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Marianna T.

Bewertungen

Insgesamt 154 Bewertungen
Bewertung vom 16.09.2021
Nichts als Gutes
Slupetzky, Stefan

Nichts als Gutes


sehr gut

Nicht immer nur Gutes

Wie kommt man darauf fiktive Grabreden zu schreiben? Wie auch immer, Stefan Slupetzky hatte damit einen guten Einfall.
Seine Grabreden legen Abgründe offen, überraschen mit absonderlichen Wendungen, lassen tief blicken. Sie sind vorallem nicht immer wohlmeinend, sondern werfen auch Schatten auf die Betreffenden. Die Trauergemeinden, wenn es denn welche gibt, erfahren das ein oder andere Unerwartete. Oftmals sagen die Reden mehr über die Redner selbst, als über die Verstorbenen. Das macht es spannend und zeigt, daß Rituale nach dem Tod mehr den Lebenden dienen.
Slupetzky hat eine unterhaltsame Erzählweise, die immer wieder von österreichischem Vokabular durchzogen ist. Die Reden sind hintersinnig, schelmig und irritierend. Viele Reden haben, trotz aller Tragik, etwas komisches und amüsantes. Manchmal bleibt das Lachen im Halse stecken. Da werden tiefgreifende Fragen aufgeworfen, mit denen die Lebenden zurück bleiben, da wird der Tod gefeiert, ein Mord gestanden. Sehr gelungen. Zeitweise wirkt es so, als wolle der Autor gezielt irritieren. Einiges ist politisch unkorrekt, anderes dagegen sehr politisch.
Seine Einleitungen, die vor jeder Grabrede stehen, scheinen wenig aussagekräftig. Vielleicht ist es der Gegensatz zwischen der unverblümten Nähe in den Reden und den philosophischen Anwandlungen über das große Ganze in den Einleitungen, das etwas merkwürdig ist. Trotz allem lässt sich das Buch gut lesen.

Sehr unterhaltsame und hintersinnige Grabreden. Tragisch-komisch!

Bewertung vom 14.09.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


sehr gut

Sehr persönlich

Louise Brown wird nach dem Tod ihrer Eltern Trauerrednerin. In ihrem Buch beschreibt sie auf sehr persönliche Weise ihre Erlebnisse mit dem Tod.

Ihr Buch ist kein Sachbuch oder Ratgeber, sondern vielmehr ein Erlebnisbericht.
Thematisch wird dieses Buch eher trauernde Menschen ansprechen und solche, die sich mit Verlust beschäftigen wollen. Obwohl Louise Brown unaufdringlich mit ihren Erfahrungen umgeht, ist das Thema von sich aus sehr konfrontierend. Der Gedanke an den Tod nahestehender Menschen mit allen Herausforderungen um die Beerdigung ist beklemmend. Es gelingt Frau Brown aufmerksam zu machen. Der Gedanke sich gemeinsam frühzeitig mit diesen Themen auseinandersetzen wird im Laufe des Buches zunehmend vertraut. Gut finde ich, dass sie auf schwierige Beziehungen zu nahestehenden Verstorbenen eingeht, wenn auch sehr kurz. Dabei sind zerrüttete Beziehungen gerade zwischen Eltern und Kindern nicht ungewöhnlich. Zeitweise wirkt ihre Sichtweise etwas verklärt, besonders wenn sie von den "lieben Verstorbenen" spricht. Im Laufe des Buches wird mir immer deutlicher, dass es mit Blick auf schwierige Beziehungen und Familienverhältnisse ein Buch dieser Art bräuchte. Eines mit der hoffnungsvollen und einfühlsamen Erzählweise Louise Browns.

Gelungener persönlicher Erfahrungsbericht, der berührt und zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 13.09.2021
Raumfahrer
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


gut

Beklemmend

Jan lebt mit seinem Vater in Kamenz, einer Stadt im ehemaligen Ostdeutschland. Von einem Fremden bekommt er eine Kiste mit Unterlagen, die die Geschichte seiner Familie aufdeckt, eng verwoben mit dem Künstler Baselitz. Die Zusammenhänge sind rein fiktiv, die Geschichte der Familie Baselitz scheint jedoch realistisch.

