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Krimisofa.com

Bewertungen

Insgesamt 69 Bewertungen
Bewertung vom 14.11.2017
Das Auge
Laymon, Richard

Das Auge


ausgezeichnet

Hätten wir nicht alle gerne übersinnliche Kräfte? Durch die Zeit reisen zum Beispiel, oder fliegen wie Superman, oder allwissend sein. Oder lediglich sehen können was irgendwo auf der Welt gerade passiert – das ist durch das Internet und Webcams heute natürlich schon möglich, aber dazu müssen sowohl Sender als auch Empfänger aktiv sein. Aber darum ging es Richard Laymon bei „Das Auge“ nicht, denn als dieser lebte, war das Internet für den Alltagsgebrauch höchstens in Kinderschuhen, denn die Originalausgabe von "Das Auge" erschien erstmals 1992; Laymon beschritt damals die Pfade Stephen Kings, denn in dem Buch geht es um Telepathie.

Die Hauptperson in dieser Geschichte ist Melanie. Melanie studiert, was genau, erfährt man nicht, aber da sie in einem Orchester Violine spielt, liegt der Schluss nahe, dass sie etwas künstlerisches studiert, vielleicht sogar Musik. Auch weiß man nicht, wie alt Melanie ist, nur, dass sie wesentlich jünger als ihr Freund Bodie ist – aber selbst der dürfte maximal Ende 20 sein, denn er steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums. Was wir allerdings detailliert über die Violinistin erfahren, ist, wie ihre Brüste aussehen. Und spätestens, wenn wir das erfahren, wissen wir, dass es sich bei „Das Auge“ um einen Laymon handelt, denn solche Beschreibungen waren Laymon Steckenpferd. Was wir noch erfahren – und hier kommen wir zum Kern der Geschichte – ist, dass Melanie immer wieder mal Visionen hat. Und die aktuelle, die sich während eines Konzertes ihres Orchesters ereignete, macht ihr klar, dass irgendetwas schlimmes mit ihrem Vater passiert sein muss.

Der Clou am Stil der Geschichte ist, dass Melanie zwar die Hauptperson ist, man ihre Sicht aber weder in der ersten, noch in der dritten Person erzählt bekommt, sondern über Bodie eher aus zweiter Hand. Dadurch ahnt man zwar, dass Melanie ein ziemlich bescheidenes Selbstvertrauen hat, weil sie ihrer Schwester Pen das Aussehen neidet und deshalb eine latente Fehde gegen sie führt, aber fix ist es nicht. Pen dürfte tatsächlich unfassbar gut aussehen, hat aber ihre ganz eigene Geschichte, die man nach und nach erfährt. Generell ist „Das Auge“ vermutlich eines von Laymons tiefgründigsten Geschichten, bei denen es ausnahmsweise nicht um random Teenagers geht, die irgendetwas gemeinsam unternehmen. Auch der sexuelle Aspekt ist eher zurückhaltend. Ich würde „Das Auge“ auch nicht als Horror bezeichnen, sondern eher als unterhaltsame Geschichte, in der mehrere Genres aufeinander treffen; unter anderem Drama, Mystik und Krimi, garniert mit einer Prise Erotik – jedenfalls aber ein Buch, das ich nur schwer weglegen konnte. Was wirklich gut und zeitweise witzig geschrieben ist, sind die inneren Dialoge der Charaktere. Wenn sie mit sich selbst diskutieren, als würde auf der linken Schulter ein Engelchen und auf der rechten ein Teufelchen sitzen. Das kenne ich so und in dieser Häufigkeit nur von Laymon und macht die Geschichte auch lebensnah, denn vermutlich haben wir alle schon solche Diskussionen in unserem Kopf geführt. Der Showdown ist ziemlich actionreich und hier blitzen dann auch Horror-Elemente durch – zumindest wäre es für mich der blanke Horror, wenn ich diese Szenen verfilmt sehen würde.

Was mich verwirrt hat – und das ist tatsächlich der einzige Kritikpunkt – ist ein abrupter Szenenwechsel von Bodie zu Pen auf Seite 32. Wobei das vielleicht ein Fehler ist, der nur in den Rezensionsexemplaren ist. Viel verloren gegangen ist dabei jedenfalls nicht.

Tl,dr: „Das Auge“ ist eines der tiefgründigsten Bücher von Richard Laymon, das ich bis jetzt gelesen habe und eines, das ich nur schwer weglegen konnte. Es ist kein reiner Horror, sondern ein Mix aus mehreren Genres, wobei die Erotik, für die Laymon bekannt war, hier eher im Hintergrund rückt, aber immer wieder aufblitzt.

