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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 747 Bewertungen
Bewertung vom 06.02.2024
Die Liebe in den Zeiten der Cholera
García Márquez, Gabriel

Die Liebe in den Zeiten der Cholera


sehr gut

Die Sehnsucht kennt kein Verfallsdatum, sie kann Menschen über Jahrzehnte begleiten. Betroffen ist der Telegrafist Florentino Ariza, der sich in jungen Jahren unsterblich in Fermina Daza verliebt und ihr unzählige Briefe schreibt. Ihr Vater Lorenzo Daza ist gegen die Beziehung und bewirkt die Trennung. Fermina soll in die bessere Gesellschaft einheiraten.

Sie lernt den angesehenen Arzt Juvenal Urbino kennen, der sie umwirbt. Sie heiraten und bleiben über fünfzig Jahre zusammen, bis Juvenal stirbt. Die Ehe ist nicht wirklich glücklich, eine Affäre Juvenals führt fast zur Trennung. Dennoch bleiben sie zusammen. Zwischenzeitlich macht Florentino Karriere. Fermina und Florentino laufen sich gelegentlich über den Weg, aber sie zeigt kein Interesse an ihm.

In den folgenden Jahrzehnten ist Florentino kein Kind von Traurigkeit, hat zahlreiche Beziehungen zu unterschiedlichen Frauen, verliebt sich aber nicht in sie. Seine Liebe gehört einzig und allein Fermina, auf die er quasi sein Leben lang wartet. "Die Liebe in Zeiten der Cholera" ist eine bewegende Liebesgeschichte über Sehnsucht, Verzicht, Tragik und tiefe Gefühle.

Die Cholera spielt nur im Hintergrund eine Rolle. Sie wird am Ende auf einer gemeinsamen Schiffsreise aber Mittel zum Zweck. Der Schreibstil von Márquez ist lesefreundlich, verständlich und fesselnd und damit deutlich besser als in „Hundert Jahre Einsamkeit“. Die Geschichte ist eine Hommage an die unsterbliche Liebe, die Zeiten und Hindernisse überwinden kann.

Bewertung vom 14.01.2024
Das fünfte Kind
Lessing, Doris

Das fünfte Kind


gut

Harriet und David Lovatt sind ein konservatives Ehepaar. Sie haben ähnliche Vorstellungen vom Leben und wünschen sich viele Kinder. Mit ihrem fünften Kind Ben gerät ihre Welt aus den Fugen. Er ist physisch und psychisch völlig anders als ihre ersten vier Kinder, wirkt lieblos und dumm, besitzt eine enorme Kraft und gleicht mit diesen Attributen eher einem archaischen Menschen.

Welche Folgen hat es, wenn die Lebenswirklichkeit nicht mehr mit den Vorstellungen vom Leben übereinstimmt? Wie arrangieren sich Menschen mit dem Fremdartigen? Bei Harriet wird deutlich: Pflichtbewusstsein und Mutterliebe führen einen Kampf. Andere wenden sich ab. David und auch Bens Geschwister gehen Ben aus dem Weg. Auch Freunde und Verwandte brechen weitgehend den Kontakt ab.

Doris Lessing behandelt in diesem Roman auch das Spannungsfeld Schuldgefühl und Verantwortung, welches jeder für sich interpretiert. Ben wird älter und er findet Freunde, die sich am Rande der Gesellschaft bewegen. Die Autorin deutet nur noch an, welche Entwicklung Ben nimmt, ohne diese konkret zu beschreiben. Der Umgang mit dem Fremdartigen sowie Pflicht und Verantwortung sind zeitlose Themen.

Bewertung vom 03.01.2024
Lenz / Der Hessische Landbote
Büchner, Georg

Lenz / Der Hessische Landbote


gut

Georg Büchner (1813 – 1837) verarbeitet in seiner Novelle „Lenz“ den sich verschlechternden geistigen Zustand des Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792). Er bezieht sich dabei auf Aufzeichnungen des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin, den Lenz im Zuge seiner Krankheit aufgesucht hatte.

