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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 31.12.2022
Die dunklen Sommer
Beverly-Whittemore, Miranda

Die dunklen Sommer


gut

Hochinteressantes Setting, jedoch eher schleppend erzählt

„Die dunklen Sommer“ von Miranda Beverly-Whittemore als psychologischen Thriller zu bezeichnen, ist nicht ganz passend, denn das Buch bedient sich einer eher langsamen Erzählweise ohne starken Spannungsaufbau. Die Thematik bietet allerdings durchaus Zündstoff: eine Gruppe Kinder und Jugendlicher, die in einer scheinbar harmlosen Kommune nach und nach in eine ungute Richtung abdriften, und ein mysteriöser Sektenführer mit gefährlichen Ideen.

Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen: Zum einen erfahren wir, wie die junge Saskia zusammen mit Ziehvater und -bruder in der Kommune ‚Zuhause‘ landet und sich vom charismatischen Anführer Abraham sofort in seinen Bann ziehen lässt. Zum anderen nimmt der Roman vorweg, dass es mit ‚Zuhause‘ kein gutes Ende nahm, denn Jahre später, als Erwachsene, lebt Saskia zurückgezogen und allein. Sie wird von ihren ehemaligen Freund*innen aus ‚Zuhause‘ aufgesucht und zur Rückkehr dorthin überredet, obwohl sich die Kommune längst aufgelöst hat. Was genau geschehen ist und warum diese Rückkehr notwendig ist, wird nach und nach im Wechsel der Zeitebenen erzählt.

Diese Erzählweise könnte durchaus Spannung aufbauen, denn die Neugier, was damals passiert ist, ist ein stetiger Begleiter während der Lektüre. Allerdings schafft Beverly-Whittemore leider nicht ganz, diese Spannung aufrechtzuerhalten, denn auf dem Weg vom Anfang zur Lösung passiert einfach zu wenig. Auf sehr langsame Weise wird geschildert, wie Saskia nach und nach in ein gefährliches Weltbild abrutscht und wie sich dieses Trauma auf ihre Gegenwart auswirkt. Gefährliche Situationen ereignen sich sowohl in der Vergangenheit als auch im Jetzt, aber ihre Signifikanz im Gesamtgeschehen wird nicht so recht deutlich. Als psychologische Charakterstudie hat der Roman durchaus beeindruckende und bedrückende Momente, als Spannungsroman bleibt er eher hinter den Erwartungen zurück.

Wer sich für die menschliche Psyche, Manipulation und Sekten als Thema interessiert, wird in „Die dunklen Sommer“ sicher auf seine Kosten kommen. Das Buch bietet überaus interessante Einblicke in solche Strukturen und kann auch seine Charaktere überzeugend gestalten. Einzig an Spannung mangelt es dem Roman, sodass sich trotz interessanter Prämisse beim Lesen nicht wirklich ein Sog einstellen will. Das Buch sei also eher Leser*innen empfohlen, die eine langsame Entwicklung schätzen.

Bewertung vom 18.12.2022
Der Mondmann - Blutiges Eis
Haskin, Fynn

Der Mondmann - Blutiges Eis


sehr gut

Eisige Spannung in ungewohntem Setting

Ein Thriller, der in Grönland spielt – das liest man nicht alle Tage! Die harsche Umgebung des ewigen Eises spielt eine tragende Rolle in Fynn Haskins Thriller „Der Mondmann – Blutiges Eis“ und bietet dadurch neben Spannung auch interessante und ungewohnte Einblicke in eine ganz andere Lebenswelt. Kleinere Schwächen kann man diesem spannenden Setting durchaus verzeihen.

Jens Lerby ist ein meist schlecht gelaunter alternder Polizist, der mit seinem Leben weder auf beruflicher noch auf professioneller Ebene so recht zufrieden ist. Dabei weiß er als Ermittler genau, was er tut. Als er vom heimischen Dänemark nach Grönland beordert wird, um einen blutigen Dreifachmord aufzuklären, ist er alles andere als begeistert. Vor Ort stellt er schnell fest, dass unter den Inuit einiges an Aberglauben kursiert und er mit seinen konventionellen Methoden und dem Kopf durch die Wand nicht weiterkommt. Er muss sich anpassen an eine Lebenswelt, in der Tradition auf Moderne prallt: Autoritäten wie der örtliche Schamane werden geschätzt, zugleich sind die Nachwirkungen des Kolonialismus in Form sozialer Probleme und Alkoholismus noch deutlich zu spüren. Lerby beginnt so etwas wie Verantwortung für sein eigenes Land zu übernehmen, als ihn die junge Pally, die ihm bei den Ermittlungen hilft, mit diesen Themen konfrontiert.

