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Benutzername: 
Diamondgirl
Wohnort: 
Stolberg
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 120 Bewertungen
Bewertung vom 26.04.2021
Die Wahrheit der Dinge
Thiele, Markus

Die Wahrheit der Dinge


sehr gut

Außergewöhnlich und mit Tiefgang

Frank Petersen ist mit ganzem Herzen Richter, aber in den letzten Jahren hat er begonnen, an sich selbst zu zweifeln. Einige seiner Urteile wurden vom BGH aufgehoben und er ist sich nicht sicher, ob er seinen Beruf noch so ausübt, wie er es von sich selbst erwartet. Sein letztes Urteil ist so umstritten, dass sogar seine Frau sich von ihm abwendet und ihn mitsamt Sohn verlässt. Obwohl er sicher ist, dass er gemäß Gesetz und besten Gewissens vorurteilsfrei geurteilt hat. Auch dieser Fall kommt vor den Bundesgerichtshof und dessen Entscheidung steht zu erwarten. Petersen überlegt, seinen Beruf an den Nagel zu hängen.

Es fällt nicht ganz leicht, dieses Buch zu rezensieren, ohne zu viel vom Inhalt zu verraten. Die Misere begann für ihn, als 2010 kurz vor seiner Urteilsverkündung der angeklagte Täter aus dem rechten Milieu von der Mutter des Opfers im Gerichtssaal erschossen wird. Seitdem fragt er sich, ob er einen Fehler machte, ob er diese Tat hätte verhindern können. Nun, im Jahr 2015, wird die Täterin aus der Haft entlassen und alles droht Petersen erneut zu überrollen.

Dieses Buch ist von einem Thriller sicherlich weit entfernt. Es ist eher eine Analyse - sowohl der Psyche des Richters als auch des Justizsystems. Parallel erzählt das Buch in 3 Erzählsträngen unterschiedlicher Zeiten und erst im Verlauf der Geschichte erfährt der/die Lesende, wie alles aufeinander aufbaut und miteinander verbunden ist.
Interessant ist, dass die Protagonisten teils an den realen Fällen Bachmeier und Kiowa angelehnt sind. Das sollte einem vielleicht bewusst machen, dass das Geschilderte nicht nur abenteuerliche Fiktion ist, sondern jederzeit überall passieren kann.
Der Schreibstil ist überraschend gut und sehr eingängig. Die Charaktere sind wirklich gut heraus gearbeitet und ich konnte mich in jede der Personen hervorragend einfühlen. Und das ohne jede übermäßige Rührseligkeit und bei entsprechender Sachlichkeit. Die Gedankengänge und Gefühle waren schlichtweg nachvollziehbar und in meinen Augen sehr tiefgehend.

Fazit: Ein ruhiges Buch, dass ich nur jedem ans Herz legen kann, der etwas über die Problematik von Urteilsfindung und -tragweite lesen möchte.

Bewertung vom 10.04.2021
Der große Sommer
Arenz, Ewald

Der große Sommer


sehr gut

Friedrich Büchner, der Ich-Erzähler in diesem Buch, wandert einerseits über den Friedhof und sucht nach einem bestimmten Grab, andererseits mit seinen Gedanken in seine Jugendzeit zurück. In jenen Sommer, am Ende der 9. Klasse - die Frieder wieder einmal nicht geschafft hatte wegen Mathe und Latein. Er muss als letzte Chance zur Nachprüfung und verbringt aus diesem Grund die kompletten Sommerferien bei seinen Großeltern, um den Stoff nachzuholen und für die Prüfung zu pauken, während seine Eltern mit den kleineren Geschwistern in Camping-Urlaub fahren.
Seine Großmutter, von allen Nana genannt, liebt er sehr und freut sich auch auf sie. Vor seinem Großvater hingegen hat er nicht nur riesigen Respekt, sondern regelrecht Angst vor seine Stränge und Unnachgiebigkeit.
Zum Glück ist noch Johann da, sein bester Freund, und Alma, seine Schwester, die in einem Altenheim ein Praktikum während der Ferien absolviert und währenddessen im Schwesternheim wohnt. Kurz vor den Ferien lernt er Beate im Schwimmbad kennen und ist auf Anhieb ein wenig verschossen in sie. Gemeinsam verbringen die Vier viel freie Zeit und so manches nimmt seinen Lauf.

