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Favourite trash - favourite treasure

Bewertungen

Insgesamt 75 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2021
Alles, was wir wissen und was nicht

Alles, was wir wissen und was nicht


gut

Von allem ein bisschen

„Alles, was wir wissen“ ist ein dicker Wälzer, in dem eine große Breite an Themen angekratzt wird. Das Buch umfasst die Kapitel: Universum, Die Erde, Materie, Leben, Menschen, Altertum und Mittelalter, Moderne Zeiten und Heute und Morgen. Der Herausgeber Christopher Lloyd hat sich Unterstützung von über 100 Experten geholt. Die Verantwortlichen für jede Doppelseite, die jeweils ein Thema umreißt, sind unten links angegeben, was bedeutet, dass man auch direkt eine Menge echter Wissenschaftler indirekt kennenlernt.

Eine besondere Rubrik sind die „Bekannten Unbekannten“. Dabei handelt es sich um Fragen, die die Menschen schon seit langer Zeit beschäftigen, die aber immer noch nicht geklärt sind. Hier finden Kinder mögliche Ansatzpunkte, wenn sie selbst einmal forschen möchten. Positiv hervorzuheben sind außerdem neue Themenbereiche in den Kapiteln 7 und 8 wie „Fake News“, die zu meiner Kindheit noch keine Rolle gespielt, heute aber in einem Kinderlexikon ihre Daseinsberechtigung haben.

Hier gehe ich nun zur Kritik über. Ab und zu gibt es einen Expert(inn)en-Kommentar, wobei es sich um eine knappe Vorstellung der Person samt Zitat handelt, aus dem hervorgehen soll, warum diese sich für ihre Arbeit begeistert. Karen McComb, Zoologin, sagt z.B. „Ich möchte gern wissen, wie es ist, die Welt so zu sehen, wie ein Tier sie sieht.“ (S. 159). Die Idee finde ich großartig, aber die Umsetzung hat mich enttäuscht. Hier kommen auf 24 Experten nur 12 Expertinnen. Ich würde nicht auf einer strengen 1:1-Ratio bestehen, aber dass doppelt so viele Männer wie Frauen zu Wort kommen finde ich nicht zeitgemäß und – wesentlich schlimmer – auch nicht realitätsgerecht. Auch in der Rubrik, in der zentrale historische Persönlichkeiten vorgestellt werden, lernt man 22 Männer, aber nur 10 Frauen kennen. Wenn also jemand auf so etwas Wert legt, kann man dieses Buch nicht als gute Wahl empfehlen.

Die Gestaltung des Buches von außen gefällt mir sehr, besonders wegen der Farbwahl von Grün und Gelb. Die fröhlichen Farben passen dazu, dass das Buch Freude an Wissen und Wissenschaft vermitteln will. Innen drin erwartet einen ein modernes Design mit Grafiken und Fotos, aber kaum Illustrationen. Ich muss sagen, dass ich es auf Dauer weder ästhetisch ansprechend noch wirklich gelungen fand. Die Seiten wirken teilweise überladen, ohne dass tatsächlich übermäßig viele Informationen darauf zu finden wären. Empfehlenswert ist das Buch außerdem nur für Kinder in einem Alter, in dem man es ihnen zutraut, selbst zu recherchieren, wenn sie ein Wort nicht verstehen, denn ein Glossar gibt es nicht. Leider auch kein Stichwortverzeichnis, was die ohnehin schon chaotische Gestaltung noch undurchsichtiger macht. Es gibt zwar Querverweise zu anderen zusammenhängenden Themen, die interessant sein könnten, das war es dann aber auch. Ein Buch zum Blättern, nicht zum Nachschlagen.
Vieles wird wegen der Knappheit nicht wirklich erklärt, gerade das Kapitel über das Universum lässt auch mich als Erwachsene unbefriedigt zurück, die Informationen muss man einfach so hinnehmen und hat danach nicht wirklich an Wissen gewonnen (Bsp.: die Beweise für den Urknall auf S. 11). Hier wären die Experten gefragt gewesen, die Zusammenhänge tiefgehend, aber kindgerecht zu erläutern – dafür sind sie schließlich engagiert worden.