Lenz leidet unter Stimmungsschwankungen, Angstzuständen, Wahnvorstellungen und Suizidgedanken. Er flieht aus der Stadt und trifft in dem Dorf Waldbach im Elsass Pfarrer Oberlin, der bemüht ist. Ihm zu helfen. Er erkennt im Laufe der Zeit, dass seine Möglichkeiten begrenzt sind.

Büchner beschreibt in dieser Geschichte im wesentlichen einen psychischen Krankheitsverlauf. Eingewoben sind kunsthistorische Diskussionen über Idealismus und Realismus. Der damalige Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig und eine übersichtliche Strukturierung in Absätze und Kapitel wäre hilfreich gewesen.

„Der Hessische Landbote“ ist ein Pamphlet gegen die sozialen Missstände seiner Zeit, ein Aufruf zur Revolution an die Landbevölkerung gegen Regierung und Adel. Es sind zwei Fassungen abgedruckt, die ursprüngliche Fassung von Juli 1834 von Georg Büchner und die später von Friedrich Ludwig Weidig und Leopold Eichelberg abgeschwächte Fassung von November 1834.

Der Text enthält eine massive Kritik gegen die Steuergesetzgebung, gegen die Voreingenommenheit von Richtern, gegen das Beamtentum und gegen Regierung und Adel im Großherzogtum Hessen. Es wird Bezug genommen zur Französischen Revolution. Das Flugblatt hatte für einige Betroffene erhebliche Konsequenzen.

Ich hätte es begrüßt, wenn in dem Buch Erläuterungen zu den beiden Texten enthalten wären (Vorwort, Nachwort), da ein Verständnis und eine zeitgeschichtliche Zuordnung ohne Metainformationen kaum möglich ist. Manche bezeichnen diese Schrift als erstes Manifest einer sozialen Revolution.

Bewertung vom 30.12.2023
Gehirnwäsche trage ich nicht
Sprenger, Reinhard K.

Gehirnwäsche trage ich nicht


sehr gut

Wie der Titel bereits zum Ausdruck bringt, geht es in diesem Buch um die Freiheit, selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten. Sprenger hat sich bereits 1991 in „Mythos Motivation“ mit Beeinflussungstechniken und deren Auswirkungen beschäftigt und damit gegen den Trend argumentiert. Die philosophischen Grundlagen zu seinen Thesen erläutert er 1996 in „Prinzip Selbstverantwortung“ und betont Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene Handeln. Das setzt Vertrauen voraus, wie Sprenger 2002 in „Vertrauen führt“ deutlich macht. Das Individuum und seine Kreativität sollen gestärkt werden (siehe „Aufstand des Individuums“ von 2000).

„Gehirnwäsche trage ich nicht“ besteht aus Veröffentlichungen für Zeitungen und Magazinen aus den vergangenen Jahren, in denen der Autor Thesen aus seinen früheren Büchern erläutert. Insofern werden die Kenner seiner Werke wenig neues finden. Dennoch ist es immer wieder interessant, sich von einem unabhängigen Denker wie Sprenger inspirieren zu lassen. Ist der Mensch bereit für diese Freiheit? Real wird Verantwortung von denjenigen, die dafür bezahlt werden, immer wieder abgeschoben. Der Staat behandelt Bürger als unmündige Kinder. Offensichtlich ist der Mensch noch nicht reif genug, um selbstbestimmt leben zu können.

Bewertung vom 22.12.2023
Der Riss
Hye-young, Pyun

Der Riss


sehr gut

Ogi hat einen Unfall verursacht, bei dem seine Frau gestorben ist. Er selbst überlebt schwerstverletzt und wird zum Pflegefall. Da er keine lebenden Verwandten hat, übernimmt seine Schwiegermutter die Pflege. Die Beziehung zur Schwiegermutter ist sehr angespannt, das war sie auch schon vor dem tragischen Unfall. Damit ist der Rahmen abgesteckt, für diesen emotionalen Roman über Schuld und Einsamkeit.

