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takabayashi

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 10.04.2017
Wenn ich jetzt nicht gehe
Dueñas, María

Wenn ich jetzt nicht gehe


ausgezeichnet

Abenteuerroman, Familiensaga, Liebesgeschichte ...
... Und man könnte noch mehr Genres anfügen, z.B. Historischer Roman, denn das alles beinhaltet dieses Buch.
Es ist die Geschichte von Mauro Larrea, der als junger Mann nach dem Tod seiner Ehefrau mit seinen zwei kleinen Kindern zu neuen Ufern aufgebrochen war, von Spanien in die Neue Welt, nach Mexiko-Stadt. Wir befinden uns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und lernen ihn als Mann in den Vierzigern kennen. Durch harte Arbeit und viel Geschäftssinn hat er es zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Doch just in diesem Moment erhält er eine katastrophale Nachricht: sein amerikanischer Geschäftspartner ist verstorben und seine Investitionen haben sich in Luft aufgelöst, die von ihm bezahlten Maschinen wird er nie erhalten. Für ein großes Geschäft hatte er alles, was er besaß, eingesetzt, hatte sich verschuldet, und hat nun alles verloren. Seine Tochter ist gut verheiratet und erwartet ihr erstes Kind, aber sein Sohn, der auch demnächst in eine gute mexikanische Familie einheiraten soll,macht ihm Sorgen; er ist ein Luftikus und Rebell und wurde deshalb für ein Jahr nach Europa geschickt, um sich die Hörner abzustoßen. Mauro bangt nun, dass diese Ehe nicht zustande käme, wenn sein Ruin bekannt würde. Deshalb bricht er überstürzt auf, um irgendwie die Grundlagen für einen Neuanfang zu schaffen.
Als erstes verschlägt es ihn nach Kuba, nach Havanna und später dann weiter zurück nach Spanien, nach Jerez in Andalusien. Und immer ist sein Schicksal eng verbunden mit der Familie Montalvo, zuerst durch die künftigen Schwiegereltern seines Sohnes, denn die Schwester des Schwiegervaters lebt in Kuba und ist mit einem Spross der Familie Montalvo verheiratet. In Spanien dann lernt er die faszinierende Soledad Montalvo kennen, die allerdings mit einem - sehr viel älteren - englischen Sherry-Händler verheiratet ist.
Abenteuer, Liebe, Intrigen und Verrat, alles ist drin in diesem großartigen und spannenden Roman, ein wenig hat mich die Atmosphäre an den Grafen von Monte Christo erinnert, denn ähnlich episch geht es in dieser Geschichte zu. Toll geschrieben, keine seichte Schmonzette, hat mich dieses Buch von Anfang an gefesselt, und während des letzten Drittels konnte ich gar nicht mehr mit dem Lesen aufhören. Nur an einer Stelle hatte ich das Empfinden, dass hier etwas zu viel des positiven Zufalls zusammenfabuliert worden war, aber das tat dem Lesegenuss keinen Abbruch. Und der deutsche Titel gefällt mir nicht - im Original heißt das Buch La Templanza, das ist der Name des Weingutes der Familie Montalvo in Jerez. Das hätte man vielleicht einfach so stehen lassen können. Aber das sind nur unwesentliche Kleinigkeiten. Alles in allem ein großes Lesevergnügen, volle Punktzahl und absolute Kaufempfehlung!