Ich wollte ursprünglich vier Sterne geben, aber dann habe ich überlegt: Würde ich dieses Buch in der Buchhandlung durchblättern und dann wirklich kaufen? Nein, würde ich auf keinen Fall. Ich würde es enttäuscht zurücklegen, weil mir daran das Besondere fehlt. Man kann sich natürlich anhand des Buchtitels schon denken, dass es hier viel mehr in die Breite geht als in die Tiefe. Manchmal ist es aber doch besser, zumindest grob Schwerpunkte zu setzen. Der sehr moderne Stil ist aber das, was mir das Buch endgültig kaputtmacht. Dadurch hat es für mich keinerlei Charme. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, es zu verschenken. Daher komme ich zum S

Bewertung vom 18.03.2021
Ich kann das
Schäfer, Bodo

Ich kann das


gut

Sehr basic und ein bisschen cringe

Dieses Buch vertritt die Prämisse, dass Selbstbewusstsein und Selbstzufriedenheit eigentlich die wichtigsten Faktoren sind, die beeinflussen, ob man ein glückliches Leben führt. Strahlt man das aus, kommen Erfolg, gute Freunde und der/die richtige Partner/in automatisch zu einem. Wir begleiten den Jurastudenten Karl, der mit seinem Leben unzufrieden ist, weil er eigentlich andere Träume hat, aber alles immer nur zu misslingen scheint. An diesem Tag lernt er durch einen blöden Auffahrunfall Marc, Leiter einer „Akademie für Selbstbewusstsein“ kennen. Der strahlt eine beeindruckende Ruhe und einen Optimismus aus, die Karl beeindrucken. Und dann lädt er ihn auch noch zum Essen ein! Die Begegnung wird Karls Leben verändern. Wir sehen ihn scheitern, an seinen Fehlern wachsen und schließlich über alle Zweifel und Zweifler triumphieren.

Die Geschichte mit Karl hätte es meiner Meinung nach nicht gebraucht. Die zentralen Aussagen des Buches sind kursiv gedruckt. Wenn man die liest und ein bisschen den Text drumherum scannt, kann man sich den Rest des Buches eigentlich sparen, denn das Geplänkel um Karls Leben ist so schlecht und lieblos geschrieben, dass man da nichts verliert. Auch der Hauch von Mystik, den der Autor in das Ganze bringt, war in meinen Augen überflüssig. Bei der Episode mit dem Tolteken, die nur den veralteten Mythos des weisen, naturbelassenen Indigenen perpetuiert, der das Leben verstanden hat, stellen sich Altamerika-Experten die Nackenhaare auf. Überhaupt erzählt ständig jemand eine weise Parabel, anstatt die Dinge einfach auf den Punkt zu bringen. Das führt zu insgesamt sehr viel Augenrollen, was schade ist, denn die Tipps selbst sind zwar banal, aber bringen trotzdem wichtige Dinge zur Persönlichkeitsentwicklung auf den Punkt. Im Anhang gibt es persönliche Einblicke in Bodo Schäfers leben und einen QR-Code zu Online-Zusatzinhalten, die ich mir dann aber gespart habe.

Kurz: Von den Tipps können die meisten, so denke ich, profitieren, auch wenn ich die meisten davon schon mal online gelesen habe. Hier sind sie aber an einem Ort versammelt und sinnvoll angeordnet. Ich zumindest kenne viele Personen, die diese Dinge noch lange nicht in dem Ausmaß verinnerlicht haben, wie es ihnen gut tun würde, mich selbst eingeschlossen. Aber das ganze Drumherum hätte es nicht gebraucht. Ein kurzes Büchlein für einen günstigeren Preis würde mehr Menschen erreichen - aber Bodo Schäfer nicht so viel Geld einbringen.

Bewertung vom 15.03.2021
Warten auf Wind
Kroon, Oskar

Warten auf Wind


sehr gut

Ein melancholisches Buch über Sommer mit Opa

Vinga ist endlich bei ihrem Opa auf der Insel, nachdem zuhause in der Stadt alles so schwierig ist. Ihr Vater hat eine neue Familie, ihre Mutter ist immer traurig und Vinga hat das Gefühl, dass sie nirgendwo so richtig hingehört. Auch in der Schule hat sie keine Freunde. Doch auf der Insel lernt sie Rut kennen, die das genaue Gegenteil von ihr ist. Man würde nicht meinen, dass die beiden sich verstehen. In der Stadt hätten sie sich vielleicht auch nie kennengelernt. Doch nun sind sie beide hier und es wird ein für Vinga in jeder Hinsicht unvergesslicher Sommer.

