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Insgesamt 1540 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2024
Wie man einen Bammel auf Hosentaschengröße schrumpft
Sonneson, Josefine

Wie man einen Bammel auf Hosentaschengröße schrumpft


ausgezeichnet

Zusammenhalten bringt weiter

Die besten Freund Elli und Jaro sind gleich alt und gleich groß und gehen zusammen durch dick und dünn. Natürlich wollen sie sich auch gemeinsam ihren Ängsten stellen. Die Grundidee ist super, doch dann haben die beiden Freunde zum ersten Mal einen Streit und der ist gleich so heftig, dass das Versöhnen nicht so einfach ist.

Mir gefällt die Geschichte sehr gut und ich bin davon überzeugt, dass sie Kids ab acht Jahren auf unterhaltsame Weise zeigen kann, dass Freundschaft nicht bedeutet, dass man andere nicht in seinen Kreis lässt. Eifersucht, Veränderungen, wachsen, ob körperlich oder geistig, sind oft anstrengend und schwer zu ertragen, gehören aber zum Leben dazu. Dass man Fehler macht, diese aber auch wieder gutmachen kann, dass man immer besser um Hilfe bittet, als auf eigene Faust unbedacht zu handeln, all das erzählt Josefine Sonneson hier sehr einfühlsam. Dabei fühlen sich die Kinder aber nie belehrt.

Die Figuren sind herrlich bildlich dargestellt und man kann sie sich toll vorstellen. Wirklich unsympathisch ist niemand. Die Familienkonstellation zwei Mütter wird wie nebenbei erwähnt und niemand stört sich daran. Also ganz einfach als das gezeigt, wie es auch sein sollte, als so normal, wie Scheidungen und Alleinerziehende.

Somit finden sich hier wirklich viele Themen, die gekonnt und liebevoll verknüpft wurden und zeigen, wie bunt das Leben ist, auch dann, wenn man mal traurig ist. Denn dass man auch wieder fröhlich wird, das erzählt die Autorin hier auch.

Ich habe Friedel Morgenstern super gerne zugehört und gebe ihr und Josefine Sonnesons Buch von Herzen gern die vollen fünf Sterne.

Bewertung vom 04.11.2024
Das Aroma der Jahreszeiten
Wiedemann, Christina;Nimz, Sabine

Das Aroma der Jahreszeiten


gut

Aquarelle anstelle von Fotos

Die beiden Autorinnen sind, wie man schnell merkt, sehr lange schon Freundinnen. Ich finde sie super sympathisch. Dennoch hätte ich mich über Fotos zu den Gerichten gefreut, auch wenn Sabine Nimz wunderbare Zeichnungen davon gemacht hat. Dafür gibt es Fotos von den beiden Frauen, der Natur und anderen Dingen. Für mich ist das nicht so ganz ideal. Sehr schön finde ich aber den sehr ausführlichen kulinarischen Wortschatz, sodass auch Nicht-Österreicher die Ausdrücke, die ich so sehr liebe, verstehen.

Zu den vier Jahreszeiten gibt es, ganz dem Titel entsprechend, passende Rezepte. Kurze Gedichte und einleitende kleine Texte stimmen darauf ein. Neben den vegetarischen Rezepten wird auch das Prinzip des Leaf to Root angewandt. Letzteres ist leider nichts für mich persönlich. Radieschenblätter, Karottengrün und ähnliches nehme ich nach unzufriedenstellenden Versuchen endgültig nicht auf meinem Speiseplan auf. Daher muss ich das eine oder andere Rezept etwas abändern, was kein echtes Problem darstellt.

Der recht klassische Aufbau der Rezepte ist sehr gefällig. Überschrift, kleiner Text, Angaben zu Zubereitungszeit und Menge, Zutatenliste, Arbeitsschritte und ein zusätzliches Anmerkungsfeld ergeben verständliche und übersichtliche Rezepte. Angaben zu den Nährwerten finden sich nicht. Ich persönlich brauche die auch gar nicht.

Die Rezepte selbst sind jetzt vielleicht nicht die Neuerfindung der vegetarischen Küche, bestehen aber für mein Verständnis aus einer tollen, abwechslungsreichen Mischung. Es finden sich Klassiker und Neuinterpretationen, die recht unkompliziert nachgekocht werden können, ohne die Zutaten in der halben Welt zusammensuchen zu müssen.

