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Bewertungen

Insgesamt 63 Bewertungen
Bewertung vom 23.09.2022
Isidor (eBook, ePUB)
Kupferberg, Shelly

Isidor (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine bewegende Familiengeschichte - „Vertreibung und Ermordung sind der Grund, warum sie [Erbstücke] fehlen. Umso wichtiger sind die Geschichten, die überlebt haben. Und weitererzählt werden.“

1908 wandert der damals 22-jährige jüdisch-orthodoxe Israel Geller aus dem ostgalizischen Tlumacz nach Wien aus. Aus Israel wird Isidor. Er studiert, legt eine beachtliche Karriere in der Lederindustrie hin, wird zum Kommerzialrat und Wirtschaftsweisen benannt, kommt durch klugen Wertpapierhandel zu einem großen Vermögen. Er ist ein moderner, assimilierter, emanzipierter und „deutscher“ Jude. Er verehrt das Theater und die große Bühne, ist ein Lebemann, der die Zerstreuung und das Wiener Gesellschafts- und Kulturleben liebt.

Dem allgegenwärtigen Antisemitismus begegnet Isidor eher mit Gleichgültigkeit, „vorübergehende Erscheinungen“, mit denen man sich „arrangieren“ müsse. Bis sich Österreich im März 1938 dem Deutschen Reich anschließt.

Shelly Kupferberg schildert auf eindrucksvolle Weise das Leben ihres Urgroßonkels aber auch weiterer Mitglieder ihrer jüdischen Familie im Wien der 30er Jahre. Anhand von Tagebüchern, Briefen, Archiven und umfassenden Recherchen hat sie ihm und seinen Geschwistern wieder „Leben eingehaucht“ und Erinnerungen, ein Andenken gesetzt.

In einem kurzen Anhang erzählt die Autorin u.a., wie sie bei der Recherche zum Buch vorgegangen ist. Als besonders bedrückend und perfide empfand ich persönlich dabei die Tatsache, dass gerade die akribische Bürokratie der Nazis bei der systematischen Vernichtung der Juden dazu führte, dass Shelly Kupferberg einige Lücken in ihrer Recherche schließen konnte.

Bewertung vom 04.09.2022
Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Spannende Zeit- und Kunstreise
Nahezu verschlungen habe ich diesen Krimiauftakt rund um den Kunstexperten Lennard Lomberg. Andreas Storm hat hier eine spannende Kombination aus Krimi, Historie und Kunstgeschichte geschrieben. Fortsetzung geplant.
Der Kunstexperte Lennard Lomberg wird über einen mysteriösen Anruf auf ein verschollenes Kunstwerk angesetzt. Kurz darauf ist der Anrufer tot und Lomberg begibt sich auf Spurensuche. Diese führt ihn in die Vergangenheit, zu Picasso und seinen Werken, zum Raub unzähliger Kunstschätze durch die Nazis, zum politischen „Wiederaufbau“ der jungen BRD; immer tiefer auch in die eigene Familiengeschichte.
Knackig geschrieben konnte man die fesselnde Story mit viel Spannung und den unterschiedlichsten Wendungen klasse verfolgen. Besonders gut gefiel mir dabei, dass neben der Story auch so viele Facetten aus Kunst und Geschichte in den Plot eingebaut wurden – und der Autor im Nachgang eingeordnet hat, was Tatsache und was Fiktion war. So konnte ich nebenbei auch noch so einiges lernen.
Kleiner Wermutstropfen: Mir persönlich waren einfach zu viele Hinweise auf schnelle Autos, gute Weine, teure Hotels drin. Das empfand ich als störend und irgendwie überzogen. Nichts desto trotz freue ich mich bereits auf den Nachfolger, „die Triade von Madrid“.

Bewertung vom 28.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


sehr gut

Vom Umgang mit Trauer und Verlust

„Zum Abendbrot isst er jetzt immer eine Seite aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau. Er isst sie roh, und er tut es aus Liebe.“ Adam Mohn und seine Kinder Steve, Linne und Micha haben ihre Ehefrau und Mutter Johanne verloren. Jede und jeder von ihnen geht mit der Trauer anders um; beobachtet vom Trauerbeamten Ginster, dessen Behörde offensichtlich am besten weiß, wie man mit Trauer umzugehen hat. Und in diese Vorstellungen passen die Mohns in ihrem Schmerz und ihrem Verhalten nun so gar nicht rein. Begleitet werden sie von Bille, Brassert und Marlene, die leise und unerwartet in ihr Leben treten.

