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Raumzeitreisender
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 745 Bewertungen
Bewertung vom 03.01.2024
Lenz / Der Hessische Landbote
Büchner, Georg

Lenz / Der Hessische Landbote


gut

Georg Büchner (1813 – 1837) verarbeitet in seiner Novelle „Lenz“ den sich verschlechternden geistigen Zustand des Schriftstellers Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792). Er bezieht sich dabei auf Aufzeichnungen des Pfarrers Johann Friedrich Oberlin, den Lenz im Zuge seiner Krankheit aufgesucht hatte.

Lenz leidet unter Stimmungsschwankungen, Angstzuständen, Wahnvorstellungen und Suizidgedanken. Er flieht aus der Stadt und trifft in dem Dorf Waldbach im Elsass Pfarrer Oberlin, der bemüht ist. Ihm zu helfen. Er erkennt im Laufe der Zeit, dass seine Möglichkeiten begrenzt sind.

Büchner beschreibt in dieser Geschichte im wesentlichen einen psychischen Krankheitsverlauf. Eingewoben sind kunsthistorische Diskussionen über Idealismus und Realismus. Der damalige Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig und eine übersichtliche Strukturierung in Absätze und Kapitel wäre hilfreich gewesen.

„Der Hessische Landbote“ ist ein Pamphlet gegen die sozialen Missstände seiner Zeit, ein Aufruf zur Revolution an die Landbevölkerung gegen Regierung und Adel. Es sind zwei Fassungen abgedruckt, die ursprüngliche Fassung von Juli 1834 von Georg Büchner und die später von Friedrich Ludwig Weidig und Leopold Eichelberg abgeschwächte Fassung von November 1834.

Der Text enthält eine massive Kritik gegen die Steuergesetzgebung, gegen die Voreingenommenheit von Richtern, gegen das Beamtentum und gegen Regierung und Adel im Großherzogtum Hessen. Es wird Bezug genommen zur Französischen Revolution. Das Flugblatt hatte für einige Betroffene erhebliche Konsequenzen.

Ich hätte es begrüßt, wenn in dem Buch Erläuterungen zu den beiden Texten enthalten wären (Vorwort, Nachwort), da ein Verständnis und eine zeitgeschichtliche Zuordnung ohne Metainformationen kaum möglich ist. Manche bezeichnen diese Schrift als erstes Manifest einer sozialen Revolution.

Bewertung vom 30.12.2023
Gehirnwäsche trage ich nicht
Sprenger, Reinhard K.

Gehirnwäsche trage ich nicht


sehr gut

Wie der Titel bereits zum Ausdruck bringt, geht es in diesem Buch um die Freiheit, selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten. Sprenger hat sich bereits 1991 in „Mythos Motivation“ mit Beeinflussungstechniken und deren Auswirkungen beschäftigt und damit gegen den Trend argumentiert. Die philosophischen Grundlagen zu seinen Thesen erläutert er 1996 in „Prinzip Selbstverantwortung“ und betont Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene Handeln. Das setzt Vertrauen voraus, wie Sprenger 2002 in „Vertrauen führt“ deutlich macht. Das Individuum und seine Kreativität sollen gestärkt werden (siehe „Aufstand des Individuums“ von 2000).

„Gehirnwäsche trage ich nicht“ besteht aus Veröffentlichungen für Zeitungen und Magazinen aus den vergangenen Jahren, in denen der Autor Thesen aus seinen früheren Büchern erläutert. Insofern werden die Kenner seiner Werke wenig neues finden. Dennoch ist es immer wieder interessant, sich von einem unabhängigen Denker wie Sprenger inspirieren zu lassen. Ist der Mensch bereit für diese Freiheit? Real wird Verantwortung von denjenigen, die dafür bezahlt werden, immer wieder abgeschoben. Der Staat behandelt Bürger als unmündige Kinder. Offensichtlich ist der Mensch noch nicht reif genug, um selbstbestimmt leben zu können.

Bewertung vom 22.12.2023
Der Riss
Hye-young, Pyun

Der Riss


sehr gut

Ogi hat einen Unfall verursacht, bei dem seine Frau gestorben ist. Er selbst überlebt schwerstverletzt und wird zum Pflegefall. Da er keine lebenden Verwandten hat, übernimmt seine Schwiegermutter die Pflege. Die Beziehung zur Schwiegermutter ist sehr angespannt, das war sie auch schon vor dem tragischen Unfall. Damit ist der Rahmen abgesteckt, für diesen emotionalen Roman über Schuld und Einsamkeit.