Es ist unglaublich traurig, wie viel Frust und Einsamkeit aus diesem Mädchen spricht. Das blaue, schlichte Cover mit dem Albatros transportiert dieses Gefühl sehr gut. Der gelbe Buchrücken und das strahlende Gelb im Inneren des Buches erinnern an die Hitze, die in diesem Sommer auf der Insel herrscht. Das Buch ist in einige größere Teile eingeteilt. Deren Überschriften bestehen meistens aus einem Wort, aber auch das verrät in einigen Fällen leider schon etwas zu viel.

Die Sprache des Buches ist so schlicht und kreativ wie Vingas Sommer auf der Insel. Man fliegt nur so über die Seiten und fühlt sehr viel mit ihr mit. Umso seltsamer ist es, dass die Beziehung zwischen Rut und Vinga mit so viel Distanz erzählt wird, dass ich bis zum Ende nicht so ganz nachvollziehen konnte, warum die beiden sich eigentlich mögen. Die Sympathie ergibt sich nicht aus der Geschichte, sondern wirkt mehr wie ein Beschluss des Autors à la : "So, ihr vertragt euch jetzt!" Einige ihrer Interaktionen waren daher eher überraschend. Das Verhältnis zwischen Vinga und ihrem Opa dagegen hat mich tief berührt und mir viele schöne eigene Erinnerungen zurückgebracht. Rut hätte es in meinen Augen in dem Buch gar nicht gebraucht. Das Thema, das mit ihr behandelt wird, hätte auch ein eigenes Buch verdient, denn hier wurde es offensichtlich nicht umfassend ausgearbeitet.

Das Warten auf Wind hat ein Ende - und auch wenn ich mir einiges anders gewünscht hätte, war es eine sehr schöne Lektüre, die mich sehr melancholisch zurücklässt.

Bewertung vom 22.02.2021
Die Sage der Wandler / Touch of Ink Bd.1
Lasthaus, Stefanie

Die Sage der Wandler / Touch of Ink Bd.1


gut

Gemischt

Auf dieses Buch war ich sehr gespannt, da indigene Kulturen der Amerikas zu meinen größten Interessengebieten gehören. Ich hatte gehofft, dass sie hier nicht nur dazu dienen, der Geschichte einen exotischen Touch zu geben. Der Beginn der Geschichte war so spannend geschrieben... leider habe ich diese Spannung dann im Buch nicht mehr wiedergefunden.

Ich konnte mich auf Dauer nicht in Quinn hineinversetzen, auch wenn ich Nathan bemerkenswert sympathisch fand. Ich habe zunächst ein klassisches Liebesdreieck befürchtet (die hasse ich wie die Pest), aber das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet. Der Schreibstil hat mir an sich gut gefallen, da sich das Buch flüssig lesen ließ, aber er hatte nichts Besonderes an sich. Dafür haben mich viele kleine Dinge zu Tode genervt, allen voran die zickigen Mädels. Die Handlung selbst war ziemlich durchschnittlich, obwohl sie einige interessante Momente hatte. Bei dem Ende allerdings hätte ich einfach nur schreien können. Ich kann Cliffhanger dieser Art nicht ausstehen. Zum Glück erscheint der zweite Band schon in einigen Monaten, ich denke aber nicht, dass ich da dabei sein werde.

Leider war meine ewige Romantasy-Skepsis (obwohl ich das Genre mal geliebt habe) auch hier nicht unbegründet. Die First Nations halten hier nur als frische Kulisse her, die die ewig gleiche Geschichte aufpeppen soll. Das mag man okay finden, ich finde es unangemessen. Jedenfalls geht das Buch insgesamt leider nicht über Durchschnitt hinaus.

Bewertung vom 21.02.2021
Nächstes Jahr in Berlin
Seeberger, Astrid

Nächstes Jahr in Berlin


gut

Gemischt

Nachdem mich der Roman "Goodbye, Bukarest" ganz unerwarteterweise so sehr berührt hatte, stand es außer Frage, dass ich auch dieses Buch von Astrid Seeberger lesen muss. In ihm setzt sie sich mit dem Tod ihrer Mutter auseinander und erzählt vom bewegten Leben ihrer Familie.

