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Benutzername: 
luisa_loves_literature
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NRW

Bewertungen

Insgesamt 108 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2022
In all deinen Farben
Babalola, Bolu

In all deinen Farben


sehr gut

Liebe Bolu Babalola, „You had me at Hello”! Wer dem Charme von “In all deinen Farben“ nicht erliegt, hat kein Herz. Ich persönlich freue mich sehr, dass es mal solch einen Band mit schönen Rom-Com-Geschichten gibt! Dieses Buch macht viel richtig und wenig verkehrt und bietet unbeschwertes Leservergnügen. Es ist genau die Art von Leseglück, die es einfach zwischen all den (natürlich auch zu Recht gelobten und gelesenen) Romanen über dysfunktionale Familien, Klimawandel, Krebs, Demenz und Tod, Krieg, Weltuntergang, Vernachlässigung, Scheidung, prekäre Lebensverhältnisse, Armut, Heimatverlust, Intrige, Betrug und Gewalt auch mal braucht! Davon gibt es viel zu wenig – zumindest wenn man nach guter und fröhlicher Unterhaltung mit einem gewissen Anspruch sucht und nicht gleich in die Untiefen der ganz seichten Gewässer abtauchen möchte, bei denen man sich dann auch gleich noch sprachlich und stilistisch ärgern darf.

Bolu Babalola liefert gehobene, anspruchsvolle RomCom-Geschichten, die dadurch, dass einige in Mythen verankert sind, gleich auch noch in gewisser Weise einen Bildungsauftrag erfüllen. Sie stattet ihre Heldinnen mit viel Empowerment aus und beherrscht die Genre-Klaviatur perfekt. Ich habe es genossen, dass ich mit Spannung und einem wohligen Bauchgefühl verfolgen konnte, wie Heldin und Held zusammenfinden. Zwar wusste ich natürlich, dass es immer gut ausgehen wird (das MUSS bei einer RomCom ja auch so sein), aber das sorgt gerade für den Harmonieeffekt, den man beim Lesen erfährt. Die Spannung entsteht hier dadurch, dass man letztlich nicht genau weiß, wie das Happy End erreicht werden kann. Bei den Mythen-Geschichten ist außerdem der Abgleich mit der eigenen Kenntnis (wenn vorhanden) über die Ursprungshandlung sehr interessant, aus dem Grund hätte ich mir zur Einordnung grundsätzlich einen umfassenden Verweis auf die verschiedenen Kulturkreisen entnommenen Urtexte gewünscht.

Sprachlich machen die Geschichten ebenfalls viel Freude, bis auf die Tatsache, dass das „Funkeln in den Augen“, die „zuckenden Mundwinkel“ und das „Flattern im Bauch“ sowie Variationen davon vielleicht drei bis acht Mal zu oft bemüht werden – nicht in einer Geschichte, sondern auf den ganzen Band gesehen. Motivisch war mir der Bezug auf das die Stories verbindende „Gesehen werden“ ebenfalls zu deutlich und zu häufig – es hat mich in der Frequenz tatsächlich ein wenig genervt und unterstrich die im Handlungsablauf gegebene Ähnlichkeit zwischen einigen Geschichten noch zusätzlich. Ich hätte mir auch da ein bisschen mehr Variation gewünscht.

Und: die Geschichten sind zu kurz. Jede davon (bis auf die letzte, die mir, weil sie nicht der Chick-Lit-Rom-Com-Formel entspricht, auch am wenigsten zugesagt hat), hätte das Potenzial für einen ganzen Roman gehabt, denn alle bieten wunderbare RomCom im Miniaturformat. Ich hoffe deshalb sehr, Eisele traut sich an Bolu Babalolas Roman, der im Sommer erscheint, heran.

Also „ Give Love a Chance“ – wer „Tatsächlich Liebe“ liebt, wird „In all deinen Farben“ mögen!

Bewertung vom 06.03.2022
Die dritte Hälfte eines Lebens
Herzig, Anna

Die dritte Hälfte eines Lebens


gut

Anna Herzigs Kurzroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ könnte viel erzählen, entscheidet sich dann aber für das Schicksal des Steinlachner Sepp, dessen Leben aufgrund seines Status als uneheliches Kind und seiner Hautfarbe von den Bewohnern des Dorfes Krimmwing so zur Hölle gemacht wird, dass er eines Tages beschließt, dem Ort den Rücken zu kehren. Die genauen Umstände seines Verschwindens sind weniger klar als die Bedingungen seiner Rückkehr, aber die Dorfgemeinschaft hat so einiges darüber gehört und deshalb viel dazu zu sagen.