Hye-Young Pyun erzählt die Geschichte aus der Sicht von Ogi. Da er nicht sprechen kann, besteht das Buch überwiegend aus seiner Gedankenwelt. Vergangenes wird aufgearbeitet und tiefe Risse werden deutlich, auch in der Beziehung zu seiner Frau. Eine Trennung stand vor dem Unfall im Raum. Ogis Schwiegermutter setzt immer mehr ihren eigenen Kopf durch und nimmt zunehmend weniger Rücksicht auf Ogi.

Für die Leser ist es eine lehrreiche Erfahrung, die Sicht eines pflegebedürftigen Menschen kennenzulernen, der sich kaum bewegen und nicht sprechen kann. Seine Erlebniswelt kreist um die Dinge, die sich im Sichtfeld befinden und um Vergangenes, was reflektiert, aber nicht mehr aufgearbeitet werden kann. Ogi fällt in ein Loch, aus dem er sich nicht mehr befreien kann. Der Autorin gelingt es, menschliche Abgründe plausibel darzustellen.

Bewertung vom 11.12.2023
Die Schatz-Gräber
Wurster, Wolfgang W

Die Schatz-Gräber


sehr gut

Das Buch hätte statt „Die Schatz- Gräber“ auch „Die Schatz- Räuber“ heißen können, denn der Autor berichtet u.a. über Fälle von Grabplünderungen, die es den Archäologen anschließend schwer machen, die kulturellen Handlungen anhand der Funde fachgerecht zu interpretieren.

Wolfgang W. Wurster führte als Archäologe einige Ausgrabungen in Südamerika, insbesondere im Reich der Inka, durch. In diesem Buch stellt er seine Ergebnisse vor, erläutert seine abenteuerlichen Expeditionen in frühe Kulturen und berichtet über seine Erfahrungen bei den Ausgrabungen.

Die Inkas entwickelten eine einzigartige Hochkultur in einer lebensfeindlichen Umwelt, bis die Invasoren aus Spanien dem ein Ende setzten, das Reich plünderten und die Menschen ermordeten. 90 % der ursprünglich 80 Millionen Menschen wurden innerhalb von 50 Jahren ausgerottet.

Das Buch enthält zahlreiche Fotos und Zeichnungen, die das Leben der Inkas und ihre architektonischen Leistungen, die gesellschaftlichen Verhältnisse sowie ihre Bestattungsrituale darstellen. Das Werk kann ich jedem empfehlen, der sich für die Geschichte Südamerikas interessiert.

Bewertung vom 08.12.2023
Die letzten Geheimnisse unserer Welt

Die letzten Geheimnisse unserer Welt


gut

Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte voller Geheimnisse. Archäologische Funde und historische Bauwerke deuten darauf hin, dass es vor Jahrtausenden bereits Hochkulturen gab, die Techniken entwickelt haben, die wir heute noch nicht verstehen. Auch die Völker selbst geben Rätsel auf, woher kamen sie, wohin gingen sie?

Wer schuf die Riesen auf der Osterinsel? In Platons Aufzeichnungen findet man Hinweise auf Atlantis. Gab es die Insel Atlantis wirklich? Wer schuf die Zeichnungen in der Wüste von Nazca? Weltweit findet man Überreste von Kultstätten und gigantischen Bauwerken. Die Autoren klären über den derzeitigen Wissensstand auf.

Viele Geheimnisse können heute nicht gelüftet werden. Dennoch ist es spannend, über die Forschungen informiert zu werden. Das Buch ist ansprechend gestaltet, verständlich und voller Fotos und Grafiken. Der einzige Nachteil besteht darin, dass sich der Stand auf die revidierte Auflage aus dem Jahr 1989 bezieht.

Bewertung vom 06.12.2023
Regen
Schirach, Ferdinand von

Regen


gut

„Regen“ ist ein Theatermonolog eines erfolglosen Schriftstellers, der seit 17 Jahren nichts mehr geschrieben hat. Er ist ein distanzierter Mensch, möchte in Ruhe gelassen werden, muss aber als Schöffe in einem Strafprozess auftreten. Gegen die Berufung kann er sich nicht wehren.