Bewertung vom 06.04.2017
Der grüne Palast
Hohmann, Peggy

Der grüne Palast


ausgezeichnet

Leopoldine, Kaiserin von Brasilien
In diesem Briefroman geht es auf eher heitere Art um ein großes Drama. Ein Reigen von teils tatsächlichen, teils fiktiven Figuren sind die Briefeschreiber. Die Hauptperson, die im Mittelpunkt der Geschichte steht, ist die Habsburger Erzherzogin Leopoldine von Österreich. Ferner ihr Vater, Kaiser Franz I., und erheblich bedeutender, der Fürst von Metternich. Leopoldines Gesellschafterin und Freundin, die Gräfin Lazansky, ca. 10 – 15 Jahre älter als die Erzherzogin. Und Leopoldines Lieblingsschwester, Marie–Louise, Herzogin von Parma, Ehefrau von Napoleon Bonaparte. Last but not least der Marquis de Marialva, ein portugiesischer Diplomat und Metternichs Freund und Verbündeter.
Das Drama besteht in der Zwangsverheiratung der Töchter und Söhne von Monarchen aus Gründen der Staatsraison, ohne Rücksicht auf deren Wünsche und Träume, in diesem Fall der jungen Leopoldine mit dem portugiesischen Kronprinzen Dom Pedro, dessen Schwachpunkte man ihr wohlweislich verschwiegen hat. Erschwerend hinzu kommt, dass die portugiesische Königsfamilie seit zehn Jahren nicht mehr in Portugal residiert, sondern auf der Flucht vor Napoleon nach Brasilien gegangen ist. Metternich und Marialva haben diese Heiratspläne geschmiedet, von denen beide Länder zu profitieren hoffen. Der jungen Frau steht also auch eine unendlich lange Reise bevor, auf der wir sie begleiten. Diese Ziele werden nicht unbedingt erreicht, da die Welt in permanenter Veränderung begriffen ist und antimonarchistische, republikanische Revolten auf dem Vormarsch sind.
Die Form des Briefromans lässt die unterschiedlichsten Stimmen erklingen, und wir erfahren viele historische Tatsachen quasi nebenbei. Der Ton ist zumeist eher heiter, teilweise aber auch herzzerreißend traurig. Vor den Augen des Lesers entwickelt sich das romantische junge Mädchen zur welterfahrenen Frau.
Der Autorin ist es – soweit ich das beurteilen kann – gut gelungen, den Ton einer anderen Zeit zu treffen, und eine mitreißende Geschichte zu erzählen, die mich von Anfang bis Ende gefesselt hat. Und das auf sehr unterhaltsame Weise. Mich hat der Roman ein wenig an Désirée von Annemarie Selinko erinnert, den ich als Teenager geradezu verschlungen habe, und durch den ich einiges an geschichtlichem Wissen erwarb, mit dem ich in der Schule glänzen konnte.
Ein sehr empfehlenswerter Schmöker, den man gar nicht mehr aus der Hand legen möchte!