Dennoch ist dies für mich ein Kochbuch, das sich nicht für alle eignet, sondern eher etwas für Sammler und Liebhaber ist. So leid es mir tut, kann ich nicht mehr als drei Sterne geben.

Bewertung vom 04.11.2024
Österreichische Tapas
Hammacher, Valerie;Nagele, Christine Nini

Österreichische Tapas


sehr gut

Kleine Gerichte, großer Genuss

Dieses Buch beinhaltet zwar auch vegetarische Rezepte, ist aber in der Hauptsache mit Fleisch und Fisch beschäftigt. Selbst Schnecken werden hier kredenzt. Das ist natürlich definitiv sehr speziell. Süßes gibt es im letzten Kapitel noch zusätzlich. Kurz gefasst könnte man sagen, in diesem Buch finden sich typisch österreichische Speisen auf Tapas-Größe angepasst.

Die Kapitel beginnen immer mit einer Übersicht der Speisen, zu denen die Rezepte dann folgen. Fotos, die den Fokus auf das Wesentliche legen, krönen die Kapitel. Diese sind mal recht einfach, mal etwas aufwändiger. Eins haben sie aber alle gemeinsam, sie machen enorm Appetit und Lust auf eine ganze Tafel voller Häppchen!

Die Rezepte selbst kommen im klassischen Stil daher, mit Überschrift, kurzer Beschreibung, Zutatenliste und Arbeitsschritten. Die Angaben für die Portionen sind gegeben, zu Nährwerten fehlen sie, was mich gar nicht stört, denn wer auf Diät ist, sollte die Tapas sowieso besser meiden. Gelegentlich sind auch Tipps angehängt. Die Bandbreite der Gerichte ist riesig und man staunt, was man alles als Fingerfood servieren kann. Dieses Buch liefert die ideale Ausstattung für jedes Buffet, jede gesellige Runde, jeden Tapasabend. Einfach herrlich!

Auch wenn nicht alle Rezepte jedem schmecken, findet sich hier für jeden etwas. Die Zutaten sind nicht alle immer und überall zu bekommen, aber auch nicht wirklich exotisch. Die Wild-Rezepte und jene mit Schweinefleisch treffen meinen Gaumen weniger, doch konnte ich sie problemlos auch mit Rind und Geflügel zubereiten. Bei nur sehr wenigen Rezepten fehlt ein Foto und wenn, dann bei jenen, bei denen man das verschmerzen kann. Bei den Käsepralinen wäre es nahezu ein Verbrechen gewesen, kein Foto zu liefern. Sie sehen einfach umwerfend aus!

Viele dieser Tapas eignen sich auch ideal für ein Snack Board, sodass man hier prima kombinieren kann. Das Buch ist eine Bereicherung für jeden Kochbegeisterten, auch für Anfänger finden sich hier Rezepte. Wer kleine Häppchen liebt, wer die österreichische Küche zu schätzen weiß und wer gern Freunde bewirtet wird ebensolche Freude an diesem Buch haben, wie ich. Vegetarier kommen auch auf ihre Kosten. Vor dem Register ist noch ein Glossar versteckt, damit die Nicht-Österreicher die österreichischen Ausdrücke nachschlagen können. Insgesamt gebe ich vier Sterne, da für meinen Geschmack zu viel Wild in den Rezepten vorkommt. Trotzdem ein tolles Buch!

Bewertung vom 04.11.2024
Velvet Winter
Baumgärtner, Theresa

Velvet Winter


weniger gut

Nicht mein Fall

Bisher kannte ich Theresa Baumgärtners Bücher nicht und ich sage es lieber gleich, ich bin nicht sehr zuversichtlich, dass ich ein weiteres von ihr haben möchte. Das Thema ist ein klein wenig an den Haaren herbeigezogen, zumindest finde ich wenig Zusammenhang zu den Gerichten. Auch kann ich zwar verstehen, dass die aktuelle Generation auf Playlists steht, finde es aber etwas dreist, zu erwarten, dass jeder bei Spotify registriert ist. Nun denn. Es gibt jede Menge Text und Fotos, die nur am Rande mit Samt und Seide zu tun haben und gar nichts mit Rezepten.

