Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Ännie

Bewertungen

Insgesamt 77 Bewertungen
Bewertung vom 11.01.2021
Im Kindergarten: Allererstes Schneiden
Jebautzke, Kirstin

Im Kindergarten: Allererstes Schneiden


ausgezeichnet

Großer Bastelspaß

Allererstes Schneiden bietet eine Menge Bastelspaß: nicht nur zum Ausschneiden, sondern auch zum Ausmalen und Kleben laden viele liebevoll gestaltete Blätter ein.
Jeweils auf einem oder zwei aufeinanderfolgenden Blättern des Blocks wird eine Aufgabe gestellt: eine Form ausschneiden, Fingerpüppchen basteln, ein Bild aus Einzelteilen zusammensetzen, dem Friseur helfen oder ein Tier verstecken. Auf Anleitungen kann verzichtet werden, gestrichelte Linien zeigen die Schneidekanten an, kleine Piktogramme auf den Blättern zeigen das Ergebnis oder den Arbeitsschritt. Das ist gut gelungen, ich vermute aber schon, dass vielleicht bei dem ein oder anderen auch Mama und Papa mal kurz erklären dürfen, um was es geht, wie z.B. bei dem Zusammenklappen der Blockseite, um nicht ein halbes, sondern ein ganzes Herzchen zu produzieren. Bei den nächsten Blättern mit dem gleichen Prinzip wird es dann aber sicher gut alleine funktionieren. Das Format des Blocks ist schön handlich.
Fazit: ein gelungener Bastelblock, der einige Beschäftigung bietet. Klebestift und Schere zücken, Buntstifte herbei und es kann losgehen!

Bewertung vom 15.12.2020
Bären füttern verboten
Elliott, Rachel

Bären füttern verboten


ausgezeichnet

Überwindung

Sydney Smith steckt voller Energie, schon ihr ganzes Leben lang klettert und rennt sie am liebsten durch die Gegend. Auch mit Mitte Vierzig ist ihre Umgebung für Sydney ein großer Spielplatz, eine Herausforderung – ein Parcour mit Hindernissen, die sie überwinden möchte. Einem persönlichen Hindernis stellt sie sich in St. Ives, eine Reise in die Vergangenheit, in einen Ort, zu Personen, die lange hinter ihr lagen. Alte Geschichten werden erweckt und neue Verbindungen entstehen für Sie. In St. Ives selbst wird Maria als eine der ersten auf die Frau, die auf Dächern steht, aufmerksam, glaubt sogar an eine Verbindung zu ihr. Im Laufe der Ereignisse entsteht in jahrelang festgefahrenen Strukturen eine Dynamik, die alle ein Stück weit verändert. Sydney und ihre Familie, Maria und ihre Familie – und das Schöne ist, irgendwie insgesamt so richtig „zum Guten“.
Dabei stellt sich natürlich dem Leser auch lange die Frage, um welches Ereignis in der Vergangenheit sich die Problematik dreht. Der Ausgang ist direkt klar, das Warum wird erst zum Ende hin aufgelöst – und spielt eigentlich sogar eine recht untergeordnete Rolle. Rachel Elliott wechselt ab zwischen Rückblenden und den aktuellen Ereignissen in St. Ives. Stellt ihre Personen vor, ihren „Werdegang“, ihre Spleens, ihre Gefühle, ihr Päckchen, dass mit sich tragen und dann die Veränderungen, die durch neue Interaktionen, durch neue Fragen, neue Denkanstöße plötzlich ein bisschen Wind in alte Routinen bringen und alles ein wenig durcheinanderwirbeln und neue Weichen stellen, so lange, bis alles irgendwie auf einem neuen Weg ist.
Ich war von dem Eingangskapitel schlichtweg begeistert, vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Aber ich spürte da einen Hauch in den Zeilen, der mich an Mariana Leky erinnerte, fast sogar schon an John Irving (nein, nicht wegen des Titels). Diese Personen, die Art der Schilderung, die Skurrilität, die Lakonie! Der Anfangs-Euphorie hielt das Buch dann im weiteren Verlauf nicht ganz stand. Was aber blieb war ein Erzählstil, der sogleich leicht und humorvoll, aber auch melancholisch und dramatisch ist. Das hat mich sehr begeistert. Auf dem Klappentext fällt das Wort „liebenswert“ zur Charakterisierung, und das finde ich sehr zutreffend. Rachel Elliott ist freundlich zu ihren Figuren, und das wird in meinen Augen gut zum Leser transportiert – und bleibt irgendwie haften. Man nimmt dadurch sehr viel Anteil an ihrem Leben und Fühlen, man begleitet sie ein Stück weit, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart durch St. Ives, am Strand, mit den Hunden, im Alltag, über die Dächer, in ihrer Entwicklung.
Fazit: klare Leseempfehlung. Kein Larifari-Buch, aber auch keine schwere Kost. Eine runde Geschichte, mit tollem Erzählstil und behutsam gezeichneten Charakteren – sympathisch und realistisch, so dass ein Bezug leichtfällt.