Bewertung vom 07.11.2017
Grandhotel Angst
Garnier, Emma

Grandhotel Angst


weniger gut

Auf der Seite von Random House steht über Emma Garnier folgendes: „Emma Garnier ist das Pseudonym einer Autorin, deren atmosphärische Krimis regelmäßig in den Top 10 der Bestsellerliste stehen“. Das klingt gut, das lädt ein, „Grandhotel Angst“ zu lesen – zumindest auf den ersten Blick. Denn irgendwann fragt man sich „Moment. Warum dann ein Pseudonym?“ Okay, vielleicht passt das Genre nicht ganz zu ihren anderen Werken, das war bei Fitzeks „Blutschule“ ähnlich. Die angekündigte Atmosphäre ist dann bei Garnier wohl eher bei den Krimis zu finden – aber alles der Reihe nach.

Eleonore ist 21, äußerst sensibel und sie liebt Schauergeschichten und okkultes Zeug. Sie liebt ihren Mann so sehr, dass sie ihn nach nur einer kurzen Zeit heiratet. Wobei auch dazukommt, dass es Daheim bei ihren Eltern nur schwer auszuhalten ist. Dass Oliver so gut wie nichts über sich erzählt, war ihr vor der Hochzeit offenbar völlig egal, genau wie der Umstand, dass er 15 Jahre älter ist als sie. Kurzum kann man Nell, wie die frisch Vermählte im Buch genannt wird, als reichlich naiv bezeichnen, was nicht mal unsympathisch ist, sondern der Geschichte einen gewissen Pepp verleiht. Das war es dann aber auch, denn die Geschichte ist von vorne bis hinten leblos, langweilig, vorhersehbar und an den Haaren herbeigezogen. Ausgestattet mit einem hübschen Umschlag, der als Eyecatcher herhalten soll, um das hässliche Entlein als stattlichen Schwan zu verkleiden – so wie es leider viel zu oft von Verlagen gemacht wird.

Ich verstehe ja durchaus die Intention der Autorin und finde die Idee, einem alten leerstehenden Hotel, das ja tatsächlich existiert hat, auf diese Art Leben einzuhauchen, wirklich gut, denn alte leerstehende Gebäude haben tatsächlich oft etwas gruseliges. Aber wie es von der Autorin, die mit ihren „atmosphärischen Krimis regelmäßig in den Top 10 der Bestsellerliste“ steht umgesetzt wurde, ist ziemlich ernüchternd. Da hätte ich wesentlich mehr erwartet, als das, was hier geliefert wurde. Wenn es wenigstens gruselig wäre, aber nicht mal das ist die Geschichte. Vielmehr kommt es mir vor, als konnte sich Garnier nicht entscheiden, ob sie einen Krimi, einen Thriller, eine Horrorgeschichte oder ein Drama schreiben wollte – von allem findet man etwas, aber  nur so halbgar und keines dieser Genres hat Hand oder Fuß. Sorry, dass ich das Buch hier so runter mache, aber ich hab mich zu keiner Zeit von diesem Buch in den Bann gezogen gefühlt. Und ich bin mir sicher, dass die Autorin auch mit solcher Art von Kritik etwas anfangen kann, denn immerhin ist sie ehrlich und konstruktiv.

Aber um die Rezension doch noch etwas versöhnlich ausklingen zu lassen, möchte ich mit etwas Positiven schließen: Mir hat der feministische Aspekt, den Eleonore im Lauf der Geschichte immer mehr ausstrahlt, sehr gut gefallen

Tl;dr: „Grandhotel Angst“ verspricht mit dem Cover und der Ansage, dass das Buch von einer Autorin sei, deren atmosphärische Krimis regelmäßig in den Top-10 der Bestsellerlisten stünden, mehr, als die Geschichte hält. Sie ist nämlich leblos und alles andere als atmosphärisch – leider, denn die Idee der Geschichte ist nicht schlecht.

Bewertung vom 23.10.2017
Kalte Seele, dunkles Herz
Walker, Wendy

Kalte Seele, dunkles Herz


ausgezeichnet

Tl,dr: „Kalte Seele, dunkles Herz“ ist ein unfassbar packender Thriller, der nach und nach eine Sogwirkung entwickelt und den man irgendwann nicht mehr weglegen will. Gut durchdacht, brillant recherchiert und behandelt ein verdammt interessantes und oft unterschätztes Thema. Die ganze und mehr Rezensionen gibt's auf Krimisofa.com!

