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Top-Rezensenten Übersicht

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Rosenfreund
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Tostedt

Bewertungen

Insgesamt 98 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2021
SCHWEIG!
Merchant, Judith

SCHWEIG!


ausgezeichnet

Hassliebe
Das Cover des Thrillers von Judith Merchant ist sehr minimalistisch, fast ausschließlich in schwarz-weiß Tönen gehalten. Es hätte mich nicht zum Kauf des Werkes bewogen, der imperativ “Schweig” schon, denn das einzelne Wort hat eine große Ausstrahlungskraft!
Die beiden Schwestern stellen Contrapunkte bezüglich ihres Charakters und ihrer Lebensgeschichte dar.
Esther, verheiratet, zwei Kinder, finanziell recht einfach ausgerichtet. Sue, sehr vermögend, geschieden und psychisch scheinbar angeschlagen, dazu äußerst penibel und ruhebedürftig.
Esther kümmert sich seit der Kindheit um ihre kleine Schwester, macht sich ständig Sorgen, kontrolliert, manipuliert und maßregelt sie. Sue ist davon völlig genervt und möchte auf gar keinen Fall ein Treffen mit ihrer Schwester zu Weihnachten. Diese erzwingt es und es kommt zu einem Psychospiel mit hochkochenden Emotionen. Der Plot zieht den Leser immer mehr in seinen Bann. Die beiden Protagonistinnen berichten aus ihrer jeweiligen Perspektive und es wird zu einem Familiendrama als Martin, Esthers Ehemann, involviert wird.
Wir finden zwei Erzählerinnen in kurzen Kapiteln vor, und der Leser weiß oft nicht, auf wessen Seite er sich schlagen soll.
Der Schreibstil ist klar, und durch die unterschiedlichen Perspektiven sehr kontrastreich und lebendig.
Die Charaktere sind sehr differenziert und realistisch abgebildet, so dass man mitfiebert und von dem Werk gefangengenommen wird. Leider geschieht auch noch ein Unglück!
ich finde diesen Thriller sehr spannend und gelungen. Ein tolles Weihnachtsgeschenk für Freunde!
5 Punkte

Bewertung vom 14.08.2021
Ritchie Girl
Pflüger, Andreas

Ritchie Girl


ausgezeichnet

Psychologische Kriegsführung
Ich bin historisch sehr interessiert und versuche die deutsche Nazivergangenheit, die Kollaboration und besonders die Rolle der US- Amerikaner zu verstehen.
Mit seinem Werk “Ritchie Girl” ist Pflüger eine brillante Mischung aus Fakten und Fiktion gelungen. Dabei wird deutlich, dass der Autor sehr intensiv recherchiert hat.
Die Protagonistin Paula Bloom ist als Kind einer deutschen Mutter und eines reichen amerikanischen Geschäftsmannes in privilegierten Verhältnissen in Berlin aufgewachsen. Nach ihrer Umsiedlung in die USA konnte sie studieren und wurde in dem real existierenden Camp Ritchie dafür ausgebildet, als Besatzungsoffizierin in Deutschland eingesetzt zu werden. Während der Kriegsverbrecherprozesse soll sie einen österreichischen Juden verhören, der vorgibt, während des 2. Weltkriegs ein wichtiger Spion gewesen zu sein.
Sie reflektiert auch genau die Situation in ihrem Berliner Elternhaus. wo alle möglichen Nazigrößen ein und ausgingen- Welche Rolle hat ihr Vater gespielt? Wie war er im Nazisystem involviert?
Paula wird mit schlimmsten Nazi - Verbrechen konfrontiert. Sie ist sogar in Nürnberg anwesend als Todesurteile ausgeführt werden.
Sie begegnet ihrer großen Liebe wieder und muss erkennen, inwiefern er sich schuldig gemacht hat.
Der Autor erzählt sehr wortgewaltig und metaphorisch. Sein Werk regt ständig zum Nachdenken an. und man muss zwischendurch innehalten. Also keine leichte Kost!
Paula Bloom weiß nicht mehr wo sie sich verorten soll und dem Leser ergeht es ähnlich. Wie war das Leben während der Nazizeit, und hätte man etwas tun können bzw. müssen?
Das Cover zeigt in dunklen Farben am unteren Bildrand vermutlich das Gelände der IG Farben, während der Nazi-Zeit das größte Chemie- und Pharmaunternehmen der Welt, welches durch jüdische Zwangsarbeiter und “Arisierung” zu seiner wirtschaftlichen Blüte aufsteigen konnte.
Dieses Cover passt perfekt zur Thematik des Werkes. Seine Protagonistin wurde sehr detailliert dargestellt, Identifikation ist gut möglich, Aufarbeitung der Problematik wurde mir ermöglicht. Ein tolles Werk für den anspruchsvollen, historisch interessierten Leserkreis.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.08.2021
Die Zeit der Kirschen
Barreau, Nicolas