Bewertung vom 11.11.2020
Frostgrab
Reynolds, Allie

Frostgrab


sehr gut

Schatten der Vergangenheit

Milla reist mit gemischten Gefühlen in die französischen Alpen. Zehn Jahre sind vergangen seit einem denkwürdigen Winter, zehn Jahre seit sie zuletzt auf einem Snowboard stand, sich auf die britischen Meisterschaften vorbereitete. Es war damals ein ereignisreicher Winter, und Milla trägt seitdem mindestens ein Geheimnis mit sich herum. Nun hat Curtis vorgeschlagen, dass sich die alte Clique noch einmal zusammenfindet. Kein anderer hätte es geschafft, Milla in die Vergangenheit zu locken. Doch dann stellt sich heraus, alle anderen dachten von Milla eingeladen worden zu sein. Warum ist das Panoramahaus auf dem Gletscher verlassen, wer versucht hier ein perfides Spielchen mit den Freunden von damals zu treiben? Schnell wird klar, Milla scheint nicht die einzige mit einem Geheimnis zu sein und irgendwie beschleicht die fünf bald ein ungutes Gefühl, dass nicht nur ein Schatten der Vergangenheit auf ihrem Treffen liegt, sondern eine sehr reale Bedrohung. Doch wie kann das sein? Jeglicher menschliche Verstand spricht dagegen, aber von Rationalität war auch schon damals in der Gruppe nicht viel zu spüren.
In abwechselnden Rückblenden und Kapiteln des aktuellen Geschehens führt die Autorin den Leser zurück zu den Ereignissen auf dem Gletscher in jenem schicksalhaften Winter vor zehn Jahren und in der Gegenwart. Sie entfaltet die persönlichen Beziehungen, Animositäten und Intrigen damals und heute. Gleichzeitig gibt es sehr viel Einblick in die sportliche Welt des Snowboardens, aber so, dass es auch komplett Außenstehende wie mich interessant bleibt. Was mir insbesondere gut gefallen hat, war die detaillierte Charakterzeichnung der Freunde und der Spannungsbogen vor allem im ersten Teil, der mich wirklich an das Buch fesselte. Die ersten Stunden in der Hütte, die unerklärlichen Vorkommnisse, Misstrauen und Angst, das alles war sehr gut aufgebaut. Auch der Einfallsreichtum der Autorin zu kleinen und großen, ungefährlichen und bedrohlichen Sticheleien, Intrigen und Sabotagen bis hin zu Hass fand ich beeindruckend – und hoffe für sie, dass sie da nicht aus irgendeinem Erfahrungsschatz aus ihrer eigenen Snowboard-Vergangenheit zehren konnte. Abgründe tun sich auf, menschlich und hier dann tatsächlich auch in Form von Gletscherspalten… Im weiteren Verlauf hat das Buch dann schon so einige Längen, obwohl eigentlich permanent etwas passiert, aber das Überraschungsmoment ist dann eine zeitlang einfach weg, aber nicht so, dass man die Lust an der Lektüre verlöre. Es kommt aber zum Ende hin auch durchaus zurück und die Auflösung fand ich dann wieder sehr gelungen und auch insgesamt schlüssig – und zwar sowohl die der vergangenen als auch der aktuellen Storyline.
Fazit: ein guter Thriller um eine Clique, die nur einen Winter bestand und schon damals nicht frei von Konflikten war. Doch irgendjemand möchte nach langen Jahren noch einmal zurück. Verletzte Gefühle und Rache und spielen eine große Rolle, die nicht nur kalt, sondern eiskalt serviert werden soll. Ein starker Beginn und das Ende lassen einige Längen im Mittelteil verzeihen.

