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Rezifeder
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Köln
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Insgesamt 61 Bewertungen
Bewertung vom 14.07.2009
Die Totengräberin
Thiesler, Sabine

Die Totengräberin


gut

Seit fast zwanzig Jahren sind Magda und Johannes verheiratet und nach außen hin glücklich. Tatsächlich hat Johannes eine Geliebte. Wie jedes Jahr wollen Johannes und Magda den Sommer in ihrem Ferienhaus in der Toskana verbringen. Magda fährt voraus, während sich Johannes zur letzten Aussprache mit Carolina trifft und sich für seine Ehe entscheidet.

Er ahnt nicht, dass Magda in der Toskana bereits seinen Tod plant. Am Morgen nach seiner Rückkehr vergiftet sie ihn, vergräbt die Leiche im Gemüsegarten und meldet ihn als vermisst. Alles läuft nach Plan - bis Johannes' Bruder Lukas auftaucht. Schon vor ihrer Hochzeit war er in sie verliebt und begehrt sie immer noch.

Anfangs glaubt Lukas die Vermisstentheorie und hilft Magda, seinen Bruder zu suchen. Doch dann verändert sich Magda plötzlich. Sie spricht Lukas mit "Johannes" an und scheint ihn ernsthaft für ihren Mann zu halten. Der verwirrte Lukas spielt das Spiel mit und gibt sich auch bei der Polizei als heimgekehrter Ehemann aus. Und dann taucht auch noch ein Erpresser auf, der Lukas Fotos von seinem toten Bruder schickt ...

Vom Gesichtspunkt der Spannung aus ist der Roman nahezu einwandfrei gelungen. Der Mord an Ehemann Johannes geschieht früh zu Beginn und von da an ist alles Weitere erst einmal ungewiss. Magdas Plan klingt zunächst überzeugend: Auch Lukas fällt darauf herein und als er in Johannes' Handy Nachrichten an die ehemalige Geliebte Carolina entdeckt, steht für ihn fest: Johannes hat sich vermutlich absichtlich abgesetzt. Daher glaubt er zunächst nicht an ein Verbrechen, sondern freut sich insgeheim über diese Entwicklung, da er Chancen sieht, seiner immer noch verehrten Magda näher zu kommen.

Als Lukas anonym die Fotos seines toten Bruders erhält, wagt er es nicht, Magda einzuweihen. Natürlich verdächtigt Lukas zunächst den Fotosender, den er auch bald kennenlernt. Es ist der schmierige Literaturkritiker Stefano Topo, der sich durch Erpressung eine Finanzspritze erhofft. Nur der Leser weiß, dass die beiden einander des Mordes verdächtigen, ohne es auszusprechen. Hinzu kommt im späteren Verlauf Johannes Exgeliebte Carolina, die es nach einer Aussprache drängt und die spontan eine Fahrt in die Toskana plant. Im Raum stehen die Fragen, ob Magda weitere Morde begeht und ob die Polizei oder jemand anderes ihr auf die Schliche kommt.

Leider gibt es auch mindestens eine erhebliche Schwäche im Roman, nämlich das teilweise unglaubwürdige Verhalten von Magda und Lukas. Magda hält Lukas nach kurzer Zeit bereits für Johannes und verdrängt ihre Tat vollkommen. Ihre psychische Störung ist zwar ein interessanter Zug, kommt aber für den Leser zu plötzlich und ist ein fast enttäuschender Umschwung, nachdem man sich bereits auf ihre berechnende Art eingewöhnt hat. Sehr seltsam ist zudem das Verhalten von Lukas. Anfangs reagiert er verwirrt und geschockt auf Magdas Äußerungen und wagt es nicht, ihr die Wahrheit zu sagen. Das ist zunächst verständlich, dass er sich dann aber entscheidet, das Spiel dauerhaft mitzumachen, ist eher lächerlich. Er genießt es einfach, nun seinen fast zwanzigjährigen Traum zu verwirklichen und eine Beziehung mit Magda zu führen. An vielen Stellen im Roman handelt er unlogisch, obwohl völlig offensichtlich ist, dass er sich selbst immer tiefer in eine fatale Lage verstrickt. Während man es am Ende zumindest teilweise nachvollziehen kann, weil da ein Zurück kaum mehr möglich ist, wirken seine ersten Handlungen sehr unüberlegt und naiv.