Dieser Roman hat sich der Ausleuchtung des „kleinen Schmerzes“ verschrieben, der eigentlich ein ganz großer ist und durch die bigotte Haltung der „normalen“ Dorfbewohner verursacht wird, die die Wahrheit dehnen, wenden und ignorieren, solange sie die Außenseiter, diskreditiert. Auf diese Weise macht der Roman auf die Enge und Begrenzung des Lebens innerhalb einer Dorfgemeinschaft aufmerksam, er zeigt aber gleichzeitig auch, dass in der Andersartigkeit der Wille und die Kraft zur Freiheit und Ablösung ruht, zum Aufbruch in "die dritte Hälfte eines Lebens". Neben diesem Thema zerrt der Roman auf recht subtile Weise auch die zentrale Frage nach Wahrheit und Lüge bzw. Gerücht in den Mittelpunkt und spielt auf diese Art und Weise vor allem im zweiten Teil auf amüsante Weise Katz und Maus mit dem Leser.

Handlungstechnisch wird der Roman hierdurch allerdings recht verwirrend und lässt einen zeitweise etwas orientierungslos und ratlos zurück – sicherlich das Ansinnen des Vexierspiels mit der Wahrheit, das aber immerhin für ein gelungenes Ende sorgt. Problematisch sind auf den ersten Blick auch manchmal grotesk anmutenden Szenen, die ihren Ursprung jedoch in der Gerüchteküche nehmen. Sprachlich ist der Roman in Teilen fast lyrisch, der Autorin gelingen ein paar wirklich fabelhafte Bilder, für Schmunzeln und Sprachgenauigkeit sorgen die sehr sporadisch eingestreuten englischen Sätze.

Wenn man an dem Roman etwas kritisieren kann, dann ist es wohl sein klares didaktisches Ansinnen, die Einseitigkeit seiner Ausrichtung und vielleicht seine sehr simple Einteilung der Personen in „gut“ und „böse“. Da erwartet man von einem Roman mit erwachsener Zielgruppe doch etwas mehr Raffinesse.

Insgesamt jedoch eine gelungene Leseherausforderung, die jedoch etwas eigenwillig und daher vielleicht nicht für jeden gleichermaßen geeignet ist.

Bewertung vom 06.03.2022
So reich wie der König
Assor, Abigail

So reich wie der König


sehr gut

„So reich wie der König“ sollte der Mann sein, den Sarah, die sechzehnjährige Französin aus dem Armenviertel Casablancas, einmal heiraten möchte. Ihr Traum von Reichtum ist so groß, dass sie fast zu allen Mitteln greifen würde, um ihn sich zu erfüllen. So flattert sie von einem reichen Gönner zum nächsten, um sich über Wasser zu halten, lässt sich mit Paninis und Säften bezahlen und hofft auf ein besseres Leben. Als sie schließlich erfährt, dass der unansehnliche und unattraktive Driss „so reich wie der König“ ist, setzt sie alles daran, ihn für sich zu gewinnen.

Eigentlich ist „So reich wie der König“ von der Anlage her eine raue und kalte Aschenputtel-Story, der Wunsch einer Heranwachsenden nach ein bisschen Märchen. Sarah als Figur ist jedoch schwer einzuordnen. Sie ist hart in ihrem Verhalten, berechnend und klar kalkulierend, Gefühle sind ein Luxus, den sie sich nicht leisten kann. Für den Leser ist sie kaum zu fassen. Ist sie zu Beginn des Romans einfach unsympathisch, greift nach einigen Seiten die Sympathielenkung so manipulierend zu, dass man zwischen Mitleid und Hoffnung für sie schwankt – und dass, obwohl man ihre Vorgehensweise klar erkennen kann. Empathie ist dennoch möglich, denn wer würde dieses mittellose Mädchen aus zerrütteten Verhältnissen, dass mit ihrer schwer übergewichtigen Mutter, die sich von einem „Wohltäter“ nach dem anderen aushalten lässt, in Casablanca gestrandet ist, dafür verurteilen, dass sie etwas an ihrer Lage verändern möchte? Dennoch bleibt die offene und diskussionswürdige Frage bis zum Schluss, wie ihre Gefühle tatsächlich aussehen. Mit Sarah ist Abigail Assor auf jeden Fall eine äußerst spannende Figur gelungen.