Nach dem ersten Verhandlungstag denkt er in einer Selbstschau über das Leben nach, sinniert über Kunst, Literatur, Philosophie und Objektivität. „Draußen ist es nur von drinnen schön.“ (49) Er beschreibt die Ambivalenz des Seins auf einfache Art und Weise und nimmt Perspektivwechsel vor.

Seine Ausführungen sind sprachgewaltig, ausdrucksstark, voller Querverweise zur Literatur. Ferdinand von Schirach spiegelt sich in diesem Werk, so der Eindruck, wenn man das anschließende Interview gelesen hat. Zumindest werden Facetten aus der Welt des Autors deutlich.

Der Autor brilliert mit einem umfangreichen Wissen über Literatur und Philosophie. Er plaudert auf hohem Niveau, wenngleich das Fazit bodenständig ist: Im Leben geht es nur um das Überleben auf Basis von Mutation und Selektion. Ein weiterer Sinn ist für uns Menschen nicht erkennbar.

Auffallend sind die große Schrift und die wenigen Seiten dieses Büchleins, dafür ist es relativ teuer. Das Interview ist nicht neu, sondern wurde bereits in einer Zeitung veröffentlicht. Die Geschichte wirkt wie ein Ausschnitt aus einem größeren Werk, welches mit dem Kauf dieses Buches bereits bezahlt wurde.

Bewertung vom 04.12.2023
Ohne Worte
Havener, Thorsten

Ohne Worte


gut

Niemand kann Gedanken lesen, wer sich aber intensiv mit menschlichen Verhaltensweisen und der Körpersprache beschäftigt, erfährt eine Menge darüber, was ein Mensch denkt bzw. wie er sich fühlt. Thorsten Havener beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Zauberei, kennt viele Tricks und ist darauf geschult, Menschen zu beobachten, ihre Mimik zu deuten und sie gezielt zu beeinflussen. In diesem Buch beschreibt er, wie man die Körpersprache lesen kann, um diese Fähigkeit privat und beruflich für sich nutzen zu können.

Die Leser werden für das Thema sensibilisiert und erkennen die Bedeutung bestimmter Verhaltensweisen. Menschenkenntnis ist grundsätzlich hilfreich. Havener bringt das Thema unterhaltsam rüber, wenngleich er sich einige Male selbst auf die Schulter klopft. Er stellt ein paar seiner Experimente vor und erläutert auch, wie er Lampenfieber vor großen Auftritten bekämpft. Manche seiner Tipps findet man in Büchern über Rhetorik bzw. in psychologischen Ratgebern wieder. Interessant ist, dass sich hier ein Illusionist in die Karten schauen lässt und brauchbare Tipps gibt.

Bewertung vom 21.11.2023
Vertraute Welt
Sok-Yong, Hwang

Vertraute Welt


sehr gut

Südkorea ist ein moderner erfolgreicher Industriestaat. Die Anforderungen an Schüler und Berufstätige sind sehr hoch. Aber nicht jeder wird erfolgreich. Einige fallen durchs Raster und landen in Slums oder noch schlimmer – wie in Hwang Sok-yongs Buch beschrieben – auf einer Mülldeponie, wo sie wohnen und ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, verwertbares Material aus dem Müll auszusortieren.

Der Autor beschreibt das Leben des 13-jährigen Glupschaug und seinem Freund Glatzfleck auf einer riesigen Müllhalde am Rande von Seoul. Selbst auf dieser untersten Skala der Gesellschaft gibt es eine Hackordnung und werden Claims abgesteckt. Die Menschen leben in einfachen Bretterbuden und ernähren sich von den Abfällen der Zivilisation.

Das rauhe Leben prägt die Menschen, formt ihren Charakter. Die gigantischen Müllberge und ihre Bewohner bilden den Schatten der modernen kapitalistischen Wegwerfgesellschaft, nicht nur in Seoul, sondern weltweit. Hwang Sok-yong beleuchtet diese Welt ohne Bewertung bzw. Kritik am System. Er macht aufmerksam auf Probleme, die uns zu denken geben sollten.