Ein sehr spannender Kriminalroman über eine Mörderin, der überwiegend in der Toskana spielt, aber auch Schwächen besitzt. Das Buch lässt sich leicht lesen und fesselt den Leser durchgehend, aber die unlogischen Verhaltensweisen der beiden Hauptcharaktere trüben im weiteren Verlauf das Gesamtbild.

4 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2009
Wer die Ruhe stört
Adams, Poppy

Wer die Ruhe stört


sehr gut

Die siebzigjährige Virginia Stone lebt von Geburt an auf Bulborrow Court, dem ländlichen Herrenhaus ihrer Eltern. Wie ihr Vater hat sie ihr Leben der Schmetterlingsforschung verschrieben. Virginias jüngere Schwester Vivien hat das Elternhaus bereits in jungen Jahren verlassen und ist nach London gegangen.

Schon früher waren die Schwestern, obwohl eng befreundet, sehr gegensätzlich - Ginny die ordnungsliebende Forscherin, Vivi die impulsive Chaotin. Jetzt kommt Vivien überraschend nach Jahrzehnten wieder zu Besuch. Nach der ersten Wiedersehensfreude ist Virginia vor allem misstrauisch. Sie fühlt sich durch die Anwesenheit ihrer Schwester irritiert, zu sehr hat sie sich an die Einsamkeit gewöhnt und hasst jede Störung ihrer Ruhe.

Während Virginia über den wahren Grund der Wiederkehr ihrer Schwester nachgrübelt, versinkt sie in Erinnerungen an ihr Leben mit Vivien vor über vierzig Jahren. Sie erinnert sich an glückliche Tage in ihrer Kinderzeit und Jugend - aber auch an dunkle Familiengeheimnisse, die sie längst verdrängt geglaubt hat und die nie wieder an die Oberfläche kommen sollten ...

Ein abgelegenes Herrenhaus, eine verschrobene Besitzerin und dunkle Familiengeheimnisse - dies sind die bewährten Zutaten, die sich Poppy Adams für ihren Debütroman zurechtgelegt hat. Gleich mehrere Fragen fesseln den Leser, sowohl in der Gegenwart als auch im Handlungsstrang, der in der Vergangenheit spielt. Schon früh ist erkennbar, dass Virginia sich zwar über das Wiedersehen mit Vivien freut, dass aber auch Spannungen und viel Unausgesprochenes in der Luft liegen und es womöglich zu einem Streit mit ungewissem Ausgang kommen mag. Nach und nach wird das anfänglich gezeichnete Bild von der Idylle einer wohlhabenden Forscherfamilie zerstört, indem immer mehr Enthüllungen aus der Vergangenheit ans Tageslicht geholt werden. In ihrer Liebe zu Vivi verwickelt sich die junge Ginny in eine verhängnisvolle Aufgabe und man ahnt, dass das Vorhaben der beiden Schwestern ein böses Ende nehmen muss. Auch über dem Tod der Mutter liegt ein Schatten und Ginny muss sich nach all den Jahren mit einer möglichen neuen Ursache auseinander setzen.

Die Charaktere sind gut gelungen. Da ist die lebhafte Vivien, stets unbekümmert und spontan, die eindeutige Anführerin, obwohl drei Jahre jünger als Virginia. Ganz anders Virginia. Schon früh entdeckt sie ihren Forscherdrang und eifert ihrem berühmten Vater nach. Stundenlang beobachtet sie Raupen und Schmetterlinge, katalogisiert sie, tötet sie zu Untersuchungszwecken. Was Vivien mit der Zeit öde wurde, bleibt bis an Virginias Lebensende ihre Leidenschaft. Auch dem Leser wird die bunte Welt der Schmetterlinge nahegebracht, immer wieder lässt sich Ich-Erzählerin Virginia zu kleinen Abschweifungen hinreißen, die nie ins Belehrende gleiten, sondern eindrucksvoll ihre Liebe zu dieser Wissenschaft unterstreichen. Das Familienbild ist angenehm vielschichtig geraten. Was anfangs nach Harmonie aussieht, beginnt bald zu bröckeln und hält einige düstere Entwicklungen bereit.

