BenutzerTop-Rezensenten Übersicht
Bewertungen
Insgesamt 116 BewertungenBewertung vom 15.06.2022 | ||
Wenn ein Kriminalroman gut gemacht ist, dann ist das ein feine Sache und „Der Tote aus Zimmer 12“ von Anthony Horowitz ist eine richtig feine Sache - schon allein weil es hier zwei ganz famose und intelligente Krimis zum Preis für einen gibt, denn zur Aufklärung des eigentlichen Kriminalfalls bedarf es der Lektüre des Romans „Atticus unterwegs“ von Alan Conway. Leider gibt es weder den Autor noch den Krimi in der Realität, weshalb Anthony Horowitz ganz flugs einfach mal einen Roman im Roman erschaffen hat, der dem Leser in voller Länge präsentiert wird, und sich nicht minder spannend als die Aufklärung des eigentlichen Verbrechens liest. |
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Bewertung vom 28.04.2022 | ||
Gretas Erbe / Die Winzerin Bd.1 „Gretas Erbe“ ist ein großes und welcher Art bzw. wem sie dieses Erbe zu verdanken hat, daran besteht schon sehr früh im Roman kein Zweifel – dies ist leider dem Spannungsbogen nicht sonderlich zuträglich, ebenso wenig wie die sehr klar definierte Liebesgeschichte zwischen Greta und Robert, dem Sohn der Pflegefamilie, in der sie. Leider hat Robert im Verlauf der Geschichte keine echten Nebenbuhler, denn Gretas Herz ist fest an ihn vergeben – auch das ist ebenso von Beginn an klar, wie das Robert sich gleichermaßen für Greta interessiert wie sie für ihn. |
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Bewertung vom 28.03.2022 | ||
Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn Ach, was habe ich diesen zweiten Ausflug auf die zu Tode geliebte Insel im Norden Deutschlands genossen! Nachdem ich schon in „Ozelot und Friesennerz“ in den 70ern unterwegs war, haben mich nun auch die 80er völlig eingeholt. Wie der Vorgängerband auch, leben die Jugenderinnerungen der Autorin von diesem besonders leichten, flüssigen, ungemein humorvollen Plauderton, der ganz trocken zahlreiche Bonmots zum Besten gibt und mit großartigen Anekdoten, auch aus der ganz privaten Familienwelt, unterhält. Dabei gelingt es Matthiessen ganz fulminant die Lebenseinstellung der Norddeutschen herauszuarbeiten, viele Dinge sind mir (Norddeutsche im Exil) so allerbestens bekannt: sei es das notorische Tiefstapeln und damit verbundene Verstecken von Luxus oder die großartige Silberhochzeitsfeier, die ohne Girlandebinden und Köm direkt nach dem Frühstück gar nicht erst in Schwung kommt, da wird getanzt und Jägermeister getrunken, als gäbe es kein Morgen mehr…Für mich ist auch dieses Buch eine herrlich nostalgische, durchaus auch melancholische Zeitreise in eine gefühlt unbeschwertere, einfachere Zeit, eine Begegnung mit den Dingen, die ich schon so lange vergessen hatte (Konsul Weyer! Punker!! Robben!!!) und ein vergnüglicher Ausflug, der der Seele einfach wohltut. Allerdings hat dieser Band im Gegensatz zum Vorgänger eine ausgeprägt dunklere Seite: das Schicksal der Jugendfreundin Pfuschi durchbricht all den Witz und mit berührt mit Ernsthaftigkeit und Bedauern – eine große Leistung angesichts der ansonsten gegebenen Leichtigkeit des Erzähltons. Dazu kommen noch die Rahmenbedingungen der Corona-Pandemie, die von der Autorin ausgiebig beleuchtet werden: für Sylt erscheint das Virus Fluch und Segen zugleich zu sein. Schließlich ist das Schicksal der Insel mit ihrem Autokennzeichen gleichzusetzen: NF = No Future – die Sylter wandern aus, geben auf, die Insel wird verbaut, zerbaut, verkauft, von den Urlaubern und Möchtegern-Syltern und Immobilienspekulanten versklavt, sodass sich echte Sylter (die natürlich am „Untergang“ der ursprünglichen Insel rege beteiligt waren) nicht mehr heimisch fühlen können. Ein tragisches Schicksal für diese illustre, einst glamouröse Königin der Nordsee, das man mit viel Trauer im Herzen beobachtet, gerade wenn man nicht zu den Sylt-Jüngern gehört. Ein tolles Buch, nicht ganz so fröhlich wie „Ozelot und Friesennerz“, aber sehr gute Unterhaltung. |
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Bewertung vom 22.03.2022 | ||