Die Rezepte sind wenig überraschend und, wie bereits erwähnt, mir erschließt sich der Zusammenhang mit dem Thema leider so gar nicht. Sehr schnell hatte ich das erste große Fragezeichen über mir schweben. Es geht um Sauerteigbrot und –brötchen, aber da steht doch glatt, dass Hobbybäcker sich den gern weitergeben, aber keine Anleitung für einen eigenen Ansatz. Klar, ich hab das in diversen Büchern stehen, aber will ich die noch rauskramen, bevor ich loslege? Nein. Hab ich Sauerteigansatz, ob selbst gemacht oder von anderen Backbegeisterten, bereits im Kühlschrank? Auch nein.

Die Rezepte folgen dem klassischen Muster mit Zutatenliste und Zubereitungsschritten. Man kann die Anweisungen gut verstehen. Die Zutaten sind nicht sonderlich exotisch, auch wenn man vermutlich nicht immer alles im Vorrat hat, was verarbeitet wird. Auf die Angaben von Nährwerten und Zeitaufwand wurde verzichtet. Ich kann damit gut leben, weiß aber, dass dies von vielen als nicht zeitgemäß angesehen wird, ebenso wie die nicht vorhandenen veganen Varianten.

Insgesamt hat es hier mehr Fotos von Großbritannien und der Autorin, als Rezepte und Fotos zu den Speisen. Es mutet nach Werbung an und für den hohen Preis dieses Buches hätte ich mir doch mehr Fokus auf Rezepte gewünscht. Und mehr Bezug zum Titel. Oder einen anderen Titel für das ganze Buch. Ich wollte keinen England-Bildband, sondern ein Buch mit winterlichen Rezepten. Auch weiß ich nicht, warum in diesem Buch Bastelanleitungen sind. Man merkt es sicher – ich bin kein Fan dieses Buches. Für mich ist es leider nur zwei Sterne wert und das will echt was heißen.

Bewertung vom 31.10.2024
Snack Boards
Thomson, Natalie

Snack Boards


ausgezeichnet

Die gehen immer!

Lapidar ausgedrückt sind Snack Boards einfach nur Bretter, auf denen Leckereien ansprechend zusammengestellt sind. Kann man doch auch ohne Rezept?! Ja und nein. Klar, geht das auch, aber ich habe wirklich gestaunt, wie toll die hier vorgeschlagenen Ideen oft sind. Das nachzumachen lohnt sich und lässt Gäste staunen und genießen.

Die Boards sind nach Themen sortiert. Diese sind Käse, Obst, Gemüse; Fisch & Meeresfrüchte; Geflügel; Fleisch; Süßes. Damit dürfte wirklich jeder auf seinen Geschmack und seine Kosten kommen. Die Einführung erklärt wunderbar, wie man gekonnt und so, dass die Gäste happy sind, ein eigenes Board kreiert und zusammenstellt. Ein bisschen ist das, wie beim Handarbeiten und Basteln: Man kann selbst kreativ werden oder nach Anleitung vorgehen. Die hier vorgestellten Zusammenstellungen helfen, ein Gefühl für funktionierende Eigenkreationen zu bekommen und das allein ist schon mal ein Volltreffer.

Von ganz schlicht bis opulent ist hier alles vertreten und man erkennt schon beim bloßen Blättern, dass man eigene Ideen entwickelt und im Kopf schon Situationen aufblitzen, zu welchen mal dieses, mal jenes Board passt. Ob Silvesterparty oder Spieleabend, ob Grillabend oder das Weinchen mit der Freundin auf der Terrasse, ob als Nachtisch oder der Snack für zwei auf der Couch beim Filmabend – ein Snack Board passt einfach immer.

Die Listen sind mehr oder weniger Einkaufslisten. Nicht alles muss man selbst machen, aber es gibt genug Rezepte, um es doch zu können, wenn man möchte. Alles ist verständlich und klar beschrieben. Die Fotos runden das Ganze wunderbar ab und machen auch sofort Appetit aufs Board.

Wann immer man überraschen möchte mit einem mehr oder weniger sättigenden Snack, ob als Vorspeise, Zwischengang, Nachspeise, Hauptspeise oder einfach so, hier findet man Inspiration. Das ist mir fünf Sterne wert.