Die Aufklärung des Verbrechens erweist sich derweil als geradezu aussichtslos: Die Leichen türmen sich nur so, und die ungnädige Eiswüste rings um die Siedlung verwischt viele Spuren und macht Ausflüge zu Tatorten und das Folgen vielversprechender Hinweise zu einer Todesfalle. Lerby und Pally werden immer wieder mit der Möglichkeit konfrontiert, dass etwas Übernatürliches, ein Dämon der lokalen Legenden, seine Finger im Spiel haben könnte. Dadurch wird eine bedrohliche und teils klaustrophobische Atmosphäre erzeugt, die eine echte Stärke des Romans ist. Zugleich ist das Ermittlungsgeschehen kein echter Spannungsträger, denn es tritt hinter den ausführlichen Schilderungen der Umgebung, Gesprächen mit Einheimischen und manch gefahrvoller Situation im Schnee zurück: Es gibt kaum Verdächtige und wenig Hinweise, sodass die Auflösung zum Schluss eher mit den Schultern zucken lässt – Mitermitteln während dem Lesen ist kaum möglich.

Für Ermittlungswütige nicht ganz das richtige Buch, dafür aber ein unheimlich atmosphärischer Roman, der ordentlich Spannung mitbringt und Einblicke in eine ganz andere Welt bietet. Lesenswert, nicht nur für Winterbegeisterte.

Bewertung vom 30.11.2022
EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1
Jensen, Jens Henrik

EAST. Welt ohne Seele / Jan Jordi Kazanski Bd.1


schlecht

Leider ein sehr unausgereifter Agententhriller

Vom dänischen Bestseller-Autor Jens Henrik Jensen erwartet man sich Spannung, internationale Verschwörungen und natürlich eine gute Portion persönliches Drama. All das ist in „East – Welt ohne Seele“ zwar angelegt, jedoch wenig überzeugend ausgearbeitet. Der Thriller bleibt entsprechend sehr blass und ohne rechten Sog. Es handelt sich um den zweiten Roman des Autors, der in Dänemark bereits 1997 erschien, und trägt somit vielleicht noch Züge des Ausprobierens, die in späteren Werken verschwunden sind.

Im Zentrum von „East“ steht der CIA-Agent Jan Jordi Kazanski, der nach dem Mord an seiner Familie in ein tiefes Loch gefallen ist und nun in den Dienst zurückbeordert wird. Er soll in Krakau eine mysteriöse Informantin und Unterwelt-Chefin finden. Vor Ort stellt er bald fest, dass er nicht der Einzige ist, der nach ihr sucht – und dass er ins Fadenkreuz von gefährlichen Mächten geraten ist. Er tut sich mit der geheimnisvollen Xenia zusammen, um der Witwe und den geheimen Machenschaften in Krakau auf die Spur zu kommen.

Jan stellt leider das absolute Klischee des von seiner Vergangenheit verfolgten, alkoholabhängigen, aber trotzdem nahezu übermenschlich begabten Agenten dar, der allen anderen immer einen Schritt voraus ist. Xenia bleibt neben ihm eine blasse Figur, die wenig zur Geschichte beiträgt – außer dass sie hübsch ist. Überhaupt tauchen Frauen in „East“ fast nur als femmes fatales und besonders schöne Sexobjekte auf, die sich dem Protagonisten hemmungslos an den Hals werfen, obgleich seine wortkarge Art und sein Alkoholproblem eigentlich nicht unbedingt anziehend wirken. Auch hier werden Klischees bedient, die eigentlich ausgedient haben sollten, seit Sean Connery James Bond gespielt hat.