Bewertung vom 16.10.2017
Was ich getan habe
George, Anna

Was ich getan habe


sehr gut

„Was ich getan habe“ ist ein Thriller, der aus der Reihe tanzt und auf den man sich einlassen muss, um ihn gut zu finden. Ein Thriller, der ein irrsinnig brisantes Thema behandelt, aber auch tabuisierte Themen aufs Tapet bringt und der klar an Frauen gerichtet ist. Die Spannung ist sehr subtil, aber wenn man sich auf die Geschichte einlässt, ist sie außerordentlich packend. Die Ganze und mehr Rezensionen gibt es auf Krimisofa.com!

Bewertung vom 09.10.2017
Black Memory
Clark, Janet

Black Memory


ausgezeichnet

Die eigenen Kinder sind heilig, verschwinden sie, geht eine Welt unter. Man setzt alle Hebel in Bewegung um sie wieder zu finden und würde am liebsten selbst Tag und Nacht nach ihnen suchen – wenn man Amnesie hat, wird das aber schwer, denn dann muss man erst sich selber wiederfinden. Janet Clark vereint diese und noch einige mehr Themen in ihrem aktuellen Spannungsroman „Black Memory“.

Clare Brent ist 37 und Mutter eines Kindes. Eines Kindes, das sie entführt haben soll. Sie selber weiß davon nichts, als sie in der Hauptstadt Indonesiens ins Gefängnis gesperrt wird; auch weiß sie nicht, warum sie in Indonesien ist und warum ihr Körper schmerzt. Als sie wenige Tage später nach England überstellt wird, ist keine Rede mehr von dem, was man ihr vorwarf, denn das Kind ist weg. War in Indonesien schon weg. Das wirkt, so gelesen verwirrend, das gebe ich zu, aber genau so ging es mir nach den ersten Seiten auch. Aber wir erleben das Ganze als Leser aus erster Hand, denn wir nehmen in dem Buch die Rolle der Clare Brent ein und erfahren stückchenweise, wer wir sind und was passiert ist. Wobei der Leser dann doch, im Gegensatz zu Clare, etwas weniger naiv denkt, denn wir wissen ja, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht; immerhin halten wir einen Thriller in der Hand.

Was sich dadurch aber recht schnell einstellt – zumindest war es bei mir so – ist eine gewisse Paranoia, denn irgendwann habe ich keiner Figur mehr etwas geglaubt. Nicht Paul, nicht Angela und nicht Raphael. Raphael ist der Portier der Brents und nimmt nach und nach eine immer größere Rolle in der Geschichte ein. Ja, die Brents haben einen eigenen Portier und ein unfassbar großes Haus, so groß, dass es nicht nur einen, sondern gleich zwei Lifte hat – und eine Dachterrasse mit Sandkasten. Paul ist, wie oben geschrieben, Schönheitschirurg. Einer für die reichen Leute, wie sich recht schnell herausstellt. Und Clare ist Osteopatin, sie behandelt unter anderem ihre eigene Tochter, die eine seltene Gabe hat; sie kann nämlich die Gedanken anderer Menschen lesen.

Die Atmosphäre in „Black Memory“ ist unheimlich dicht, zwar nicht von Anfang an, denn man muss sich als Leser – ähnlich wie die Protagonistin – erst mal zurecht finden in der Geschichte. Durch die Ich-Erzählung wird das Ambiente aber noch mal verstärkt. Zwischen dem Hauptstrang gibt es immer wieder kursiv gehaltene Kapitel, die jeweils nur ein paar Zeilen lang sind, dessen Inhalt aber vor allem zu Beginn sehr kryptisch ist. An den Enden der Kapitel platziert Clark anfangs dezente Cliffhanger, die zum Lesen anregen, aber nicht unbedingt zum Weiterlesen zwingen – das passiert erst im letzten Drittel des Buches. Mit der Zeit erinnert „Black Memory“ immer mehr an einen Wissenschaftsthriller ähnlich „HELIX“ von Marc Elsberg. Auch die Inhalte der zwei Bücher sind sich nicht ganz unähnlich, auch wird in „Black Memory“, wie in „HELIX“, mit Theorien und Fachbegriffen herumgeworfen – ob die Theorien der Realität entsprechen oder eher ins Reich der Mythen gehören, müsste man wohl googlen – andererseits gibt es so gut wie für alles eine Theorie. Und nur weil es eine Theorie ist, heißt es ja nicht, dass es wahr sein muss. Am Ende bekommt die Geschichte noch eine Prise Dan Brown verpasst und ist abgesehen davon in Teilen vorhersehbar. Der Showdown kommt in Wellen und geht zwar eher gemächlich vonstatten, aber dafür nicht gerade unblutig.

