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Sagota
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Saarbrücken

Bewertungen

Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 26.11.2023
24 Wege nach Hause
Fagerlund, Jenny

24 Wege nach Hause


ausgezeichnet

"24 Wege nach Hause" von Jenny Fagerlund (HC, gebunden, 348 Seiten) erschien (2023)im Dumont-Verlag und ist der zweite Roman, den ich sehr begeistert von dieser schwedischen Autorin gelesen habe: Auch dieser hat meinen Geschmack sehr getroffen und ist gerade in der Vorweihnachtszeit herzerwärmend, wobei er ganz ohne Klischees auskommt, dafür aber in die (menschliche) Tiefe geht: Ein Markenzeichen der Autorin in der Unterhaltungsliteratur!


Worum geht's?


Petra, Mitte 30, fährt gemeinsam mit ihrer Nichte Charlie (12) bei starkem Schneefall von Stockholm nach Nyponviken, einem kleinen schwedischen Dorf. Dort möchte sie einen Neuanfang nach dem Verlust ihrer Schwester Alice, die ihrem Krebsleiden erlag und die Mutter von Charlie war, mit ihrer Nichte starten: Auch ihren Friseursalon konnte sie durch die Erkrankung ihrer Schwester, deren Pflege fortan oberste Priorität hatte, nicht halten: Er ging in Konkurs. Mit wenigen Möbeln, die sie an Alice und auch an ihre Mutter erinnern, machen sich die beiden auf den Weg.


Vor ihrem Tod hatte die Schwester ihr noch gesagt, dass die Familie in Nyponviken eine Wohnung habe. Diese befände sich auf einem Hof mit einer Gärtnerei und einem Café. Im Dorf angekommen, haben beide Glück und treffen auf Viveka, der die Gärtnerei und das Café gehört. In Letzterem arbeiten Maja, eine junge Frau, die aus Göteborg zurückkam und die über 80 Jahre alte Berit, die trotz des hohen Alters das Regiment innehat, Vivekas Mutter ist - und meist ziemlich unwirsch und griesgrämig: Darunter verbirgt sich jedoch ein weiches Herz, das besonders für die Familie schlägt... Genauso könnte man Holger beschreiben, den alten Gärtner, der eher wortkarg und allen Neuerungen abgeneigt ist, sich jedoch später als liebenswerter und sehr guter Zuhörer entpuppt! Jemand legt Petra einen Adventskalender vor die Tür, der von der mit nur 22 Jahren verstorbenen Lilly stammt: Jeder Tag beginnt mit einem Zitat und ist eine Einladung, die kleinen Geschäfte aufzusuchen, die das Dorf bietet: So betritt man als Leser ein Marmeladengeschäft, einen Teeladen, eine Konditorei und nimmt am schwedischen Lichterfest teil; bei jedem Besuch erfährt man etwas mehr über Lilly, die eine eigenwillige Künstlerin gewesen zu sein schien und viel zu früh starb.

Wer mag diesen Kalender wohl vor Petras Tür gelegt haben? Und werden Nick, der Petra in Stockholm bei der Insolvenz ihres Friseursalons sehr half, sie auch in der Zeit sehr unterstützte, als Alice sehr krank war, und Petra wieder zusammenfinden? Nach aller Enttäuschung, die Petra nach Nordviken mitnahm?


Meine Meinung:


Dies alles muss der geneigte Leser selbst herausfinden: Ich garantiere dabei, dass der Roman zu keiner Zeit langweilig ist und manche Themen sehr unter die Haut gehen. Es gibt auch einige Parallelen zwischen Petra und mir, die mir diesen Roman noch kostbarer erscheinen ließen: Auch ich habe eine ältere Schwester verloren, die meine beste Freundin war und die ich sehr vermisse. Holger, der brummelige alte Gärtner, erinnerte mich sehr an meinen Vater, der Holgers Beruf mit Passion teilte.

Petra's Weg ist der nach vorn: In Stockholm lässt sie alles hinter sich, kappt alle Beziehungen und startet mit Hilfe der sehr sympathischen und hilfsbereiten Viveka und Maja in Nordviken neu durch: Selbst Charlie, anfangs sehr mürrisch und entsetzt über den Umzug, beginnt das Dorf und die Menschen sehr zu mögen. Während Petra früher selbstbewusst, voller Energie und ohne Angst war, ihre Ziele geradlinig verfolgte, muss sie nun lernen, von Neuem zu beginnen: Die Entwicklung dieser positiven, starken und sympathischen Romanfigur gefiel mir sehr!

Die Themen des Romans, der in der Vorweihnachtszeit spielt, sind vielfältig: Sie reichen über Tod und Trauer, Verlustängste und Missverständnisse bis hin zu Neuanfang, Freundschaft, Liebe, Familiengeheimnisse und die Aufforderung, im Hier und Jetzt zu leben! Hierbei bringt die Autorin eine Intensität in den Roman, der mir durch den sehr atmosphärischen Schreibstil, das Winterfeeling, hohe Emotionalität und auch Authentizität der Romanfiguren sehr gefallen hat. Er transportiert Hoffnung und Mut, der Zukunft optimistisch ins Auge zu blicken, auch wenn man große Verluste erlitten hat. Er erzählt vom "wieder bei sich ankommen".


Fazit:


Ein warmherziger, emotionaler und in die Tiefe gehender wunderschöner Winter- und Adventszeitkalender, deren allesamt sympathischen Romanfiguren, die sehr menschlich und authentisch sind, man allesamt ins Herz schließt und sich nur ungern von ihnen trennt. Ein Winterroman, der berührt und vom Loslassen und Neubeginn handelt, der Mut macht und den ich sehr gerne weiterempfehle! Von mir erhält er 5* und damit die volle Punktzahl!