Neben solchen Klischees hat der Thriller noch zwei weitere Probleme: Einerseits werden Rechercheergebnisse zur politischen Situation in Osteuropa während und kurz nach dem Kalten Krieg, die für die Handlung nur mäßig relevant sind, häufiger als Infoblöcke von Figuren nacherzählt, die eher Geschichtsbuchcharakter haben, als glaubhafte Dialogelemente darstellen. Das wird bisweilen zäh! Zum anderen springt die Perspektive teilweise absatzweise (!) fröhlich hin und her, was das Lesen anstrengend und bisweilen auch verwirrend macht. Man kann sich nie richtig auf eine Perspektive einlassen, sondern muss jederzeit damit rechnen, mal kurz eine Information aus Sicht anderer Figuren eingestreut zu bekommen.

Diese stilistischen Fauxpas, kombiniert mit einer klischeebeladenen und nicht unbedingt mitreißend originellen Geschichte, machen „East“ leider zu einer zähen und unbefriedigenden Lektüre.

Bewertung vom 20.11.2022
Die Pestinsel
Hermanson, Marie

Die Pestinsel


sehr gut

Eine atmosphärische Zeitreise

Marie Hermanson lädt mit ihrem neuesten Kriminalroman auf eine spannende Zeitreise ins Schweden der 1920er-Jahre ein. Dabei gelingt ihr ein ausgesprochen atmosphärischer Roman mit viel Rätselhaftem und Spannenden, jedoch auch einigen kleinen Schwächen.

Ein bizarrer Mord mit starken Ähnlichkeiten zu den überaus erfolgreichen Kriminalromanen eines anonymen Autors setzt Kommissar Nils Gunnarsson auf die Spur von Arnold Hoffman, einem verurteilten Mörder, der seit Jahren auf der Quarantäneinsel Bronsholmen als einziger Gefangener festgehalten wird. Da Nils mit seinen Ermittlungen nicht weiterkommt, schleust sich seine Exfreundin Ellen, eine abenteuerlustige Journalistin, als Küchenhilfe auf der Insel ein und macht bald einige schockierende Entdeckungen …

Die eindrucksvollsten Passagen des Romans spielen sich auf Bronsholmen ab: Die sogenannte (fiktionale) „Pestinsel“ diente während Epidemien als Quarantänestation für Schiffe, bevor sie in den Hafen von Göteborg einlaufen durften. Das Krankenhaus und die Wohngebäude sind mittlerweile dem Verfall anheim gefallen und den Elementen ausgesetzt, und nur noch wenige, isoliert lebende Menschen arbeiten dort, um über Hoffman zu wachen. Ellens Exkursionen auf der Insel und ihren Kontakten zu den Bewohnern wohnt immer etwas Mysteriöses, Bedrohliches inne, sodass man die Passagen geradezu mit angehaltenem Atem liest. Demgegenüber sind Nils’ Ermittlungen auf dem Festland fast uninteressant und leider häufig auch von sehr informativen Passagen geprägt, die wohl die Rechercheergebnisse der Autorin zur Schau stellen sollen, etwa zur Verkehrsregelung der 1920er-Jahre. Das wahre Drama spielt sich jedoch auf Bronsholmen ab und beinhaltet letztlich auch die Lösung des Rätsels, sodass die Ausgangssituation in Gestalt von Nils’ Mordermittlungen vom Beginn des Romans zusehends ins Hintertreffen gerät. Ellen ist eindeutig der heimliche Star dieses Buchs.

Insgesamt ein atmosphärischer und spannender Kriminalroman, bei dem jedoch ein Handlungsstrang dem anderen deutlich überlegen ist.

Bewertung vom 20.11.2022
Das Verschwinden der Linnea Arvidsson
Skybäck, Frida

Das Verschwinden der Linnea Arvidsson


sehr gut

Familiendrama und Krimi in einem

Wer psychologisch tiefgründige und interessante Kriminalromane mit starkem Fokus auf dem Innenleben der Figuren mag, wird „Das Verschwinden der Linnea Arvidsson“ von Frida Skybäck sicher gerne lesen, denn das Buch verbringt mehr Zeit in den Köpfen seiner Charaktere als mit ihren Handlungen.