Bewertung vom 21.10.2020
Capitana
Love, Melissa Scrivner

Capitana


weniger gut

Verzichtbare Fortsetzung

Lola ist die Capitana einer Crew in South LA. Unter ihrer Führung sind die Crenshaw Six von einer kleinen Randerscheinung zu einem wichtigen Player im Drogengeschäft geworden. Ungewöhnlich ist nicht nur die Führung einer solchen Vereinigung durch eine Frau, sondern auch ihre Verbindungen, ihre Kooperationspartner. In anderen Geschäftsbereichen würde man von erfolgreichem female entrepreneurship, networking und Synergieeffekten sprechen. Wie jeder gutverdienende Drogenhändler spielt Lola eine wichtige Rolle im Viertel, nicht nur durch ihre Macht, ihren Zugang zu Waffen, ihrer Durchsetzungskraft sondern auch aufgrund ihres sozialen Engagements, wie in prominenenten realen Beispielen ist sie Ansprechpartnerin und oft genug Finanzspritze des Viertels. Plötzlich befindet sich Lola in einer Auseinandersetzung mit dem Kartell ohne es beabsichtigt zu haben, und diese Konflikte werden nur auf eine Weise ausgetragen: blutig.
Capitana trägt leider nicht, nicht so wie der erste Band „Lola“. Irgendwie hektisch, irgendwie verworren, irgendwie unklar. Ich mag nach wie vor den Stil der Autorin, diese geradlinige, oft unmittelbar wirkende Ausdrucksweise, als sei man in Lolas Kopf und mitten im Geschehen, ihrem Denken und ihrem Fühlen. Ich bin nie in diesem Buch angekommen, die Handlung hat mich zu keinem Zeitpunkt gefesselt, die Protagonisten und ihr Schicksal haben mich nicht berührt. Sehr bedauerlich und unerwartet, dass es in diesem Fall wirklich bei den Vorschusslorbeeren aufgrund der positiven Erfahrung mit dem ersten Band geblieben ist. Letztendlich war mir vor allem die Handlung einerseits zu belanglos und oberflächlich, sowohl inhaltlich als auch in der Erzählweise und andererseits wusste ich oft gar nicht so richtig, um wen es gerade warum und wo geht.