Jan weiß kaum was vom Leben seiner Eltern und deren Bezügen in der ehemaligen DDR. Alles ist uneindeutig. Wie Raumfahrer bewegen sich Jan und seine Eltern. Losgelöst, irgendwie distanziert, keinen festen Boden unter den Füßen. Dieses Sinnbild finde ich sehr stark. Es passt auch zu der kargen Landschaft und der ausgehöhlten Stadt, die der Autor beschreibt. Vergangenheit wird Zukunft, das zeigt sich in Jans Geschichte. Der Bogen wird in die heutige Zeit gespannt. Es ist spannend und zugleich bedrückend, wie die Nachkriegsgeschichte und die Trennung durch die Mauer dargestellt ist. Vorallem was es mit den Menschen macht und was die jeweiligen Menschen daraus machen. Die Aussage, dass es nicht nur Opfer und Täter gibt, sondern viel dazwischen liegt, finde ich stark. Menschen bespitzeln sich gegenseitig, werden vom Staat zum Spielball gemacht. Leider bleiben die individuellen Beweggründe unklar. Es ist sehr eindrücklich, wie diese Geschichte sich noch bis in Jans Gegenwart zieht. Diese Spannung ist auch der Grund dafür das Buch ganz gelesen zu haben. Und das trotz dem kargen Schreibstil, der fehlenden Emotionalität und die unvermittelten Sprünge zwischen den Zeitachsen, die das Lesen erschweren. Zwischendurch entgleitet mir die Geschichte. Die römischen Ziffern über den Kapiteln sind auch nicht gerade förderlich.

Eine sehr beeindruckende Erzählung über deutsche Nachkriegsgeschichte und deren Auswirkungen in der Gegenwart, aber schwer zu Lesen.

Bewertung vom 12.09.2021
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


gut

Kompliziert geschrieben

Dr. Marco Carrera ist Augenarzt in Rom. Dass ihn seine Frau Marina verlassen will, schwanger von einem anderen, erfährt er von unerwarteter Seite. Doch das ist nicht der erste Tiefpunkt seines Lebens.

Warum das Buch "Der Kolibri" heißt, erklärt sich im Laufe der Geschichte. Ein sehr schönes Sinnbild! Es gibt viele Situationen, die durch dieses Sinnbild einen guten Rahmen bekommen und greifbar werden. Dies ist umso wichtiger, da die Erzählung sehr wechsel- und bruchstückenhaft ist.
Die Geschichte baut sich in vielen parallel verlaufenden Erzählsträngen auf, springt in die Vergangenheit und wieder zurück. Dann verlaufen die vielen Erzählstränge nicht einmal linear. Es geht zwar immer um Marco, aber es ist schwer die unterschiedlichen Perspektiven auf ihn mit seiner Person zu vereinbaren. Das wird mit der Zeit leichter, weil zwischen den Bruchstücken Bezüge sichtbar werden. Vieles bleibt im Unklaren und distanziert. Teilweise wirkt die Erzählung wie eine Story auf einer Theaterbühne, erzählt aus dem Hintergrund. In wenigen Situationen kam wirklich Stimmung auf, die mich berühren konnte. Die ewiglangen Schachtelsätze haben auch nicht gerade zum Lesefluss beigetragen, geschweige denn Emotionen transportiert. Vielleicht ist dies gut, da die Geschichte ein einziges Drama ist. Alles ist irgendwie kompliziert und anstrengend, das Lesen mühsam. Beinah hätte ich das Buch vorzeitig weggelegt. Die ungewöhnlichen Situationen, denen sich Marco stellen muss haben mich wohl davon abgehalten. Immer auf der Spur des Unglücks. Auch die Charaktere haben so ihren Reiz, haben was Schillerndes.

Lesen oder nicht? Schwer zu sagen. Komplizierte Erzählung über das Drama eines Lebens.