Lydia sorgt sich um ihren Bruder Dani, der im Zusammenhang mit dem Verschwinden einer jungen Frau, Linnea, polizeilich gesucht wird. Beim Versuch, ihren Bruder und die Wahrheit zu finden und ihn vor der Polizei zu schützen, enthüllt sie eine tragische Kindheit, während der Dani schon früh auf die schiefe Bahn geriet. Seine eigene Perspektive ergänzt die seiner Schwester – er erinnert sich an die Zeit in der Pflegefamilie, das Abdriften in Gangs und Drogenhandel und seine verzweifelten Versuche, wieder ein normales Leben aufzubauen. Über all dem schwebt stets die Frage, was wirklich zwischen ihm und Linnea passiert ist, die erst im dritten Teil aus Linneas Perspektive aufgelöst wird.

Das Besondere an diesem Roman ist die schrittweise Struktur, die zunächst den Blick einer nahe-, aber außenstehenden Person (Lydia) auf die Handlung beschreibt, dann die Perspektive des mutmaßlichen Täters (Dani) und zuletzt die des mutmaßlichen Opfers (Linnea). So dringt man nach und nach durch die Schichten von Trauma und Erinnerungen vor zum Kern der Geschichte und lernt die Figuren und ihre tragischen Lebenswege dabei hautnah und sehr intim kennen. Sehr spannend, wenn man es psychologisch und tiefgehend mag, wer eher auf Action aus ist, ist hier nicht ganz richtig. Der einzige Wermutstropfen ist das Ende, das im Kontrast zum langsamen und intensiven Aufbau des Buchs sehr hastig abgewickelt wird und nicht ganz befriedigend ist.

Trotzdem insgesamt ein sehr intensiver und psychologisch interessanter Spannungsroman, der einen hautnah an die Figuren und ihr Innenleben heranlässt.

Bewertung vom 20.11.2022
Verbrechen sind mein Job
Stahl, Karlotta

Verbrechen sind mein Job


sehr gut

Kurz und knapp, mit interessanten Einblicken

Für Krimi-Fans ist Karlotta Stahls Erfahrungsbericht „Verbrechen sind mein Job. Eine junge Staatsanwältin ermittelt“ ein gefundenes Fressen, denn hier wird authentisch und hautnah, dabei aber gut verständlich geschildert, wie Ermittlungen bei einer Straftat wirklich ablaufen – ein Geheimnis, das viele Krimis ja unter einer ordentlichen Portion Halbwissen verstecken. Das einzige Manko dieser hochinteressanten Darstellung ist die Kürze des Buchs.

Auf sehr persönliche und nahbare Weise schildert Staatsanwältin Karlotta Stahl ihren Weg in den Beruf, ihren Berufsalltag und die vielen Schwierigkeiten und Hürden, die es im Alltag zu überwinden gilt. Dabei gibt sie zugleich Einblicke in die polizeiliche Ermittlungsarbeit und den Ablauf im Justizapparat. Untermalt wird dies von ausführlich geschilderten Beispielfällen (natürlich verfremdet, aber authentisch nacherzählt) und Erläuterungen zur Rechtslage. Dabei wird der Tonfall nie dröge und die Erläuterungen nie allzu komplex, sodass man ihr gut folgen kann und am Ende wirklich das Gefühl hat, etwas gelernt zu haben.

„Verbrechen sind mein Job“ richtet sich sicher hauptsächlich an Krimi-Fans, die ihr literarisches Halbwissen überprüfen wollen. Und das schafft das Sachbuch wirklich ganz hervorragend! Auch die gewählten Fälle sind ganz gewiss aufgrund ihres Unterhaltungsfaktors ausgewählt, denn manch einer mutet geradezu absurd komisch an. Aufgrund seiner extremen Kürze (nur gut 200 Seiten bei großzügigem Druck) geht das Buch aber leider nirgends so richtig in die Tiefe. Wer also intensive Einblicke in das Berufsbild einer Staatsanwältin sucht, kommt hier nicht auf seine Kosten. Für einen unterhaltsamen kurzen Blick und die Möglichkeit, beim gemeinsamen Tatort-Gucken mit Insider-Wissen zu glänzen, eignet sich das Büchlein jedoch hervorragend.