Hye-Young Pyun erzählt die Geschichte aus der Sicht von Ogi. Da er nicht sprechen kann, besteht das Buch überwiegend aus seiner Gedankenwelt. Vergangenes wird aufgearbeitet und tiefe Risse werden deutlich, auch in der Beziehung zu seiner Frau. Eine Trennung stand vor dem Unfall im Raum. Ogis Schwiegermutter setzt immer mehr ihren eigenen Kopf durch und nimmt zunehmend weniger Rücksicht auf Ogi.

Für die Leser ist es eine lehrreiche Erfahrung, die Sicht eines pflegebedürftigen Menschen kennenzulernen, der sich kaum bewegen und nicht sprechen kann. Seine Erlebniswelt kreist um die Dinge, die sich im Sichtfeld befinden und um Vergangenes, was reflektiert, aber nicht mehr aufgearbeitet werden kann. Ogi fällt in ein Loch, aus dem er sich nicht mehr befreien kann. Der Autorin gelingt es, menschliche Abgründe plausibel darzustellen.

Bewertung vom 11.12.2023
Die Schatz-Gräber
Wurster, Wolfgang W

Die Schatz-Gräber


sehr gut

Das Buch hätte statt „Die Schatz- Gräber“ auch „Die Schatz- Räuber“ heißen können, denn der Autor berichtet u.a. über Fälle von Grabplünderungen, die es den Archäologen anschließend schwer machen, die kulturellen Handlungen anhand der Funde fachgerecht zu interpretieren.

Wolfgang W. Wurster führte als Archäologe einige Ausgrabungen in Südamerika, insbesondere im Reich der Inka, durch. In diesem Buch stellt er seine Ergebnisse vor, erläutert seine abenteuerlichen Expeditionen in frühe Kulturen und berichtet über seine Erfahrungen bei den Ausgrabungen.

Die Inkas entwickelten eine einzigartige Hochkultur in einer lebensfeindlichen Umwelt, bis die Invasoren aus Spanien dem ein Ende setzten, das Reich plünderten und die Menschen ermordeten. 90 % der ursprünglich 80 Millionen Menschen wurden innerhalb von 50 Jahren ausgerottet.

Das Buch enthält zahlreiche Fotos und Zeichnungen, die das Leben der Inkas und ihre architektonischen Leistungen, die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie ihre Bestattungsrituale darstellen. Das Werk kann ich jedem empfehlen, der sich für die Geschichte Südamerikas interessiert.

Bewertung vom 08.12.2023
Die letzten Geheimnisse unserer Welt

Die letzten Geheimnisse unserer Welt


gut

Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte voller Geheimnisse. Archäologische Funde und historische Bauwerke deuten darauf hin, dass es vor Jahrtausenden bereits Hochkulturen gab, die Techniken entwickelt haben, die wir heute noch nicht verstehen. Auch die Völker selbst geben Rätsel auf, woher kamen sie, wohin gingen sie?

Wer schuf die Riesen auf der Osterinsel? In Platons Aufzeichnungen findet man Hinweise auf Atlantis. Gab es die Insel Atlantis wirklich? Wer schuf die Zeichnungen in der Wüste von Nazca? Weltweit findet man Überreste von Kultstätten und gigantischen Bauwerken. Die Autoren klären über den derzeitigen Wissensstand auf.

Viele Geheimnisse können heute nicht gelüftet werden. Dennoch ist es spannend, über die Forschungen informiert zu werden. Das Buch ist ansprechend gestaltet, verständlich und voller Fotos und Grafiken. Der einzige Nachteil besteht darin, dass sich der Stand auf die revidierte Auflage aus dem Jahr 1989 bezieht.

Bewertung vom 06.12.2023
Regen
Schirach, Ferdinand von

Regen


gut

„Regen“ ist ein Theatermonolog eines erfolglosen Schriftstellers, der seit 17 Jahren nichts mehr geschrieben hat. Er ist ein distanzierter Mensch, möchte in Ruhe gelassen werden, muss aber als Schöffe in einem Strafprozess auftreten. Gegen die Berufung kann er sich nicht wehren.