Bewertung vom 19.11.2023
Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
Fletcher, Susan

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe


gut

Der Roman "Florence Butterfield und die Nachtschwalbe" von Susan Fletcher erschien (HC, geb., 494 Seiten) im Verlag Kindler (Rowohlt Verlagsgruppe). Die mir bis dato unbekannte britische Autorin entführt hier ihre Leser in eine Seniorenresidenz namens "Babbington Hall". Ein umgebauter Herrensitz im ländlichen Oxfordshire mit großem Garten, das man sich recht zauberhaft vorstellen kann.


Hier lebt seit Kurzem Florence Butterfield (87), genannt Florrie, die Hauptprotagonistin des Romans, deren Vater Polizist war und die ihrem geliebten Bruder Bobs (im 1. Weltkrieg umgekommen) versprochen hat, die Abenteuer in ihrem Leben zu suchen, die er nicht mehr verwirklichen konnte. Florrie verlor durch einen Unfall ein Bein, was sie an den Rollstuhl fesselt und ist ohne ihre Hörgeräte stocktaub. Doch sie ist auch ein Mensch, der dem Positiven stets zugewandt ist und für den jeder Tag wie ein kleines Wunder ist. Trotz ihrer Malaisen ist sie lebenslustig, liebt Lavendel und ihr Sonnenblumenbild sowie das Teetrinken im Bett. Mit ihrer neuen Situation im Senioren- und Pflegeheim hat sie sich bestens arrangiert und lässt den Leser in Rückblicken ihr erfülltes Leben sehen, in dem sie weit gereist ist und 6 Männer von Herzen liebte.


Doch etwas kommt Florrie merkwürdig vor: Wieso verunglückte der liebenswerte Arthur Potts im Garten der Residenz tödlich? Und wieso sollte Renata Green, die zurückhaltende, aber liebenswerte Heimleiterin von Babbington Hall, sich durch einen Sturz aus ihrer im 3. Stock befindlichen Wohnung stürzen? Hatte sie ihr doch kurz zuvor erzählt, dass sie sehr gerne Paris besuchen würde und erstmals in ihrem Leben verliebt ist; sich gerne über Männer und die Liebe mit Florrie unterhalten würde? Diese Ungereimtheiten passen für Florrie nicht zusammen und sie findet in Stanhope, einem rüstigen, ebenfalls liebenswerten ehemaligen Lateinlehrer, unvermutet einen Verbündeten, der auch nicht an einen Freitod von Renata glauben mag: Die Handlung bekommt fortan Krimielemente und Florrie und Stanhope könnten entfernt an Miss Marple und Mister Stringer erinnern: Sehr findig (immerhin ist Florrie die Tochter eines Polizisten) versuchen sie nun, die Puzzleteile zusammenzusetzen, die das Gegenteil eines Suizids im Falle von Renata beweisen können: Einen Mord!


Sehr viele Personen bevölkern diesen Roman, der in Rückblicken Florries Leben beschreibt: Orte und die Männer, die sie geliebt hat wie auch ihre Eltern und ihr Bruder, den sie in kindlichem Alter verloren hat. Auch gibt es ein Geheimnis namens "Hackney-Vorfall", das erst ganz am Romanende gelüftet wird (für mich irgendwann etwas vorhersehbar war). Florrie muss man mit all' ihrer Lebensfreude und Lebenslust bis ins hohe Alter einfach ins Herz schließen; ebenso wie Stanhope, der ein liebenswürdiges Pendant zu Florrie ist und sie in den Ermittlungen der "Ungereimtheiten" erfinderisch unterstützt. Dennoch muss ich bei all' der Fülle der Themen sagen, dass mir persönlich dieser Roman in vielerlei Hinsicht zu ausufernd und von Längen durchzogen war, der meine Lesefreude zuweilen verringerte. Thematisch geht es um Freundschaft (hier war Pinky, die lebenslange Freundin von Florrie, ein menschlicher Leuchtturm), um Glück und Liebe, aber auch um Ängste, Traumata und Verluste, die das Lebensglück verhindern oder schmälern können. Schön fand ich die tief empfundene Dankbarkeit Florries für die Begleitung vieler netter Menschen in ihrem Leben und die "Pakete voller Liebe", die sie stets an diese absendete - sogar an die demente Tabitha, die einen Stock über ihr im Seniorenheim wohnt.


Fazit:


Eine wirklich schöne Buchidee in malerischer Atmosphäre, der Seniorenresidenz Babbington Hall, die jedoch allzu oft in Nebensächlichkeiten stilistisch 'ausufert' und durch langatmige Passagen die Lesefreude bei mir schmälerte. Daher von mir knappe 3*.

Bewertung vom 16.11.2023
Beuteherz / Annie Ljung Bd.1
Rolfsdotter, Ulrika

Beuteherz / Annie Ljung Bd.1


ausgezeichnet

Ulrika Rolfsdotter ist ein Name, den ich mir zweifellos merken werde: Der Kriminalroman wirkt auf mich sehr authentisch und interessant, da Annie, die Hauptprotagonistin, die Stelle ihrer Freundin Helena in der Nähe von Lockne antritt (Elternzeitvertretung) und sehr menschlich reagiert, als ihre Nichte spurlos verschwindet: In ihrer Profession beim Jugendamt gibt sie der Polizei Informationen, die zum Auffinden von Sara hilfreich sein könnten. Sie besitzt kriminalistische Fähigkeiten, Scharfsinn und Intelligenz, trägt jedoch selbst ein Traumata in sich, das mit dem Ort Lockne zu tun hat und sich erst nach und nach dem Leser erschließt. Mir waren besonders Annie Ljung, Gunnar Edholm und Sven und Lillemor sympathisch; auch die Rolle der dementen Mutter Birgitta gab einem zu Denken: Was meinte sie mit "Hilf dem Mädchen?" Was wusste sie wirklich, die sich mit Sara, die in Birgittas Pflegeheim jobbte, sehr gut verstand? Und was hat es mit dem Gedicht von Sara auf sich, das Annie bei ihrer Mutter in einer Schublade findet?