Bewertung vom 18.09.2020
Das Buch eines Sommers
Kast, Bas

Das Buch eines Sommers


ausgezeichnet

Ein Buch mit Persönlichkeit

Nicolas erlebt einen Horror-Sommer. Seine Freundin macht Schluss, düst ab nach Australien und er sitzt da nach dem Abi im grenzenlosen Fatalismus des ersten richtigen Liebeskummers gefangen. Onkel Valentin steht plötzlich vor der Tür, der etwas abgedrehte Schriftsteller, Exzentriker, Lebemann, Porschefahrer – und seine Rettung. Mit einer Menge PS und einem offenen Ohr holt er Nicolas aus seinem Kaninchenloch und beschert ihm einen Sommer, der unvergesslich scheint, im Gegensatz zur treulosen Freundin. Viele Jahre danach ist der Sommer längst Geschichte und auch das Lebensgefühl, das Nicolas damals empfand. Doch in die Fußstapfen des Vaters und das Pharmazieunternehmen der Familie eingetreten, führt er ein stressiges Workaholic-Dasein, bei dem nicht nur die Familie zu kurz kommt. Er hastet von Termin zu Termin, pendelt zwischen Labor und Konferenzraum, und ist definitiv zu spät bei der Schulaufführung. Ein Anruf ändert alles und bringt das Gefüge und Nicolas Gedanken ins Wanken. Valentin ist tot. Nach Jahren kommt er zurück an den Ort, an dem er den glücklichsten Sommer verbrachte, den er je hatte, verbringt zum ersten Mal wieder mehr Zeit mit Frau und Sohn und vor allem auch sich selbst, seinen Gefühlen und Wünschen. Langsam beginnt eine Fassade zu bröckeln, ein Bild von ihm, das im Laufe der Jahre entstand. Der Sommer von damals, Valentin und sein Charakter beginnen wieder Einfluss zu nehmen. Nicolas Tage und Nächte sind auf einmal ganz besonders.
Ich bin begeistert.
Bas Kast hat ein Buch mit Persönlichkeit und Charakter geschrieben über Persönlichkeit und Charakter. Übers Geschichten erzählen, über Fantastereien und Quatschgeschichten, über Neuro-Wissenschaft und Pharmazeutik, über Bücher schreiben und über Bücher erleben, über sich verlieren und sich finden, über Einsamkeit und Gemeinsamkeit, über Trauer und Liebe. Dies alles tut er in einer sehr ruhigen, poetischen Erzählsprache und mit einer gekonnten Verschachtelung, oder einem Kniff am Ende, dessen Grundsatz ich zwar irgendwann tendenziell ahnte, aber in die letzte Seite ist trotzdem noch einmal ein herrliches Detail und passender Einfall.
Fazit: Mich hat das alles sehr erreicht und bewegt. Ich kenne kein einziges Sachbuch von Bas Kast. Ein weiterer belletristischer Wurf würde sofort bei mir einziehen. Ein ganz besonderes „Buch eines Sommers“ (tja, welcher Sommer war denn nun der entscheidende???) und definitiv ein Lesehighlight 2020 für mich. Absolute Leseempfehlung. Der Untertitel liest sich ja schon fast wie ein Titel eines Sachbuches, aber es ist alles andere als das. Es ist ein wunderbares kleines Stück Literatur, das man genießen kann und das zum Nachdenken anregt, vielleicht mehr als jeder Ratgeber über Quality Time oder ererbte und angeborene Charaktereigenschaften es (bei mir) jemals könnte.