Die Geschichte plätschert zunächst etwas belanglos vor sich hin wie ein leichter Coming-of-Age-Roman. Soll heißen: erste große Liebe, Probleme in der Schule und mit Freunden, verständnislose Erwachsene etc. Zunächst denkt man noch beim lesen "Na und?" Aber dann zeigt sich, wie Arenz sein Metier versteht. Es ist beileibe kein Jugendbuch, sondern es lässt die Lesenden so vieles nachvollziehen - nicht nur aus der eigenen Kindheit, sondern auch aus der Kindheit eigener Kinder. Man erinnert sich seiner eigenen, teils turbulenten Pubertät und ich staunte nicht schlecht, wie sehr ich mich an dieses Alter unserer Söhne erinnert fühlte.
Durch die Erinnerungen des Ich-Erzählers kann man an den Gedanken und Gefühlen des jungen Frieders teilhaben. Die Story entwickelt sich und alles gerät ins wanken. Frieder verliert immer mehr den Überblick und wird förmlich von den Ereignissen - teils nicht beeinflussbar, teils selbst verursacht - überrollt. Und er erfährt im Laufe dieser 6 Ferienwochen, dass nicht immer alles so klar ist, wie es scheint. Er erfährt neben der ersten Liebe auch, was Familie, wahre Freundschaft und Liebe bedeuten kann, was wirklicher Mut ist und dass Strenge nicht gleichzusetzen ist mit Lieblosigkeit. Ganz so, wie er es selbst zu Anfang des Buches sagt, werden diese 6 Wochen seine Reifeprüfung für das Leben als Erwachsener. Danach ist er definitiv kein Kind mehr.

Alle Charaktere sind glaubhaft und authentisch. Passend zur Zeit und passend zum jeweiligen Alter. Das Buch ist an keiner Stelle rührselig, aber durchaus emotional. Die Schreibweise ist durchweg angenehm und einfach zu lesen. Manchmal hätte ich mir hier mehr Raffinesse gewünscht. Aber es passt durchaus zum Thema.
Ich jedenfalls habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen!

Bewertung vom 05.03.2021
Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen?
Erdmann, Johannes

Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen?


sehr gut

Informativ und amüsant

Drei Jahre betreiben Johannes Erdmann und seine Frau Cati mit einem Katamaran einen Charterbetrieb auf den Bahamas. In seinem Buch hat Erdmann zahlreiche Anekdoten aus seinem Skipperleben mit den Charter-Crews auf amüsante Weise festgehalten.
Zwar hatte ich mir insgesamt ein witzigeres Buch versprochen, doch das wurde durch reichlich Informationen wettgemacht.
Ich habe überhaupt keine Segelerfahrung und auf den Bahamas war ich auch noch nie. Dennoch hat mich das Thema absolut fasziniert. Wie es wohl ist, sein Leben auf so kleinem Raum zu verbringen und dann auch noch mit vollkommen fremden Menschen? Vom fremden Lebensraum ganz zu schweigen. Einiges war nicht so einfach, da vor allem Versorgungsprobleme auftraten bei Reparaturen. Beeindruckend, dass die beiden doch die Köpfe nie hängen ließen und ihrem Plan vom Skipperleben allen Widrigkeiten zum Trotz treu blieben.
Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und bei manchen Schilderungen musste ich doch grinsen, wie manche Leute so drauf sind. Ich habe viel über die Bahamas und einiges übers Leben auf einem Boot gelernt und vor allem hatte ich wirklich meinen Spaß bei der Lektüre. Man merkt in jedem Kapitel, wie sehr der Autor dieses Leben und die Bahamas liebt. Und ein wenig von seinem Feuer springt auf die Lesenden über...