Stefanie vor Schulte ist ihrem Stil und ihrer Art des Geschichtenerzählens treu geblieben. Auch mit „Schlangen im Garten“ nimmt sie die Leserin mit auf eine leise, stille Reise, mit in das Leben von Menschen, die auf ihre ganz persönliche Art mit Verlust und Trauer umgehen. Es sind eher kleine Geschichten und Momentaufnahmen; jede anders und jede mit einer anderen Note. Wie werden wir fertig mit dieser Leere? Es gibt kein Richtig und kein Falsch, keine Regeln und auch niemand, der den Schmerz aufheben kann. Aber es gibt Wegbegleiter, die manches erträglicher werden lassen, kleinste Momente, Begebenheiten, die helfen können, zu heilen.

Was mich im ersten Roman von Stefanie vor Schulte so bezaubert und gefangen genommen hat, das Märchen eines Jungen auf seinem schweren Weg, konnte mich dieses Mal leider nicht überzeugen. Zu surreal, zu abstrus kamen die Geschichten daher. Zu den Figuren konnte ich leider überhaupt keinen Zugang finden. Auch sprachlich erschienen mir einige Passagen recht wirr. Schade! Vielleicht war es einfach nicht das richtige Timing für uns.

Bewertung vom 27.08.2022
Der Weg zur Grenze
Weil, Grete

Der Weg zur Grenze


ausgezeichnet

Grandioses Werk mit stark autobiographischen Zügen

Grete Weil hat diesen Roman bereits 1944/45 geschrieben; veröffentlicht wurde er erst jetzt. Ein grandioses Werk, das stark autobiographische Züge trägt. Und das umso wichtiger und bedeutender wird, wenn man es im Kontext seiner zeitlichen Einordnung liest. Ich habe das Buch „chronologisch gelesen; es mag aber auch sehr aufschlussreich sein, zunächst das sehr gute und umfassende Nachwort zu lesen.

1936 ist die Jüdin Monika Merton auf der Flucht vor der Gestapo und auf dem Weg zur Österreichischen Grenze. Eher zufällig wird sie auf dem beschwerlichen Weg begleitet von dem jungen Dichter Andreas von Cornides. Ihm erzählt sie ihre Lebensgeschichte. Von ihrem Leben in der Weimarer Republik bis zur Machtergreifung Hitlers. Von ihrer Liebe zu und der Ehe mit ihrem Cousin Klaus. Von glücklichen gemeinsamen Monaten, die bereits überschattet sind vom rasanten „Aufstieg“ der Nazis. Bis hin zu Klaus‘ Verhaftung 1934 und seiner späteren Ermordung im KZ Dachau.

Grete Weil hat diesen Roman in ihrem Amsterdamer Versteck verfasst, auf einer Treppe kauernd. Sie schreibt, während um sie herum das Unfassbare geschieht und sie jeden Tag mit der Angst leben muss, entdeckt und ermordet zu werden. Sie blickt zurück auf vergangene Tage. Auf eine Realität, die viel zu lange geschwiegen hat. Auf ein Leben, das viel zu lange „so schlimm wird es schon nicht werden“ gedacht hat. Auf einen Kreis lebenshungriger, intellektueller, junger Menschen, die das kulturelle und gesellschaftliche Leben der 20er und frühen 30er Jahre genießen wollten.

Grete Weils Sprache ist feinfühlig und poetisch. Ihre Sätze haben viel Tiefe und Tiefgang, viele Gedankengänge sind nahezu philosophisch. Und dann, mit steigender Bedrohung, verändert sich diese Sprache. Sätze, scharf wie Messer, präzise Schilderungen unfassbarer Situationen und Momente. Mit grausamer, eindrücklicher Klarheit schildert Grete Weil Monikas, ihre innere Ohnmacht, die Angst der Ungewissheit und Hilflosigkeit. Die Emotionen und Gefühle kommen mit so viel Schmerz und Pathos daher, dass man selbst erschüttert zurückbleibt.

Für mich persönlich ist dieser Roman von Grete Weil eines der wichtigsten Bücher, die ich bislang gelesen habe. Und er ist ein ganz bedeutsamer Beitrag zum Verständnis des Holocaust. Selten findet man so tiefe Einblicke und Emotionen in diese unfassbaren gesellschaftlichen und politischen Umbrüche. Das gut 40 Seiten umfassende Nachwort von Ingvild Richardsen ist dabei unglaublich hilfreich für die Einordnung des Romans in Weils Leben und die damalige Zeit, aber auch in ihre Werke und ihre Rolle als jüdische Autorin und Zeitzeugin im Nachkriegsdeutschland.