Ein paar Mankos sind Poppy Adams bei ihrem Debüt dennoch untergekommen. Zum einen vermisst man ein wenig mehr Zeitgeist im Handlungsstrang der Vergangenheit. Die Schwestern werden in den turbulenten Vierzigerjahren geboren, doch von Krieg oder Nachkriegszeit ist nicht viel zu spüren; stattdessen macht die Handlung einen durchweg modernen Eindruck. Zudem kann das Ende nicht ganz die geweckten Erwartungen bestätigen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2009
Wölfe ums Schloss
Aiken, Joan

Wölfe ums Schloss


ausgezeichnet

Ein kalter Winter in England um 1830: Unter der Regierung von König James III existiert ein Kanaltunnel zwischen Calais und Dover, durch den ausgehungerte Wölfe auf die Britischen Inseln gelangt sind und die Bevölkerung bedrohen. Die kleine Bonnie lebt auf dem prächtigen Landsitz Willoughby. Ihre Eltern planen eine mehrmonatige Seereise, damit sich Bonnies Mutter von einer langen Krankheit erholen kann. Für die Zeit wird Mrs. Slighcarp, eine entfernte Verwandte, als Gouvernante das Haus betreuen.

Zur gleichen Zeit macht sich die gleichaltrige Sylvia auf den Weg zu ihrer bislang unbekannten Cousine Bonnie. Da Sylvias Tante Jane zu alt und gebrechlich geworden ist, um sie noch länger zu versorgen, wird das Mädchen von nun an auf Schloss Willoughby leben. Gleich nach ihrer Ankunft schließen die kluge Sylvia und die temperamentvolle Bonnie Freundschaft.

Doch kaum sind die Eltern abgereist, zeigt Mrs. Slighcarp ihr wahres Gesicht. Sie entlässt die Dienerschaft, behandelt Bonnie und Sylvia wie Sklaven und plant offenbar, sich das Vermögen der Eltern anzueignen. Nach anfänglicher Rebellion werden die Mädchen in eine Schule für Waisenkinder gesteckt, die einem Gefängnis gleicht. Aber Bonnie und Sylvia geben die Hoffnung auf eine Flucht nicht auf. Sie müssen der gemeinen Mrs. Slighcarp unbedingt das Handwerk legen ...

Obwohl im Jahr 1962 erschienen, hat Joan Aiken hier eine kindgerechte Version eines Schauerromans verfasst, wie er typisch für das junge 19. Jahrhundert gewesen wäre. Dazu gehören natürlich ein Schloss mit Geheimgängen, düstere Machenschaften voller Intrigen und grausamen Plänen, heulende Wölfe, treue Diener und verräterische Komplizen. "The Wolves of Willoughby Chase" bildet dabei den Auftakt einer Serie, deren Werke aber in sich abgeschlossen sind.

Nostalgisch und gemütlich ist die Ausgangssituation mit dem eisigen Winter und dem herrschaftlichen Haus, in die der Leser geführt wird. Mit den tapferen Mädchen lässt es sich herrlich mitleiden. Die sporadisch auftauchenden Wölfe sorgen für einen leichten Gruselfaktor und ständig lauert man auf neue Gemeinheiten der durchtriebenen Mrs. Slighcarp. Der Versuch der Mädchen sich zu befreien ist eine spannende und abenteuerliche Odyssee. Geschickt sorgt die böse Gouvernante dafür, dass sie keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen können und die Schule für Waisenkinder ist ein inoffizielles Gefängnis, in dem Petzereien der Kinder von den Leiterinnen belohnt werden. Wie sich die beiden gewitzten Mädchen dennoch zur Wehr setzen, ist nicht nur für gleichaltrige Kinder, sondern auch für Erwachsene vergnüglich zu lesen.