Bewertung vom 22.03.2017
Unsere Seelen bei Nacht
Haruf, Kent

Unsere Seelen bei Nacht


gut

Ein Mittel gegen die Einsamkeit
Eines Tages klingelt die siebzigjährige verwitwete Addie Moore bei ihrem ebenfalls verwitweten Nachbarn Louis Waters und macht ihm einen ungewöhnlichen Vorschlag: da sie beide schon viel zu lange allein seien, wolle sie ihn bitten, bei ihr zu übernachten und mit ihr zu reden. Es gehe ihr nicht um Sex, sondern darum, die Nacht zu überstehen. Es gemütlich und warm zu haben. Zusammen im Bett zu liegen, die ganze Nacht. Denn die Nächte seien am schlimmsten.
Louis bittet sich etwas Bedenkzeit aus, ruft aber Addie am nächsten Tag an und besucht sie am selben Abend, um die Nacht bei ihr zu verbringen. Sie unterhalten sich lange. Dann schläft Addie ein, doch er ist ziemlich aufgeregt und kann nicht schlafen, auch wenn er sich bei ihr wohl fühlt. Am frühen Morgen geht er nach Hause, fühlt sich aber krank, so dass er Addie anruft und für die kommende Nacht absagt. Auf sie wirkt das wie eine Ausrede.
Als es ihm am nächsten Tag noch schlechter geht, lässt er sich untersuchen und wird mit einer Harninfektion ins Krankenhaus eingewiesen. Addie hat er nicht benachrichtigt, aber nachdem sie herausgefunden hat, wo er ist, besucht sie ihn im Krankenhaus. Und beide versichern sich, dass sie das Experiment fortführen wollen, sobald er wieder gesund ist.
Von da an verbringen sie regelmäßig die Nächte beieinander und erzählen sich von ihrem Leben. Addies Sohn Gene, der in der Großstadt lebt, bringt seinen Sohn Jamie zu seiner Mutter, als seine Frau ihn verlassen hat. Der kleine Junge ist ziemlich verstört, aber Addie und Louis kümmern sich liebevoll um ihn, so dass er allmählich Zutrauen zu ihnen fasst und sich wohlzufühlen beginnt. Besonders Louis hat immer wieder gute Einfälle, z.B. hat er die Idee, aus dem Tierheim einen Hund für den Kleinen zu besorgen, der auch prompt zu dessen bestem Freund wird. Die drei machen Ausflüge, Picknicks etc. und genießen diese harmonische gemeinsame Zeit.
Die Dorfbewohner zerreissen sich kurzzeitig die Mäuler über diese "unmoralische Affäre", beruhigen sich aber bald wieder. Wirklich harter Widerstand kommt dann erst von Gene, als er Jamie nach ein paar Wochen wieder abholt und dann erst mitkriegt, dass Addie und Louis eine Beziehung haben.
Ein kurzer Roman aus dem ländlichen Amerika, in dem zwei alte Leute die Grenzen der Konvention überschreiten und ihr Leben dadurch wieder interessanter und erfreulicher gestalten. Eine schöne Idee. Der Wermutstropfen ist Addies eigener Sohn, der sich als Moralapostel aufspielt und seine Mutter unter Druck setzt, anstatt sich darüber zu freuen, dass es ihr gut geht.
Das Buch ist schnell gelesen, die beiden Protagonisten sind sympathisch, hinterlassen allerdings keinen bleibenden Eindruck, und ich blieb als Leser eher distanzierter Beobachter. Das etwas traurige Ende, das ich so nicht erwartet hatte, hat mich etwas enttäuscht - ich finde, es passt nicht zu dem Rest der Geschichte.

Bewertung vom 28.02.2017
Gefährliche Ernte / Perez Bd.2
Sola, Yann

Gefährliche Ernte / Perez Bd.2


ausgezeichnet

Perez, ein Toter im Weinberg, ein unpassender Schwiegersohn und andere Katastrophen
Wie schon der erste Roman um den Gastronomen und Kleinganoven Perez aus Banyuls-sur-Mer hat mir "Gefährliche Ernte" sehr gut gefallen. Genau meine Art von Krimi mit viel Humor, Lokalkolorit, aktuellen Bezügen und natürlich auch Spannung - und einem ungewöhnlichen Ermittler, ein Cosy eben, nichts für Fans von Hard-Boiled Thrillern.
In Band 2 spielt Perez' Vater eine größere Rolle - sofern er in Band 1 überhaupt erwähnt wurde, ich kann mich nicht daran erinnern. Perez und seinen Vater, der die Familie verlassen hat, als Perez noch ein Kind war, verbindet keine verwandtschaftliche Zuneigung, eher eine Art unfreiwillige Komplizenschaft. Denn Perez braucht die Hilfe seines Vaters bei der Produktion, Lagerung und Abfüllung des edlen und kostspieligen Creus-Weins, den er angeblich aus Spanien bezieht, den er in Wirklichkeit aber selbst herstellt. Dieser Wein ist seine größte und beste Einnahmequelle, die er bedroht sieht, als ein Toter im Weinberg seines Vaters gefunden wird, der als letzte Lebensäußerung das Wort Creus von sich gegeben hat. Es hilft alles nichts - Perez muss der Polizei bei der Aufklärung des Falles zuvorkommen, um seinen Wein aus dem Fokus der Aufmerksamkeit herauszuhalten.
In einer Nebenhandlung geht es um den Heiratswunsch seiner geliebtenTochter, die den eigentlich sympathischen und herzensguten Wirtssohn genannt "die Bhnenstange" heiraten will, der aber nicht der hellste aller Köpfe zu sein scheint. Perez und seine Exfrau sind aus unterschiedlichen Gründen gegen diese Verbindung und versuchen, diese zu verhindern.
Als handelnde Personen treten außerdem Perez' deutsche Lebensgefährtin Marianne und deren Tochter und sein algerischer Kumpel Haziem auf, der sich als Koch und Geschäftsführer um Perez' Restaurant Conill kümmert.
Im Zuge der Ermittlungen stößt Perez auf Menschenhandel mit Flüchtlingen und auf unsaubere Machenschaften in Kreisen des FN, des Front National von Marine Le Pen.
Am Ende Schluss gelingt es Perez, mit Hilfe seines Schwiegersohns in spe, der sich als Computer-Fiffikus erweist, maßgeblich zur Aufklärung des Falles beizutragen und die Geschichte endet mit einer großen und harmonischen Hochzeitsfeier.
Ich freue mich auf Perez' nächsten Fall!