Bewertung vom 19.11.2023
Der zwölfte Planet
Sitchin, Zecharia

Der zwölfte Planet


schlecht

Vor langer Zeit ist der Planet Nibiru in unser Sonnensystem eingedrungen und mit dem zwischen der Mars- und der Jupiterbahn befindlichen Planet Tiamat kollidiert. Tiamat sei in zwei Hälften gespalten worden - aus der einen Hälfte entstand der Asteroidengürtel, aus der anderen Hälfte die Erde, die in einen neuen Orbit geschleudert wurde und dabei den Mond einfing. Der Eindringling Nibiru wurde 12. Planet unseres Sonnensystems, mit einer stark elliptischen Umlaufbahn von 3.600 Jahren.

Dennoch habe sich auf Nibiru eine blühende Zivilisation entwickelt. Deren Bewohner, die Anunnaki, haben wegen erheblicher Umweltprobleme vor 445.000 Jahren die Erde aufgesucht. Die Invasoren hätten, um ihren eigenen Planeten zu retten, auf der Erde Gold abgebaut und nach Nibiru verfrachtet. Sie sollen die Erde kolonisiert und den Menschen als Arbeitssklaven erschaffen haben, der im Auftrag der Außerirdischen vor allem im Bergwerk arbeiten musste.

Das sind Thesen von Zecharia Sitchin, der die archaischen Texte und Bilder der Sumerer in diesem Sinne deutet. Nach seiner Ansicht muss die Entstehungsgeschichte der Erde und der Menschheit neu geschrieben werden. Ein berechtigter Einwand von ihm ist die Tatsache, dass in Sumer, nach einer hunderttausende von Jahren andauernden Entwicklung mit wenigen Fortschritten, in kurzer Zeit eine hochentwickelte Kultur entstanden ist. Die Sumerer verfügten u.a. über astronomische Kenntnisse.

Der Autor glänzt mit Detailwissen, welches der Leser ohne archäologische Kenntnisse und ohne intensive Studien der alte Schriften nicht nachvollziehen kann. Dennoch taucht sein Name in seriöser Literatur nicht auf. Er interpretiert archaische Texte und Funde einseitig im Sinne seiner Thesen, ohne Abgleich mit den Naturwissenschaften. Seine Ausführungen sind spekulativ. Nicht nur das: Sie widersprechen aktuellen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über die Entstehung unseres Sonnensystems.

Auf einem Eisplaneten wie Nibiru, der sich auf einer Bahn weit außerhalb unseres Sonnensystems befinden soll, könnte sich kein Leben entwickeln. Zudem wurde dieser Planet nie gesichtet. Auch wundert man sich über die unsere biologischen Erkenntnisse außer Kraft setzenden langen Lebensspannen der Protagonisten. Sitchin liefert keine Beweise, die einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten, sondern bietet eine weitere fantastische Hypothese auf dem Markt der esoterischen Möglichkeiten an.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2023
Sofies Spiegelwelt
Durwen, Karl-Josef

Sofies Spiegelwelt


weniger gut

Inspiriert von Jostein Gaarders „Sofies Welt“ kreiert Karl-Josef Durwen eine fantastische Abenteuerreise durch die Welt der Philosophie. Protagonisten sind die Geschwister Iris und Elena sowie ihre Spiegelschwestern Siri und Anele aus der virtuellen Philosophieschule Ureda.

Es geht um existenzielle Fragen, um wissenschaftliche Fragen sowie Fragen über die Grenzen unserer Erkenntnismöglichkeiten. Philosophie wird erlebt, nicht nur erläutert. Iris und Elena nehmen über ihren Computer Kontakt auf mit Heureka. Der Lehrmeister von Siri und Anele ist Wendur.

Was passiert real und was geschieht in der Spiegelwelt? Bei den langen namenlosen Dialogen kann man da schon einmal durcheinander kommen. Die Kenntnis von „Sofies Welt“, „Star-Trek“, „Die unendliche Geschichte“ und „Das Licht der Phantasie“ sind für das Verständnis notwendig.

Die Ausführungen zur Philosophie sind hilfreich, die Rahmenhandlung eher undurchsichtig und ob Kinder dem Inhalt folgen können, zumindest zweifelhaft. Ich würde zum Thema eher ein Sachbuch lesen oder ein Buch, bei dem die Hintergrundgeschichte einfacher strukturiert ist, wie z.B. bei „Sofies Welt“.