Bewertung vom 31.10.2024
L wie Lafer (eBook, ePUB)
Lafer, Johann

L wie Lafer (eBook, ePUB)


sehr gut

Lafer für alle?

Ich liebe das Essen, aber noch mehr liebe ich das Kochen und Backen. Daher bekomme ich von Koch- und Backbüchern nie genug. Am liebsten mag ich Rezepte, die absolut alltagstauglich sind. Aber in meiner Sammlung sind auch einige Bücher von Spitzen-Köchen, die neben ihren Sternerestaurants auch durch die Medien bekannt sind. Hier geht es mir meist um das Wissen, weniger darum, die Gerichte auch nachkochen zu wollen. Die Rezepte von Johann Lafer gehören in diese Kategorie. Ich finde seine Art zu kochen super interessant, oft aber total drüber. Dennoch landet das eine oder andere seiner Kochbücher doch immer wieder in meinen Regalen!

Umso erstaunlicher finde ich schon mal das Vorwort, in dem Lafer betont, dass es ihm um gelingsichere Rezepte geht, die mit leicht zu bekommenden Zutaten alle begeistern. Ganz klar, dass ich mich sofort auf Entdeckungsreise zu den Rezepten der Kapitel Suppen; Kleine Gerichte; Fisch; Fleisch; Vegetarische Gerichte; Desserts und Gebäck begeben habe.

Die Rezepte sind tatsächlich etwas alltagstauglicher. Hier sind sie sehr sachlich aneinandergereiht, klassisch mit Zutatenliste und Zubereitungsschritten. Nur ab und an starten die Rezepte mit einem kleinen Hinweis. Gelegentlich findet sich noch ein Tipp von Johann am Ende des Rezeptes. Man muss nicht alles mögen, findet aber doch interessante neue Ideen, wie beispielsweise Kartoffelsuppe mit Blutwurstnockerl. Kannte ich nicht, esse auch kein Schweinefleisch und keine Blutwurst, dennoch finde ich das Rezept überraschend. Und die Tomaten-Basilikum-Suppe ist tatsächlich unkompliziert, aber sehr lecker! Beim Guacamole-Türmchen mit Krabbentatar dagegen kommt der Lafer wieder voll und ganz durch. Doch insgesamt bekommt man eine schöne Mischung aus überkandidelten Chichi-Gerichten und machbaren Eyecatchern und Gaumenkitzlern. Lafer führt mit seinen Kreationen quasi auf eine internationale kulinarische Reise.

Hier und da stimmen in meinem Verständnis die Fotos nicht ganz mit den Rezepten überein. So beispielsweise gleich mal bei den Pilzmaultaschen im Kartoffelsud. Auf dem Foto ist das für mich eine klare Brühe; der Kartoffelsud wird nicht klar, sondern schon allein durch die Kartoffeln fast schon gebunden. Schön dagegen, dass Lafer selbst an der einen oder anderen Stelle bemerkt, dass ein Rezept etwas aufwendig ist und dazu rät, dann mehr davon zu machen und einzufrieren. Auch die Bildstrecken, die es ab und an zur Zubereitung gibt, kommen bei mir super an. Bei manchen Rezepten frage ich mich aber wirklich, wer die benötigten Küchenutensilien tatsächlich daheim hat, beispielsweise bei den kleinen Käse-Speck-Gugelhupfen satte fünfzehn Gugelhupf-Förmchen.

Insgesamt hat mich Lafer hier aber wirklich positiv überrascht. Noch immer stellt er hohe Ansprüche an Kochbegeisterte, aber diesmal ist genug dabei, das man auch dann schaffen kann, wenn man zwar leidenschaftlich gerne kocht, aber auf dem Boden geblieben ist. Daher herzlich gerne vier Sterne.

Bewertung vom 31.10.2024
Wohnverwandtschaften
Bogdan, Isabel

Wohnverwandtschaften


ausgezeichnet

Gefühlswellen

Constanze ist Zahnärztin, im mittleren Alter und trennt sich von ihrem Lebensgefährten. Übergangsweise zieht sie in die WG von Jörg, Murat und Anke, alle ebenfalls keine Studenten mehr, im Gegenteil. Jörg ist Witwer, hat einen erwachsenen Sohn und wird immer vergesslicher. Murat liebt das Leben und das Lachen, was den anderen oft sehr gut tut, sie manchmal aber auch nervt. Anke ist Schauspielerin, seit Jahren ohne Engagement, und ein bisschen eifersüchtig, dass eine weitere Frau einzieht. Schnell merkt Constanze, dass ihr diese WG gut tut, mit all den unterschiedlichen Menschen, die so viel mehr, als eine Wohngemeinschaft sind. Sie sind Familie. Und so halten sie zusammen, so lange es geht.