Bewertung vom 15.09.2020
Das Erbe der Päpstin
Glaesener, Helga

Das Erbe der Päpstin


sehr gut

Guter eigenständiger Roman

Freya wird als Sohn eines Wikingers und seiner Sklavin geboren. Bei einem Raubzug wurde ihre Mutter in das Land der Dänen verschleppt und fristet dort seit rund 15 Jahren ein trostloses Dasein, das auch ihre Töchter einschließt. Vor allem die jüngere Tochter Freya hat ein zu helles Köpfchen und einen zu starken Freiheitsdrang, als dass sie nicht gegen die Ungerechtigkeit ihrer Situation aufbegehren könnte, sei es durch Fallenstellen im Wald oder eben die Flucht, als sich die Gelegenheit ergibt. Ihr Ziel ist der Großvater, den sie nur aus den Erzählungen der Mutter kennt. Da das Reisen als Frau im 9. Jahrhundert – und auch zu anderen Zeiten – nicht wirklich möglich, geschweige denn sicher ist, verkleidet sie sich als Junge und macht sich auf den Weg nach Süden. Viel weiter als zunächst gedacht, denn der Großvater befindet sich nicht mehr in Dorstadt sondern in Rom, an der Seite des neuen Papstes, einem sanften, heilkundigen Mann namens Johannes Anglicus. Doch Freya bewältigt auch diese Etappe und trifft tatsächlich auf ihren Großvater. Dann jedoch überschlagen sich die Ereignisse und Freya beginnt einen neuen Lebensabschnitt und die eigentliche Handlung dieses Romans setzt ein. Als Frau, auf der Flucht, in Paris, an der Seite eines Mannes, in der ständigen Gefahr der Wikingerangriffe auf die europäischen Städte an der See und entlang der großen Flüsse.
Denn darum geht es hier, nicht um die Päpstin Johanna, es geht um Freyas Geschichte. Eine Frau im 9. Jahrhundert, die sich aus dänischer Gefangenschaft befreit, diese Bedrohung bestimmt aber ihr Leben weiterhin. Hinzu kommen die „üblichen“ Gefahren der Zeit, sowie Konflikte und Intrigen rund um die Mächtigen, die Erbfolgen und ihre Beschützer, denen sich alle ausgesetzt sehen, die im Zentrum des Geschehens sind, dadurch, dass sie irgendeine Position bekleiden. Freya meistert dieses Leben mit viel Mut, Interesse an Heilkunde und Loyalität und geht ihren Weg. Diese Charaktereigenschaft teilt sie mit der legendären (Romanfigur) Päpstin Johanna, die hier als „Vehikel“ dient, die Geschichte um Freya in Gang zu bringen.
Eine Fortsetzung zum Erfolgsroman „Die Päpstin“ ist es nicht, braucht es nicht zu sein, fraglich ob es Sinn machen würde, die Geschichte der Päpstin ist mit ihrem Tode auserzählt. Auch „das Erbe“ – naja. Wenn Freya vielleicht Bischof von Paris geworden wäre, ja sie verkleidet sich als Mann – sehr zeitlich begrenzt. Ja, sie kann lesen und interessiert sich für Heilkunde, aber bitte. So ist es einfach eine eigenständige Geschichte, und die funktioniert prima. Die Geschichte um Päpstin Johanna ist nur eine Episode im Gesamtplot, diese in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, finde ich mittelprächtig. Die Machtverhältnisse und Erbfolgen Ende des 9. Jahrhunderts und die Bedrohung durch die Nordmänner spielen eine viel entscheidendere Rolle. Ich vermute mal, man sieht es dann mehr als Zugpferd für das Marketing, aber das ist für die Geschichte - für die Verkaufszahlen mag es anders sein -, vollkommen unnötig. Noch nicht ärgerlich, aber eben unnötig.
Fazit: für mich ein Ausflug ins Genre Historischer Roman, der sich durchaus gelohnt hat. Liest sich flüssig, spannend und interessant. Die Bezeichnung „Fortsetzung“ ist vollkommen überzogen, es wird das Motiv der Päpstin Johanna aufgegriffen, mehr nicht. Es geht um eine Frau im Mittelalter, ihr Schicksal, ihre persönliche Verwicklung in historische Ereignisse, das funktioniert und das reicht auch vollkommen aus, um eine tragfähige Geschichte zum Leser zu transportieren.

Bewertung vom 07.09.2020
Wer auf dich wartet / DCI Jonah Sheens Bd.2
Lodge, Gytha