Nach dem ersten Verhandlungstag denkt er in einer Selbstschau über das Leben nach, sinniert über Kunst, Literatur, Philosophie und Objektivität. „Draußen ist es nur von drinnen schön.“ (49) Er beschreibt die Ambivalenz des Seins auf einfache Art und Weise und nimmt Perspektivwechsel vor.

Seine Ausführungen sind sprachgewaltig, ausdrucksstark, voller Querverweise zur Literatur. Ferdinand von Schirach spiegelt sich in diesem Werk, so der Eindruck, wenn man das anschließende Interview gelesen hat. Zumindest werden Facetten aus der Welt des Autors deutlich.

Der Autor brilliert mit einem umfangreichen Wissen über Literatur und Philosophie. Er plaudert auf hohem Niveau, wenngleich das Fazit bodenständig ist: Im Leben geht es nur um das Überleben auf Basis von Mutation und Selektion. Ein weiterer Sinn ist für uns Menschen nicht erkennbar.

Auffallend sind die große Schrift und die wenigen Seiten dieses Büchleins, dafür ist es relativ teuer. Das Interview ist nicht neu, sondern wurde bereits in einer Zeitung veröffentlicht. Die Geschichte wirkt wie ein Ausschnitt aus einem größeren Werk, welches mit dem Kauf dieses Buches bereits bezahlt wurde.

Bewertung vom 04.12.2023
Ohne Worte
Havener, Thorsten

Ohne Worte


gut

Niemand kann Gedanken lesen, wer sich aber intensiv mit menschlichen Verhaltensweisen und der Körpersprache beschäftigt, erfährt eine Menge darüber, was ein Mensch denkt bzw. wie er sich fühlt. Thorsten Havener beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Zauberei, kennt viele Tricks und ist darauf geschult, Menschen zu beobachten, ihre Mimik zu deuten und sie gezielt zu beeinflussen. In diesem Buch beschreibt er, wie man die Körpersprache lesen kann, um diese Fähigkeit privat und beruflich für sich nutzen zu können.

Die Leser werden für das Thema sensibilisiert und erkennen die Bedeutung bestimmter Verhaltensweisen. Menschenkenntnis ist grundsätzlich hilfreich. Havener bringt das Thema unterhaltsam rüber, wenngleich er sich einige Male selbst auf die Schulter klopft. Er stellt ein paar seiner Experimente vor und erläutert auch, wie er Lampenfieber vor großen Auftritten bekämpft. Manche seiner Tipps findet man in Büchern über Rhetorik bzw. in psychologischen Ratgebern wieder. Interessant ist, dass sich hier ein Illusionist in die Karten schauen lässt und brauchbare Tipps gibt.

Bewertung vom 21.11.2023
Vertraute Welt
Sok-Yong, Hwang

Vertraute Welt


sehr gut

Südkorea ist ein moderner erfolgreicher Industriestaat. Die Anforderungen an Schüler und Berufstätige sind sehr hoch. Aber nicht jeder wird erfolgreich. Einige fallen durchs Raster und landen in Slums oder noch schlimmer – wie in Hwang Sok-yongs Buch beschrieben – auf einer Mülldeponie, wo sie wohnen und ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, verwertbares Material aus dem Müll auszusortieren.

Der Autor beschreibt das Leben des 13-jährigen Glupschaug und seinem Freund Glatzfleck auf einer riesigen Müllhalde am Rande von Seoul. Selbst auf dieser untersten Skala der Gesellschaft gibt es eine Hackordnung und werden Claims abgesteckt. Die Menschen leben in einfachen Bretterbuden und ernähren sich von den Abfällen der Zivilisation.

Das rauhe Leben prägt die Menschen, formt ihren Charakter. Die gigantischen Müllberge und ihre Bewohner bilden den Schatten der modernen kapitalistischen Wegwerfgesellschaft, nicht nur in Seoul, sondern weltweit. Hwang Sok-yong beleuchtet diese Welt ohne Bewertung bzw. Kritik am System. Er macht aufmerksam auf Probleme, die uns zu denken geben sollten.