Bewertung vom 28.02.2017
Das Buch der Spiegel
Chirovici, Eugene O.

Das Buch der Spiegel


sehr gut

Trügerische Erinnerungen: Der Roman ist in drei Teile mit drei verschiedenen Erzählern gegliedert. Im ersten Teil erhält der New Yorker Literaturagent Peter Katz eines Tages eine Email von einem gewissen Richard Flynn, der sich und seine Lebensgeschichte in seinem Anschreiben präzise, kurz und knapp vorstellt. Das gefällt dem Agenten, der den Schreiber gleich irgendwie sympathisch findet und deshalb die angehängte Leseprobe ausdruckt und mit nach Hause nimmt.
In dem eingesandten Manuskript geht es um Erinnerungen des Autors aus dem Jahre 1987, als er Student in Princeton war und in seiner Wohnung plötzlich eine neue Mitbewohnerin namens Laura aufkreuzte. Die beiden verbrachten viel Zeit miteinander, und im Nachhinein glaubt der Autor, dass er sich fast sofort in Laura verliebt hatte, es aber zuerst noch gar nicht selbst bemerkte. Die Psychologiestudentin Laura stellt Richard ihrem guten Freund und bewunderten Mentor Professor Wieder vor, und der Professor bietet Richard den Job an, seine Bibliothek zu ordnen und katalogisieren.
Die eingesandte Leseprobe endet damit, dass Professor Wieder ermordet aufgefunden wird und Richard Flynn andeutet zu wissen, wer der Mörder gewesen sei. Peter Katz will auch den Rest des Manuskripts lesen, das ihn sehr gefesselt hat, aber das erweist sich als schwierig. Denn der Autor, der todkrank war, ist inzwischen verstorben. Katz möchte den Roman veröffentlichen, er wittert einen Erfolg.
Da er nicht so viel Zeit auf die Recherche verwenden kann, heuert er den Journalisten John Keller für weitere Nachforschungen an, aus dessen Perspektive Teil zwei erzählt wird. Keller sucht viele verschiedene Leute aus dem Umfeld von Richard Flynn, Laura Baines und Professor Wieder auf, trägt Unmengen an Material zusammen, das sich jedoch als äußerst widersprüchlich erweist. Nach einiger Zeit gibt er frustriert auf, schreibt einen Abschlussbericht für Katz und übergibt seine gesamten Unterlagen dem pensionierten Polizisten Roy Freeman, der seinerzeit die Ermittlungen im Mordfall Wieder leitete, ihn aber nicht aufklären konnte. Keller hatte Freeman während seiner Recherche kennengelernt und von ihm auch die Fallakte bekommen.
Im dritten Teil verbeißt Freeman sich noch einmal in den Fall und kann ihn dann auch tatsächlich lösen.
Das zentrale Thema des Romans ist die Subjektivität von Erinnerungen - wie weit kann man sich auf seine Erinnerung verlassen? Erinnert man sich wirklich an Ereignisse aus seiner frühen Kindheit oder bildet man sich nur ein, sich zu erinnern, weil einem die Ereignisse so oft erzählt worden sind?
Das erste Drittel des Romans fand ich richtig spannend, doch dann kann diese Spannung nicht durchgängig aufrecht erhalten werden, die Ermittlungen ziehen sich dann doch etwas in die Länge, bleiben aber immer noch interessant. Die tatsächliche Auflösung wirkte dann etwas antiklimaktisch auf mich. Das Buch ist flüssig geschrieben und liest sich gut. Und auch wenn meine anfängliche große Begeisterung sich im Verlauf der Lektüre gelegt hat, ist es mir doch 4 Sterne wert.