Ein sehr schönes Kinder- und Jugendbuch, das auch vielen Erwachsenen gefallen dürfte. Die nostalgische Atmosphäre überzeugt, die Handlung im 19. Jahrhundert ist spannend, die Hauptpersonen sympathisch geraten. Die kleinen Schwächen fallen kaum ins Gewicht, sodass das Buch insgesamt rundum überzeugt und eine Bereicherung für jedes Kinderzimmer bietet.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2009
Gefährliche Täuschung
Kornbichler, Sabine

Gefährliche Täuschung


sehr gut

Auf einer Radtour wird die Kinderbuchillustratorin Emma überfallen und entführt. Bald darauf kommt sie in einem Verlies zu sich. Ihr Entführer hat sich vermummt und gibt sich als Lösegelderpresser aus. Als sie nach fünf Tagen endlich freikommt, hat der Schrecken jedoch noch kein Ende. Emma ist misstrauisch gegenüber ihrem Mann, der laut Entführer die Lösegeldübergabe immer wieder verschoben haben soll. Erst allmählich begreift sie, dass sie diesen Mann nicht schützen braucht. Aber es kommt noch schlimmer - die Polizei findet keine verwertbaren Spuren. Immer härter wird ihr Verdacht, dass Emma die Entführung nur inszeniert hat. Emma ist entsetzt - und stellt in ihrer Verzweiflung eigene Nachforschungen an ...

Stell dir vor, du wirst entführt und keiner glaubt dir - auf diesen Grundgedanken baut Sabine Kornbichlers Thriller auf, der, wie immer bei ihr üblich, eine Frau in den Mittelpunkt stellt, deren Leben aus den Fugen gerät. Emma Thalmann wird aus dem Nichts entführt und bangt zeitweise um ihr Leben, wenn der Verbrecher ihr eine Waffe an den Kopf hält. Dass ihr hinterher nach einigen Überprüfungen plötzlich zur Last gelegt wird, das Szenario selbst organisiert zu haben, versetzt Emma in eine schreckliche Lage. Sie wird nicht mehr Zeugin, sondern vorrangig als Beschuldigte vernommen. Da sie und ihr Mann Laurenz aus beruflichen Gründen eine Wochenendehe führen, vermutet die Polizei eine Beziehungskrise, aus der Emma sich eine Auszeit gönnen wollte. Die Lösegeldforderung scheint zu gering für eine echte Entführung, an ihrem Fahrrad finden sich keine Spuren und die Kleidung hat Emma unglücklicherweise als symbolischen Akt vor der Vernehmung verbrannt. Gespannt verfolgt man Emmas eigene Ermittlungen gemeinsam mit den Fragen, ob der Entführer aus ihrem Umfeld stammt und sie schon lange beobachtet hat und ob die Polizei ihr schließlich doch noch Glauben schenken wird.

Ich-Erzählerin Emma ist keine ausgefallene oder sonderlich markante Figur, aber besitzt genug Identifikationspotential, damit der Leser mit ihr leidet und auf ein gutes Ende für sie hofft - natürlich bietet es sich vor allem für Leserinnen an, sich zu identifizieren. Ihre Ängste werden glaubhaft geschildert und umso erfreulicher ist ihre Eigeninitiative. Realistisch sind auch ihre Befürchtungen, dass ihre Entdeckungen von der Polizei gegen sie verwendet werden könnten, sodass sie sie zunächst geheim hält. Sehr angenehme Charaktere sind außerdem ihre Eltern, die fest zu ihrer Tochter halten, aber auch ihre Alleingänge fürchten. Dazu passt auch, dass es in den Wochen nach der Entführung auch mal zu Spannungen mit ihren Freunden kommt, da Emma geradezu eine Besessenheit entwickelt und stur ihre Linie verfolgt.

Kleine Mängel gibt es aber auch: Immer wieder fragt man sich während der Lektüre, warum Emma eigentlich keine psychologische Unterstützung nach der Entführung erhält. Sie leidet unter ihrer Panik, kann anfangs nicht das Haus verlassen und traut sich schließlich nur noch mit ihrer Neuanschaffung, dem anhänglichen Wachhund Ronin, in die Öffentlichkeit, sodass schleierhaft bleibt, warum sich kein Therapeut ihrer annimmt. Ein bisschen unterstützt durch den Zufall werden ihre Ermittlungen außerdem dadurch, dass Anton, der Mann ihrer besten Freundin Verena, als Journalist arbeitet und ihr einige geheime Informationen und Kontakte beschaffen kann, auf die sie sonst keinen Zugriff gehabt hätte.