Bewertung vom 22.08.2022
Intimitäten
Kitamura, Katie

Intimitäten


ausgezeichnet

Ein sprachlich grandioser Roman - Vollkommen eingesogen – anders kann ich nicht beschreiben, wie mich dieser neue Roman von Katie Kitamura (Ü: Kathrin Razum) überwältigt hat. Kein großer Spannungsbogen, keine emotionalen Achterbahnfahrten, dafür eine so feinfühlige, tiefgründige und subtile Sprache, dass ich noch immer ganz gefangen bin.

Die Ich-Erzählerin, eine namenlose Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag übersetzt im Rahmen des Prozesses gegen einen Afrikanischen Ex-Präsidenten und kommt diesem im Laufe der Zeit sehr nah. Zeitgleich reist ihr Partner Adriaan zu seiner noch-Ehefrau nach Lissabon und lässt sie allein in seiner Wohnung zurück.

„…wie seltsam es war, ihre Worte für sie zu sprechen, wie verkehrt, dieses ich zu benutzen, das ihr gehörte und nicht mir, dieses Wort, das nicht geräumig genug war.“

Für mich persönlich machte dieses Ich der Erzählerin die Sogwirkung des Romans aus. Ich durfte an ihren persönlichsten Gedanken teilhaben, ihren Mutmaßungen, Ängsten, Interpretationen. Ihrer Suche nach Liebe und Freundschaft, nach Heimat und Zugehörigkeit, nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Alles heruntergebrochen auf Sequenzen und episodenartige Begegnungen. Die Protagonistin nimmt uns mit auf ihre Suche nach Antworten wo es keine klaren Lösungen gibt.

Grandios die Rolle der Dolmetscherin, die eher unscheinbar und beobachtend im Hintergrund agiert und der doch eine so tragende und bedeutungsschwere Rolle zukommt. „Meine Aufgabe besteht darin, den Abstand zwischen den Sprachen so klein wie möglich zu halten.“ Und dazu zählt neben der Sprache selbst auch jede noch so kleine Nuance, das Timbre der Stimme, die Gratwanderung zwischen Ironie und Wahrheit. Und eben dieses Gespür der Protagonistin für ihre Aufgabe wird durch Kitamura im Roman sehr subtil aufgegriffen. Es hat etwas sehr Intimes, wenn nicht gar „Heimlichtuerisches“, die Beobachtungen und „interpretations“ der Ich-Erzählerin zu teilen, die kleinsten Nuancen ihre Abwägungen in Gedanken mitzulesen, die Gratwanderungen des Gehörten, Beobachtenden, Gesagten.

Für mich ist „Intimitäten“ definitiv eins der Jahreshighlights, ein kleines, „stilles“ Buch, das dann sprachlich ganz gewaltig daherkommt.

Bewertung vom 12.08.2022
Die Wunder
Medel, Elena

Die Wunder


gut

Tolle Romanidee, leider nicht ganz überzeugend umgesetzt - In ihrem Roman (übersetzt von Susanne Lange) schreibt Elena Medel von Großmutter und Enkelin, die sich nicht kennen aber doch so viel gemeinsam haben. Maria wird Ende der 60er Jahre in Cordoba als junges Mädchen ungewollt schwanger. Ihre Tochter Carmen wächst fortan bei ihrer Mutter und ihrem Bruder auf, während Maria weggeschickt wird und in Madrid als Dienstmädchen arbeitet. Ihr Geld schickt sie heim, die Freizeit ist spärlich, die finanziellen Möglichkeiten ebenso. Die Distanz zu ihrer Tochter wird immer größer, Marias Leben, später an der Seite von Pedro, bleibt gleichbleibend prekär – finanziell, gesellschaftlich und sozial. – Gut 30 Jahre später lebt die Tochter Carmens, Alicia, ebenfalls in einfachen Verhältnissen, denen sie nicht entfliehen kann. Gefangen in einem familiären Albtraum, ihr Vater beging aus finanziellen Sorgen heraus Selbstmord, begegnet sie ihrer Umwelt eher verschlossen und mit Ablehnung.
Elena Medel setzt den Mangel und seine Bedeutung für die Frauen in Spanien gekonnt in Szene. Der Mangel an gesellschaftlicher Mitsprache, an Bedeutung, an sozialen Rechten innerhalb einer männerdominierten Welt, in der die Frauen unter sich bleiben und über Kinder und Kochen sprechen. Der Mangel an Geld, der ein gesellschaftliches, persönliches Vorkommen fast unmöglich werden lässt und keine Perspektiven bietet. Der Mangel an räumlicher, geistiger, gesellschaftlicher Freiheit, der die Frauen ihrer Zeit immer wieder in ihre Schranken weist.
Was in Spanien als literarisches Wunder gefeiert wurde, konnte mich leider nicht überzeugen. In den sprunghaften, schweren Schreibstil fand ich so gar nicht herein und auch die beiden Figuren waren mir persönlich zu blass und wenig überzeugend. Die Rolle der Frau in der Gesellschaft, der Einfluss von Herkunft und Geld auf die sozialen Entwicklungen, das Erkennen und Umsetzen eigener Stärken. Alles wichtige gesellschaftliche Themen, die für mich aber zu wenig Tiefe haben. Schade!