Schwierig aus heutiger Sicht ist sicherlich der Umstand, dass Sarah ihre bessere Zukunft ausschließlich in der Ehe mit „einem Reichen“ sieht und nicht einen anderen Weg in Betracht zieht, zumal sie ein sehr gutes Gymnasium besucht. Vermutlich ist das der Grund, warum die Autorin den Roman im Jahr 1994 angesiedelt hat, doch konnte mich genau das als einziger Aspekt an dem Roman nicht vollkommen überzeugen. Wenn ich mich recht erinnere, hatten junge Frauen auch 1994 durchaus Karriereziele und der Feminismus war ebenfalls schon so weit vorangeschritten, dass man sogar als Frau in Erwägung ziehen konnte, selbst etwas aus sich zu machen. Bei Sarah ist der „Karriereweg“ eher durch die Mutter vorgezeichnet, als durch den zeitlichen Kontext gegeben. Auch sonst spürt man die 90er – bis auf den Walkman, das Festnetztelefon und vor allem die Abwesenheit von Handys kaum. Es gibt ein paar archaisch anmutende Momente (wie das Regengebet) aus der marokkanischen Gesellschaft, von denen ich nicht beurteilen kann, ob sie heute noch existieren, aber insgesamt habe ich die Notwendigkeit des zeitlichen Settings nicht ganz nachvollziehen können.

Neben Sarah ist der eigentliche Star des Romans die Stadt Casablanca. Mit Sarah streift der Leser durch jeden Winkel dieser Stadt und lernt an ihrer Seite den Alltag und die verschiedenen Viertel kennen. Hier wird viel Atmosphäre ausgeschüttet, die Stadt kann man riechen und fühlen, die marokkanische Lebensart durchdringt die Seiten. Sprachlich ist der Roman zeitweise so unterkühlt wie seine Protagonistin, dann aber blitzen wieder sprachlich sehr schöne Bilder auf, wenn z.B. die Haarfarbe der Frauen mit der Farbe der Schatten auf den Mauern von Marrakesch verglichen wird. Überhaupt wird „Sprache“ auch im Verlauf des Romans zu einem eigenen Thema. Im übertragenen Sinne ist sie auf einer nonverbalen Ebene Ausdruck der rigiden Schichtentrennung, denn Sarah muss erkennen, dass bei aller Mühe sie die „Sprache der Reichen“, das instinktive Erkennen der Zugehörigkeit zur Oberschicht, nicht beherrscht.

„So reich wie der König“ ist ein sehr lohnenswerter Roman mit Sogwirkung und äußerst spannender Sympathielenkung.

Bewertung vom 18.02.2022
Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


ausgezeichnet

Es gibt manchmal Texte, die einen leer und zugleich übervoll zurücklassen. "Das Vorkommnis" gehört dazu. Der Roman fordert den Leser auf einigen Ebenen heraus und thematisiert Probleme und Gedanken, die einem nur allzu bekannt vorkommen, denen man sich aber nur sehr bedingt in dieser Intensität aussetzen möchte.
Die Erzählerin wird durch das Vorkommnis - ein wunderbares Wort, das sowohl Zäsur als auch Banalität suggeriert - aus der Bahn geworfen. Sie trifft ihre Halbschwester, von der sie irgendwie ahnte, aber nicht wirklich wusste, und deren Zugehörigkeit zu ihr nur dadurch besteht, dass der Vater der Erzählerin sich auf der Geburtsurkunde hat eintragen lassen. Bewiesen ist die Verwandtschaft also nicht. Dennoch beginnt die Erzählerin durch die Existenz dieser möglichen neuen Schwester alles zu hinterfragen, ein auf der Spitze fast paranoides Misstrauen sich selbst und anderen gegenüber zu empfinden, den Wert von Erinnerungen auszutesten und ein Leben in Gedankenspiralen und Grübeleien zu führen.

Im Alltag der Erzählerin passiert eigentlich nichts Spektakuläres. Auslandsmonate in den USA ziehen an ihr vorüber, aber sie scheint nur zu funktionieren, während sie sich ihrem eigenen Denken immer stärker annähert, ihr Dasein und ihre Beziehungen in Zweifel zieht.