Bewertung vom 04.02.2021
Liebeserklärungen
Kaminer, Wladimir

Liebeserklärungen


ausgezeichnet

Wie viele Facetten hat die Liebe? Wladimir Kaminer lässt die Lesenden jedenfalls eine ganze Menge unterschiedlicher Facetten entdecken. Dass er das in gewohnt launischer Art hinbekommt, braucht nicht erwähnt zu werden.
So geht es z. B. um die harmlose Schwärmerei für einen Rockstar, um einen großartig geplanten Heiratsantrag, um wiederentdeckte alte Liebe, wie ein Blitzschlag eintretende neue Liebe, um vergessene Liebe oder die, die als einziges noch in Erinnerung geblieben ist, um Liebe zu einer völlig Unbekannten, glückliche Liebe, unglückliche Liebe oder unmögliche Liebe, längst vergangene Liebe, zufällig beginnende Liebe, verheißungsvolle Liebe, heiß ersehnte oder sogar nicht erwünschte Liebe und noch vieles mehr.
Und aus all diesen Geschichten blitzt der Schalk des Herrn Kaminer mal mehr, mal weniger hervor. Es ist ganz offensichtlich, dass eines seiner Hobbys das Studium seiner Mitmenschen ist. Jedoch beobachtet er nicht, um die Menschen zu verachten, auszulachen oder vorzuführen - nein... Man merkt ihm bei jeder Story an, was für ein großer Menschenfreund er ist. Er kritisiert nicht - er staunt höchstens; um dann lächelnd aber verstehend mit dem Kopf zu nicken und die Schultern zu zucken. Was wäre diese Welt, wenn alle Menschen perfekt wären? Definitiv keine Welt für Wladimir Kaminer!
Besonders gut haben mir die (vermutlich) biografischen Storys über seine Eltern, Tanten und Großeltern gefallen. Vielleicht, weil da auch ein Stückchen Schwermut mit anklang. Die meisten handeln vom Bekanntenkreis bzw. von diesen erzählten. Nur Kaminer wird wissen, wie viele der Geschichten tatsächlich einen wahren Kern enthalten. Ist aber auch egal - Märchen sind auch erfunden, haben aber eine Botschaft. Genau wie diese Erzählungen. Es geht nichts über eine Liebeserklärung; und sei sie auch noch so skurril.
Ich mag Seine Bücher sehr!

Bewertung vom 03.01.2021
Mookie - Weihnachten mit Schwein
Wohnlich, Laura

Mookie - Weihnachten mit Schwein


gut

Ich gebe gleich zu Beginn zu, dass ich doch insgesamt ein etwas anderes Buch erwartet hatte. Denn mit typischer leichter, amüsanter Weihnachtslektüre hat dieses Buch nicht viel gemein, auch wenn ein kleines Schweinchen drin vorkommt, das zumindest eine gewisse Niedlichkeit und irgendwie auch amüsante kleine Abenteuer verspricht. All das war dieses Buch jedoch in meinen Augen nicht.
Der Protagonist des Buches ist im weitesten Sinne eine verkrachte Existenz. Nach einem Jurastudium und einer gut dotierten Stelle hat er eines Tages alles hin geworfen, weil ihm eine für ihn scheinbar existenzielle Frage durch den Kopf ging: Wie sah sein Gesicht aus, bevor seine Urgroßmutter geboren wurde?
Kein Scherz - Auf diese depperte Frage muss man erst mal kommen und ich würde gerne wissen, was die Autorin alles so nimmt, um sich sowas auszudenken.
Ich gebe zu, dass ich mich durch die ersten 50 Seiten des Buches regelrecht quälen musste und über 1 Woche dafür gebraucht habe. Weil ich leider kaum Lust hatte, weiter zu lesen; so sehr ödete mich dieser Joachim an mit seinem Selbstmitleid, Selbsthass, seinen Selbstzweifeln und seiner Hoffnungslosigkeit. Genau genommen hatte er nur noch Interesse an entsprechenden Mengen Alkohol und Joints, in der Hoffnung, dass er sein Elend dann nicht mehr richtig mitbekommt.
Dass so jemand sich davon beeindrucken lässt, dass ihm irgendwer per Paket ein Schwein zukommen lässt, halte ich für mehr als unwahrscheinlich. Dass so jemand auch noch so viel Verantwortungsbewusstsein besitzt, sich entsprechend um das Tierchen zu kümmern, halte ich für noch unwahrscheinlicher. Und nahezu absurd ist m. E. die Idee, dass dieser Typ aufgrund eines solchen Präsents von Unbekannt sich auf die Suche nach eben jenem Absender machen würde. Aber gut... dafür ist es ja ein Roman - in dem ist bekanntlich alles möglich.