Für „Love in the Big City” habe ich leider nicht allzu viel Liebe zu verschenken. Nach 250 Seiten mit Alkohol (in Strömen) durch die Nacht, einem Protagonisten auf der Suche nach der Liebe und dabei immer nur weitere Sexpartner verschleißend, konfrontiert mit Krebs und Aids, stehe ich der koreanischen Jugend doch eher skeptisch gegenüber und kann auch nicht behaupten, dass ich den Roman gern gelesen hätte. Das ziellose Segeln der Hauptfigur durch das Seouler Nachtleben, von Club zu Club und von Mann zu Mann mag ja durchaus etwas über die Befindlichkeiten jungen homosexuellen Lebens in Korea aussagen, für einen Roman mit literarischem Anspruch und aussagekräftiger Tiefe ist es mir aber einfach zu wenig. Das haben andere Autoren in anderen Ländern schon hundert Mal anders und leider auch literarisch besser, ansprechender und schöner gemacht. Das, was der Klappentext erahnen lässt – die Konfrontation zwischen Tradition und Moderne und einen Blick in die gesellschaftlichen Erwartungen Koreas – habe ich auch sehr vermisst. Die interessante Figur der Jaehee, deren Lebensweg eine finale Verhaftung in den überkommenen Normen erahnen lässt, taucht nach dem ersten Teil fast vollkommen ab, der Protagonist bleibt sich selbst überlassen und taumelt weiter ziellos durch die Welt. Inhaltlich kann man nur eine ziemliche Eintönigkeit konstatieren, die der Roman durch seine leider nicht wirklich geglückte Struktur wieder wettmachen will. Die Gliederung in unterschiedliche Teile, die nur lose verbunden sind, führt dazu, dass die Handlung nicht immer zeitlich logisch erscheint, dass wesentliche Aspekte, die einen Teil beherrschen, später überhaupt keine Relevanz mehr haben und nicht einmal mehr erwähnt werden – so als hätten sie überhaupt keinen Einfluss mehr – und dass andere bekannte Aspekte detailliert wiederholt werden. Dadurch, dass die Teile so nebeneinanderstehen, kommt auch kein übergreifender Handlungsfluss zustande – sieht man mal vom Alkoholgenuss und Sex ab. Auf Seoul und Korea als Setting hatte ich mich sehr gefreut, aber sehr viel mehr als koreanisches Essen, die Namen verschiedener koreanischer Viertel und Universitäten und der Währung erfährt man eigentlich nicht. Die kleinen politischen Bezüge, die an zwei Stellen aufblitzen, sind dazu noch für deutsche Leser in der Regel kein Begriff, da hätte ich mir eine Anmerkung ebenso gewünscht wie für die verschiedenen Sprachstufen des Koreanischen, die zwar im Text selbst angesprochen werden, aber für den Leser ein mit wenig Information gefülltes Konzept bleiben. |
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Bewertung vom 16.03.2022 | ||
Meine Lieben, gerne teile ich meine Rezension zu Delphine de Vigans „Die Kinder sind Könige“ mit Euch und bitte schenkt mir ein Like, wenn sie Euch gefällt…so würde sich wahrscheinlich Mélanie Claux Anfang einer Buchbesprechung lesen. Mélanie ist die Protagonistin des neuen Romans von de Vigan. Als junge Frau war sie süchtig nach Reality-TV- Formaten und nachdem sie selbst in einer Show sehr kläglich scheiterte, strebt sie nach Ruhm, Liebe und Followern auf Social-Media-Plattformen. Schnell erkennt sie, dass ihre Kinder die Stars sind und so beginnt sie ihre Kinder mehr oder weniger rund um die Uhr zu filmen, zu streamen, herauszufordern auf der Jagd nach Abonnenten und Likes. Als ihre Tochter verschwindet, nimmt sich die gewissenhafte Procédurière Clara des Falls an und entdeckt die Schattenseiten der Internetberühmtheit. |
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Bewertung vom 14.03.2022 | ||
Was soll ich sagen? Toller Roman, gute Story, interessantes Setting – ich habe mich nicht eine Sekunde gelangweilt und würde sofort einen zweiten Band von „Die Diplomatin“ lesen, wenn es denn einen gäbe. |
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Bewertung vom 14.03.2022 | ||
