter Satz: "Dieses Leben, es ist Licht."

Bewertung vom 13.10.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


ausgezeichnet

Imbolo Mbue hat ihr Buch als Roman geschrieben, doch man lasse sich nicht täuschen. Sie erzählt genau das, was in ihrem Land vor sich geht.
Es ist das dramatische Geschehen, das die erdölfördernden Länder Afrikas zu
erleiden haben, Willkür der großen Konzerne im Verbund mit den tyrannischen Diktatoren, die sich als demokratische Präsidenten getarnt, das Land unbarmherzig, und grausam ausbeuten und ausplündern.
Mensch und Natur werden nur als Objekte betrachtet, die im Störfall vernichtet
werden.
Das ist das Thema der Autorin, aber nicht nur das.
Sie führt uns in ein afrikanisches Dorf zu einer Familie, deren Mitglieder nach
und nach zu Wort kommen und ihr Leben beschreiben, das Leben vor der Ölfirma Pexton und das Leben mit ihr.
"Wir wussten, wie ein schönes Leben aussah, und auch wenn unsere Eltern es
im Würgegriff von Pexton nicht lebten, wussten wir, dass es in guten Zeiten
möglich war und dass dazu vor allem eine sich liebende Familie gehörte,
Gesundheit, reichlich Essen, Lachen und Sonnenschein."
"Seit der ersten Bohrung nach Öl ist das Land, das Wasser und die Luft vergiftet, Säure regnet vom Himmel, die Flüsse färben sich grün, das Land ist tot."
Die Familie, deren Charaktere geprägt sind von uralten Stammestraditionen,
ihre Außergewöhnlichkeit im festen Rahmen ihrer Kultur und Religion gehalten, aber auch gefangen sind, leben im festen verpflichtenden Verband einer Dorfgemeinschaft.
Sie machen sich auf, zu einem ungleichen Kampf der Verzweifelten gegen
einen der Mächtigen dieser Welt.
"Aber welche Wahl hatten wir in einer Welt, in der viele glauben, ihr eigenes
Glück hänge vom Unglück anderer ab?"

Die Autorin ist eine wunderbare Erzählerin. Sie hat ein schönes, ein außergewöhnliches Buch geschrieben. Ein Drama mit todernstem Humor.

"...du sollst einfach nur lieben und gut zu allen Menschen sein."

Bewertung vom 26.09.2021
Der Gesang der Berge
Que Mai, Nguyen, Phan

Der Gesang der Berge


sehr gut

Ein Buch gegen das Vergessen, es sollte in jeder öffentlichen Bibliothek stehen!

Dieses Buch ist als Roman angelegt, doch es beschreibt die Wirklichkeit Vietnams in der Zeit der Sechziger und Siebziger Jahre des vergangenen
Jahrhunderts.
Zerbombt und vergiftet durch Napalm und Agent Orange der Amerikaner, dann zerstört durch die gnadenlose Grausamkeit der sogenannten Kulturrevolution mit ihrer Landreform, die ein uraltes System in Fetzen gerissen hat.
Millionen von Toten und Verstümmelten blieben zurück, Generationen müssen mit den Schäden leben.
Die Autorin erzählt entlang des dramatischen Schicksals einer Familie, die all dies erlebt hat. Sie lässt die Frauen von vier Generationen zu Wort kommen.
Großmutter und Enkelin sind die Erzählerinnen der Geschichte, für die, trotz all der erlebten Schrecknisse und Grausamkeiten Menschlichkeit, Verstehen und Vergebung das Zentrum ihres Lebens bleiben.
"Unser Leben war kurz und zerbrechlich. Zeit und Krankheiten verzehrten uns wie die Flammen das Holz. Doch es war nicht wichtig, wie kurz oder lange wir lebten. Was zählte, war, wie viel Licht wir denen schenken konnten,
die wir liebten, und wie viele Menschen wir mit unserem Mitgefühl berührten."

"Der Gesang der Berge" hat mir sehr gut gefallen, nicht nur weil das Buch einen grausamen Krieg dem Vergessen entreißt, auch der Einblick in die Lebens- und Denkweise Vietnams war für mich mit ausschlaggebend für die Auswahl dieses Buches.
"Kriege haben die Macht, liebenswerte Menschen in Ungeheuer zu verwandeln", erklärt die Großmutter ihrer Enkelin, das sollte uns allen klar im Bewußtsein haften.
Der schöne Einband des Buches deutet u. a. auf die starke Großmutter hin, die schon seit ihrer Kindheit als "Jadeblatt an einem goldenen Zweig" benannt wurde, ein klarer Hinweis auf ihren außerordentlichen Charakter.