Davon abgesehen ist das Buch aber nicht einmal schlecht gelungen. Dass es Weihnachten als Kaufanreiz nutzt ist zwar fragwürdig aber durchaus geschäftstüchtig und damit nachvollziehbar. Denn die Story hätte auch im Hochsommer problemlos funktioniert. Mookie hingegen spielt allenfalls eine Nebenrolle. Es hätte auch ein Hund sein können oder ein Papagei oder irgendein anderes Tier, mit dem man sich innerorts auf Suche begeben kann. Nur wirkliche "Abenteuer" habe ich, mit Ausnahme einer Stelle, vermisst.
Stattdessen handelt es sich um Joachims Sinnsuche. Dem langsamen Erkennen, dass ihn nicht alle als Loser sehen und dass er doch nicht so absolut nutzlos ist, wie er denkt und dass sich nicht alles gegen ihn verschworen hat.
Er lernt - wer hätte es gedacht - eine Frau kennen, die aus mir unerklärlichen Gründen irgendetwas interessant an ihm findet und ihm hilft, auf dem Boden zu bleiben statt in sein persönliches schwarzes Loch zu stürzen. Sie unterstützt ihn bei der Suche nach dem geheimnisvollen Schenker selbst dann noch, als er mal wieder dabei ist, die Flinte ins Korn zu werfen. Na ja... wie die Geschichte ausgeht, ist sicher kein großes Fragezeichen.
Ansonsten ist das Buch höchst angenehm zu lesen. Der Stil ist leicht und locker. Die Geschichte nicht immer - was kein Nachteil ist in meinen Augen, denn sonst hätte ich ihm nicht doch trotz aller Kritikpunkte noch 3 Sterne gegeben. Sie entwickelt sich mit Joachim, wird immer besser und oft genug kommt man ins grübeln. Wirklich lustig war es an keiner Stelle sondern eher anrührend. Verfilmt kann ich es mir übrigens sehr gut vorstellen. Für einen der typischen Weihnachts-Fernsehfilme eignet es sich auf jeden Fall.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.11.2020
Die große Pause
Bielendorfer, Bastian

Die große Pause


ausgezeichnet

Viel besser als erwartet!

Er kann auch anders!
Zumindest ein bisschen anders ;-)

Natürlich nimmt Bastian Bielendorfer auch dieses ernste Thema Corona mit einer guten Portion Humor. Aber wie heißt es schon in dem altbekannten Sprichwort: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Obwohl es ihm ganz bestimmt nicht immer zum lachen zumute war; schließlich ist auch er vom Lockdown stark betroffen. Stärker vermutlich, als die Angehörigen anderer Branchen. Gerade Kleinkünstler arbeiten größtenteils als Freiberufler und bekommen die wohl geringste Unterstützung vom Staat in diesen Zeiten.