Bewertung vom 22.01.2017
Fastenopfer / Kommissar Max Kramer & Nonne Maria Evita Bd.2
Leiss-Huber, Anton

Fastenopfer / Kommissar Max Kramer & Nonne Maria Evita Bd.2


sehr gut

Launiger Bayernkrimi
Warum wurde der Verwalter des "Tilly-Benefiziums° ermordet? Und was ist überhaupt das "Tilly-Benefizium"? Die zweite Frage wird gleich ganz zu Anfang des Romans beantwortet, die Antwort auf die erste Frage steht als Auflösung ganz am Ende.
Kommissar Max Kramer ist gebürtiger Altöttinger, der allerdings nach langer Abwesenheit erst vor kurzem in den Heimatort zurückgekehrt ist. Sein Side-Kick ist der Kollege Fritz Fäustl, ein Leberkäs-Semmel-Süchtiger. Da er Protestant ist, darf er auch in der Fastenzeit Fleisch essen - nur: woher nehmen in Bayern in der Fastenzeit?
Der Krimi spielt im klerikalen Milieu - einige der Akteure sind ein Monsignore und seine verschrobene Haushälterin Fräulein Schosi (ein krimierprobtes Klischee, aber was soll's, wenn es doch schließlich zu erheiternden Einlagen führt); letztere hat ihren Monsignore gerade auf Low Carb-Diät gesetzt, was diesem gar nicht behagt. Ferner haben wir als Graue Eminenz im Hintergrund den Bischof von Passau, der das "Tilly Benifizium" als Altersruhesitz ins Auge gefasst hat, sowie als maßgeblich aktive Mitaufklärerin, Maria Evita, Max Kramers Ex, die sich jetzt ganz Gott widmen will und als Novizin im Nonnenkloster resdiert. Jedoch gewinnt man als Leser den Eindruck, dass das nicht von Dauer sein kann, denn Maria Evita ist ein rebellischer Geist, der nur schwer von der Notwendigkeit einiger Glaubensregeln zu überzeugen ist. Außerdem scheint die Beziehung zwischen ihr und Max doch noch nicht so ganz abgeschlossen zu sein ...
Ferner haben wir den - auch kirchenahen - Frauenbund, dem Fräulein Schosi und die imposante Schwiegermutter des Mordopfers angehören. Es treten also zahlreiche Personen auf, die alle gut gezeichnet sind.
Im Laufe der Handlung bekommt man immer mehr Hinweise und ahnt schon in etwa, in welche Richtung der Fall sich entwickelt. Es geht um Kunstraub. Nicht unspannend, aber das große Plus dieses Krimis ist nicht die Spannung, sondern sein Lokalkolorit, sein skurriles Personal und sein Humor. Ich habe mich von diesem Regionalkrimi sehr gut unterhalten gefühlt!