Diese Geschichte ist so wunderbar, so einzigartig, so witzig und so traurig, so schön und so schrecklich, so liebevoll und so hart. Alles auf einmal, alles zusammen. Sie geht unter die Haut und an die Nieren, sie macht traurig, doch sie tröstet auch. Man kann so viel über den Umgang mit Demenz mitnehmen, aber auch, dass es kein Zeichen von Schwäche oder Versagen ist, wenn man Hilfe annimmt. Eine weitere Botschaft ist, dass man seine Träume verwirklichen soll und nicht auf die lange Bank schieben. Auch erzählt diese Geschichte von Liebe. Der Liebe zum Partner, der Liebe zu Freunden, der Liebe zum Leben. Sie erzählt vom Loslassen und dennoch nicht verlieren, auch wenn der Verlust dazugehört.

Isabel Bogdan hat vier wunderbare Figuren erschaffen, die man so gern im eigenen Leben hätte. Sie lässt sie alle ihre Gedanken offenlegen, in denen man sich selbst so leicht finden kann. Die Unterschiede schrumpfen also zusammen und die Gemeinsamkeiten werden deutlich. So individuell wir alle sind, haben wir doch alle einen gemeinsamen Nenner. Auch Jörgs Sohn Sebastian hat, fast schon in Abwesenheit, einen großen Part. Man kann so gut verstehen, dass er die Tatsachen nicht annehmen mag, dass er Jörg in seiner WG gut aufgehoben sieht und sein eigenes Leben mit seinem Sohn weit weg weiterleben mag, als sei nichts geschehen. Und so ist es im Grunde auch. Die Autorin schildert so sanft, aber klar, wie das Leben einfach weitergeht, obwohl es, wie die Zeit, einfach stehenbleiben müsste, damit man das aktuelle Drama erst mal begreifen und verarbeiten kann.

Jörgs Verhalten ist sehr authentisch dargestellt. Das Abstreiten, die Ausreden, die Erklärungen, sie sind so schonungslos, aber nicht übertrieben geschildert. Die Reaktionen der Mitbewohner darauf gleichen meinen eigenen. Und zumindest mir hat es geholfen, meine eigenen Gefühle, die ich während des Fortschreitens des Verfalls meines Vaters, der zwar die Symptome und leider auch Diagnose Alzheimer-Demenz hatte, aber einen Gehirntumor hatte, empfand, als normal anzunehmen und mir keine Schuld mehr zu geben.

Ich bin sehr froh, dass ich diese Story entdeckt habe. Auch wenn sie mich traurig gemacht hat, hat sie mir auch Hoffnung und Freude gegeben. Das Sprecher-Ensemble hätte nicht besser ausgewählt werden können. Alle haben hör- und spürbar ebenfalls ganz viel Gefühl investiert. Ich bin begeistert und gebe sehr gerne die vollen fünf Sterne.

Bewertung vom 19.10.2024
Der längste Schlaf
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf


ausgezeichnet

Gefällt mir umwerfend gut!

Mara Lux ist vor vielen Jahren nach London gezogen. Sie ist eine renommierte Forscherin, Fachgebiet Insomnia. Und doch kämpft ausgerechnet sie mit der schlimmsten Schlaflosigkeit. Die Angst vor ihren Träumen, die erschreckender Weise sehr oft in die Wirklichkeit zu schwappen scheinen. Ihre Aufenthalte in Deutschland begrenzen sich auf wenige Male im Jahr und dann auf die Besuche bei ihrer Freundin und Pflegeschwester Dixie. Als sie Post von einem Frankfurter Notar bekommt, könnte ihr Erstaunen nicht größer sein, denn er schreibt ihr, dass sie ein Herrenhaus in Deutschland geerbt hat. Sie kann es nicht glauben, da sie weder Familie noch Freunde hat. Aus Neugier fährt sie nach Limmerfeldt und stellt erstaunt fest, dass sie diesen Ort aus ihren Träumen kennt. Doch was sie im Laufe der nächsten Tage erlebt, übersteigt all ihre Erwartungen.