Wie dem auch sei... herausgekommen ist eine Art Tagebuch in Zeiten der beginnenden Corona-Pandemie. Ein ausgesprochen unterhaltsames Tagebuch, das einem auch einmal die komischen Auswüchse (ich sage nur: Klopapier) und Erstaunlichkeiten dieser absolut ungewöhnlichen Zeit mit einem Augenzwinkern in Erinnerung ruft. Und schließlich befinden wir uns ja gerade jetzt, wie prophezeit, in einem Lockdown-Recall, das hoffentlich nur eine Kleine Pause bleiben wird.
Auch die Aufmachung ist durchaus gelungen. Wertig als Hardcover herausgegeben und innen mit zahlreichen Flecken und Kritzeleien versehen kommt es ziemlich frech daher. Ganz so, wie man sich Bielendorfers Schulhefte schon vorstellte. Er hat halt so einen leicht chaotischen Touch an sich, den auch das Buch vermittelt.
Obwohl das Buch voller komischer Geschichten steckt, ist es m. E. weit weg von Comedy und Klamauk. In fast jeder Story stecken letzten Endes Gedankenblitze, die weit tiefer gehen und einen kurz innehalten lassen. Das Buch entbehrt beileibe nicht der nötigen Ernsthaftigkeit - nur halt amüsant verpackt. Er kann eben doch auch anders, wenn er will. Und ich hätte ihm gar nicht zugetraut, dass er so gut schreiben kann. Das Lesen macht wirklich Spaß!

Manchem mag ein humorvolles Buch über Corona so gar nicht angebracht erscheinen. Aber ich gehöre zu den Lesenden, die auch Themen wie Krankheit, Verfall und Tod immer noch mit einer gehörigen Portion Humor entgegentreten möchten. Es gibt momentan so viel Schlimmes auf der Welt, dass ich dankbar für jedes Lächeln beim lesen oder auch ein herzhaftes Lachen bin.
Man merkt: Ich bin Bielendorfer-Fan und mag ihn schon sehr, den armen Lehrersohn. Hoffentlich normalisiert sich bald alles etwas, dass ich ihn auch wieder live erleben kann.

Fazit: Wer sich nicht nur todernst mit Corona befassen möchte, der ist hier gut aufgehoben!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.11.2020
Die Romanfabrik von Paris
Husemann, Dirk

Die Romanfabrik von Paris


ausgezeichnet

Ein wunderbares Abenteuer!

Paris 1851 - Alexandre Dumas ist gefeierter Autor zahlreicher Abenteuerromane, die als Fortsetzungsgeschichten in Zeitungen erschienen. Um das erforderliche Pensum neuer Geschichten zu schaffen, hat er in seinem Chateau Monte Christo eine Art Romanfabrik erschaffen, in dem etliche Lohnschreiber seine Fantasien in Worte fassen. Inzwischen verfügt Dumas über eine eigene Zeitung, in der täglich u. a. seine Fortsetzungsromane erscheinen. Als in dieser Zeitung, unterzeichnet mit seinem Namen, plötzlich Staatsgeheimnisse gedruckt erscheinen, muss Dumas das Land verlassen, da ihm sonst wegen Staatsverrat die Todesstrafe droht.
Als ob das nicht schon genug wäre, hetzt ihm die Lehrerin Anna Moll, verw. Gräfin von Dorn, die Zensur auf den Hals, weil sie die Jugend durch die unsittliche Literatur gefährdet sieht. Und ausgerechnet mit Anna Moll muss sich Dumas verbünden, um seinen Hals zu retten. Eine abenteuerliche Reise durch Europa nimmt ihren Lauf.

Lange habe ich mich nicht mehr so gut unterhalten gefühlt von einem historischen Roman. Es ist ein echter Abenteuer-Schmöker, der seinem Protagonisten Alexandre Dumas alle Ehre macht.
Es gibt Verwicklungen und Verstrickungen und leider auch etwas viele Zufälle, die irgendwann in der Häufung nicht mehr plausibel erscheinen. Aber wen stört das schon, wenn es gilt, einen turbulenten und abwechslungsreichen Abenteuerroman zu lesen. Mich hat es jedenfalls nicht gestört!