Die Autorin versteht es, von Beginn an Spannung aufkommen zu lassen, die sich im letzten Drittel noch steigert. Der Stil ist sehr atmosphärisch; die Kapitel kurz und die Sprache eingängig und schnörkellos; es sind kurze und prägnante Sätze, die den Spannungsbogen halten. Verdachtsmomente fallen auch auf diverse andere Figuren, die im Krimi auftauchen und der Plot ist nicht vorhersehbar. Allerdings habe ich einen Kritikpunkt: Trotz kriminalistischem Spürsinn von Annie gibt es für mich einen Stolperstein in ermittlungstechnischer Hinsicht, denn geübte KrimileserInnen (eins meiner Lieblingsgenres) werden hier evtl. vor Anna fündig und erkennen, vor wem man sich besser in Acht nehmen sollte. Da die Themen jedoch sehr vielschichtig sind (z.B. Schuldgefühle, Traumata, Demenz, Alkoholismus und Zerrütung von Familien, aber auch Freundschaft und die Arbeit sozialer Dienste bei Jugendämtern) und die Spannung absolut vorhanden war, hat mich dies nur am Rande gestört: Ich sehe auf jeden Fall Potential nach oben!


Fazit:


Ein starker, spannender, etwas feministischer Krimi aus Nordschweden, der mir aufgrund der Authentizität, der Klarheit im Stil und der Vielfalt der relevanten Themen sehr gut gefallen hat. Eine starke Frau, deren Profession Sozialpädagogin ist und die hier mit Intelligenz und Scharfsinn brilliert, begibt sich an den Ort, den sie nie wiedersehen wollte. Setzt sich schlussendlich mit ihrer eigenen Vergangenheit (und ihren Dämonen) auseinander. Sehr gerne empfehle ich "Beuteherz" und hoffe auf weitere Fälle für Annie Ljung!

Bewertung vom 09.11.2023
Kleine Dinge wie diese
Keegan, Claire

Kleine Dinge wie diese


ausgezeichnet

Mein Leseeindruck:


Dieser wundervolle Roman, der auf engem Raum so vieles ausdrückt, was zwischen den Zeilen zu lesen ist, hat mich sehr begeistert: Wird anfangs eher die Geschichte von Bill erzählt, seiner Herkunft und seinem Weltbild, das zunehmend Risse bekommt, da er sensibel, empathisch, großmütig und sehr menschlich ist, so zeichnet sich bald ab, dass ihm bei der Auslieferung der Kohlenlieferung im Kloster (und nach dem Ereignis im Kohlenkeller) eine trügerische Farce seitens der Oberin aufgebunden wird: Anfangs eingeschüchtert, durchschaut er mehr und mehr die Mechanismen der Macht und muss (und wird) sich am Ende entscheiden, ob er klein beigeben - oder ob er etwas unternehmen wird.


Allein durch die Figur des Bill Furlong, der ein großes Herz und viel Gerechtigkeitssinn hat, erhält dieser Roman trotz seiner knapp bemessenen Seitenzahl eine unglaubliche Dynamik: Man kann die innere Entwicklung dieses sympathischen Mannes auf sehr menschliche Art und Weise mitverfolgen, der sich seiner Mitverantwortung stellt und handelt!


Der Stil Claire Keegan's ist schnörkellos und geradlinig, er transportiert in jedem Satz nicht nur Worte, sondern auch tiefe Emotionen; die kurzen Kapitel, in denen wir Bill Furlong begleiten, in Kälte und Winter zum Kloster fahren, sind atmosphärisch und haben eine hohe Sprachdichte, wobei der Roman sehr gut zu lesen ist, was ich überaus schätze. Auch die Tatsache, dass Bill seinen Vater nie kennenlernte, verschafft der Geschichte um die berüchtigten "Magdalenen-Heime" in Irland (und Großbritannien) eine zusätzliche Spannung.


Fazit:


Ein überaus lesenswerter, kurzer, aber voller tiefer Emotionen steckender Roman, in dem es um die Auflehnung gegen Machtmissbrauch von Schutzbefohlenen geht. Für Mitmenschlichkeit und Verantwortungsbewusstsein. Gegen das Wegschauen und das Verdrängen. Für Zivilcourage und persönlichen Mut, der in der Person von Bill Furlong zutage tritt. Den betroffenen Mädchen hätte man zu dieser Zeit (erst 1996 wurde das letzte Magdalenenheim in Irland geschlossen!) viele Bill Furlong's gewünscht!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2023
Leb wohl, Mister Chips
Hilton, James