Bewertung vom 25.08.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


ausgezeichnet

Literarischer Schatz

Martin ist der Junge mit den guten Augen, der Unverdorbene unter den Verdammten. In einer schauerlichen Welt voller Elend und Dummheit ist er derjenige, der voller Klugheit in die tiefsten Abgründe blickt und Retter für noch Schwächere ist.

Die Geschichte ist äußerst dramatisch und bedrucken. Dies liegt nicht nur an den mittelalterlichen Verhältnissen. Ich kann mir die dreckstarrenden Kinder, die bösartige Fürstin, verzweifelte Gaukler und darbende herumziehende Maler, den ganzen Tod und die Verdammnis gut vorstellen. Da tun sich Abgründe auf, denen Martin als einziger Lichtblick entgegentritt und zwar mit einem schwarzen Hahn. Die Erzählung ist nichts für schwache Nerven, ist hart und zeitweise unerträglich. Doch es ist genau richtig so! Das macht es zu einem schauerlichen Märchen, einer Sage mit großer Kraft, einer Fabel mit gelungenem Erzählbogen. Vorallem die starken Sinnbilder tragen die Geschichte. Die Erzählung ist reinste Satire. Das humorige sorgt für Auflockerung, auch wenn alles ungeschönt auf den Tisch kommt. Da ist die ganze Verdorbenheit der Menschheit, der die Würde des Einzelnen entgegen gestellt wird. Die Erzählung birgt viele Erkenntnisse, ist voller kluger und unfassbar treffender Gedanken. Auch sprachlich ist die Erzählung authentisch, sodass die Welt um Martin nur noch fassbarer wird.
Ich bin beeindruckt und mitgenommen von diesem wertvollen Stück Literatur. Respekt für dieses Erstlingswerk!

Eindeutige Leseempfehlung für diesen wahren literarischen Schatz!

Bewertung vom 25.08.2021
Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte
Lindeblad, Björn Natthiko;Bankler, Caroline;Modiri, Navid

Ich hatte nicht immer, was ich wollte, aber alles, was ich brauchte


gut

Irritierend

Björn Lindeblad gab sein erfolgreiches Berufsleben in Schweden auf, um buddhistischer Mönch in Thailand zu werden. Das Buch beschreibt seine Etappen in verschiedenen Klöstern und vermittelt buddhistische Lehren. Ein bedeutender Teil des Buches umfasst den Weg aus dem Klosterleben und die Konfrontation mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

Das Buch liest sich zum größten Teil sehr zügig, ist an den richtigen Stellen spannend und trägt gleichzeitig nicht auf. Es gewährt realistische und verständliche Einsichten in die buddhistische Tradition, ist dabei aber unaufdringlich. Spannend und besonders lehrreich sind die Beschreibungen seiner Selbstzweifel und Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen Herausforderungen des Lebens als Mönch. Da ist zum Beispiel seine Sehnsucht nach einer Partnerin. Die Kapitel sind recht kurzweilig, enthalten teils praktische Übungen und Lehren anderer Mönche.
In der Erzählung gibt es jedoch einen Bruch. Das Leben nach dem Mönchsdasein. Es geht vermehrt um seine Gegenwart, den Umgang mit seiner tödlichen Erkrankung. Dieser Teil wirkt auf mich stellenweise langatmig und etwas abgehoben. Es geht weniger um die buddhistischen Anteile, als um seine Auffassung vom Leben. Irritierend finde ich vorallem den Hinweis, fast schon ein Bekenntnis seinerseits, zur Autorenschaft am Ende. Ich kann wenig damit anfangen, dass diese tiefen Einsichten, die er gewonnen hat, ausschließlich von seinen Mitautoren beschrieben wurden. Das Buch suggeriert den größten Teil über etwas anderes. Das ist besonders enttäuschend vor dem Hintergrund der moralischen Inhalte.

Am Ende bin ich irritiert über den Ich-Erzähler, der keiner ist. Der spannende erste Teil über das Leben als Mönch wird davon überschattet.