Dirk Husemann hat es geschafft, die Zeit mit seiner angedeutet antiquierten Ausdrucksweise auferstehen zu lassen, ohne zu altertümlich und kompliziert zu schreiben. Es trifft für mich genau den richtigen Ton für eine Zeitreise in die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Dabei darf man nicht denken, dass es sich hier um ein streng an die Fakten gelehntes Werk handelt. Es ist ein Roman im besten Sinne des Wortes. Die Aufklärung, wie viel Fiktion in der Story steckt, folgt im Nachwort des Buches.
Ausnahmsweise möchte ich auch das Cover loben, das wirklich traumhaft gestaltet ist. Wunderschöne Aufmachung!

Mich hat das Buch insgesamt total überzeugt. Es ist angenehm locker geschrieben und doch nicht zu anspruchslos vom Schreibstil her, sodass es auch höheren Ansprüchen genügen dürfte.

Fazit: Überzeugte Leseempfehlung für Freunde gepflegter Unterhaltung

Bewertung vom 05.10.2020
Wir sind fünf
Faldbakken, Matias

Wir sind fünf


gut

Was soll man dazu sagen?

Tormod lebt mit Frau und 2 Kindern in einem kleinen norwegischen Ort. Nach schweren Turbulenzen durch Drogenmissbrauch in der späten Jugend hat er hier einen vermeintlich sicheren Hafen gefunden. Das ändert sich, als das Verschwinden des Familienhundes das zarte Gebilde Familie ins Schwanken bringt. Mithilfe seines ehemaligen Drogenkumpans Espen experimentiert er mit einem Tonklumpen, der bald ein gewisses Eigenleben entwickelt. Mehr möchte ich ungern von der weiteren Story verraten, um nicht zu spoilern.

Die Geschichte an sich bietet reichlich Potential für Entwicklungen in jede Richtung, egal ob Comedy, Mystery oder handfester Thriller. Aber nichts von alldem trifft auf diesen Roman zu. Es ist eine etwas eigenwillige Mischung aus Drama mit einem Hauch Mystery. Wohin die Reise grob geht, ist relativ überraschungsarm. Was mich jedoch am meisten störte, ist das starre Korsett, in das Faldbakken seine Protagonisten bindet. Noch dazu ohne nachvollziehbare "Entwicklung". Steht seine spätere Frau Siv in frühen Jahren immer zu ihm und bringt ihn durch seine schwierigste Lebenszeit, ja rettet ihn quasi vor seiner Selbstzerstörung, ist sie nach der Hochzeit plötzlich uninteressiert, phlegmatisch, will ständig ihre Ruhe haben und faulenzt allabendlich nur vor dem Fernseher. Man spürt an keiner Stelle mehr die Zugehörigkeit zu ihrem Mann.
Auch die Kinder haben ihre festen Rollen von Beginn an. Der Junge ist etwas feist und will nur daddeln, ist ansonsten untalentiert bei nahezu allem außer seinen Games. Die Tochter hingegen ist quirlig, hochintelligent, wissbegierig und ausgesprochen talentiert bei nahezu allem. Lediglich Tormod darf sich den Luxus einer geteilten Persönlichkeit leisten, und die auch nur wenn er ausreichend Alkohol und Amphetamine konsumiert. Dann erst kommt seine Genialität zum Vorschein und er übertrifft auch seine Lehrer um Längen. Und Freund Espen ist auch nach etlichen Jahren immer noch der gleiche Vollhonk, der er immer schon war. Mit einer unerklärlichen Macht über Tormod, der sozusagen willenlos alles schnieft und schluckt, was Espen ihm anbietet. Auch er machte keinerlei Entwicklung durch.
Mit anderen Worten: Die Grundpfeiler dieser Story sind in meinen Augen schon mehr als fragwürdig. Der einzige Protagonist mit Entwicklungspotenzial ist der Tonklumpen und dessen Entwicklung ist leider nur zu vorhersehbar.