Im Gegensatz zu "Goodbye, Bukarest" bin ich in dieses Buch leider nur schwer reingekommen. Das mag daran liegen, dass hier noch mehr die Perspektive der Autorin selbst präsent ist. Es dauert 70 Seiten, bis man so richtig in die Vergangenheit der Mutter einsteigt, ihr Leben in Ostpreußen, ihre vom zweiten Weltkrieg auseinandergerissene Familie, die Flucht in den Westen. Auch im Westen muss sie noch Schicksalsschläge ertragen, behält für immer ihr "Flüchtlingsgesicht". Die Schilderungen dieser Erlebnisse und gleichzeitig die Sehnsucht der Mutter nach dem guten Leben, das sie früher und zwischendurch immer wieder hatte, treffen einen tief im Herzen und sind absolut lesenswert, wundervoll erzählt im poetischen Stil ihrer Tochter Astrid Seeberger.

Deren persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema, ihre Gefühle, also alles, was über die Schilderung des Lebens der Mutter hinausgeht, ist für mich jedoch schwer zu bewerten. Ich möchte mich nicht negativ dazu äußern, da es keine fiktive Geschichte ist. Am treffendsten ist vielleicht, dass das Ganze für mich bis zum Ende - denn Astrid Seebergers eigene Perspektive kommt immer wieder vor, bildet den Rahmen der Geschichte - schwer zugänglich geblieben ist. Das liegt auch daran, dass sie sich in ihrer Erzählung so sehr auf das Körperliche fixiert. Ich bin nicht prüde, aber diese Formulierungen waren mir zutiefst unangenehm. Aus diesem Grund hat der Roman sehr lesenswerte und bewegende Kapitel, aber auch Passagen, durch die man sich durchkämpfen muss.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.01.2021
Der Mädchenwald
Lloyd, Sam

Der Mädchenwald


sehr gut

Große Spannung, durchbrochen von Längen

Während eines Schachturniers wird die 13-jährige Elissa entführt und wacht angekettet in einem Verlies auf. Neben ihrem Entführer bekommt sie auch Besuch vom jungen Elijah, der allerdings nicht empfänglich für ihr Leid ist, sondern sich eher über Gesellschaft freut. Während die Polizei und Elissas Mutter alles versuchen, um sie zu finden, schmiedet das Mädchen einen eigenen Plan.

Das Buch macht rundum von Cover bis Zusammenfassung einen sehr guten ersten Eindruck, was sich auf den ersten Seiten der Lektüre bestätigt. Es gibt einige kreative Zeitsprünge, gerade am Anfang des Romans, und geschickte Perspektivwechsel zwischen Elijah, Elissa und der Ermittlerin Mairéad. Als ambige und besonders originelle Figur stiehlt Elijah Elissa ein wenig die Show. Die Mischung in seinem Charakter zwischen kindlich und "hochbegabt" führte zu einer interessanten Dynamik zwischen ihm und Elissa. Sie dagegen, die nur von ihrer Obsession mit Schach definiert wird, fand ich fast schon langweilig. Die Einblicke in das Privatleben der Ermittlerin habe ich wiederum als störend empfunden. Auch wenn krampfhaft versucht wurde, den Fall mit ihren persönlichen Problemen zu verknüpfen, hat das nur zu vermeidbaren Längen geführt, die die Spannung durchbrochen haben. Verglichen damit fällt auch die eigentliche Ermittlungsarbeit eher dürftig aus. Mehr noch, da Mairéad einfach nicht weiß, wann Schluss ist und durch ihre Verbissenheit nicht nur ihr eigenes Leben aufs Spiel setzt, kann man bei dem, was sie durchlebt, auch wenig Mitgefühl empfindet, während man bei Elissa natürlich hofft, dass sie das Ganze gut übersteht. Dass Elijahs Kapitel in der 1. Person erzählt werden und daher maximal subjektiv sind, trägt aber sicher auch dazu bei, dass sie die spannendsten sind. Die anderen beiden Perspektiven werden in der 3. Person erzählt, wodurch man etwas mehr Distanz zu Elissa und Mairéad hat. Das durchgängig verwendete Präsens transportiert sehr gut die Dringlichkeit des Falls, da Elissa Schreckliches durchleben muss, wobei aber die Intentionen der/s Entführer(s) undurchsichtig sind. Das macht die Geschichte originell.