Der Schreibstil ist flüssig und die Geschehnisse sind stimmig in sich, auch wenn einige Vorkommnisse nicht rational erklärbar sind. Die Figuren mag ich sehr. Jede einzelne ist individuell gezeichnet und hat ihre Eigenarten, Stärken und Schwächen, Fehler und Besonderheiten. Die Nebenfiguren werden nicht mit so vielen Details ausgeschmückt, wie die Hauptfiguren. Das stellt klar heraus, wer wichtig ist und wer eher eine Statistenrolle hat. So muss man sich als Leser auch nicht zu viele Namen und Personen merken. Die Einschübe in einer anderen Schriftart geben anfangs Rätsel auf, doch irgendwann versteht man ihren Sinn und Zweck. Hier entsteht eine subtile Spannung, die gefangen nimmt. Aber wer auf einen Thriller hofft, der sollte sich das gleich mal abschminken. Nicht ohne Grund ist das Buch im Genre Roman angesiedelt, nicht im Thriller-Bereich.

Ein wenig Info zu Schlaf und Träumen ist in die Story mit eingewebt. Das ist stimmig und sinnvoll. Auch fand ich es recht interessant. Die Gefühle von Mara sind deutlich durch zu wenig Schlaf und dem, was sie in ihrem Leben schon durchgemacht hat, etwas durcheinander. Das hat die Autorin sehr schön dargestellt. Auch die Unsicherheit dieser Figur, was real und was Folge des Schlafmangels ist, kommt gut rüber.

Man muss sich schon auf ein wenig Mystik und Paranormales einlassen können, um dieses Buch so richtig genießen zu können. Mich hat es sehr begeistert und tatsächlich an den Stil von Stephen King erinnert. Hier wie dort finde ich das Ende nicht perfekt, den Weg dahin aber extrem gelungen. Mit diesem kleinen Abstrich kann ich bei King super leben, ohne Sterne abzuziehen, also ist es sicher kein Wunder, dass auch Melanie Raabes neuestes Werk von mir die vollen fünf Sterne bekommt.

Bewertung vom 18.10.2024
Zwei in einem Leben (MP3-Download)
Nicholls, David

Zwei in einem Leben (MP3-Download)


ausgezeichnet

Nordengland-Wanderung mit Nebeneffekt

Die selbständige Lektorin Marnie, Ende Dreißig, ist seit längerem Single und eigentlich damit zufrieden. Sie hat sich ein wenig eingeigelt in ihrer Londoner Wohnung. Der Erdkundelehrer Michael, Anfang 40, kämpft mit den Spätfolgen seiner gescheiterten Ehe. Cleo ist stellvertretende Schulleiterin an Michaels Schule und hat einen kleinen Plan. Eine Wanderung von Küste zu Küste in Nordengland mit einer Gruppe netter Menschen, darunter auch sie, ihr Mann und ihr Sohn und eben Marnie und Michael soll die beiden ablenken und vielleicht auch zusammenbringen. Beide stimmen zu. Marnie plant, sich nach wenigen Tagen abzusetzen, Michael geht davon aus, dass er sowieso der einzige ist, der diese Tour wirklich durchzieht. Doch erstaunlicher Weise führen die Anstrengung der Wanderung und das typische englische Wetter neben großer Unlust dazu, dass zwar fast alle anderen schnell aufgeben, Marnie und Michael aber erkennen, dass sie sehr gut miteinander reden können und das Wandern trotz Anstrengung ihnen dabei hilft. Also hängt Marnie Tag für Tag einen Abschnitt an und bleibt – bis zu einem Punkt, an dem Michael es trotz aufkeimender Gefühle richtig verbockt.