Nun aber das Positive dieses Buches, wobei da leider ausschließlich der Schreibstil übrig bleibt. Faldbakken schreibt mit leichter Hand. Keine endlos verschachtelten Satzkonstrukte sondern sachlich und konkret, sogar schon schlicht zu nennen. Etwas gewöhnungsbedürftig waren die wiederkehrenden Erläuterungen - teils in Klammern - als ob der Leser etwas zu schlicht wäre, um ohne diese zu verstehen, von was er schreibt.
Durch den auktorialen Erzählstil erfährt der Leser auch, was andernorts geschieht und die jeweils Handelnden denken. Allerdings wird derart distanziert erzählt, dass bei mir keinerlei Empathie mit irgendeinem Protagonisten entstehen konnte - nicht einmal mit dem Tonklumpen.
Dann noch das Ende, wenn man es denn überhaupt so nennen kann. Denn im Grunde erfährt der Leser nicht, wie es ausgeht. Mitten in der spannendsten Stelle der Geschichte endet alles im Nichts. Ich brauche wirklich kein HappyEnd bei einer guten Story, aber zumindest eine einigermaßen abgeschlossene Handlung des Romans. Gerade komme ich ins wanken, ob ich tatsächlich noch 3 Sterne vergeben soll oder noch einen abziehe. Aber dafür war er mir zu ernsthaft, der Roman und zu gut geschrieben.
Fazit: Wenn man nicht unbedingt Mainstream lesen muss, kann man dieses Buch gut lesen.

Bewertung vom 28.09.2020
Das Erbe der Päpstin
Glaesener, Helga

Das Erbe der Päpstin


sehr gut

Spannender Abenteuerroman

Gisla wird bei einem Überfall von Normannen geschändet, entführt und lebt ab da als Sklavin in einem dänischen Dorf. Ihr zukünftiger Herr wählt sie als Bettsklavin und Gisla wird so Mutter zweier Töchter.
Als diese zu jungen Frauen herangewachsen sind kommt es zu einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen ihrem Vater und Gisla, währenddessen die Tochter Freya ihn mit einem Messer tötet. Gemeinsam mit der Schwester macht sie sich auf die Flucht, die sie nach Dorstadt, dem Ort ihrer Herkunft führen soll, um ihren Großvater zu finden.
Wie der Titel bereits vermuten lässt, führt sie die Flucht vor den seinerzeit blutrünstigen Dänen bis nach Rom, wo ihr Großvater der Vertraute und Geliebte der Päpstin Johanna ist. Doch ihre Zeit dort ist nur allzu begrenzt...

Wie erwartet bietet Helga Glaesener wieder ein ausgesprochen handlungs- und abwechslungsreiches Buch. Der Zeit des 9. Jahrhunderts geschuldet geht es nicht gerade zimperlich zu und Tote pflastern Freyas Weg. Natürlich geht es nicht ohne eine begleitende Romanze, die jedoch erfreulich im Hintergrund der Handlung bleibt.
Der Schreibstil ist sehr gefällig und sehr, sehr spannungsreich. Ein echter Abenteuerschinken halt. Das ist gleichzeitig pro und contra dieses Buches, denn man gewinnt den Eindruck, dass dieser Spannung eine gewisse Tiefe geopfert wurde. Das war beim hierzu inspirierenden Buch Die Päpstin nicht der Fall. Etwas schade finde ich auch, dass selbst bei bekannten historischen Fakten von diesen abgewichen wurde, um der Story zu dienen.
Ich bin mir auch durchaus darüber im Klaren, dass eine derartige Frau nur Fiktion sein kann, denn in dieser Zeit war so etwas sicher nicht wirklich möglich. Es erinnert ein wenig an die früher so beliebten Mantel-und-Degen-Filme. Damit kann ich aber gut leben, denn es ist halt auch nur ein Roman und Sachbuch.
Gestört haben mich jedoch tatsächlich die nicht wenigen Fehler. Gibt es kein Lektorat mehr bei den Verlagen? Einzelne Schreibfehler, okay - aber wie kann es sein, dass ganze Worte in einem Satz fehlen, und das gleich mehrfach?