Die eingestreuten Märchenelemente, die schon im Titel angedeutet werden und sich z.B. auch dadurch äußern, dass Elijah und Elissa sich gegenseitig Hänsel und Gretel nennen, hätte ich nicht gebraucht, denn dafür war die Metaphorik nicht gut genug ausgearbeitet. Dafür, wie komplex der Fall gestrickt ist, wird außerdem das eigentliche Ende - nachdem sich der Showdown über unnötige Massen an Seiten gezogen hat - viel zu knapp abgehandelt. Mir fehlten hier mehr Informationen über das Schicksal der Beteiligten und die Motive des Täters, da letztere doch eher unkonventionell sind und weiterer Erläuterung bedurft hätten, um glaubwürdig zu sein.

Trotz allem ein sehr spannender Thriller, den man durchaus an einem Stück verschlingen kann und der düstere Einblicke in die Leben von auf verschiedenste Weise verstörten Menschen gewährt. Empfehlenswert!

Bewertung vom 19.12.2020
Wonderlands

Wonderlands


ausgezeichnet

Fantastische Welten aus literaturwissenschaftlicher Sicht

„Wonderlands“ ist ein literaturwissenschaftlicher Schatz, in dem besondere fantastische Welten aus fast 100 zentralen Werken der letzten Jahrtausende vorgestellt werden. An dieser Stelle ein Hinweis, um Enttäuschungen vorzubeugen: Bei dem Cover und dem Titel könnte man erwarten, dass es hier vorrangig um Karten geht. Das ist nicht der Fall! Obwohl die Artikel reich bebildert sind und auch Karten sich unter den Abbildungen finden, stehen die Texte im Vordergrund und darin geht es nicht nur um die Welten, in denen die Bücher spielen, sondern auch um literaturwissenschaftliche Analysen, die Bezüge zu unserer Realität aufzeigen und die Werke in historischen Kontext setzen.

Obwohl Laura Miller vorne draufsteht, ist sie „nur“ die Herausgeberin und Autorin des Beitrags zu „Die Chroniken von Narnia“. Alle weiteren Beiträge wurden von jeweiligen Expert*innen verfasst, zu denen man hinten Kurzbiografien findet. Diese Arbeitsteilung ermöglicht erst die hohe Qualität der einzelnen Beiträge, denn ein Mensch kann unmöglich die Breite der präsentierten Werke auch in einer zufriedenstellenden Tiefe überblicken.

Das Buch ist strikt chronologisch in fünf Kapitel eingeteilt. Das erste, „Alte Mythen und Legenden“, reicht vom Gilgamesch-Epos, das um 1750 v.Chr. angesetzt wird, bis 1666 mit Margaret Cavendishs „Die gleißende Welt“. Viele der hier besprochenen Texte beeinflussen Werke noch heute. Mit „Gullivers Reisen“ von Jonathan Swift beginnt das zweite Kapitel, „Wissenschaft & Romantik“, in dem wir große Autoren wie Jules Verne, Lewis Carroll und Robert Louis Stevenson finden. Mir gefällt, wie in der Kapitelüberschrift zwei Merkmale dieser Zeit nebeneinandergestellt werden, die zunächst widersprüchlich scheinen, die Phase aber perfekt beschreiben. Mit J. M. Barries „Peter Pan in Kensington Gardens“ beginnt „Das goldene Zeitalter der Fantasy“, das aus heutiger Sicht an Elfen und Zwerge denken lässt, aber eine viel größere Vielfalt umfasst. Es ist etwas befremdlich, dass „Der Herr der Ringe“ (1954–55) sich erst im nächsten Kapitel wiederfindet, da das Ende des goldenen Zeitalters auf 1945 gelegt wird. Hier muss man sich fragen, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, die strenge chronologische Einteilung zugunsten einer etwas Flexibleren aufzugeben.

In den Werken in Kapitel 4, „Neue Weltordnung“, sind starke Einflüsse des Zweiten Weltkriegs, aber auch des Kalten Krieges erkennbar. Gleichzeitig kommen Postmoderne und Feminismus stärker ins Rollen, was sich in Texten wie „Die Töchter Egalias“ von Brantenberg und „Uhrwerk Orange“ von Anthony Burgess äußert. Zunächst kam es mir seltsam vor, „Schöne Neue Welt“ von Aldous Huxley im goldenen Zeitalter der Fantasy, „1984“ von George Orwell dagegen hier vorzufinden, da sie als klassische Dystopien in meinem Kopf Hand in Hand gehen. Die beiden Bücher trennen jedoch Gräuel wie der Zweite Weltkrieg sowie die grausame Herrschaft und Überwachung Josef Stalins, die George Orwell nachhaltig geprägt haben. Man könnte immer wieder über die Einteilung streiten – ich finde sie zumindest interessant.