Tl,dr: „Black Memory“ von Janet Clark ist ein ziemlich atmosphärischer Thriller über das Verschwinden eines besonderen Mädchens. Durch die Erzählung in der ersten Person bekommt man die Amnesie der Protagonistin als Leser hautnah mit und wird langsam selber Paranoid. Nach und nach entwickelt sich „Black Memory“ zu einem Wissenschaftsthriller und ist einem „HELIX“ von Marc Elsberg nicht unähnlich. Mehr Rezensionen gibt es auf Krimisofa.com!

Bewertung vom 02.10.2017
Die Jagd - Am falschen Ort
Probst, Claus

Die Jagd - Am falschen Ort


gut

„Die Jagd“ lässt sich im Prinzip mit „Nur weil ich paranoid bin, heißt das nicht, dass ich nicht verfolgt werde“ zusammenfassen. Es ist zwar ein ziemlicher Pageturner, den man innerhalb von wenigen Stunden durch hat, der aber auch mit einigen Unstimmigkeiten behaftet ist und etliche Fragen offen lässt – zudem wird er mit der Zeit leider unglaubwürdig. Die ganze (Zeichenbegrenzung) und mehr Rezensionen gibt es auf Krimisofa.com!

Bewertung vom 04.09.2017
Murder Park
Winner, Jonas

Murder Park


ausgezeichnet

Es gibt nicht die eine Wahrheit, jeder hat seine eigene Wahrheit, eine Medaille hat manchmal mehr als zwei Seiten; und oft lässt man sich nur allzu leicht in die Irre führen. In „Murder Park“, dem neuesten Buch von Jonas Winner gibt es einige Wahrheiten, denn es stehen auch einige Charaktere im Zentrum oder werden nach und nach dorthin geschoben. Dabei wird der Leser jedes Mal aufs Neue gefordert, die eine Wahrheit herauszufinden.

Paul Greenblatt ist 24 und Polizeireporter, er wird für ein Wochenende in den Murder Park eingeladen. Ein Wochenende, an dem vorgeführt werden soll, was die Leute erwarten soll, wenn der Park offiziell eröffnet wird. Neben ihm werden elf weitere Leute eingeladen, alle haben eines gemeinsam: sie alle waren damals schon auf Zodiac Island – damals, als die Insel nahe New England noch so hieß. Zum Beispiel Constance, die Pressesprecherin des Murder Park: sie war als Teenager auf Zodiac Island und wurde laut eigener Aussage von Bohner vergewaltigt (hier entbehrt der Name Bohner nicht einer gewissen Komik), was für sie das Geilste war, das sie jemals erlebt hat.

Zwischen dem eigentlichen Plot findet man Auszüge von Video-Interviews, wo dem Leser die Origin Stories der zwölf eingeladenen Leute nähergebracht wird, aber auch die der Insel – dort erfährt man solche Details wie das von Constance. Anfangs irritierten mich die Interviews etwas, weil ich den Hauptstrang lesen wollte – mir wurde aber recht schnell klar, dass die Geschichte mit den Interviews nur noch besser wird. Im Mittelpunkt der Geschichte steht aber Paul, der auch die interessanteste aller Geschichten hat; nach und nach wird diese immer manifester.

Die Geschichte hat mich sehr stark an diverse Agatha Christie Krimis erinnert – sie funktioniert wie ein Abzählreim und bleibt damit stets spannend bzw. wird immer spannender. Zu Beginn, als die Rede von einer Vergewaltigung war, sah ich vage parallelen zu Richard Laymon, die verblassten danach aber wieder. Der Leser wird von Anfang an dazu eingeladen, herauszufinden, wer der Scherge ist, was allerdings nicht einfach ist, weil Winner den Fokus immer wieder auf einen anderen Charakter legt und den Leser jedes Mal aufs Neue fordert. Generell mag ich aber Winners Stil, denn wie schon „Die Zelle“ lässt sich auch „Murder Park“ nicht klar einem Genre zuordnen, wobei hier der Horror meiner Meinung nach am klarsten im Vordergrund steht; das Label „Thriller“ trifft es nur insofern, dass der Leser oft in die Irre geführt wird, hier würde allerdings „Psychothriller“ besser passen – klassischer Thriller ist es trotz vieler Spannungsmomenten für mich nicht. Am Ende wartet auch hier wieder, wie schon bei „Die Zelle“, ein Mindf*ck-Moment, nur, dass dieser bei mir dieses Mal nicht so einen Nachhall hatte.