Die Zeit der Kirschen


ausgezeichnet

Les délices chez Aurélie
Als Frankreichliebhaber und Pariskenner hat mir das Cover mit der Abendstimmung in Paris und der Haptik des glänzenden und verschnörkelten Titels sehr gut gefallen. Bei näherer Betrachtung des abgebildeten Restaurants wird deutlich, dass der deutsche Titel lediglich die Übersetzung des Restaurantnamens ist, der allerdings auch für französische Verhältnisse sehr ausgefallen ist. Auf jeden Fall wird eine romantische Stimmung evoziert, die zu einem Liebesroman passt.
Nicolas Barreau war mir bisher nicht als Schriftsteller bekannt, aber nun werde ich auf alle Fälle “das Lächeln der Frauen” lesen, denn “Die Zeit der Kirchen” hat meine Erwartungen weit übertroffen.
Die Protagonisten Aurélie und André sind sehr authentisch. Aurélie hat es mir besonders angetan, denn sie folgt komplett dem Image der temperamentvollen, aber niedlich - romantischen Französin.
Der Köchin und Restaurantbesitzerin Aurélie wird fälschlicherweise ein Michelin - Stern verliehen? Als die Verwechslung durch den Restaurantbesitzer des eigentlichen Sterns herauskommt, ist Aurélie dem Nervenzusammenbruch nahe, nimmt dann aber doch das Angebot an, dort einen Kochkurs zu absolvieren, was bei André Eifersucht auslöst, denn sein Ziel, nämlich ein Heiratsantrag, rückt nun in weite Ferne.
Dieser Roman ist sehr romantisch geschrieben, man spürt die Leichtigkeit des Lebens und das Gewissen. Besonders gut haben mir die Dialoge gefallen welche die Charaktereigenschaften gut herausgestellt haben. Sehr gut finde ich auch, dass man durch den Wechsel der Erzählperspektiven in die Gefühlswelt beider Protagonisten Einblick erhalten hat. Zwar sind einige Reaktionen etwas überspitzt, aber man leidet mit André, der immer auf den richtigen Moment mit seinem Antrag wartet. Alles ist witzig beschrieben und dem Leser wird Empathie vermittelt. Die Frage ist die ganze Zeit: “ Wird es das große Happy End geben?”
Durch die vielen unvorhersehbaren Wendungen und Ereignisse wird der Unterhaltungsfaktor angekurbelt. Alles in allem eine lesenswerte und unterhaltsame Liebesgeschichte, die ich gerne an Romantiker weiterempfehle.
Als i-Tüpfelchen hätte ich mir noch ein paar Kochrezepte im Anhang gewünscht, zum Beispiel von dem “ Menu d’amour”.