Fazit: Absolut spannendes historisches Abenteuerbuch mit kleinen, zu vernachlässigenden Schwächen.

Bewertung vom 28.07.2020
Schwarzer August / Leander Lost Bd.4
Ribeiro, Gil

Schwarzer August / Leander Lost Bd.4


ausgezeichnet

Ein tolles Buch!

In einer beschaulichen Ecke in der Nähe der Algarve explodiert eine Autobombe direkt vor einer einsam gelegenen Bank und reißt die dortigen Schließfächer auf. Trotzdem scheint den Täter der Inhalt nicht zu interessieren. Das Team um Leander Lost nimmt die Fährte auf. Doch so richtig kommen sie nicht voran, denn der Täter ist ihnen immer einen Gedanken voraus.

Leander und Soraia sind nun also offiziell zusammen und der Austauschkommissar darf zum Glück (wenn auch erwartungsgemäß) in Fuseta bleiben. Ich gebe zu, dass mich die Lovestory weniger fasziniert hat. Die latente Spannung, die in einer zwar möglichen, aber noch nicht existierenden Beziehung liegt, wurde dadurch weggenommen. Wobei ich zunehmend den Eindruck gewann, dass Isadora, die Kriminaltechnikerin, auch Gefallen an Senhor Lexico gefunden hat und ebenfalls einer Liaison nicht abgeneigt wäre. Das wird die Zeit zeigen...

Davon abgesehen ist Gil Ribeiro wieder ein hervorragender Roman gelungen. Es handelt sich hierbei um eine bunte Mischung aus spannenden kriminalistischen Ermittlungen, etwas Lokalkolorit und hinreichend amüsanten Stellen. Leander Lost gibt durch seine Asperger-Veranlagung genügend Material zum schmunzeln.
Man kann wirklich sagen, dass Lost angekommen ist in Fuseta. Nicht nur im Ort, sondern vor allem in seinem wirklich hinreißenden Team mit Graciana Rosado, Carlos Esteves und auch Cristina Sobral. Sie alle kennen inzwischen seine Eigenheiten und wissen damit umzugehen. Vor allem kennen sie jedoch seine überragenden Fähigkeiten und wissen sie sinnvoll einzusetzen bei der Aufklärung eines Falles.
Überhaupt sind die Charaktere mir inzwischen dermaßen ans Herz gewachsen, dass ich jetzt schon dem nächsten Fuseta-Band entgegen fiebere. Sehr gut gefällt mir die Entwicklung, die vor allem Carlos in den einzelnen Bänden gemacht hat. Er war zu Beginn eher skeptisch und abweisend diesem ungewöhnlichen Alemao gegenüber und ist Buch für Buch immer mehr aufgetaut und zu seinem Freund geworden.
Nicht nur die o. g. Protagonisten begeistern jedoch, sondern auch der Kollege Miguel Duarte, seines Zeichens leicht überheblicher und überstolzer Spanier, ist so trefflich angelegt, dass man sich schon zu Beginn auf seinen Auftritt (und seine nahezu unvermeidliche Bruchlandung) freut. Und auch die Nebencharaktere sind so herausgearbeitet, dass man sie förmlich vor sich sieht. Bestes Beispiel: der kurz vor der Pensionierung stehende Kollege Luís Dias.
Was soll ich noch groß schreiben... Klare Lese-Empfehlung!
Hoffentlich wird das bald endlich mal verfilmt!