Bewertung vom 16.08.2021
Dein Herz in tausend Worten.
Pinnow, Judith

Dein Herz in tausend Worten.


gut

Melodramatisch

Millie hat soziale Ängste und hält sich deswegen immer im Hintergrund. Von der Liebe träumt und liest sie nur. Als Assistentin in einem Verlag hat sie auch genügend Lesestoff. Eine besonders dramatische Liebesgeschichte von einem geheimnisvollen Autor haben es ihr besonders angetan. Mit großen Folgen.

Es ist die übliche Geschichte um eine einsame Frau, deren Potenzial nicht entdeckt wurde. Sehr vorhersehbar. Millie ist unbedarft, schüchtern und steht sich selber im Weg. Diese Charaktereigenschaften sind auf Dauer anstrengend. Ihr Bruder und andere Charaktere sorgen dagegen für eine gewisse Auflockerung. Alle sind sie jedoch zu sympathisch und wollen füreinander ständig nur das Beste. Das ist auch anstrengend. Die heile Welt ist zu heile, am Ende sowieso und die Schwierigkeiten der Einzelnen wirken aufgebläht. Wie das Beides zusammen geht, ist schwer zu begreifen.

Die Entwicklungen sind anfänglich noch realistisch. Schnell habe ich Zugang zu Millies Welt bekommen. Das liegt sicherlich auch an den liebevollen Beschreibungen der Charaktere. Es fällt auf wie simpel und dennoch atmosphärisch die Umgebung beschrieben wird. Mal ist es eine besondere Haar- oder Augenfarbe, dann wieder die Beschreibung der Umrisse eines Gebäudes. Die Erzählung wird zunehmend kitschig und melodramatisch. Da beginnen plötzlich unerwartete Freundschaften, die vorher nie denkbar waren, es bilden sich gemeinsame Ziele, die übertrieben verfolgt werden. Und die ganze Zeit ist klar, worauf die Geschichte hinaus läuft. Trotzdem ist die Geschichte unterhaltsam und vielleicht wegen diesen vielen Makeln so kurzweilig.

Fazit: Melodramatische und berechenbare Geschichte mit einigen Makeln, die trotzdem unterhaltsam ist.

Bewertung vom 16.08.2021
The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen
Haig, Matt

The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen


ausgezeichnet

Seelenwärmer

Matt Haig hat in diesem Buch viele Ideen, Gedanken, Anleitungen zusammen gestellt, die durch schwere Zeiten helfen sollen, die Seele wärmen, insbesondere bei Depressionen.
Eigene Ideen und Zitate anderer Menschen finden sich hier. Es eignet sich zum Durcharbeiten über längere Zeit, ist wie ein Notfallköfferchen und Selbsthilfebuch.
Es eignet sich für Menschen mit Depressionen und Suizidgedanken, ebenso für gesunde Menschen in schwierigen Lebenslagen.
Mal sind es Gedanken, die nur ein paar Zeilen lang sind, mal kleinere Geschichten oder philosophische Ausführungen. Immer sind diese leicht zu überblicken, es braucht nur kurze Momente der Konzentration.
Dabei gibt der Autor einen guten Einblick in das Thema Depression und Suizidalität. Durch seine eigenen Erfahrungen sind seine Schilderungen authentisch. Vieles ist berührend und anregend, macht nachdenklich und gibt Hoffnung. Ganz so wie es der Titel verspricht.

Tolles Selbsthilfebuch. Authentisch, anregend und berührend.

Bewertung vom 08.08.2021
Kim Jiyoung, geboren 1982
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