Bewertung vom 30.07.2021
Mein Sternzeichen ist der Regenbogen
Schami, Rafik

Mein Sternzeichen ist der Regenbogen


ausgezeichnet

Geheimnisvolle Erzählungen.
Das knallgelbe Cover ist ein eyecatcher und regt die Phantasie an, begünstigt durch die vielen sehr bunten Rechtecke und die labyrinthartige Anordnung der schwarzen Linien. Toll! Der geheimnisvolle Titel verrät nichts vom Inhalt, sondern macht neugierig! Dieses ist mein erstes Werk von Rafik Schami, und es hat mich gleich in seinen Bann gezogen durch die oft humorvollen Geschichten und den sehr exakten Schreibstil in hyperkorrekter Grammatik.
Diese Sammlung von sehr unterschiedlichen Kurzgeschichten dürfte außer mir sehr viele Personen interessieren, denn die Geschichten enthalten viele Überraschungen, mal satirisch, mal philosophisch aufbereitet, auf alle Fälle mit viel Phantasie und einem Augenzwinkern. Dabei bringt uns Schami oftmals seine Heimat Damaskus näher und zeigt die unterschiedliche Denkweise auf. Das hat mir auch schon sehr gut bei Khaled Husseini in Hinblick auf Afghanistan gefallen.
Besonders gut haben mir “ Salmas Plan”, “Geburtstag mit Nebenwirkungen” und “Ein Klassentreffen” gefallen. Einige Geschichten haben allerdings märchenhafte Züge oder spielen in einem irrealen Milieu. Es wird generell deutlich, dass Schami großen Wert auf ein rücksichtsvolles Zusammenleben der Menschen legt.
Trauer, Schmerz, Freude, Liebe und Verzweiflung sind seine Themen, die oft einen beißenden Unterton haben, aber Feinfühligkeit überwiegt bei diesem eigenwilligen Erzähler.
Es hat mir besonders gut gefallen, dass seine zahlreichen Figuren individuell gezeichnet sind, mit Ecken und Kanten.
Somit freue ich mich schon sehr auf die Lektüre der Romane von Rafik Schami.

Bewertung vom 11.07.2021
Raumfahrer
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


ausgezeichnet

Verödung im Osten
Das Cover zeigt eine verödete Landschaft, wo früher einmal eine Neubausiedlung (Plattenbau) war. Nur die Straßenlaternen sind noch vorhanden. Im Hintergrund hingegen sieht man eine historische Altstadt, die wohl nach der Wende für restaurations- und erhaltungswürdig befunden wurde. Dieses Cover passt gut zu dem Inhalt und Titel des Werkes, denn Vergangenheitsbewältigung und Sprachlosigkeit sowie Identitätssuche plagen besonders die Bewohner kleinerer Städte, die nicht im Fokus des Herausputzens stehen, sondern sowohl nach der Nazizeit als auch nach der Wende sprachlos dastehen und zur Neuorientierung gezwungen sind. “War alles vorher schlecht und sinnlos?” müssen sie sich fragen, denn völlig neue Werte werden propagiert.
Zu dieser sprachlosenidentitätssuche, zu der die meisten ehemaligen DDR-Bürger verdammt sind, passt der rein deskriptive, nüchterne, schnörkellose und emotionslose Sprachstil des Autors, womit er die Mentalität des Hinnehmens der politischen und wirtschaftlichen Situation meint, die vorher verlangt wurde, um im sozialistischen System zu bestehen. Viele kurze Kapitel erleichtern das schnelle Durchlesen des Werkes.
Inhaltlich geht es in “Raumfahrer” um die Geschichte zweier Familien während der DDR-Zeit und nach der Wende. Erst nach und nach wird deutlich, inwiefern beide Familien miteinander verwoben sind.
Jan, der 1989 geboren wurde, wird mit den Nachfahren der Kern/ Baselitzfamilie konfrontiert. Er trifft einen Verwandten des bekannten Künstlers, Georg Baselitz, dem die Flucht kurz vor dem Mauerbau gelungen ist. Seinem Bruder, mit dem er eng verbunden ist, gelang die Flucht nie. Aber was hat das mit Jans verstorbener Mutter zu tun?
Ich denke, am Beispiel von Georg Baselitz, dessen Figuren auf dem Kopf stehen und verfremdet sind, soll sein persönliches Auflehnen gegen das unmenschliche DDR-System gezeigt werden, denn seine Werke sind Beispiele für die Ablehnung von Normenkonformität, drücken aber auch Orientierungslosigkeit aus. Dieser personalisierte Ansatz hat mir besonders gut gefallen, denn das Werk ist anders als die typischen Stasigeschichten.