Ich bin nicht die typische David Nicholls Leserin, doch hier fand ich die Buchbeschreibung interessant und deshalb habe ich mich auf das Abenteuer eingelassen. Und es hat sich absolut gelohnt! Der Autor schafft es, Marnie und Michael über Dinge reden zu lassen, die man fast alle schon so oder ähnlich selbst erlebt oder mitgemacht hat. Damit spricht er mit diesen zwei Figuren den Leser an, zieht sie auf ganz besondere Weise mit ins Geschehen und drückt den einen oder anderen Knopf, zieht hier einen Hebel und legt da einen Schalter um. Das funktioniert richtig gut, ohne zu nerven oder negativ zu sein. Selbst wer nicht wandert, versteht die Gedanken und Gefühle der Protagonisten und warum diese Wanderung solch eine Wirkung hat. Die Story hat einen logischen, aber dennoch interessanten Verlauf. Ein klein wenig unzufrieden war ich mit der einen oder anderen Stelle gegen Ende. Hier reagierten beide nicht wirklich so, wie man sie während des Verlaufs der Wanderung einschätzt.

Diese Story behandelt aber auch Themen, die unter die Haut gehen. Empfindliche Gemüter werden hier ganz sicher getriggert, wenn sie einen tiefen unerfüllten Kinderwunsch haben oder in einer missbräuchlichen Beziehung leben oder lebten. Ich denke jedoch, dass hier aber auch ein klein wenig Hilfe, wie man damit umgehen kann oder soll, enthalten sein kann. Doch auch Humor findet sich in guter Portion und das ist sehr gut so. Marnie und Michael sind so unterschiedlich und doch passen sie perfekt zueinander. Ob sie es merken und wie sie damit umgehen, ist die andere Frage.

Die beiden Sprecher haben ein echtes Erlebnis aus der Story gemacht. Für mich kommen so die Gedanken und Gefühle der Figuren noch stärker rüber, als hatte nur eine Person das Buch eingelesen. Ich habe mich nie gelangweilt und die ganzen zehn Stunden Hörbuch rundum genossen. Es bleibt weiter nicht so ganz mein Genre, aber hin und wieder und in dieser Qualität macht das schon Spaß. Fünf Sterne!

Bewertung vom 18.10.2024
Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch - Das Hörspiel
Ende, Michael

Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch - Das Hörspiel


ausgezeichnet

Auch nach fast vier Jahrzehnten hochaktuell und super gut!

Beelzebub Irrwitzer droht die Pfändung, denn er hat sein mit seinem Namensvetter, also dem Teufel, vertraglich vereinbartes Soll an schrecklichen und bösen Taten im laufenden Jahr nicht erfüllt. Grund dafür, wie er nicht weiß, ist sein Kater Maurizio. Dieser wurde vom Hohen Rat der Tiere als Agent in die Villa Albtraum eingeschleust. Beelezbubs Tante und Gönnerin, die Geldhexe Tyrannja Vamperl, geht es ganz ähnlich. Auch sie ist im Verzug. Bei ihr wurde der Rabe Jakob eingeschleust. Beide ahnen nichts davon, wissen allerdings, dass der jeweils andere die fehlende Hälfte des Rezepts für den satanarchäolügenialkohöllischen Wunschpunsch hat, mit dessen Hilfe sie noch in letzter Sekunde mit Wünschen, die ins Gegenteil umgekehrt werden, alle Schulden begleichen könnten. So finden sie wohl oder über trotz aller Reibereien zusammen. Doch auch Maurizio und Jakob bleiben nicht untätig.

Diese Geschichte hat auch nach mehreren Jahrzehnten seit Erstveröffentlichung ihren ganz besonderen Zauber und ist kein bisschen verstaubt, sondern brandaktuell. Durch die hervorragende Wahl der Sprecher entstand hier ein zauberhaftes Hörspiel, das Groß und Klein gleichermaßen zu begeistern weiß. Die Sprecher haben Endes Figuren wunderbar lebendig werden lassen und ihre Eigenarten herausgestellt. Das Zusammenspiel ergibt die gewünschten Schmunzelmomente und für die Kids gibt es auch einiges zu gruseln. Die Melodien und Geräusche würzen das Ganze ausgezeichnet. Insgesamt macht es sehr großen Spaß, dem Verlauf der Geschichte zu folgen. Selbst wenn man sie schon fast auswendig kennt, hat man hier noch große Freude.

Für mich ist dies eine sehr gelungene Neuauflage mit kleinen Anpassungen an die Gegenwart, an der auch Michael Ende seine Freude gehabt hätte. Ganz klare fünf Sterne.