Als Leser hat man es mit der Erzählerin schon recht schwer, denn sie ist so in sich selbst verstrickt, in einer konstanten Auseinandersetzung mit sich, dass kein Raum für "normales Leben" bleibt. In ihrem Hadern und Hinterfragen schwankt sie zwischen Teilnahmslosigkeit und Selbstzerstörung. Auch wenn auf diese Weise eine Identifikation mit der in ihrer Selbstwahrnehmung schonungslosen und fast schon brutalen Erzählerin ausgeschlossen wird, der Leser konsequent auf Distanz gehalten wird, kann man sich doch einer Betroffenheit nicht entziehen, denn der Roman bewirkt auch beim Leser eine Auseinandersetzung mit den Konzepten von "Vergänglichkeit" und "Erinnerung", mit der Fragestellung, was passiert, wenn alles, worauf man vertraut, umgestoßen wird.

Der Text ist mitnichten positiv oder fröhlich, im Gegenteil, es handelt sich um einen extrem intensiven, sehr dichten und (emotional) fordernden Text, dessen Schluss für den aufmerksamen Leser eine unglaublich gelungene Überraschung im Hinblick auf Lesererwartungen und Gattungszugehörigkeit bietet. Ich bin nicht restlos begeistert, es ist einfach kein schönes Buch, aber trotzdem ein gutes. Ein Lesetipp für alle, die viel Nachdenken, intensive Auseinandersetzungen und Selbstsektion zu schätzen wissen und sich auf das Abenteuer der Autofiktion einlassen wollen.

Bewertung vom 15.02.2022
Zusammenkunft
Brown, Natasha

Zusammenkunft


sehr gut

„Zusammenkunft“ ist im Grunde genommen das genaue Gegenteil seines Titels – hier wird nichts vereint, gelöst, versöhnt. Die Friedlichkeit, die das Wort suggeriert, ist kein Teil der Handlung. Der einzige Aspekt von Zusammenkunft, der auf den Inhalt des Textes zutrifft, ist der eines flüchtigen, vielleicht auch gleichgültigen, Zusammentreffens von Menschen, denn an der Erzählerin ist eigentlich niemand wirklich interessiert – seltsamerweise auch sie selbst nicht, denn für sich selbst (wie auch für viele andere) ist sie „nichts“, wie immer wieder betont wird. Ihre Haltung sich selbst gegenüber ist distanziert bis unbeteiligt, um nicht zu sagen apathisch.
Und das ist eigenartig befremdlich, denn insgesamt ist der Roman eine Wutrede, eine ohnmächtige Anklage gegen den Status quo, gegen Sexismus, Rassismus und Marginalisierung, Vorurteile, Privilegierung, Oberflächlichkeit, Kolonialismus, das Klassensystem, Seilschaften, gesellschaftliche Normen. Es ist ein deprimierender Text mit schmerzhaften Wahrheiten, vorgetragen mit brutaler Offenheit, der sich an der Frustration abarbeitet, dass sich weder an der Geschichte noch an der Gegenwart und vermutlich auch nicht an der Zukunft etwas ändern lässt.
„Zusammenkunft“ bietet auf seinen 113 Seiten unendlich viele Interpretationsansätze – am eingängigsten und besonders markant ist wahrscheinlich die Krebsmetapher: die Krankheit, die sich mäandernd und einem Kraken gleich durch den Organismus frisst, an immer neuen Stellen auftaucht und das System unheilbar vergiftet. Wie ein Krebsgeschwür verdammt die spezifische Mischung aus Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht und sozialer Klasse die Erzählerin zu einer Identität, die von Einschränkungen und Unfreiheit bestimmt wird. Sie versteckt sich hinter gewünschten, erwarteten sozialen Rollen und enthüllt so bestechend die Notwendigkeit der Assimilation. Auf diese Weise vereint das Buch einen Katalog verschiedenster Elemente postkolonialer Ansätze und demonstriert seine Klugheit, seinen Zorn, die Unzulänglichkeiten der Welt und die Härte und Schwere der Umstände, die auch durch das britische Empire entstanden sind. „Zusammenkunft“ ist ein anstrengendes, forderndes und anspruchsvolles Buch, das über den gezielten Einsatz des Fragmentarischen Identität gleichsam untermauert und in Frage stellt.