Leb wohl, Mister Chips


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Genau dort, am Kamin bei seiner Vermieterin, Mrs. Wickett, seinen Gewohnheiten nachgehend, ein Tässchen Tee trinkend abends, einen Krimi schmökernd und beim Rückblick und seinen Erinnerungen auf ein schönes und friedliches Leben lernen wir den früheren Lehrer für Latein am Jungeninternat Brookfields (das er gleich mochte) kennen. Der Roman gewährt uns Einblicke in das Leben eines Lehrers zwischen ca. 1870 bis Mr. Chips ins Rentenalter kommt. Berührende Einblicke sowohl ins Berufs- als auch ins Privatleben des Lehrers, der sich selbst eher mittelmäßig findet, dem es nicht immer leichtfällt, für Disziplin zu sorgen und der sich doch von Anfang an sehr wohlfühlt in Brookfield, jenem Jungeninternat, in dem er (500 unbändige Raufbolde) unterrichtet. Er schafft es als junger Lehrer, sich Respekt zu verschaffen, wollte anfangs in eine Schule der ersten Liga (Brookfield gehört in die zweite), hat jedoch einen realistischen Blick und erkennt ein Jahrzehnt später, dass er die Schule gar nicht mehr wechseln wollte. Hatte er doch "mit 40 Wurzeln geschlagen, mit 50 war er der Älteste und Weiseste im Kollegium und mit 60 - mit neuem, jungen Schulleiter - war ER Brookfield".


So ist dieser liebenswerte, prinzipientreue, humorvolle Mr. Chips, in den Herbststürmen seines Lebens angekommen, voller Heiterkeit und Kummer in derartigen Wellen, dass zuweilen Tränen kullern - und er selbst nicht weiß, ob er gerade lacht oder weint: Die Nähe zur Schule hatte er immer gehalten, indem er sich schräg gegenüber bei Mrs. Wickett einmietete und neue Schüler wie auch Lehrer stets zu sich zum Tee einlud. So blieb er, der auch in Kriegszeiten später nochmal "den Laden zusammenhalten" sollte, stets in Kontakt zu den Schülern und Lehrern und durchlief eine charakterliche Entwicklung, die es Freude macht zu lesen: War er anfangs etwas farblos, so merkt man doch, dass Mr. Chips sein Herz am richtigen Fleck hat. Seine leider kurze Ehe mit Katherine holt noch mehr aus ihm hervor, das zuvor in ihm schlummerte: So traten sein Sinn für Abenteuer und Humor, seine Selbstsicherheit noch mehr zutage und seine Beliebtheit wuchs. Seine Witze wurden stets begierig weitergetragen (kennst du schon den Neuesten?) und die Schüler urteilten über den längst ergrauten älteren Lehrer: "Anständiger alter Knabe".


Auch zeitgeschichtliche Ereignisse fließen in den Roman mit ein (Burenkriege, Tod von König Edward, das Ende des Viktorianischen Zeitalters, der Untergang der Titanic etc.) und Mr. Chips hat natürlich auch mit Schulleitern zu kämpfen, die ihm und seinen (älteren) Lehrmethoden nicht gewogen sind: Dennoch können diese nicht damit rechnen, dass Mr. Chips so ohne weiteres "das Feld räumte".

Wichtig war ihm stets das "Maß der Dinge", das Brookfield und somit auch er den Jungen beibringen sollte: Belohnt wurde er im Alter oft mit netten Besuchen ehemaliger Schüler, die sich nach seinem Wohlergehen erkundigten. Besonders gefiel mir der älter gewordene Lehrer, als er (um die Jahrhundertwende um 1900) "von einer Milde durchdrungen wurde, die seine Schrullen und seine immergleichen Scherze zu einer Harmonie verband" (Zitat S. 65). Die Zweifel an seiner Arbeit wichen (zurecht) einem Stolz, der in ihm aufkam. Am Ende wurde er zum Scherzbold deklariert, da er immer in allem das Komische sah und zur Schullegende. Brookfield war nicht Brookfield ohne Mr. Chips!


Der Stil James Hilton's ist atmosphärisch und von großer Tiefe, wenn er seinen Hauptprotagonisten, Mr. Chips, ausleuchtet. Gleichzeitig ist der Roman von einer brillanten Schnörkellosigkeit und Ausdrucksstärke, die ich sehr schätze. Man wünscht sich, es hätte mehr von den Menschen wie Mr. Chips gegeben (oder würde es noch); vermutlich wäre dann die Welt ein besserer Ort?


"Das Maß der Dinge ging mehr und mehr in der Welt verloren, da musste man es wenigstens zu Hause bewahren", so Chips in der Zeit des 1. Weltkriegs; dadurch hat dieser Roman auch gerade in unserer Zeit einen aktuellen Bezug.


Fazit:


Ein wundervoller Roman über einen liebenswerten Lehrer, der Rückblicke in sein erfülltes Leben gewährt. Seinem Unterricht in einem Jungeninternat im englischen Brookfield. Berührend, zutiefst menschlich und voller Humor zählt dieser Roman zu meinen "literarischen Kleinoden", einem Juwel englischer Literatur und erhält ausser einer absoluten Leseempfehlung (vielleicht gab es - bestenfalls - in jedem Leben einen Lehrer, der Mr. Chips auf irgendeine Weise ähnelte?) auch 5* von mir.