Bewertung vom 07.06.2021
Liebe, lavendelblau
Juli, Hannah

Liebe, lavendelblau


sehr gut

Lost in love in France
Ich habe dieses tolle Werk ausgewählt, da mich das wunderschöne Cover mit der ansprechenden Haptik magisch angezogen hat. Außerdem ist Frankreich mein Lieblingsurlaubsland, besonders die Provence mit der tollen Landschaft, den würzigen Gerüchen, den Lavendelfeldern, den Weinbergen und den türkis farbenen Seen. Als Hamburger ist es sehr gut nachvollziehbar, dass das beschauliche Leben in der sauberen provenzalischen Luft mit den guten Weinen und dem frischen sehr geschmackvollen Essen einen sehr großen Kontrast zur Hektik, der CO 2 Verseuchung und dem ewigen Stress der Großstadt darstellt. Hier kommt man zur Ruhe und findet es seine innere Mitte.
Das wird durch die sehr bildhafte, metaphernreiche und flüssige Schreibweise der Autorin unterstützt. Es ist ein Genuss, wie sie es schafft, dem Leser das Ambiente vor seinem inneren Auge entstehen zu lassen.
Die junge Protagonistin hat sich ein selbstständiges Leben als Buchhändlerin mit schöner Wohnung In Hamburg – Altona, mit einem Lebensgefährten und netten Freunden aufgebaut.
Als sie arbeitslos wird und auch ihre Beziehung zu scheitern droht, flieht sie zu ihrer Freundin in die Provence. Deren Mutter rät ihr dort zu bleiben, nachzudenken und ihren Gefühlen, ihrem Herzen zu folgen, denn im Laufe der Zeit wird die Beziehung zu dem introvertierten Winzer Lucien immer enger. Es plagen Sarah jedoch Gewissensbisse, denn sie sieht keine Zukunft für sich und Lucien, da jeder in seiner Umwelt gefangen zu sein scheint. Erst nach ihrer Rückkehr nach Hamburg wird ihr klar, wohin ihr Zukunftsweg führen muss.
Die vielen Charaktere sind sehr gut beschrieben und lassen den Leser an die Geschichte glauben. Der Roman steckt voller Gefühl, hinzu kommen die romantischen Gedichte, die eingestreut werden und den Seelenzustand der Protagonistin reflektieren. Luciens Gefühlswelt wird für die eines Mannes sehr speziell beschrieben. Er ist anders als die norddeutschen Männer!
Allerdings finde ich das Ende etwas zu romantisiert und irreal.
Nach Women’s Lib sind die Frauen doch an ihrer Selbstständigkeit, ihrer guten Ausbildung und finanzieller Unabhängigkeit interessiert und geben sich nicht völlig ihren Gefühlen hin,

Bewertung vom 12.05.2021
Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7
Eyssen, Remy

Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7


ausgezeichnet

Morde in der Provence
Das Cover dieses Kriminalromans von Remy Eyssen verbreitet Urlaubsstimmung und lässt vor dem inneren Auge des Lesers diese wunderschöne Landschaft entstehen. Das wird unterstützt durch die exakten Landschaftsbeschreibungen, sodass man sofort in dieses Idyll eintauchen möchte. Aber leider steht all das in krassem Gegensatz zu den grauenvollen Funden. Zunächst wird die Leiche eines etwa zehnjährigen Jungen, bekleidet mit einem Mädchenkleid und stark geschminkt, in einem Plastiksack am Strand entdeckt. Kurz darauf geschehen sehr brutale Morde an angesehenen Bürgern dieser Gegend. Und es kommt noch schlimmer: 3 weitere, ältere, Kinderleichen werden entdeckt! Hängt alles mit dem Tod eines Kindes vor 20 Jahren zusammen? Der sympathische Rechtsmediziner, Dr. Leon Ritter, hat seine eigenen akribischen Recherchemethoden und gerät dadurch ständig mit dem Polizeichef Zerna in Konflikt. Dieser ist äußerst arrogant und autoritätshörig. Eyssen hat nicht nur diese Charaktere lebendig und detailliert beschrieben. Hinzu kommen der übereifrige und vorurteilsbehaftete Polizist, Masclau, sowie die alteingesessenen Kunden des Bistros, die Lokalkolorit verbreiten und dem Rechtsmediziner auf subtile Weise versuchen, Einzelheiten zu den Kriminalfällen zu entlocken. Ihr Verhalten lässt einen oft schmunzeln und steht im krassen Gegensatz zu den blutrünstigen Mordfällen. Ritters Lebensgefährtin, die stellvertretende Polizeichefin, Isabel Morell, bildet mit ihrer 17-jährigen Tochter Lilou, den familiären Rahmen für den stillen und ruhigen Pathologen und gibt ihm Rückhalt und Kraft für seine riskanten Vorgehensweisen. Privatleben und Polizeiarbeit stehen dabei in einem ausgewogenen Verhältnis. Die Kapitel sind recht kurz und ermöglichen eine rasante Leseweise. Der Spannungsbogen wird im Prolog angeheizt, bleibt durch viele Verwicklungen, Ungereimtheiten und eine oft geheimnisvolle Atmosphäre durchgängig erhalten und nimmt gegen Ende äußerst lebendig an Fahrt auf. Alles wird in einem sehr flüssigen und angenehm zu lesenden Schreibstil präsentiert. Dieser atmosphärische Krimi ist etwas Besonderes und hat mir äußerst gut gefallen. Die Vorgängerbände muss ich unbedingt auch lesen!