Bewertung vom 24.07.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


ausgezeichnet

Tomi Obaros Debütroman (Ü: Stefanie Ochel) hätte kein besseres Cover für einen bunten, lauten emotionalen Roman haben können!

Seit ihrem gemeinsamen Studium in Zaria in Nigeria in den 80er Jahren sind Funmi, Zainab und Enitan Freundinnen. So unterschiedlich ihre familiären Hintergründe, ihr Wesen und ihre persönlichen Ansichten auch sind, so unterschiedliche Wege schlagen die drei Frauen auch nach ihrer gemeinsamen Zeit in Nigeria ein. Nun, 30 Jahre später, treffen sie sich in Lagos wieder: Funmis Tochter Destiny wird heiraten, sehr traditionell, groß und pompös. Enitan, die mit ihrer Tochter Remi angereist ist, und Zainab merken jedoch schnell, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt.

Der Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt: In Rückblenden lässt Tomi Obaro das Nigeria der 80er Jahre aufleben. Zainab kämpft um ihre Liebe zum jungen Geschäftspartner ihres Vaters, Funmi lässt sich auf einen politischen Aktivisten ein, Enitan verliebt sich in einen weißen Amerikaner. Auf der einen Seite die traditionellen, gesellschaftlichen und religiösen Rollenverteilungen und Verpflichtungen junger Frauen in Nigeria. Auf der anderen Seite drei junge Studentinnen, die selbstbewusst und emanzipiert ihr Leben und ihre Zukunft aktiv gestalten und für ihre Ideale und Wünsche einstehen. – In der Gegenwart haben die Frauen jede auf Ihre Art mit den Herausforderungen des Lebens zu kämpfen, Höhen und Tiefen zu meistern. Schnell wird deutlich: Obwohl die drei Frauen sehr unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und weit voneinander entfernt leben, so ist ihre Freundschaft dennoch unerschütterlich und gefestigt.

Ein Buch wie ein Feuerwerk! Emotional und ergreifend, bunt, laut, heiß und am Ende ist man traurig, weil es schon vorbei ist! Grandios! Allein das Kopfkino beim Lesen der Hochzeitsfeier! Ein Knüller! Ein wundervolles Buch über Freundschaft, Selbstvertrauen, Mutter-Tochter-Beziehungen und inkl. tollem Glossar für all die Worte, die in Originalsprache beibehalten wurden. LESEN! LESEN! LESEN!

Bewertung vom 26.06.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


sehr gut

Auf den Spuren Pommerscher Fischerteppiche - Mia arbeitet in Greifswald in einem Museum als Faserarchäologin. Als ihr Kollege ihr einen Pommerschen Fischerteppich mit den Worten „nicht, dass es eine Fälschung ist“ zur Überprüfung auf den Tisch legt, löst dies nicht nur eine Welle an privaten Erinnerungen in Mia aus, sondern auch den starken Drang, mehr über die Frau hinter diesem Kunstwerk zu erfahren. Mia begibt sich auf Spurensuche und ihre Wege führen sie mithilfe einer alten Teppichknüpferin nach Zagreb und zu Milan, der ihr bei der Suche nach den Ursprüngen des Teppichs und seiner Erschafferin seine Hilfe anbietet.