Bewertung vom 03.11.2023
Die Butterbrotbriefe
Henn, Carsten Sebastian

Die Butterbrotbriefe


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Da ich der 'aussterbenden Spezies' der BriefeschreiberInnen angehöre, habe ich mich auf diesen Roman sehr gefreut; und ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Carsten Henn gelingt es durch seine poetisch-atmosphärische Art, eine Geschichte zu schreiben, den Leser von Beginn an neugierig zu machen: Hier lernen wir die sympathische, aber lange durch die eigene Mutter fremdbestimmte Kati kennen, die nach dem Tod der Eltern erkennt, dass sie wie eine Marionette an Fäden hing, die sie jetzt, nach dem Tod von Helga Waldstein, unbedingt durchtrennen möchte, um ein freies und unabhängiges Leben zu führen. Ist die Mutter hier sehr empathielos, sogar hart der Tochter gegenüber beschrieben, ist die Inhaberin des Frisiersalons Rose, Madame Catherine, das absolute Gegenteil: Seit Kindesbeinen liebt sie Kati sehr und gestattet ihr später, sich samstags Utensilien zum Haarschnitt Obdachloser (auf kostenloser Basis) auszuleihen, so steht Kati jeden Samstag auf dem Markt - zur Freude von Scholle und anderen Wohnungslosen, bis sich eines Tages ein "Namenloser" dazugesellt, der seinen Namen später preisgeben sollte: Severin, ein Klavierstimmer, der drei Jahre auf der Straße lebte und sich bei Kati für deren Freundlichkeit bedanken möchte. Auch Onkel Martin, Katis kauzigen Onkel, der - selbst nie an der Arktis gewesen, den Polarkreis aber liebend - lernen wir in seinem Arktismuseum oder "Svenssons Polarwelt" kennen: Diese Figur fand ich mit am Sympathischsten von allen; auch er mag Kati sehr, die in ihrer Kindheit mehr Zeit bei Martin verbrachte als im eigenen Elternhaus. So freut man sich als LeserIn, dass sich auch Severin und Martin anfreunden - und staunt über den jungen Lukas, der Martin bei allen Arbeiten im und am Museum hilfreich zur Seite steht (und zum Schluss eine mehr als gute 'Figur' macht, als ein Schicksalsschlag über Martin hereinbricht).


So verfolgt man lesend; mal schmunzelnd und auch mit traurigen Passagen versehen, wie sich Kati und Severin, die grundverschieden erscheinen, einander mehr und mehr annähern; sich ineinander verlieben: Man verweilt in der Jurte, geht mit dem alten Elch gemeinsam mit beiden ins Dorf zum Einkaufen - und verteilt die noch übrigen Briefe an alle, die Kati enttäuschten oder ihr Unrecht taten; aber auch an alle, denen sie ihren Dank aussprechen möchte (der Schönste von allen war für mich der an Madame Catherine, die das Herz am richtigen Fleck hat). Auch ihrem verstorbenen Vater schreibt sie einen Brief, da sie nie verstanden hat, weshalb seine Zuneigung nach ihrem 8. Geburtstag plötzlich abebbte... Wir sitzen mit Kati und Severin im alten Kino des Vaters und lauschen ihren Abschiedsworten. Als Kati den "Palast", die Villa der Mutter nach deren Tod ausräumt, findet sie einen Stapel Briefe - von ihrer Mutter: Hier muss man beim Lesen schon arg schlucken, da hier ein unheilvolles Familiengeheimnis ruht, dessen schuldloses Opfer Kati lange Zeit war.


Die Themen dieses Romans sind vielfältig: Es geht (in teils poetischer Weise) um wahre Liebe, um Loslassen, um Emotionen und Aufrichtigkeit, um Briefe und um eine Menge "Ungesagtes" oder "Ungeschriebenes", das oftmals zwischen Menschen steht. Der Roman ist eine Hymne an das Briefeschreiben; an Briefe an sich, da sie "Zeit und Mühe waren, das Denken an den anderen. Das wertvollste Geschenk." (Zitat S. 10) Besonders gefiel mir gegen Romanende, dass Kati sich nicht von ihrem Entschluss abbringen lässt, wegzugehen - und sei es für eine geraume Zeit - und somit ein Stück eigene Unabhängigkeit entdeckt, das ihr zuvor verwehrt (worden) war. Besonders schön fand ich den Vergleich mit den Kranichen, die man dieser Tage auf ihrem Flug nach Süden hört - und ihre Formationen am Himmel sieht: Auch zu diesen habe ich seit Kindertagen durch ein bezauberndes Jugendbuch (und Gurion, dem Kranich) ein besonders inniges Gefühl.


Fazit:


Ein warmherziger, sehr berührender Wohlfühlroman mit Tiefgang; eine Hymne auf Emotionen und das zu-sich-selbst-stehen, über die Liebe und das Loslassen, aber auch über Briefe und Ungesagtes in verbaler und schriftlicher Form: Ein Plädoyer zum Griff nach Papier und Feder (ein Kugelschreiber oder Bleistift, ein Füller erfüllt den gleichen Zweck ;) und das Briefeschreiben, das im digitalen Zeitalter mehr und mehr verlorengeht. Poetisch, klug und sehr atmosphärisch: Unterhaltung auf sehr gutem literarischen Niveau! Von mir eine absolute Empfehlung und 4,5 *

Bewertung vom 10.10.2023
Joe Country / Jackson Lamb Bd.6
Herron, Mick

Joe Country / Jackson Lamb Bd.6


ausgezeichnet

Wenn aus lahmen Enten wilde Gänse werden - Slow Horses im verschneiten Wales!

Dieses Mal geleiten Erinnerungen (und keine guten) den Leser ins Slow House, in London-Finsbury, das einem faulen Zahn in einem schlechten Gebiss ähnelt; so heruntergekommen und verdreckt ist es dort. Hier agieren auf monotone Weise die "Abservierten" und es gibt ein Wiedersehen mit Jackson Lamb, der wiederum mit köstlichen Dialogen von seinen Slow Horses, die er dirigiert, gefürchtet wird, stets mit einem Verhalten glänzt, das an anderer Stelle unerträglich wäre: Dennoch hat Lamb, der seit Jahrzehnten dem MI5 angehört und bereits im Kalten Krieg eingesetzt war, Qualitäten, - im Gegensatz zu anderen auch menschliche, wie er im Falle Catherine zeigen sollte - die ihn hätten ganz nach oben bringen können. Wenn nicht alles schiefgelaufen wäre. Wenn nicht Lady Di (Diana Taverner) dort sitzen würde - und darüber sinnieren würde, wie sie ihn endgültig loswerden könnte..