Bewertung vom 22.04.2021
So wie du mich kennst
Landsteiner, Anika

So wie du mich kennst


sehr gut

Beziehungsprobleme
Die Hauptthematik des Werkes ist die Beziehung der sehr unterschiedlichen Schwestern Karla und Marie, die sehr behütet in einem kleinen Ort in Unterfranken aufwachsen. Während Karla in der gewohnten Umgebung, in der Nähe der alten Eltern, ein sehr geregeltes, aber eintöniges Leben lebt, zieht es Marie schon früh in die weite Welt. Als Fotografin kann sie in New York das aufreibende, aber auch sehr abwechslungsreiche Leben eines Single mit Einsamkeit und Heimweh führen. Karla reist 2- bis 3-Mal pro Jahr dorthin, telefoniert täglich mit Marie und glaubt, jedes Detail ihres Lebens zu kennen. Als Leser kann man die Geschichte abwechselnd aus der Sicht beider Schwestern verfolgen. Als Marie bei einem Autounfall ums Leben kommt, muss Karla ihren Nachlass in New York Regeln und stößt dabei auf erschütternde Fakten aus dem Leben ihrer Schwester. Aus Charme und Angst hat sie Karla vieles verschwiegen. Der Ordner “A” auf Maries Laptop deckt ein Geheimnis auf und verstört Klara zunehmend. Die inneren Monologe zeigen viel von dem jeweiligen Seelenzustand und offenbaren, wie stark Marie sich in einer Selbstfindungsphase befunden hat. Viele unausgesprochene Worte verschleiern die wahre Problematik, nämlich ein Tabuthema. Ängste und Träume werden offenbart. Im Prinzip geht es um Karlas Trauerverarbeitung, die in gut verständlicher, leiser Diktion dargelegt wird, aber auch eine gewisse Larmoyanz enthält. Die Figuren werden detailliert porträtiert und sind sicherlich, in vielerlei Hinsicht, stellvertretend für die Generation um die dreißig.
Ich empfinde diese fast schon krankhafte Verbindung der beiden Schwestern weit hergeholt. Die unterschwellige Problematik, das Geheimnis, wird leider erst im letzten Drittel offenbart, obwohl schon vorher kurze Hinweise vorkommen. Somit ist mir der Plot zu eintönig, er enthält keine Dynamik, denn es handelt sich ja um einen Roman und nicht um ein Sachbuch. Die Autorin hat sich viel vorgenommen, aber erzählt zu langatmig.

Bewertung vom 10.04.2021
Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2
Kellerhoff, Lutz W.;Kellerhoff, Lutz Wilhelm