Wer auf dich wartet / DCI Jonah Sheens Bd.2


sehr gut

Someone’s watching you…
Aidan ist ratlos. Seine Freundin Zoe lag wohl in der Badewanne, dann betrat jemand ihre Wohnung und verschloss die Tür. Er kann nur mutmaßen was geschehen ist. Denn er sitzt vor seinem Computer. Wartet eigentlich auf Zoe bei Skype, doch sie erscheint nicht vor dem Monitor. Die Polizei kann er irgendwie nicht wirklich rufen, denn schließlich ahnt seine Frau nichts von seiner Affäre mit der jungen Studentin… Schließlich tätigt er einen anonymen Anruf, den DCI Jonah Sheens tatsächlich mehr oder weniger zufällig kurzfristig nachgeht und so wird Zoe tatsächlich schon bald in ihrer Badewanne aufgefunden. Tot, offensichtlich betäubt. Doch wer war der Unbekannte, der die Polizei alarmierte, wer der Mörder? Warum sind eigentlich alle Freunde Zoes irgendwie verdächtig? Es entsteht ein Netz von Beziehungen, Animositäten, Abhängigkeiten, dass sich der Polizei von Southampton nach und nach erst offenbart und sich langsam entwickelt. Alle Vermutungen und Schlussfolgerungen laufen erst einmal ins Leere, bis sich langsam ein Bild abzeichnet – im wahrsten Wortsinne, wie der Leser dann bemerkt.
Im Verlauf der Geschichte wechseln sich Rückblenden auf einzelne wichtige Ereignisse in den letzten zwei Lebensjahren Zoes ab mit den aktuellen Geschehnissen rund um das Auffinden ihrer Leiche. Und doch ist der Leser dadurch nicht schlauer als die Polizei, auch für den Leser entwickelt sich erst ganz langsam ein vollständiges und aufschlussreicheres Bild als zu Beginn. Insgesamt steht in diesem Thriller die Ermittlungsarbeit viel mehr im Vordergrund als bei anderen Vertretern des Genres, so dass nie ein wahnsinnig hoher Spannungsbogen entsteht, aber eben ein beständiges Voranschreiten ohne aufwändige Plot-Twists, atemlose Verfolgungen oder gefährliche Situationen am laufenden Band. Ich habe das als sehr angenehm empfunden und es entwickelt sich einfach eine andere Art von Dynamik, die irgendwann nicht minder spannend ist. Dabei spielen für den Fall Kameras eine große Rolle. Webcams, Straßenüberwachung, der Schlüssel liegt hier in der digitalen Beobachtung und Aufzeichnung und das in einem Maße der Lückenlosigkeit, die fast ein bisschen beängstigend ist, aber letztendlich natürlich zu einem wichtigen Werkzeug der Ermittler geworden ist – und Webcams am Monitor sollte man evt. tatsächlich einfach mal grundsätzlich abkleben.
Fazit: solider Krimi mit sich langsam entwickelnder Spannung. Den ersten Band der Autorin rund um die Ermittlertruppe muss man nicht gelesen haben um der Handlung folgen zu können, aber es ist natürlich immer interessant, die Entwicklung der wiederkehrenden Personen zu verfolgen. Ich setze auf Hanson und Lightman. Wer einen eher ruhigen Krimi sucht, wird hier fündig.

Bewertung vom 10.08.2020
Bluthölle / Detective Robert Hunter Bd.11
Carter, Chris

Bluthölle / Detective Robert Hunter Bd.11


ausgezeichnet

Zufallstreffer beim Raubzug

Eine Taschendiebin mit Ehre möchte einem unfreundlichen Menschen eine Lektion erteilen und traut ihren Augen kaum. Offensichtlich hat sie die Aufzeichnungen einen Serienkillers erwischt, der eine akribische Buchführung sein Eigen nennt.
Kurz darauf erfahren Robert Hunter und Carlos Garcia von der Ultraviolent-Abteilung des LAPD von dem grausigen Text, der an Details nicht spart – inklusive Geokoordinaten, die zum Fundort der ersten Leiche führen und eine großangelegte Untersuchung in Gang setzen. Wer ist der Verfasser? Ein Psychopath – alles deutet daraufhin, handelt er doch im Auftrag von „Stimmen“ – oder steckt doch etwas anderes dahinter, etwas viel perfideres? Schnell wird eines klar: der Täter ist offensichtlich sehr intelligent, weiß wie die Polizei arbeitet, kennt Strukturen und Wege und ist in der Lage, den Weg seines Buches aufzuspüren und damit auch den der Diebin und der Ermittler – plötzlich sind die Rollen Jäger und Gejagter nicht mehr so klar verteilt.
Ein Carter wie er sein muss. Gewohnt starke Ermittler, gewohnt grausamer Fall mit hinreichend blutigen Details und einem perfiden Täter. Der Spannungsbogen ist wie immer gleichbleibend hoch und auch dieser Band der Reihe für mich ein Pageturner, den man in zwei Tagen so weg liest. Für mich hat diese Reihe einfach keine Schwächen und bietet alles, was ich von einem harten Thriller erwarte, daher bin ich auch dieses Mal wieder begeistert und hoffe, dass der Autor noch weitere Ideen für Täter und Ermittler hat. Widmung und Nachwort sind dieses Mal sehr persönlich, und ich freue mich, dass Carter geschrieben hat und es auch hoffentlich weiterhin tun wird.
Ansonsten finde ich durchaus, dass dieser Band, obwohl es der mittlerweile schon elfte der Reihe ist, auch gut als Einzelband gelesen werden kann, dieses Mal gab es so wenig Rahmenhandlung, da fehlt einem quasi nichts, wenn man die Vorgänger nicht kennt.
Fazit: Carter ist immer empfehlenswert, wenn es um „richtige“ Thriller geht, dieser Band stellt keine Ausnahme in der starken Reihe dar.