gut

Am Ende müsste die Geschichte anfangen

Kim Jiyoungs Geschichte steht beispielhaft für das Leben der Frauen in Südkorea. Es geht um die systematische Unterdrückung und Misshandlung der Frauen, eine permanente Angstkultur und überhohe Anforderungen.
Jiyoungs unklare psychiatrische Symptome nach der Geburt des Kindes bilden den Ausgangspunkt der Geschichte, ab dem aus Sicht eines Psychiaters in die Vergangenheit zurück erzählt wird. Leider bleibt es auch bei dem Rückblick, sodass der Aufhänger, die ungewöhnlichen Symptome, keinen Raum mehr bekommt. Die Frage ist, wie geht es weiter mit Jiyoung? Was machen sie und ihr Umfeld daraus? Gibt es einen Lernprozess?
Doch auch der Rückblick hat was für sich. Die Erzählung ist umso spektakulärer, weil sie stellvertretend für jedes Frauenleben in Südkorea stehen soll. Doch ist das alles so allgemeingültig? Und wie gehen andere Frauen damit um? Es entstehen viele Fragen, die offen bleiben. Die Geschichte regt an, die Ungerechtigkeit macht wütend. Trotz dem nüchternen und distanzierten Bericht des Psychiaters birgt die Erzählung viel Raum für Emotionalität, vielleicht auch, weil Jiyoung ihre Gefühle selbst so wenig spürt und auslebt.
Die Einschätzung des Psychiaters am Ende wirkt unklar, kein Wunder bei diesen unrealistischen Symptomen. Wäre es eine dissoziative Störung, wären es abgespaltene Anteile ihrer selbst, dann würde sie aber nicht plötzlich ihre Mutter oder ihre Freundin sein und Dinge wissen können, die nur diese wussten. Unrealistisch! So erscheint es eher als erzählerisches Mittel, um zu verdeutlichen, dass Jiyoungs Geschichte eine von vielen ist und in ihr die gesamte Ungerechtigkeit angelegt ist. Nach dem Motto: erzählt man von einem Leben, kennt man alle.

Fazit: Sehr bewegende, nüchterne Erzählung über Benachteiligungen von Frauen in Südkorea, mit unrealistischen Anteilen und einem unbefriedigenden Ende.

Bewertung vom 08.08.2021
Die Überlebenden
Schulman, Alex

Die Überlebenden


sehr gut

Tief ergreifend

Alex Schulman schreibt über drei Brüder, die ihre Kindheit überleben mussten und sich als Erwachsene voneinander entfremdet haben. Nach dem Tod der Mutter kehren sie in das alte Sommerhaus zurück. Eine Reise durch das ländliche Schweden beginnt. Das Unfassbare der Vergangenheit rückt nahe, die Strapazen der Kindheit reichen bis in die Gegenwart.

Mit einer unglaublichen Ruhe und Genauigkeit schildert der Autor die tragische Geschichte der Familie immer in Kreisen. Es ist, als wäre mit dem Tod der Mutter ein Stein ins Wasser gefallen, um den sich nun die Kreise ziehen.
Schulman erzählt aus Sicht des mittleren Bruders Benjamin die Geschichte und geht dabei immer weiter in die Vergangenheit zurück. Wie ein Countdown wirken die Uhrzeiten über den einzelnen Kapiteln der Gegenwart. Ergänzt werden diese Kapitel, um die Beschreibung der Kindheit der drei Jungen. Die Charaktere werden akribisch geschildert. Es wird klar, wer welche Rolle spielt, was das Erlebte mit den Einzelnen macht.
Der Roman hat seine Stärke in der ruhigen Erzählweise, die scheinbar keine Fahrt aufnimmt und deswegen umso intensiver den Finger in die Wunde legt. Manchmal ist es beschwerlich, wenn die Geschichte wieder einen neuen Kreis zieht, scheinbar endlos, immer unklar wo der Kern des Ganzen ist.
Die Kindheit auf dem schwedischen Land ist greifbar und könnte nicht trister und furchtbarer sein. Es ist schwer zu ertragen, in welche Gefahren die Jungen gebracht und wie sie vernachlässigt werden. Hinzu kommt diese triste Atmosphäre, die bedrückende Schwere, die über allem liegt und sich mit Ereignissen erklären lässt, die später noch zutage kommen.
Ob Alex Schulman mehr autobiografische Anteile eingebracht hat, als drei Brüder, die sich voneinander entfernt haben, ist unklar. Nach Ende der Geschichte möchte ich es nicht so genau wissen.

Fazit. Bedrückend und tragisch. Schulman hat immer den Finger in der Wunde.