Ausser den bekannten Agenten (Catherine Standish, River Cartwright, Shirley Dander, Roddy Ho, Louisa Guy und J.K. Coe) gesellt sich hier ein weiterer hinzu, aus Gründen, die selbst dem IT-Genie Roderick Ho unergründlich bleiben, vom "Park" (Regent's Park, Sitz des MI5) ins Slow House 'verfrachtet': Lech Wicinsky, der lieber Alec genannt werden möchte und als Analytiker im Park etwas überprüft hat, das einigen Leuten weniger gefallen hat...

Was es damit auf sich hat, ist gar nicht weit hergeholt und unterstreicht, welche realistischen Ideen Mick Herron oftmals als Grundlage seiner Romane dienen.


Der alte O.B. (River's Großvater und eine Geheimdienstlegende) wird zu Grabe getragen und ein alter Ex-CIA-Spion, der Blut im Slow House hinterlassen hat , observiert die Trauergäste: Es wird nicht das letzte Mal sein, dass River hier auf ihn trifft (es ist sein Vater, der bereits lange auf kriminellen Abwegen wandelt). River sprintet über das Grab seines Großvaters (der ihn großzog), um Frank Harkness zu erwischen: Letzterer hat einen Auftrag angenommen, von dem noch niemand etwas weiß.


Louisa Guy trauert noch immer um Min Harper, als dessen Ex-Frau sich an sie wendet, da Lucas, der 17jährige Sohn, auf der Bildfläche verschwunden ist - und Clara Harper, nun Addison, sich große Sorgen macht. Louisa nimmt sich kurzerhand Urlaub und versucht, einiges herauszubekommen, wo Lucas sich aufhalten könnte. Eine große Hilfe ist wie immer Roddy Ho, der King des virtuellen Universums, der den Fitnesstracker von Lucas ausmachen kann: Die Spur führt nach Wales; ebenso wie die Spur des Ex-CIA-Agenten und dessen Helfershelfer: Wird es den Slow Horses - oder hier den "Lahmen Enten" gelingen, den Jungen zu finden? Was steckt dahinter, dass einige gut bezahlte Killer sich an dessen Fersen hefteten?


Meine Meinung:


Jede Seite dieses genialen, intelligenten und sehr stimmigen Spionagekrimis ist ein absoluter Lesegenuss: Inhaltlich wie sprachlich, da Mick Herron mit herrlichen Seitenhieben die heutige englische Gesellschaft und die weniger bekannten Aufgaben des MI5 (die nicht nur daraus bestehen, das Land zu beschützen) beschreibt, wobei eine hohe Sprachdichte, köstliche Dialoge, schwarzer Humor und Sarkasmus, die Atmosphäre sowohl im Slow House als auch im tief verschneiten Wales verbunden mit viel Spannung diese Reihe zu dem machen, was sie ist: Etwas ganz Besonderem!


Es gibt einige Rückblicke auf die Vorgängerbände, jedoch ist jeder einzelne Band der Reihe in sich abgeschlossen. Jeder Satz strotzt vor intelligenter und sprachlich gewitzter "Schnodderigkeit", was ich sehr mag - und auch zu den schrägen Figuren passt. Man empfindet Unmut bei Menschen wie Peter Judd, der wieder in die Politik zurückmöchte und fragwürdige Allianzen mit Lady Di, der Regentin des Parks schmieden möchte; bangt mit den Agenten, die in Wales allesamt ihr Leben riskieren, liest von finsteren internen Machenschaften von Personen, die über Leichen zu gehen bereit sind, um stets mit reiner Weste dazustehen. Hört vom "Fugue-Protokoll" des Parks, das Lady Di vorrangig dazu dienen soll, sich abzusichern.


Die letzten 60 Seiten bestehen aus sehr kurzen Abschnitten, die die Spannung in winterlicher Atmosphäre ins Unermessliche treiben und man im Showdown mit einigen der Agenten (River, Louisa, Emma und Coe); den "Joe Countrys", also Agenten im Außendienst, das Schlimmste befürchtet. Unter Einsatz ihres Lebens kämpfen sie um das Leben eines Jungen. Und erinnern hier eher an wilde Gänse als an "Lahme Enten", wenn auch nicht alle zurückkehren werden.

Am Ende hängen die ins Slow House Zurückgekehrten in der ein oder anderen Form ihren Erinnerungen nach, außer Roddy Ho, der im virtuellen Universum des MI5 auf Tauchgang geht - und Unglaubliches entdeckt!

Bewertung vom 06.10.2023
Tweed Time
Baumgärtner, Theresa

Tweed Time


ausgezeichnet

"Tweed Time" ist das soeben erschienene, innen wie außen auf prachtvolle Weise ausgestattete Buch der Kochbuchautorin Theresa Baumgärtner, die hier gemeinsam mit einem Team (Lucia Baumgärtner, Melina Kutelas, Julia Leissing, Katharina Ralser und Magdalena Burghardt) ein sensationell schönes Koch-, Back-, Rezepte- und Genussbuch im Brandstätter Verlag (HC, geb., 2023, 256 Seiten) veröffentlichte.


Die Autorin ist auch Inhaberin des legendären "Hazelnut House" in einem malerischen Teil Luxemburgs gelegen.