Bewertung vom 03.08.2020
Verschollen in Palma
Kallentoft, Mons

Verschollen in Palma


ausgezeichnet

Tiefer Fall
Man möchte nicht in der Haut von Tim und Rebecka Blanck stecken: erlaubt man einer 17-jährigen einen Partyurlaub in Mallorca mit ihren Freundinnen? Man will Vertrauen haben, nicht die spießigen Spaßverderber-Eltern sein – und erlaubt es. Mit Bauchschmerzen, aber irgendwann ist es eben soweit. Und Emme fliegt in den Süden, mit Julia und Sofia, nach Magaluf, in diesen Party-Moloch voller Alkohol, Nachclubs, Sex und Drogen. Dan geschieht das Schlimmste, sie verschwindet und ihre Eltern fallen in einen Abgrund. Ihr Vater kann auch drei Jahre später nicht akzeptieren, dass seine Tochter nicht gefunden wurde, sammelt weiter kleinste Hinweise und lässt nicht los. Seine Tochter nicht, die Balearen-Insel nicht. Die Ehe ist zerbrochen, seine Frau hat einen neuen Mann und er eine (etwas zweifelhafte) neue Existenz in Palma de Mallorca als Privatermittler. Zwischen High Society und Slum bewegt sich sein Alltag. Als aus einem alltäglichen Auftrag – Beschattung einer mutmaßlich untreuen Ehefrau – plötzlich ein wahrer Strudel an Verwicklungen, Betrug und Verbrechen wird und zugleich in diesem Zusammenhang auch plötzlich konkrete Hinweise zum Verschwinden seiner Tochter Emme auftauchen, verbeißt sich Tim Blanck tief in diesen Fall und handelt eigentlich nur noch aus persönlichem Antrieb und deckt nebenbei einen gigantischen Betrugsskandal auf, der das ganze Ausmaß an Korruption, Vetternwirtschaft und Skrupellosigkeit derer beinhaltet, die die Macht haben, die Geschicke einer Stadt, einer Region, einer Insel nach ihren Wünschen zu lenken.
Mons Kallentoft schreibt Bücher, wie kein anderer. Er formuliert anders, er unterbricht anders, er lässt den Leser anders auf seine Protagonisten und deren Innenleben blicken als andere Autoren. Er schreibt, mitunter wie der Mensch denkt, wie er fühlt, wie er schwankt, neu ansetzt und fällt. Kurz, sprunghaft, in Fetzen, mit Unterbrechungen, in Erinnerungen, im Moment. Dieser Stil ist sicherlich für manchen Leser zu holprig, zu ungeschmeidig – ich kenne es von ihm und schätze es sehr. Das Tempo ist hoch, die Spannung fast durchgängig sehr groß, nur das Ende konnte mich nicht 100%ig überzeugen, da ist einfach der Zufall ein wenig zu arg beansprucht für meinen Geschmack.
Es steckt tatsächlich eine unglaublich große Menge Mallorca in diesem Buch, ohne dass es sich hier um einen allzu seichten Urlaubs-Lektüre-Roman handelt, wie der Untertitel „ein Mallorca-Krimi“ vorgaukeln könnte. Eine Menge an geografischen Örtlichkeiten tauchen auf, die dem Urlauber, der sich aus seiner Hotelanlage wagt (was man unbedingt tun sollte) geläufig sind: angefangen vom neuen Kongresszentrum in Palma, dem Strand in Portals Vells, den Wasserreservoirs und vieles andere, was man unzählige Mal vielleicht auch nur auf den Schildern der Autobahn las, wie die Industriegebiete rund um Palma, oder die wirklich unschönen Hochhausbauten in den weniger ansehnlichen Stadtvierteln der Inselhauptstadt. Dem gegenüber steht ein genauso facettenreicher Querschnitt mallorquinischer Bevölkerung jenseits des Touristenalltags, vom Baulöwen bis hin zur chinesischen Immigrantin, ebenfalls mit allen Zwischenstufen, die denkbar sind. Kallentoft zeichnet ein Bild Mallorcas aus bekannten Örtlichkeiten und teils unvorstellbaren vor allem menschlichen Abgründen, die der Tochter des Protagonisten letztlich zum Verhängnis werden. „U watch me Dad, me do da jump“. Und wie so oft beim Sprung, von oben ist der Boden nicht wirklich zu erkennen und erst der Aufprall bringt die Wahrheit.
Fazit: wer bereit ist sich auf den Stil einzulassen oder ihn kennt, wird Spaß dran haben.