Bewertung vom 20.01.2017
Das Nest
Sweeney, Cynthia D'Aprix

Das Nest


ausgezeichnet

Die Familie der Stadtneurotiker
Das attraktive Cover zeigt vier unterschiedliche Vögel, was sehr gut zum Titel "Das Nest" passt. Offensichtlich Sinnbild für die vier Geschwister Plumb - ziemlich "schräge Vögel", wie sich schnell zeigt. Vater Leonard Plumb - ein Selfmade Man - hatte sich etwas dabei gedacht, als er verfügt hatte, dass seine Kinder ihn nicht direkt nach seinem Tode beerben sollten, sondern erst am vierzigsten Geburtstag der jüngsten Tochter; sie sollten lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, sollten sich nicht zu lebensuntüchtigen Nichtstuern entwickeln und das Geld nur als ein Zubrot ansehen. Allerdings hatte Leonard nicht voraussehen können, dass Cousin George, der den Fonds managte, dies so geschickt tat, dass die Summe sich vervielfachte. Und auch sonst hatte die Taktik nicht funktioniert: Leo, Jack, Bea und Melody lebten in Erwartung des Fonds, den sie "das Nest" nannten, auf zu großem Fuße und verschuldeten sich zunehmend. Und dann passiert ein von Leo verschuldeter Unfall, bei dem die junge mexikanische Kellnerin schwer verletzt wird, die der gelangweilte, unter Einfluss von Alkohol und Koks stehende Leo bei der Hochzeitsfeier eines Verwandten abgeschleppt hatte.
Da greift Francie, die Mutter der Geschwister ein, die nie eine gute Mutter war. Sie handelt nicht aus mütterliche Fürsorge, sondern aus Sorge um den Namen der Familie, der bei Bekanntwerden dieser Geschichte von der Presse in den Schmutz gezogen würde. Sie hat als Einzige bei einem familiären Notfall die Berechtigung, an "das Nest" heranzukommen, und nutzt den Großteil des Geldes dafür, das Schweigen der Kellnerin durch eine großzügige Abfindung zu erkaufen. Die restlichen Geschwister befinden sich in heller Aufregung: Leo muss ihnen das Geld zurückgeben. Der Zeitpunkt der Auszahlung naht, Melodys vierzigster Geburtstag steht vor der Tür. Der Roman ist sehr flott, witzig und bissig geschrieben, bei der Beschreibung ihrer Charaktere kommt keiner der vier Plumbs besonders gut weg. Sie sind versnobt, unreif, unselbständig und in unterschiedlichem Maße rücksichtslos. Jeder hat vorrangig seine eigenen Interessen im Auge, hat den tiefsitzenden Anspruch auf das Familienvermögen, man hat Kontakt zu den Geschwistern, aber sieht sie nicht als Freunde an.
Die große Familienkrise führt zu einem gewissermaßen verspäteten Erwachsenwerden der Geschwister und schweißt die Familienbande wieder etwas enger zusammen. Ein toller Debutroman, ein großer Wurf! Die Autorin beschreibt und entlarvt eine gewisse Schicht der amerikanischen Gesellschaft, die Intelligenzia und Glitterati, die Welt von Woody Allen, im engeren Sinne die New Yorker Schickeria. Gegen Ende konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, habe mir die Nacht um die Ohren geschlagen, bis ich fertig war. Ein großes Lesevergnügen!

Bewertung vom 19.01.2017
Gefährliche Empfehlungen / Xavier Kieffer Bd.5
Hillenbrand, Tom