Ein solider Thriller um ein Entführungsopfer, das seine Unschuld beweisen muss. Die Protagonistin ist sympathisch und von Anfang bis Ende ist eine hohe Spannung garantiert. Ein paar inhaltliche Schwächen schmälern den Gesamteindruck ein wenig, doch es bleibt auf jeden Fall ein unterhaltsamer Roman, der sich vorwiegend an weibliche Leser richtet.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.06.2009
Blackout
Hurwitz, Gregg

Blackout


gut

Als Krimiautor Drew Danner im Krankenhaus erwacht, erwarten ihn zwei Nachrichten. Die gute: Er hat einen epileptischen Anfall überlebt und ihm wurde der verursachende Gehirntumor erfolgreich entfernt. Die schlechte: Er wurde in der Wohnung seiner Exfreundin gefunden, die erstochen neben ihm lag. Drew selbst kann sich an nichts erinnern und wird zunächst schuldig gesprochen. In der Berufung erreicht er bald darauf einen Freispruch - wegen Unzurechnungsfähigkeit; sein Tumor wird als Auslöser für die Tat verantwortlich gemacht.
In der Öffentlichkeit wird Drew nach wie vor von vielen als Mörder angesehen, ebenso von der Polizei. Er stellt eigene Nachforschungen an in der Hoffnung, dass vielleicht doch ein anderer die Tat begangen und inszeniert hat. Kurz darauf geschieht ein zweiter Mord an einer Frau mit vielen Übereinstimmungen. Sofort wird Drew verdächtigt - doch er kann ein Alibi vorweisen.

Gleichzeitig geschehen rätselhafte Dinge in seinem Umfeld: Gegenstände verschwinden aus seinem Haus, Türen stehen plötzlich offen und jemand verpasst ihm im Schlaf eine Schnittwunde am Fuß. Immer stärker wird für Drew der Verdacht, dass der wahre Mörder ihm die Tat anhängen will ...

Originell ist vor allem die Grundidee, dass Drew selbst nicht weiß, ob er möglicherweise ein Mörder ist oder nicht und wie, wenn es so sein sollte, mit dieser Tat umgehen soll. Der Anklage nach hat ihn eine gehässige Anrufbeantworter-Nachricht seiner Exfreundin so in Rage versetzt, dass er sie erstach; tatsächlich aber kann sich Drew trotz der Trennung nicht vorstellen, Hass auf Genevieve entwickelt zu haben. Stattdessen leidet er unter ihrem Tod und will auch ihretwegen die Wahrheit herausfinden. Bei der Auflösung bleiben keine offenen Fragen für den Leser zurück, das Motiv ist einleuchtend, wenn auch sehr ungewöhnlich für einen Thriller.

Gleich in doppelter Funktion wird Drew Banner zum Ermittler: Zum einen gilt es, den Mörder von Kasey zu finden, der alles so arrangiert hat, dass Drew auf den ersten Blick wie der Täter aussehen muss, inklusive seinem Blut am Tatort. Zum anderen drängt es Drew danach, zu erfahren, ob er wirklich in geistiger Umnachtung seine Exfreundin erstochen hat oder ob, so seine leise Hoffnung, schon zu diesem Zeitpunkt jemand die Szenerie manipulierte, um vielleicht eine Reihe von Serienmorden auf ihn zu lenken.

Ein Manko des Romans ist der teilweise wirklich unpassende Humor, den Ich-Erzähler Drew in die Handlung einbringt. Drews selbstironischer Unterton wirkt sympathisch, vor allem, wenn man den Eindruck gewinnt, dass er seine Situation mit Galgenhumor betrachtet. Dagegen ist es kontraproduktiv, wenn er in jeder noch so ungünstigen Lage erst mal eine schlagfertige Antwort gibt. Der andere Punkt ist der teilweise verwirrende Anfang, der mit Rückblenden beginnt. Dritter Punkt ist eine konstruierte Szene, was Genevieves Tod angeht; so gut sich dieses Element in die nachfolgenden Ereignisse einfügt, so unwahrscheinlich ist es, dass jemand auf diese Weise vorgehen würde.