Bewertung vom 07.07.2020
Schwarzer August / Leander Lost Bd.4
Ribeiro, Gil

Schwarzer August / Leander Lost Bd.4


ausgezeichnet

Rechtfertigt das Ziel die Mittel?

Lost ist nicht nur in Fuseta, sondern auch mächtig „in love“. Für den nun-nicht-mehr-nur-Austausch-Kommissar an der portugiesischen Algarve öffnet sich eine ganz neue Welt in der Beziehung mit Soraia, der Schwester seiner Kollegin Graciana. Wie in jeder neuen Beziehung gibt es ein paar Missverständnisse, die jetzt gar nicht so Asperger-spezifisch, aber durch Leanders besondere Art der Kommunikation und des Verstehens geprägt sind. Aus dieser entspannten Idylle werden er und seine Kollegen durch einen Bombenanschlag auf eine Bankfiliale gerissen. Terrorismus an der Algarve? Aber warum an einem Sonntag, warum eine Filiale, die vollkommen alleine im Hinterland liegt, warum wurde nichts gestohlen? Als auch ein Fischerei-Unternehmen Opfer eines weiteren Anschlags wird, beginnt sich ein Muster heraus zu schälen, das nicht zuletzt durch Losts spezielle Kombinationsgabe klar umrissen werden kann: hier geht es irgendjemandem nicht um das Töten von Menschen, nicht um Religion, hier steht keine Ideologie dahinter sondern Idealismus. Und die Kommissare beginnen zu erkennen, dass der Täter bereit ist, seine Mittel anzupassen, aus Enttäuschung, Frustration und die Lage spitzt sich zu, die Gefährdung wächst für alle Beteiligten und schließlich finden sich Leander und Carlos in einer äußerst prekären Situation wieder.

Lost in Fuseta ist für mich eigentlich gar kein Regionalkrimi. Es ist eine Krimireihe, die nun mal in Portugal spielt. Mit einem deutschen Kommissar zwar, der auch oft die Lösung präsentieren darf, aber sonst erinnert nichts an die seichten „Urlaubs-Fälle“ zwischen gekühltem Wein, gegrilltem Fisch und schöner Landschaft. Gil Ribeiro wählt auch keine 08/15-Fälle, sondern findet immer etwas mit mehr Relevanz, mehr Sinn, mehr Tiefe, was mir außerordentlich gut gefällt. Es ist auch äußerst interessant, Leanders Entwicklung im Laufe der Zeit zu beobachten, eventuell zum ersten mal in seinem Leben angekommen zu sein, in einem Umfeld, dass ihn und seine Besonderheiten einfach so annimmt, ihn nicht ausschließt sondern akzeptiert und aufnimmt. Das ist der Grund weshalb ich auch empfehlen würde, falls jemand die Vorgänger-Bücher nicht kennt, die Reihe in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Ich denke, dies ist für den Zugang zu den Protagonisten und ihrer Dynamik von großem Vorteil.
Fazit: ich bin wieder sehr begeistert vom neuen „Lost“ und hoffe, der Autor sieht noch sehr viel für seinen Protagonisten und seine Kollegen an der Algarve. Abseits der jeweiligen – wirklich interessant erdachten und außergewöhnlich gewählten Kriminalfälle – ist die Geschichte drumherum noch lange nicht auserzählt und bietet einen absolut ebenbürtigen Grund, diese Reihe zu lesen.