Sie und das Team widmen sich in "Tweed Time", das dem Namen nach schon auf eine Reise der Autorin nach Schottland hinweist, "dem Duft des Herbstes und der Freude auf den Winter" (UT) und speziell die Themen Natur, Rezepte und Handwerk gekonnt und auf die "Baumgärtner'sche zauberhafte Art" (und als Augen- und Gaumenschmaus) hier mit passenden Texten, Illustrationen und tollen Rezepten des Herbstes miteinander verwebt. So kann der geneigte Leser, Betrachter und Hobbykoch in eine bunte Herbstwelt eintauchen, die es an Farbenpracht in sich hat: Die aus Schottland mitgebrachten Inspirationen und landestypischen Rezepte lassen das Herz schon beim Betrachten höherschlagen und werden ins 'Hazelnut House' transferiert, so dass ausser wunderbaren (und gut nachzubereitenden) Herbstgerichten auch viele schottische Rezepte im Buch zu finden sind. So trifft man die Zwetschgentarte ebenso wie Scones aus den Highlands; eine Lauchquiche ebenso wie Fish & Chips und Oaties neben einem Nussguglhupf.


Untergliedert ist die geniale "Tweed Time" in


- Goldene Tage (vom Glück des Erntens)

- Komm, träum mit mir (eine Reise nach Schottland)

- Raureif (eine Vorahnung auf den Winter).


Verortet sind die Themenbereiche, die sich auch auf Tweed und Wolle erstrecken, sowohl in den schottischen Highlands, die die Autorin bereiste, als auch im Hazelnut House; zu beiden schönen Örtlichkeiten gibt es stimmungsvolle und bezaubernde Herbst- und Winterfotos.


Als Schottlandfan haben mich die Fotos und Berichte (z.B. das Hotel Ivybank Lodge in Blairgrowie) mehr als begeistert; ebenso wie die Illustrationen, Zitate und Lyrics (Morgenstern, Robert Burns), aber auch die herbstlichen DIY-Projekte, die sehr gut beschrieben werden, haben mich sehr inspiriert und mir gefallen (Stempel-Atelier, Blättermobile z.B.)


So "wimmelt" es auf 256 Seiten von klassischen und schottischen Herbstrezepten, stimmungsvollen Bildern und Fotos, einem Flowerschool-Besuch, Spuren des Tweedstoffes in einer alten Fabrik (Glenlyon Tweed Mill) und ein Tweed-Guide, der dieser stimmungsvollen Gesamtkomposition ein Krönchen aufsetzte.


Fazit:


Ein prachtvolles Kaleidoskop herbstlicher Koch- und Backrezepte mit schottischer Note, verbunden mit sehr stimmungsvollen Fotos und Texten: Ein must-have für Fans von Theresa Baumgärtner und auch eine wundervolle Geschenkidee! Von mir eine absolute Empfehlung und 5*.

Bewertung vom 06.10.2023
Backen macht glücklich
Runge, Kathrin

Backen macht glücklich


ausgezeichnet

Auf über 190 Seiten hat die sympathische und erfolgreiche Bloggerin, Autorin, Journalistin und Mutter Kathrin Runge vielfach erprobte, leckere und zu jedem Anlass passende Rezepte in diesem empfehlenswerten Backbuch zusammengestellt, die auch von Backanfängern leicht nachzubacken sind, von süß bis herzhaft reichen und teils gemeinsam mit Kindern gebacken werden können (diese Rezepte haben eine spezielle Kennzeichnung, was ich sehr positiv finde!).


"Backen macht glücklich" - Das Familienbackbuch von Kathrin Runge erschien (2023, HC geb.) im DK-Verlag und enthält 80 bewährte, teils klassische und sehr leckere Backrezeptideen, die auch dank guter Beschreibung der Zubereitung sehr gut nachzubacken sind. So finden sich für jeden Anlass rund ums Jahr köstliche Rezepte, die mit tollen Fotos der Autorin und Bloggerin garniert sind.


Sehr gelungen finde ich die Gliederung und vor allem die Basics zu den Teigarten und dem Zubehör (und Alternativen) sowie die 'Pannenhilfe' und die kreative Resteverwertung. Diese Basics erleichtern Einsteigern das Eintreten in die Welt des Backens; das Backen erfordert wenig Zeit, so dass es auch im trubeligen Alltag jeder Familie Platz hat. Der Hauptteil gliedert sich in die Rubriken


- Kuchen, - Feste, - köstliche Kleinigkeiten, - Süßspeisen und - Herzhaftes


Für Kids gefielen mir besonders der Cookie-Cake und die Regenbogentorte; an Herzhaftem das indische Naan und die Spinat-Feta-Muffins; an Klassikern der Rosenkuchen (Hefepuddingschnecken) und der Apple-Crumble, den wir sehr lieben und der besonders in die jetzige Herbstzeit passt.


Fazit:


Tolle Backinspirationen und 80 leicht nachzubackende, in den Alltag zu integrierende wundervolle Backrezepte, die meist anfängertauglich sind und teils auch gemeinsam mit Kindern gebacken werdn können: Ein Basic-Backbuch, toll illustriert und sehr gut beschriebene Rezepte, die für jeden feierlichen Anlass - oder auch zwischendurch - viel Backfreude und das Genießen des jeweiligen Ergebnisses garantieren! Auch als Geschenk eignet sich dieses Backbuch sehr; ich kann es bestens empfehlen und vergebe die volle Punktezahl! 5*

Bewertung vom 13.09.2023
Der letzte Zug nach Schottland / Ein Fall für Alan Grant Bd.6
Tey, Josephine