In zwei Zeitebenen wird hier gekonnt Historisches und Fiktion verknüpft. Da sind einerseits die Fischer, die Ende der 20er Jahre aufgrund eines Fischereiverbots das Teppichknüpfen in der Region entlang der Ostsee und zu einem regionalen Kunsthandwerk etablieren. Unter ihnen die – fiktive – Knüpferin unseres Teppichs, Nina Silke Strad, deren Geschichte hier nach und nach ans Tageslicht kommt. Und andererseits ist da Mia, deren ruhiges, bewusst eintöniges Lebens ins Wanken gerät, als ein Satz alte persönliche Wunden und Erinnerungen aufreißt. Beide Frauen stellen sich auf ihrer Art ihrem Schicksal und wachsen an diesen Herausforderungen.

Die Autorin schreibt in langen, kunstvollen Sätzen, die zum Teil sehr ausmalend und bildreich daherkommen. Jedes noch so kleine Detail wird in seine einzelnen Komponenten aufgespalten und hier und da hatte ich persönlich das Gefühl, dass ein Satz nur seines schönen Klangs wegen geschrieben wurde und nicht, weil er hier wirklich passte. Mich persönlich ermüdete dies eher ein wenig. Und auch die Hauptfigur Mia fand ich sehr unnahbar. Spannend fand ich allemal einen neuen Aspekt der deutschen Kunstgeschichte, der mir bis dato unbekannt war.

Bewertung vom 12.06.2022
Papyrus
Vallejo, Irene

Papyrus


ausgezeichnet

Eine Ode an das geschriebene Wort - Dieses Buch hat mich wie kein anderes in den letzten Jahren berührt. Es hat meinen Blick auf die Antike in Ägypten und Rom, auf die großen Protagonisten ihrer Zeit, auf ihr Leben, Denken und Handeln, gewandelt. Und es huldigt einer Erfindung, die für mich augenscheinlich so selbstverständlich war: dem Buch! Die Liebe und Leidenschaft der Autorin für Bücher und ihre Geschichte sind so allgegenwärtig in jedem einzelnen, sorgfältig formulierten Satz! Ich fühlte mich wie „eingesogen“ in dieses Buch. Es versetzte mich einen Moment an die Seite Alexanders des Großen. Es ließ mich durch die Säle der großen Bibliotheken der Antike schlendern. Es brachte mir einen neuen Blick auf die unzähligen Pflichtlektüren meiner Schulzeit. Ein wunderschönes, bis in jeden einzelnen Satz zauberhaft geschriebenes Buch und eine ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 18.04.2022
Schallplattensommer
Bronsky, Alina

Schallplattensommer


gut

Guter Einstieg aber leider zu überfrachtet. Die fast siebzehnjährige Maserati wohnt allein mit Ihrer Großmutter in einem kleinen Dorf. Statt zur Schule zu gehen hilft sie ihrer Oma, die Dorfkneipe zu bewirtschaften. Als in der heruntergekommenen Villa in der Nachbarschaft Theo und Caspar einziehen, wird Maserati, die eher eine Alleingängerin ist, nicht nur mit deren Gegenwart konfrontiert, sondern auch mit zahlreichen Familiengeheimnisssen.
Alina Bronskys neuer Roman liest sich schnell und flüssig; ihr Schreibstil ist wie aus dem Leben gegriffen und trifft die Figur der Maserati und ihre Gefühlswelt sehr gut. Das Leben auf dem Land, in dem sie sich gefangen fühlt, die Sorgen um die Großmutter, die zunehmend verwirrt wirkt, die Begegnungen mit Theo und Caspar, die beide ein Geheimnis in sich tragen, ihre Freundschaft zu Georg, der Lehrer, der sie zurück an der Schule sehen möchte. Alle Figuren haben ihre Ansprüche und Forderungen an Alina, die mal mehr mal weniger überfordert mit ihrem Leben ist.
Und leider ist dies auch das „Ja-Aber“ des Buches für mich. Auf mich wirken die gut 190 Seiten des Romans überfrachtet mit Themen. Jede einzelne Figur des Romans hat ihr persönliches Ereignis, ihr Schicksal, was auf mich dann zu unrealistisch wirkte. Das mag bewusst als stilistisches Mittel gesetzt sein, um Maseratis überfordertes Leben darzustellen. Mich hat es aber eher enttäuscht, da zu viele angesprochene Themen angekratzt und dann nur oberflächlich abgehandelt wurden.