Gefährliche Empfehlungen / Xavier Kieffer Bd.5


ausgezeichnet

In der neuesten Episode der Ermittlungen von Xavier Kieffer geht es nicht um ein brisantes lebensmitteltechnisches Thema wie man es sonst gewohnt war, also z. B. Thunfisch, Olivenöl oder Geschmacksverstärker, nichtsdestotrotz besteht doch ein Zusammenhang mit dem kulinarischen Kontext. Der dem Guide Michelin nachempfundene Restaurantführer Guide Bleu aus dem Hause Gabin steht im Mittelpunkt der Geschichte.
Xavier Kieffer, der luxemburgische Koch, ist seiner Freundin Valerie Gabin zuliebe,
der er bei der Eröffnungsfeier des neuen Gabin-Gebäudes zur Seite stehen soll, zu Besuch in Paris.
Beim Festakt kommt es zum Eklat: Der französische Präsident - guter Freund von Valerie der er ist - hält gerade eine Rede, als ein veganer Protestler die Veranstaltung stört. Er wird überwältigt und abgeführt, aber gleichzeitig kommt es zu einem kurzen Stromausfall; Dunkelheit, beginnende Panik, das Licht geht wieder an und Valerie schickt per Ansage alle Gäste nach Hause! Später stellt sich heraus, dass ein Dieb den Stromausfall genutzt hat, um in dieser Zeit eine kostbare Leihgabe, nämlich den äußerst raren Guide Bleu von 1939 zu entwenden.
Nachdem es im Zusammenhang mit dem Diebstahl einen Todesfall gegeben hat, beginnt Xavier auf Bitte des Präsidenten wieder zu ermitteln, obwohl er von Anfang an das Gefühl hat, dass dieser Fall eine Nummer zu groß für ihn ist.
In einem parallelen Handlungsstrang geht es um einen amerikanischen Geheimdienstler im zweiten Weltkrieg, der eine Ausgabe des Guide Bleu von 1939 zum Decodieren der verschlüsselten Nachrichten verwendet, die er über Radio Londres erhält.
Damit beginnt eine spannende Jagd auf verbliebene Exemplare des 39er Guide Bleu und die Suche nach der Erklärung, warum es für irgendjemanden so wichtig erscheint, alle vorhandenen Exemplare verschwinden zu lassen. Das wird spannend geschildert und hin und wieder mit mundwässerndem Küchen-Latein gespickt (z. B. weiß ich jetzt, warum ich die Haut einer Entenbrust nie so schön knusprig hinbekomme, wie ich möchte: weil ich keinen Salamander (Küchengerät) habe!)
Mich hat auch dieser Band wieder sehr gut unterhalten! Hillenbrand trifft wie immer die richtige Mischung aus "Menscheln" + Kulinarik (Xavier holt nachts noch ein paar Zutaten aus seinem Pariser Stammcafé und zaubert ein Essen für Valerie) und zeitgeschichtlichen bzw. tagespolitischen Zusammenhängen, gewürzt mit etwas Humor (wir begegnen z.B. dem schon aus einem früheren Band bekannten argentinischen "Küchen-Leonardo"), um uns einen spannenden, kulinarischen Krimi anzubieten.

Bewertung vom 07.02.2016
Hinten sind Rezepte drin
Bauerfeind, Katrin

Hinten sind Rezepte drin


weniger gut

Was schwungvoll und ironisch anfängt mit der Gründung einer Frauenreligion, verliert auf Dauer etwas den Drive. Auf jeden Fall kein Buch, um es in einem Stück zu lesen, sondern besser nur häppchenweise: also die klassische Klo-Lektüre. Hintereinander weggelesen, wurde es mir teilweise doch ein wenig langweilig und vor allem habe ich einen roten Faden vermiss. Scheint ein Resultat der weithin grassierenden Unsitte zu sein, bereits veröffentlichte Kolumnen in Zweitverwertung noch einmal als Buch zu veröffentlichen und mit Gewalt ein passendes Oberthema dafür zu finden.
Dass das Buch in vielen Buchhandlungen in der Abteilung "Fachbuch Psychologie" angeboten wird, ist herrlich absurd - Realsatire!
Der Stil ist flüssig und gut lesbar, wenn auch nicht so komisch, wie ich erwartet hätte. Wirklich Neues erfährt man nicht, aber das ist wohl auch nicht der Sinn der Sache. Es gibt wirklich witzige Geschichten, wie das Hauptthema der Bauerfeindschen Weihnachtsfeiern im Familienkreis, das Kapitel über Schuhe, die Südafrikareise, Vorschläge zu aktuellen Knigge-Fragen, Liste möglicher Sexpannen, aber auch einige, deren Witz sich mir nicht erschließt, wie z.B. Das Leben als Mann.
Fazit: Ein Buch mit mehr oder weniger witzigen Anekdoten, das man nicht gelesen haben muss und das nicht im Gedächtnis bleiben wird: ich musste jetzt schon das Buch durchblättern, um mich zu erinnern.