Bewertung vom 07.02.2022
Die Autopsie
Shepherd, Catherine

Die Autopsie


weniger gut

„Die Autopsie“ hat mich nicht überzeugen können. Die Geschichte, in deren Mittelpunkt die junge Medizinstudentin Julia steht, deren Mitbewohner in den Verdacht gerät, eine Frau ermordet zu haben, ist eigentlich recht spannend, weist aber für meinen Geschmack zu viele berechenbare Schockmomente (z.B. wenn das Licht in der Leichenhalle plötzlich ausgeht) und einen zu konventionellen Plot auf, der am Ende wenig überzeugend und allzu rasch zu Ende geführt wird. Während der letzten Minuten hatte ich tatsächlich den Eindruck, die Autorin möchte die Geschichte möglichst schnell beenden, dabei hätte sie sich gerade für eine nachvollziehbare und zufriedenstellende Lösung durchaus noch etwas mehr Zeit lassen können. Die Tatsache, dass der Inhalt ein paar Defizite aufweist, hätte ein/e engagierte/r, variable/r Sprecher/in durchaus ausgleichen können. Gerade bei Hörbüchern tun sich über einen ausgezeichneten Sprecher viele Möglichkeiten auf, eine eher mittelmäßige Story zu einem mitreißenden Erlebnis werden zu lassen. Hier ist leider das komplette Gegenteil der Fall. Svenja Pages hat eine sehr angenehme Stimme, aber sie versteht es leider überhaupt nicht abwechslungsreich vorzulesen, in verschiedene Rollen zu schlüpfen oder das Gelesene mit Emotionen zu füllen. Stattdessen liest sie äußerst langsam, eintönig und ohne große Begeisterung. Zeitweise hatte ich leider das Gefühl, dass sie den Text nur so herunterleiert.
Leider keine Empfehlung für spannende Hörminuten….

Bewertung vom 26.01.2022
Der kleine Buddha auf der Reise nach Hause
Mikosch, Claus

Der kleine Buddha auf der Reise nach Hause


gut

"Der kleine Buddha" ist ein kleines Büchlein mit netten Geschichten, wie man sie aus der Achtsamkeitspraxis oder auch aus psychologischen Ansätzen kennt, die die Wahrnehmung stärken sollen, essentielle Fragestellungen aus dem Leben mittels Gleichnissen aufwerfen und im besten Fall es ermöglichen, etwas für den eigenen Alltag und das persönliche Dasein mitzunehmen.
In diesem Fall muss ich feststellen, dass das Buch seine Aufgabe nicht schlecht macht, mich aber letztlich nur die "Geschichte des Nomaden" und der "Regenliebhaberin" wirklich überzeugt haben. Alle anderen Geschichten sind freundlich und angenehm zu lesen, hinterlassen aber keinen bleibenden Eindruck. Sicherlich kommt es gerade bei Texten dieser Art auch auf die persönliche Lebenssituation an, aber ich hätte mir insgesamt doch kraftvollere und subtilere Episoden gewünscht. Die offensichtliche Naivität und Verniedlichung des kleinen Buddha hat mich dazu tatsächlich eher genervt.
Sicherlich ein nettes, harmloses Buch, wenn man keinen allzu großen Erkenntnisgewinn erwartet, aber es gibt bessere Texte dieser Art.

Bewertung vom 30.12.2021
Geld oder Lebkuchen. Fast ein Krimi (Ungekürzt) (MP3-Download)
Heldt, Dora

Geld oder Lebkuchen. Fast ein Krimi (Ungekürzt) (MP3-Download)


gut

„Geld oder Lebkuchen“ ist ein sehr nettes Feelgood-Hörbuch für die Weihnachtszeit, dessen Handlung allerdings nicht sonderlich mitreißt oder überrascht – vielmehr bietet es von der Story her viel wohlig-warme Weihnachtatmosphäre, ein rundes Happy End und amüsante Figuren. Diese gewinnen mit Sicherheit sehr viel an Charakter und Eigenart, weil sie von Katja Danowski mit so viel Leben, einem Hauch norddeutschem Zungenschlag und (wenn nötig) auch blasiertem Schickimicki in der Stimme gefüllt werden. Man hat sofort konkerte Gesichter zu den Stimmen im Kopf, denn Menschen, die so sprechen, gibt es wirklich. Die Art der Lesung hat mich ehrlich gesagt sehr viel mehr begeistert und interessiert als die eigentliche Geschichte, die zwar humorvolle Momente und viel Gerechtigkeit aufweist, aber einfach nicht so recht Spannung aufzubauen vermag. Das einzige was mich an der Lesart von Katja Danowski gestört hat, waren ihre Kinderstimmen. Die Natürlichkeit und Authentizität, die sie den erwachsenen Figuren verleiht, fehlt den Kindern leider völlig. Hier wirkt es leider oftmals sehr aufgesetzt und übertrieben. Insgesamt aber ein unterhaltendes Hörbuch für die Weihnachtszeit.