Tl,dr: „Murder Park“ ist ein großartiges Buch, das es schafft, den Leser immer mehr zu fesseln und ihn gleichzeitig stets dazu einlädt, mitzuraten. Auch wenn die eingeflochtenen Video-Interviews, die den Plot immer wieder unterbrechen, anfangs irritieren können, erkennt man recht bald, welche Bedeutung sie haben. Mehr Rezensionen gibt es auf Krimisofa.com!

Bewertung vom 30.08.2017
Schwarzwasser / Kreuthner und Wallner Bd.7
Föhr, Andreas

Schwarzwasser / Kreuthner und Wallner Bd.7


sehr gut

Andreas Föhr war mir vor der Lektüre von „Schwarzwasser“ kein Begriff, obwohl er schon lange im Autorengeschäft ist. Bevor er Drehbuchautor und schließlich Autor wurde, war Föhr bis Anfang der 1990er Jahre Rechtsanwalt, danach schrieb er unter anderem Bücher für die Erfolgsserien „Die Rosenheim-Cops“ und „Der Bulle von Tölz“ – und exakt daran musste ich nach den ersten gelesenen Seiten denken. Aber alles der Reihe nach.

Clemens Wallner ist neben Leo Kreuthner der Protagonist der Buchserie, die mit „Schwarzwasser“ bereits sieben Bände umfasst. Aber keine Sorge, man muss nicht alle Teile gelesen haben, um sich beim Aktuellen zurechtzufinden – diese Angst hatte ich davor auch –, „Schwarzwasser“ funktioniert auch alleine recht gut. Wallner und Kreuthner fungieren als eine Art Good Cop und Bad Cop, Wallner der brave, ja fast biedere Leiter der Kripo Miesbach, und Kreuthner der uniformierte Polizist, der es mit den Regeln nicht so genau nimmt und gerne auch mal den korrupten Weg wählt. Die beiden ergänzen sich prima und vereinen Verstand mit Unterhaltung.

Und an Unterhaltung mangelt es dem Buch nicht, denn alleine der bayerische Dialekt, dessen sich vor allem Kreuthner bedient – Wallner hingegen fast gar nicht –, bringt einiges davon mit; wobei selbst ich, der ich mit dem bayerischen als Wiener ansatzweise vertraut bin, mit einigen Wörtern überfordert war. Die Geschichte ist allerdings zu 90 Prozent im feinsten Oxford Deutsch geschrieben, nur in den Dialogen kommt stellenweise der Dialekt durch.
Ein zweiter Strang spielt im Berlin von 1996, also 20 Jahre vor der eigentlichen Geschichte. Dort gerät der Strafverteidiger Dieter Sitting in einen kriminellen Sog, aus dem er so leicht nicht mehr herauskommt. Der Strang ist wesentlich düsterer erzählt als der Bayerische, aber – vielleicht auch deshalb – sehr interessant. Hier setzt Föhr sein juristisches Fachwissen gekonnt ein und verbindet es mit Mafia-ähnlichen Szenen.

Später verleiht Föhr der Geschichte eine gewisse Tiefe, denn sie entwickelt sich zusehends in einen Wirtschaftskrimi; aber auch auf menschlicher Ebene wird es tiefgründiger, denn Wallners Vater, den er seit 40 Jahren nicht mehr gesehen hat, kündigt sich plötzlich an. Damit gibt Föhr der Geschichte neben einem lustigen, düsteren und spannenden auch einen rührenden und beklemmenden Aspekt und deckt damit nahezu alle Emotionen ab. Der Showdown ist eher gemächlich, und obwohl er ohne Action auskommt, gehen einige Bomben in die Höhe. Im Nachgang findet sich noch ein Kochrezept zu einer Speise, die im Verlauf der Geschichte gekocht wird.

Weniger ansprechend ist Föhrs Bild von einem Nerd, das bei der Figur des Norbert Petzenberger aka „Der Dude“ eher in die 1990er als ins Jahr 2016 gehört. Nerds sind heutzutage nur mehr in den aller seltensten Fällen ungepflegt und adipös. Es gibt zwar abseits des Dudes noch weitere Nerds, die keineswegs diesem Bild entsprechen, aber der erste Eindruck bleibt eben am ehesten hängen, und den ersten Eindruck bekommt man eben vom Dude.

Tl,dr: „Schwarzwasser“ ist ein gleichermaßen kluger wie unterhaltsamer Krimi, der einige Emotionen abdeckt und tiefsinniger ist, als man zunächst denkt – und damit kein gewöhnlicher Provinzkrimi ist. Eine Serie, die es Wert ist, weiter zu verfolgen. Mehr Rezensionen gibt es auf Krimisofa.com!

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