Ein unterhaltsamer Thriller mit ungewöhnlicher Ausgangslage, der weitgehend spannend ist und mit teilweise interessanten Nebencharakteren aufwarten kann. Ein paar kleine Schwächen wie unpassender Humor schmälern allerdings den guten Gesamteindruck.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.06.2009
Das verbotene Haus
Harris, Joanne

Das verbotene Haus


sehr gut

St. Oswald's ist eine vornehme Privatschule für Jungen, in der Traditionen bewahrt werden. Auch von Roy Straitley, letzter Lateinlehrer und mit Mitte Sechzig eigentlich schon im Pensionsalter. Von den Kollegen wird der altmodische Straitley bisweilen belächelt, doch seine Schüler verehren ihn. Das neue Schuljahr beginnt wie immer, doch dann häufen sich die unangenehmen Vorfälle. Gegenstände verschwinden, Hausmeister und Lehrer werden in Skandale verwickelt, böse Gerüchte und anonyme Anrufe machen die Runde, eine Lehrerin verletzt sich, ein Schüler verschwindet schließlich sogar. Nur Straitley ahnt allmählich, dass keine Schülerstreiche hinter den Vorfällen stecken. Tatsächlich hat sich jemand in die Schule eingeschlichen, der bereits vor fünfzehn Jahren für einen Skandal sorgte. Damals war derjenige ein Kind, das unbedingt dazugehören wollte und die Schule abgöttisch liebte. Heute nimmt derjenige erbitterte Rache mit nur einem Ziel - St. Oswald's zu zerstören ...

Eine unbescholtene Eliteschule, ein unglückliches Kind und eine späte Rache führt Joanne Harris zu einem gekonnten Thriller zusammen, der weniger durch Action als vielmehr durch Subtilität besticht. Der eine Handlungsstrang dreht sich um den "Maulwurf", der sich eingeschlichen hat, um immer schlimmere Skandale zu verursachen und der auch vor Mord nicht zurückschreckt. Vor fünfzehn Jahren wollte derjenige unbedingt zur vornehmen Eliteschule gehören, wo sein Vater Hausmeister war. Das Kind erschuf sich ein Doppelleben, als "Julian Pinchback" mit gestohlener Uniform in jeder freien Minute in St. Oswald's unterwegs. Es entdete in einer Katastrophe und heute will sich "Julian" dafür rächen, dass er nie zu St. Oswald's gehören durfte.

Der andere Handlungsstrang wird aus der Perspektive Roy Straitleys erzählt, der langsam aber sicher ahnt, dass jemand gezielte Anschläge auf St. Oswald's verübt und den Täter ganz richtig unter ihnen vermutet. Für ordentliche Spannung ist gesorgt - angefangen bei der Frage nach dem Ende von Julian Pinchbecks Doppelleben, das Schicksal seines Vaters, das zwar ab und zu angedeutet aber erst später aufgeklärt wird, Straitleys Ahnungen, die sich immer weiter verdächtigen und die Art der Anschläge, die mit Streichen beginnen und in stärksten Verleumnungen münden.

Es ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, dass "Julian Pinchbeck" und Roy Straitley abwechselnd aus der Ich-Perspektive berichten und durch diese Methode braucht es eine Weile, bis man sich in das Buch eingefühlt hat. Das Hauptmanko besteht aber darin, dass gegen Ende bei der Lüftung von "Julians" Identität eine Überraschung präsentiert wird, die gar nicht nötig gewesen wäre.

Ein ungewöhnlicher Thriller über eine Eliteschule und späte Rache, der durch interessante Charaktere und Spannung bis zum Schluss lebt. Negativ fällt nur die etwas übertriebene Wendung am Schluss auf, die von der eigentlichen Stärke der Handlung abkenkt.