Bewertung vom 16.12.2021
Der Gesang der Berge
Que Mai, Nguyen, Phan

Der Gesang der Berge


ausgezeichnet

Xin chào, Việt Nam! Der Gesang der Berge nimmt uns mit auf eine mitreißende, erschütternde, großartige Reise durch die Wirbelstürme der vietnamesischen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen die junge Hoang (Spitzname Guave) und ihre Großmutter. Überhaupt ist dieser Roman ein Roman der starken Frauen, der sanfte Feminismus, der Mut zur Gleichberechtigung innerhalb der Familie, der ausgeprägte und hier nahezu als Selbstverständlichkeit dargestellte weibliche Bildungswunsch und -drang (in einer Zeit in der ein solcher in Europa z.B. häufig noch als Kuriosität angesehen wurde) lassen den Roman und die Erzählerinnen sehr modern und sehr erfrischend wirken und trotz seiner historischen Thematik äußerst gegenwärtig. Der Gesang der Berge ist ein Buch, das einfach sehr viel auch über das Heute zu sagen hat: über Risse und Verbundenheit in der Familie, über Vergangenheit und Zukunft, über Politik, Niedertracht und Egoismus, über Liebe, Hoffnung und Zusammenhalt.

Beim Lesen des Romans wird man wie ein Spielball durch die Widrigkeiten und leider sehr zahlreichen negativen Höhepunkte der vietnamesischen Geschichte getragen. Erzählt wird nicht chronologisch, Rückblicke der Großmutter in vergangene Zeiten wie z.B. die Landreform wechseln sich mit den Berichten der Enkelin über das zivile Leben im Schatten des Vietnamkrieges ab. Dabei spiegelt das Buch unglaublich gut in seiner Figurenkonzeption, seiner Erzählweise und seiner Kontextualisierung die Geschichte des Landes, seine Kultur und seine Werte wider. Der Roman ist häufig auf recht subtile Weise sehr kritisch, niemals ist die Ablehnung des politischen Systems plakativ oder plump, sie wird stets an Handlungen der Figuren oder Charakterisierungen angebunden.

Trotz der sehr tragischen Ereignisse, die sich hier auf der Inhaltsebene aneinanderketten, trotz der vielen verheerenden Einzelschicksale, die einen beim Lesen manchmal schon furchtsam in Erwartung des nächsten Schlages die Seite umblättern lassen, ist dieser Roman ein optimistischer und ein hoffnungsfroher. Bei aller Verzweiflung bleibt den Figuren und den Lesern immer der sprichwörtliche Silberstreif am Horizont – sicherlich auch einer der Gründe, warum man dieses Buch so ungern aus der Hand legen mag.

Ein toller, lehrreicher, horzionterweiternder Roman, der die Seele Vietnams offenzulegen versucht, bestechend besonders in der Darstellung der Zerrissenheit eines Landes, die sich bis in die Familien fortsetzt. Am Anfang vielleicht minimal verwirrend, wegen der vielen verschiedenen Figuren und auch zahlreicher vietnamesischer Ausdrücke, nimmt der Roman mit jeder Seite mehr Fahrt auf und lässt einen Teil der Familie von Guave und ihrer Großmutter werden.

Bewertung vom 06.12.2021
Den Sommer kannst du auch nicht aufhalten
Verhulst, Dimitri

Den Sommer kannst du auch nicht aufhalten


schlecht

Dieser Kurz-Roman ist leider gar nicht mein Fall. Mit zunehmendem Widerwillen las ich die absolut überflüssigen, hin und wieder ins Vulgäre driftenden, Ergüsse eines Mannes am Ende einer offensichtlich sehr lange anhaltenden Midlife-Crisis, der Liebe hauptsächlich über Sex zu definieren scheint, sich absolut empathiefrei und drastisch über Behinderungen auslässt und dabei in Form eines ausgedehnten nur von kurzen Erzähler-Einschüben unterbrochenen Monologs eine Geschichte erzählt, die eigentlich keinen interessiert oder interessieren kann. Das Problem ist hier nicht, dass der Protagonist Pierre so unfassbar unsympathisch und wenig mit seiner Gefühls- und Außenwelt im Einklang steht (immerhin gibt es genügend Beispiele für fulminante, widerwärtige Protagonisten, die trotzdem die Leserschaft begeistern), sondern, dass das, was erzählt wird, weder sprachlich noch inhaltlich reizvoll ist. Leider wirklich nicht zu empfehlen.