Das letzte Kapitel läutet mit Stephen Kings „Der Dunkle Turm“ „Das Computerzeitalter“ ein. Der Titel ist schwer nachzuvollziehen, wenn man überlegt, wo jeweils der besondere Bezug zum Computerzeitalter liegt. Sieht man aber über den Titel hinweg, erwartet die meisten hier, wie schon im ganzen Buch, eine gelungene Mischung aus Bekanntem und Neuem. Natürlich ist es legitim, zu hinterfragen, warum bestimmte Bücher aufgenommen wurden, andere wiederum nicht, aber in meinen Augen konnte die Auswahl hier nur subjektiv ausfallen und mir gefällt das Gleichgewicht aus allgemein bekannten Klassikern und obskureren Werken sehr gut.

Ein zeitloses Nachschlagewerk, dem es gelingt, ganz ohne komplizierte Sprache und an den Haaren herbeigezogene Analysen der breiten Allgemeinheit die literaturwissenschaftliche Perspektive näherzubringen.

Bewertung vom 03.11.2020
Being Young
Skåber, Linn

Being Young


sehr gut

Gesellschaftskritik und Banalitäten der Pubertät

Die norwegische Autorin Linn Skåber hat für „Being Young“ Gespräche mit Teenagern geführt und ihnen Fragen zu ihren Gefühlen, Beziehungen zu anderen Personen, Hoffnungen, Wünschen und Ängsten gestellt. Diese Gespräche hat sie literarisch in Form von Monologen verarbeitet und der jungen Generation damit eine poetische, eindringliche Stimme gegeben. Dabei kommen zwar auch Themen zur Sprache, die die heutige Generation von Jugendlichen insbesondere betreffen, z.B. Corona oder der Klimawandel, vor allem aber geht es um die ewig gleichen Themen: Unsicherheit, Unbeholfenheit, verletzte Gefühle, Erwachsenwerden und auch Frust und Resignation, weil man bei Erwachsenen auf Unverständnis stößt.

Ich kann mir vorstellen, dass viele beim Blick auf dieses Buch die Nase rümpfen werden, dies aber in meinen Augen völlig grundlos. Nicht alle Texte sind gelungen, hier hängt es aber sicher vom persönlichen Hintergrund ab, in welchen davon man sich besonders wiedererkennt. Gerade, weil die besprochenen Themen so zeitlos sind, wird man sich durch den einen oder anderen Text in die eigene Jugend zurückversetzt fühlen. Jugendliche Leser werden sich vermutlich in besonderem Maß in den Texten wiedererkennen und sich vielleicht weniger allein und frustriert fühlen. Wenn tatsächlich jemand mit den geäußerten Problemen so gar nichts anfangen kann, zeigt das vielleicht nur, dass er Teil der Probleme ist, mit denen Jugendliche heutzutage konfrontiert werden.

Trotz der weitgehend gelungenen Inhalte finde ich, dass die Autorin mit ihrem Übermaß an Pathos, das sich schon im Vorwort zeigt, die Aussagen der Jugendlichen etwas erstickt hat und diese teilweise unauthentisch klingen lässt. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Illustrationen von Lisa Aisato, die ich mit dem leicht verträumten Stil eigentlich sehr gelungen finde – zumindest waren sie es, die meinen Blick auf sich gezogen und mich in der Leseprobe schließlich überzeugt haben, dem Buch eine Chance zu geben. Manchmal aber, wenn die Mimik allzu wild ist, wirken die Bilder mehr wie Comics, dabei wäre gerade bei diesem Buch ein stärkerer Fokus auf Gefühlen passender. Es entsteht sonst zu schnell der Eindruck, dass die Aussagen der Jugendlichen ins Lächerliche gezogen werden. Schließlich noch eine kleine Anmerkung: In Geschichte Nr. 21 geht es darum, dass eine Freundin eine viel zu teure Skiausrüstung bekommt. Hier fehlt mir ein Hinweis auf entsprechende Euro-Preise, weil man damit sonst nichts anfangen kann. Natürlich ist es nicht viel Arbeit, den Wechselkurs zu googlen, aber noch weniger Arbeit wäre es gewesen, die Information einfach im Buch einzufügen.