Bewertung vom 30.05.2009
Der Hahn ist tot
Noll, Ingrid

Der Hahn ist tot


ausgezeichnet

Rosemarie Hirte lebt ein ereignisloses Leben. Unverheiratet und kinderlos, mit biederem Aussehen, wenigen Bekannten und ohne besondere Hobbies kommt sie der Bezeichnung "alte Jungfer" recht nah. Das ändert sich schlagartig, als sie sich mit 52 Jahren zum ersten Mal ernsthaft verliebt. Der Auserwählte ist Rainer Witold Engstern, Lehrer und Sachbuchautor, dem sie auf einer Lesung begegnet. Rosemarie ist wild entschlossen: Diesen Mann muss sie haben!

Regelmäßig schleicht sie sich in seinen Vorgarten, um ihn heimlich zu beobachten. Eines Abends wird sie zufällig Zeugin einer heftigen Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner alkoholkranken Ehefrau. Im Affekt kommt es zu einer Schießerei, bei der Witolds Frau getroffen wird. Während der geschockte Witold einen Krankenwagen rufen will, kommen Rosemarie Schreckensvisonen von ihrem Angebeteten im Gefängnis. Das muss sie verhindern! Kurzerhand stürmt sie auf die Bildfläche, erschießt die Verletzte und lässt alles wie einen Überfall aussehen.

Der verstörte Witold ist seiner Retterin zwar dankbar, doch in Liebe will er nicht so recht entflammen. Aber Rosie gibt nicht auf. Die einstige alte Jungfer kennt nur noch ein Ziel und dafür geht sie über Leichen - im wahrsten Sinn des Wortes ...

Der Clou bei "Der Hahn ist tot" liegt in der Hauptperson, die den Leser sofort auf ihrer Seite hat. Rosemarie Hirte ist keine kaltblütige Mörderin. Sie ist lediglich eine einsame Frau, die urplötzlich eine Chance auf das langersehnte Glück wittert - und jenseits aller Vernunft darum zu kämpfen beginnt.

In lakonischem Tonfall erzählt Rosemarie die Ereignisse, die sie von einer harmlosen Versicherungsangestellten zur mehrfachen Mörderin werden ließen. Das Absurd-Witzige an der Handlung ist, dass Rosemarie nur durch unglückliche Umstände in diese mörderische Lage gerät. Sie ist eine Durchschnittsfrau, die an sich niemals jemandem etwas Böses wollte. Doch das jahrzehntelange Entbehren jeglicher glücklicher Beziehungen lässt sie mit einem Mal die Kontrolle verlieren, als sie ihre Chance zum Greifen nah sieht.

Man muss weder in Rosemaries Alter sein noch ihre Erfahrungen erlebt haben, um sich rasch mit ihr zu identifizieren oder doch zumindest Symapthie für diese Frau zu entwickeln, die sich von Herzen ihren Witold und nichts anderes wünscht. Doch jedes Mal, wenn sich ihre Chancen verbessert haben, wird ihr Glück vereitelt, meist in Gestalt einer Rivalin. Für Rosemarie gibt es da natürlich kein Pardon - denn sie weiß genau, dass dies wahrscheinlich ihre letzte Gelegenheit sein wird, jene heiß ersehnte Zweisamkeit zu erleben ...

Ingrid Noll weicht ab vom gängigen Krimi-Schema des bösen Mörders, der in typischer "Who-dunnit"-Manier vom Leser und Ermittler gleichermaßen erraten werden muss. Stattdessen konzentriert sie sich vollkommen auf die Täterin selber. Die Morde selber stehen nicht im Vordergrund, sie sind nur logische Konsequenz im Leben der Protagonistin. Rosemarie ist nicht gerne eine Mörderin, aber das Schicksal scheint ihr keine andere Möglichkeit zu geben. Ihr schnodderiger Tonfall und ihre selbstironischen Kommentare über ihre missglückte Liebeswerbung geben dem Roman den richtigen Pfiff.

Rosemarie Hirte ist die Antwort auf all die frustrierten, einsamen Frauen, die das große Glück in ihrem Leben verpasst haben und sich vor einem letzten Versuch, darum zu kämpfen, scheuen. Natürlich schießt Rosi auf ihrem Weg ein wenig übers Ziel hinaus - aber das Ergebnis ist ein ein wunderbar leicht geschriebener Roman, der auch beim wiederholten Lesen nichts von seinem Charme einbüßt.