„Zum Paradies“ habe ich mich aufgemacht und dabei festgestellt, dass es unerreichbar ist, der Mensch auf seinem Weg dorthin zum Scheitern verurteilt ist und in seiner Erkenntnis dieser Tatsache und seines trotzigen anhaltenden Strebens nach Glückseligkeit vielleicht das eigentliche irdische Paradies liegt. Dass der Weg „Zum Paradies“ ein steiniger ist, macht Hanya Yanagihara in ihrem wuchtigen, komplexen und fast 900 bibeldünne (übrigens ein schöner haptischer Verweis auf die möglichen Bezüge des Romans zur Religion) Seiten umfassenden Werk deutlich. In drei Büchern, die jeweils 1893, 1993 und 2043/2093 spielen, verfolgt sie das Leben von David, Charles/Charlie und Edward. Nicht nur die Protagonisten teilen sich auf den verschiedenen Zeitebenen die Namen, auch die Nebenfiguren erhalten immer wieder dieselben Bezeichnungen, sind aber mitnichten identisch. Jeder David, jeder Charles ist eine distinkte Figur, die lediglich durch eine vage durchscheinende Schicksalsverbindung oder Überschneidung in der Figurenkonzeption miteinander verbunden sind. Hier liegt eine Stärke und Schwäche des Romans, der lose Zusammenschluss der einzelnen Bücher und der Figuren lässt Raum für unzählige Lesarten und komplexe Interpretationsmöglichkeiten, allerdings sind die Vernetzungen zeitweise so vage, dass man sich doch auch einen etwas stärkeren roten Faden, eine höhere Belastbarkeit der Hinweise gewünscht hätte. So taumelt man manchmal durch die Komplexität der Geschichte und rätselt über nebulöse Bezüge, die eventuell keine sind. |
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Bewertung vom 14.03.2022 | ||
„Wut“ ist ein Roman, der anfänglich abstößt und verstört, dann zeitweise fasziniert und zum Ende hin leider in surrealer Absurdität zu zerfasern scheint, was durch den sehr gelungen Epilog jedoch einigermaßen wieder herausgerissen werden kann. Erzählt wird die Geschichte einer Kindheit, die unter den brutalen Ausbrüchen einer Mutter, deren Fürsorge zwischen Vernachlässigung und unkontrollierbarer Wut schwankt, leidet. Diese im Gesamtkontext kurz erscheinenden Erinnerungen wechseln sich ab mit Rückblicken in das familiäre Konstrukt und das Heranwachsen der Mutter, die sich schon im frühen Kindesalter durch Unbeherrschtheit auszeichnete. Eine Erklärung für dieses Verhalten bieten diese Einsichten jedoch leider nicht. In der Folge springt der Roman episodenhaft durch das Leben des Protagonisten, zusammengehalten werden die einzelnen Kapitel durch die Auswirkungen der mütterlichen Erziehungsmethoden, mal ist der direkte Zusammenhang deutlich zu erkennen, mal tritt die Mutter auch fast völlig in den Hintergrund. Schließlich begibt sich die Handlung in etwas abstrus erscheinende Gefilde, bei aller Liebe zur Verschmelzung dessen, was als real wahrgenommen wird und der puren Imagination, erschien mir der Weg der Geschichte schließlich doch als zu weit, zumal dieser auf Kapitel folgte, die von völlig unglaubwürdigen Figuren bevölkert wurden. |
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Bewertung vom 13.03.2022 | ||
Liebe Bolu Babalola, „You had me at Hello”! Wer dem Charme von “In all deinen Farben“ nicht erliegt, hat kein Herz. Ich persönlich freue mich sehr, dass es mal solch einen Band mit schönen Rom-Com-Geschichten gibt! Dieses Buch macht viel richtig und wenig verkehrt und bietet unbeschwertes Leservergnügen. Es ist genau die Art von Leseglück, die es einfach zwischen all den (natürlich auch zu Recht gelobten und gelesenen) Romanen über dysfunktionale Familien, Klimawandel, Krebs, Demenz und Tod, Krieg, Weltuntergang, Vernachlässigung, Scheidung, prekäre Lebensverhältnisse, Armut, Heimatverlust, Intrige, Betrug und Gewalt auch mal braucht! Davon gibt es viel zu wenig – zumindest wenn man nach guter und fröhlicher Unterhaltung mit einem gewissen Anspruch sucht und nicht gleich in die Untiefen der ganz seichten Gewässer abtauchen möchte, bei denen man sich dann auch gleich noch sprachlich und stilistisch ärgern darf. |
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Bewertung vom 06.03.2022 | ||
Die dritte Hälfte eines Lebens Anna Herzigs Kurzroman „Die dritte Hälfte eines Lebens“ könnte viel erzählen, entscheidet sich dann aber für das Schicksal des Steinlachner Sepp, dessen Leben aufgrund seines Status als uneheliches Kind und seiner Hautfarbe von den Bewohnern des Dorfes Krimmwing so zur Hölle gemacht wird, dass er eines Tages beschließt, dem Ort den Rücken zu kehren. Die genauen Umstände seines Verschwindens sind weniger klar als die Bedingungen seiner Rückkehr, aber die Dorfgemeinschaft hat so einiges darüber gehört und deshalb viel dazu zu sagen. |
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