In „Being Young“ gehen Reflexionen über komplexe gesellschaftliche Probleme und die Banalitäten der Pubertät Hand in Hand. Insgesamt finde ich es empfehlenswert, kann mir aber vorstellen, dass die meisten Interessierten sich aufgrund des hohen Preises scheuen werden, ihm eine Chance zu geben.

Bewertung vom 22.10.2020
Halloween. Von Geistern, Vampiren und anderen Spukgestalten
Tetzner, Birge

Halloween. Von Geistern, Vampiren und anderen Spukgestalten


ausgezeichnet

Ein Rundumschlag

Hier ist einfach alles drin, was man sich als Halloween-Fan wünschen kann:
1. Eine Grusellegende zum Einstimmen, die man sich sogar in einer gelungenen Vertonung auf der Homepage anhören kann.
2. Historische Fakten zur Entwicklung der diversen Feste rund um den 31.10./1.11. in verschiedenen Kulturen - hervorragend recherchiert!
3. Traditionelle Rezepte, die mit diesen Festen zusammenhängen, aber auch
4. "modernere" Ekelrezepte, die sich super für die Halloweenparty anbieten.
Alles kindgerecht und doch spannend geschrieben und grafisch ansprechend designt. Besonders praktisch: Fremdwörter werden im Text markiert und in kleinen Infokästen drumherum erklärt.
Ich liebe dieses Buch!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.10.2020
Bittermonds Bucht
Harel, Maike

Bittermonds Bucht


ausgezeichnet

Tiefgründig und dennoch leicht

Seit Jukka denken kann, lebt er mit Käpt’n Bittermond in der einsamen Bucht. Das war auch immer in Ordnung, erst seit einiger Zeit beginnt Jukka sich nach anderen Menschen zu sehen, von denen der Käpt'n immer nur erzählt. Er beginnt, sich zu fragen, wo er herkommt - denn alle Menschen haben doch eine Mutter? Langsam reicht ihm die Bucht nicht mehr aus. Wie passend, dass eines Tages eine alte Bekannte des Käpt'n, Kandidel, mit ihrer Tochter Lila auftaucht. Sie und Käpt’n Bittermond verstehen sich blendend, doch Kandidels Tochter kann mit Jukka wenig anfangen. Nach einigen Tagen reist Kandidel plötzlich Hals über Kopf ab - und vergisst dabei sogar ihre Tochter. Was sie dagegen mitnimmt, ist Käpt’n Bittermonds über alle geliebtes gläsernes Herz. Lila verlässt die Bucht, um ihrer Mutter zu folgen. Und Jukka kommt kurzerhand mit, schließlich sucht er schon lange nach einem Grund, mehr von der Welt zu sehen. Und irgendwer muss dem armen Käpt'n ja sein Herz zurückbringen...

Es ist von Anfang an klar, dass hinter dem Herz eine Metapher steckt, aber die Geschichte wird so spannend und gefühlvoll erzählt, dass es trotzdem Spaß macht sie zu lesen. Von Anfang an hat die Erzählung sehr viel Tiefe. In der Inhaltsangabe zeichnet sich schon heraus, dass es um Fragen geht wie "Wo komme ich her?", "Was sagt das über mich?" "Welches Bild habe ich von mir, welches von anderen?" Auch setzt sich das Buch viel damit auseinander, wie schnell man Menschen vorverurteilt.

Jukka ist ein Protagonist, den man gleich ins Herz schließt, vor allem, weil man schon ahnt, dass etwas Schlimmes passiert sein muss, wenn er ohne Mutter aufwachsen muss. Ich fand es sehr zugänglich, wie er auf fast flüchtige Weise seine Sehnsüchte ausdrückt, als ob sie ihm selbst gerade erst bewusst werden. Seine Naivität bringt ihn und Lila aber auch in noch größere Schwierigkeiten als sowieso schon. Aus den Auseinandersetzungen zwischen den beiden sowie deren Auflösung können Kinder einiges lernen.

Ergänzt wird die tiefgründige Geschichte durch traumhafte Vignetten. Absolut empfehlenswert!