5 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.05.2009
Lippels Traum 1
Maar, Paul

Lippels Traum 1


ausgezeichnet

Lippel ist ein zehnjähriger Junge. Eines Tages kommen zwei neue Mitschüler in Lippels Klasse. Das Mädchen Hamide und ihr Bruder Arslan stammen aus der Türkei. Im Gegensatz zu Hamide kann Arslan nicht viel deutsch, weshalb er nur wenig spricht. Kurz darauf müssen Lippels Eltern zu einem Kongress nach Wien verreisen. Damit Lippel in der Zeit nicht alleine bleibt, stellen sie die pingelige Frau Jakob, die Bekannte einer Freundin, als Babysitterin ein.

Als Trost schenkt Lippels Mutter ihm ein Buch mit den Geschichten aus "Tausendundeiner Nacht". Die erste Geschichte dreht sich um einen Prinzen, dem großes Unglück prophezeiht wird, wenn er in den nächsten sieben Tagen auch nur ein einziges Wort spricht. Lippel liest heimlich abends im Bett, doch bevor er erfährt, was mit dem Prinzen geschieht, nimmt ihm Frau Jakob das Buch weg. Lippel jedoch träumt die Geschichte weiter - und plötzlich beginnen sich Traum und Wirklichkeit miteinander zu vermischen. Der stumme Prinz in seinem Traum sieht aus wie sein neuer Mitschüler Arslan, während auch seine Schwester Hamide ein Ebenbild der echten Hamide ist. Die Tante des Prinzen sieht der strengen Frau Jakob täuschend ähnlich und sie ist es auch, die eine Intrige gegen den Prinzen startet, der daraufhin gemeinsam mit Hamide vom Königshof verbannt wird.

Doch mitten im Geschehen erwacht Lippel. In der Schule spricht er Arslan und Hamide auf seine Träume an, aber die beiden haben natürlich keine Ahnung, wovon er spricht. In jeder weiteren Nacht träumt Lippel das Geschehen ein bisschen weiter. Mit Frau Jakob dagegen wird das Zusammenleben immer schwieriger. Die Streitereien häufen sich und Lippel kann es kaum noch erwarten, bis seine Eltern wiederkommen.
Außerdem macht er sich immer größere Sorgen um die Traumkinder Asslam und Hamide - was geschieht, wenn es ihm nicht gelingt, die Geschichte zuende zu träumen und sie zu retten ...?

as Besondere an dem Buch ist, dass es zwei Geschichten parallel erzählt. Beide sind für sich genommen lehrreich und spannend zugleich. Der Teil, den Lippel in der Realität erlebt, enthält Punkte, die Kinder seines Alters gut nachvollziehen können: Lippel muss lernen, eine Woche ohne seine Eltern auszukommen, er muss sich mit einer verständnislosen Erziehungsperson herumschlagen, er schließt Freundschaft mit zwei ausländischen Kindern und er gewinnt Einblicke in eine für ihn fremde Kultur.

Der Teil, den Lippel im Traum erlebt, ist ein klassisches Abenteuer, das Kinder wegen seiner Aufregung lieben werden. Lippel und die Königskinder müssen um ihr Leben fürchten und schlagen sich gemeinsam im alten Orient durch. Hier finden sich alle Motive, die es für ein spannendes Märchen braucht: Ein prächtiger Palast mit einer Königsfamilie, eine Intrige gegen zwei Kinder und eine rasante Flucht vor exotischer Kulisse.

Auch der Humor kommt natürlich nicht zu kurz:
Lustig wird das Buch vor allem dann, wenn Traum und Wirklichkeit ineinanderfließen und Lippel diese Bereiche nicht mehr richtig trennen kann. Denn Arslan und Hamide wissen nichts von ihrer Rolle in seinen Träumen und finden manche seiner Aussagen daher ausgesprochen verwirrend ...

Ein absolut empfehlenswertes Kinderbuch, das zum einen viel Abenteuerflair und Spannung mitbringt und sich zum anderen auf sympathisch dezente Art gegen Rassismus einsetzt.

14 von 14 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.