Teufelsberg / Kommissar Wolf Heller Bd.2


sehr gut

Politische Agitationen zur Zeit des Kalten Krieges
Dies ist mein erster Kriminalroman der 3 Autoren. Die Tatsache, dass ein realhistorischer Hintergrund, nämlich das radikalisierte Berlin der 60er Jahre, in einen Krimi integriert wurde, hat mich stark angesprochen. Es werden die Machenschaften der Geheimdienste beleuchtet sowie die Themen Terrorismus, Antisemitismus und die Agitationen der Rechts- und Linksradikalen. Der sympathische und detailliert beschriebene Kommissar Wolf Heller verlässt seinen Beobachtungsposten für 17 Minuten. In dieser Zeit wird die jüdische Ehefrau eines jüdischen Richters ermordet. Heller hat sich schuldig gemacht und muss nun den Täter ermitteln. Es wird deutlich, dass ein Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Berlin - Charlottenburg geplant ist, der tatsächlich vereitelt werden konnte.
Durch Hellers Nichte, Louise Mackenzie, und seine Stiefschwester, Petra, wird die radikalisierte Jugend im Berlin der 60er Jahre beleuchtet. Beide nehmen Drogen, negieren bürgerliche Gesellschaftsformen und frönen dem ungezügelten Sex in Kommunen, wo feste Beziehungen zwischen Männern und Frauen meist tabu sind.
In einem zweiten Erzählstrang geht es um den russischen Spion Poljakow, dessen Aufgabe es ist, die Stadt Berlin so zu destabilisieren, so dass West-Berlin von den Russen eingenommen werden kann.
Der Plot ist zuerst spannend, dann fällt der Spannungsbogen aber durch die vielen, teils berlinspezifischen Details ab. Erst im letzten Drittel nimmt das Werk so richtig an Fahrt auf und wird krimikonform. Zum Glück gibt es ein Glossar am Ende des Werkes, das detaillierte Erklärungen zu Personen und Fakten liefert.
Die Geschichte ist flüssig erzählt, temporeich und mit zahlreichen Wendungen und Verwicklungen. Nur leider ist der Mittelteil etwas zu politischund langatmig ausgefallen und hat mich nicht so richtig gefesselt.

Bewertung vom 18.03.2021
Ich kann das
Schäfer, Bodo

Ich kann das


sehr gut

Ohne Mentor klappt es nicht.

Der Protagonist des Buches, Karl, ist ein Akademikerkind und soll nach seinem Jurastudium die Anwaltskanzlei seiner Eltern übernehmen. Er möchte jedoch lieber Schauspieler werden, traut es sich jedoch aufgrund seines mangelnden Selbstbewusstseins nicht zu und ist mit seinem Leben unzufrieden.
Er lernt ganz zufällig Marc kennen, auch genannt „The Brain“, der eine Firma zur Motivationsforschung und Selbstbewusstseinstraining, besonders sonders für leitende Angestellte betreibt, denn ihre Firmen wollen, dass sie fabelhafte Produkte entwickeln und somit zur Profitmaximierung beitragen. Natürlich wollen sie selbst auch viel Geld verdienen. Das klappt nur mit einem noch gesteigerten Selbstbewusstsein. Mentale und natürlich körperliche Resilienz sind dabei von höchster Wichtigkeit. Sie lernen ihr Gehirn umzuprogrammieren. Der Leitsatz ist: Ich kann das.
Dann beginnt eine märchenhaft anmutende Geschichte. Marc nimmt Karl unter seine Fittiche, coacht ihn und hilft ihm, Höhen und Tiefen seiner neuen Identitätssuche zu überwinden. Dabei unterstützt er ihn mit aufmunternden Whats Ap Botschaften und hilfreichen Gesprächen. Rein zufällig gewinnt er mit Marcs Hilfe neue Freunde, die ihn bedingungslos akzeptieren und aufmuntern und lernt seine Traumfrau kennen. Karl spürt immer mehr die „Magie“ des Selbstbewusstseins und erreicht letztendlich sein Ziel: er wird ein erfolgreicher Schauspieler. Auch in seinem Privatleben wird er sehr erfolgreich, natürlich auch finanziell.
Diese Möglichkeit will Bodo Schäfer uns aufzeigen, denn auch er betreibt eine Agentur zur Selbstbewusstseinssteigerung, mit deren Hilfe er den Lesern dieses Werkes zu einem neuen selbstbewussten Leben verhelfen will. Dazu kann ich nur sagen: „ Mit Speck fängt man Mäuse!“
Das erreicht er durch eine einfache Sprache und ein klar strukturiertes Werk in drei Teile, das so manchem Leser ermöglicht, Selbstvertrauen, Selbstliebe und Selbstbewusstsein aufzubauen, aber das funktioniert nur mit einem Mentor! Nämlich Bodo Schäfer. „ Ich kann das“ wird sicherlich nur bei einigen Lesern Wirkung zeigen. Auf alle Fälle hat er sein Vorhaben auf unkonventionelle Weise umgesetzt und erreicht somit eine breitere Leserschaft als mit einem fremtwortreichen Fachbuch. Auf mich wirkt das Werk wie so manche Diätbücher, die einem vorgaukeln, man könne Unmögliches erreichen.