Der letzte Zug nach Schottland / Ein Fall für Alan Grant Bd.6


ausgezeichnet

"Der letzte Zug nach Schottland" von Josephine Tey (1896-1952) erschien im Kampa Verlag/Zürich (2023, HC, geb., 326 Seiten) in nostalgisch anmutendem Cover, das mir auf Anhieb gefiel. Es passt zu diesem hervorragenden klassischen Kriminalroman einer Wegbereiterin, deren "Nachfahrin" Val McDermid ein sehr treffendes Nachwort schrieb; Josephine Tey bereitete im klassischen Kriminalroman-Genre quasi den Weg für viele namhafte Autorinnen. Der Ermittler Alan Grant taucht auch in anderen Werken Tey's auf und wer ihn noch nicht kennenlernen durfte, wird ihn sicher sympathisch und sehr menschlich finden. Seit Jahren steht diese Autorin auf meiner Krimileseliste und der hier vorliegende, neuerschienene und von Manfred Allié aus dem Englischen übersetzte Krimi macht auf jeden Fall Lust auf mehr von Josephine Tey, wenn man klassische Kriminalromane, die sog. 'noirs', wie ich sehr mag. "The singing sands" so der stimmige O-Titel im Englischen, erschien übrigens erstmals 1936.


Alan Grant, Detectiv Inspector bei Scotland Yard, ist erschöpft und macht sich auf die (lange) Reise von London nach Schottland, wo ihn Freund Tommy nebst der von Grant sehr gemochten Ehefrau und Pat, deren halbwüchsigem Sohn, erwarten. Kurz vor dem Aussteigen aus "Abteil B Sieben", das eine der Hauptrollen im Kriminalroman spielen sollte, sieht er mit eigenen Augen, dass es Murdo Gallacher, genannt 'der alte Joghurt', ein stets verdrießlicher Bahnbediensteter, der seit 20 Jahren das Nötigste tut, seine Gäste jedoch schröpft und ein Vermögen machte, nicht gelingt, einen jungen, dunkelhaarigen, zerzaust wirkenden Mann aus dem Schlafabteil aufzuwecken: Grant stellt fest, dass der junge Mann tot ist - und das Abteil nach Whisky-Ausdünstungen riecht: Der Tote hat eine Wunde am Hinterkopf, mit dem er in womöglich betrunkenem Zustand mit dem harten Waschbecken kollidierte...


Im Hotel stellt Grant fest, dass er zu seinen Zeitungen wohl noch eine aus "Abteil B 7" versehentlich mitnahm und findet ein Gedicht (8 Zeilen, der Mittelteil fehlt), das u.a. von singendem Sand erzählt... Als er in der Zeitung am nächsten Tag liest, dass es sich um einen jungen Franzosen handelt, der im Zug zu Tode kam, bekommt er ein schlechtes Gewissen, da er das Gedicht durchaus dem jungen Toten zuschreibt, unbeabsichtigt ein evtl. Beweisstück mitnahm, es aber nicht deuten kann.


Und so nehmen die Dinge ihren Lauf: In den Highlands angekommen, versucht sich unser erschöpfter Inspector mit Angeln abzulenken, bis er im Wasser den Kopf des jungen Franzosen sieht: Der Fall geht ihm nicht aus dem Kopf und er versucht, hinter die ominösen Zeilen zu kommen und was sie mit dem Toten zu tun haben könnten. So gibt er Anzeigen auf, besucht einige Inseln auf den Hebriden, auf denen es singenden Sand und wandelnde Steine geben soll (nebenbei bewältigt er seine Klaustrophobie und gegen Ende seiner kriminalistischen und sehr durchdachten, intelligenten Bemühungen, das Rätsel um den frühen Tod des Mannes zu lösen, überwindet er sie sogar); lernt einige suspekte und einige hilfreiche Menschen kennen, die ihm dabei helfen, eine Spur aufzunehmen: So entpuppt sich ein Pilot mit kriminalistischem Spürsinn als Compagnion Grants, da dieser ebenfalls an der Lösung interessiert ist, schien er mit dem Toten befreundet gewesen zu sein. Das Motiv, das Grant für das vielleicht nicht gewaltlose Ableben des jungen Mannes hält, könnte in diesem (wie in vielen anderen Fällen) Eitelkeit sein. Und so erlebt man im zuvor oft beschaulichen, zeitweise sehr humorvollen Krimi einen skrupellos eitlen Menschen, dessen furchterregender Charakterzug ihn nicht davon abhält, eiskalt und berechnend wie auch grausam einen Menschen zu "beseitigen".


Der Stil von Josephine Tey ist sehr atmosphärisch, sprachlich ein Genuss, was ihrer scharfen Beobachtungsgabe und ihrem Erzähltalent geschuldet ist, und in dem (von mir sehr geliebten) britischen Sinne sehr humorvoll (ein Bsp.; (Jemand) hat "einen Blick wie eine Steinmauer, mit Scherben gekrönt" - Zitat S. 51). Tey schreibt klar und beschreibend und auch die "Zwiesprache", die Grant zuweilen mit sich selbst führt, ist köstlich zu lesen.


Fazit:


Ein Klassiker der Kriminalliteratur mit einem unorthodoxen, kultivierten, feinfühligen, auch verletzlichen Inspector Allen Grant, den man einfach ob seiner Menschlichkeit sympathisch findet: Liest man J. Tey (wie ich selbst) zum ersten Mal, ist es eine Überraschung, ein Vergnügen, wie McDermid im Nachwort richtig festhält. Vom ersten bis zum letzten Satz ist auch der Leser/die Leserin damit beschäftigt, das Rätsel um den Toten in Abteil B Sieben zu lösen: Ich freue mich auf weitere (im selben Verlag neu veröffentlichte) Kriminalromane der sehr talentierten Josephine Tey und empfehle diesen absolut weiter: An Fans klassischer Kriminalromane und solchen, die es noch werden wollen. Von mir daher 5* für ein Krimi-Highlight in 2023!

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