Insgesamt ein Sachbuch, das sicher vor allem Krimi-Fans begeistern und unterhalten wird. Aufgrund seines lockeren und leichten Sprachstils mit vielen unterhaltsamen Fallbeispielen sowie der Kürze gut zum Schmökern zwischendurch geeignet.

Bewertung vom 20.11.2022
Kant und der Schachspieler / Kommissar Kant Bd.2
Häußler, Marcel

Kant und der Schachspieler / Kommissar Kant Bd.2


sehr gut

Ein Krimi mit Fokus auf echter Ermittlungsarbeit

Im Krimi-Genre überbieten sich aktuell Autor*innen gegenseitig mit den cleversten Verbrechen und den kaputtesten Charakteren. Da ist eine Krimireihe wie „Kant“ eine erfrischende Abwechslung: Im zweiten Band der Reihe, „Kant und der Schachspieler“, lässt Marcel Häußler sein Team der Münchner Kriminalpolizei auf authentische und spannende Weise Stück für Stück mit solider Polizeiarbeit die Puzzleteile zur Lösung eines rätselhaften jahrealten Mords zusammentragen.

Ein mysteriöser Leichenfund auf einem alten Fabrikgelände stellt das Ermittler-Team um Kant vor ein Rätsel, genauer genommen, die Frage, um wen es sich überhaupt handelt. Die Spur führt zum Schachgenie Jakob Holler – aber kann er wirklich der Tote sein? Die Identifizierung der Leiche erweist sich als schwieriger als gedacht und führt die Ermittler schließlich mitten in einen alten Betrugsfall. Mit Befragungen, Durchsuchungen und Aktenwälzen kämpft sich das Team mühsam Schritt für Schritt an des Rätsels Lösung heran.

Der namensgebende Kommissar Kant steht erfreulicherweise nicht ganz so stark im Vordergrund, wie der Titel es vermuten lässt. Anders als in vielen anderen Büchern des Genres ist es nicht ein einzelgängerisches Genie, das den Fall löst, sondern ein ganzes Team, jedes Mitglied mit seinen eigenen Stärken und Schwächen und gleich wichtig, um das Puzzle zusammensetzen zu können. Mit jeder neuen Information, die sie dabei aufdecken, rückt man als Leser*in zusammen mit dem Team der Lösung des Falls näher, kann Vermutungen aufstellen und verwerfen, spekulieren und knobeln. Man ist quasi hautnah bei den Ermittlungen dabei und weiß nie mehr als die Ermittelnden, was das individuelle Mitermitteln, das man sich beim Krimilesen ja meist wünscht, sehr einfach macht. Diese Vorgehensweise ist eine große Stärke des Romans, der Fall selbst bleibt allerdings ein wenig blass. Einige Aspekte sind sehr clever konstruiert, aber ein richtiges Interesse an der Auflösung entwickelt sich nur teilweise, da die beteiligten Figuren wenig Identifikationspotenzial haben. Nichtsdestotrotz macht das gemeinsame Rätsellösen einfach Spaß!

Ein solider Kriminalroman, der vor allem für Rätselbegeisterte ein gefundenes Fressen sein dürfte. Mit etwas mehr emotionaler Gebundenheit an die Lösung des Falls könnte man sich sicher noch besser auf das Buch einlassen, aber wer vor allem selbst mitermitteln will, kommt hier voll auf seine Kosten.

Bewertung vom 06.11.2022
Süße Brote backen - einfach perfekt
Geißler, Lutz

Süße Brote backen - einfach perfekt


sehr gut

Ein Backbuch für Geduldige und Perfektionist*innen

Wer schon immer auf der Suche nach einem echten Profi-Lehrwerk für Süßgebäck war, der ist bei Lutz Geißler an der richtigen Adresse: Mit „Süße Brote backen“ bietet er eine detaillierte Backanleitung für Hefezopf, Stollen und Co in Bäckerqualität. Dafür muss man jedoch ein wenig Geduld mitbringen.

„Süße Brote backen“ fällt zuallererst durch seine absolut hochwertige Ausstattung aus: Schön gebunden, mit Lesebändchen und haptisch angenehmem Einband sowie extrem vielen Farbfotos, sticht es positiv aus der Masse der Backbücher heraus. Hier dreht sich alles um langsam gehende Hefe- und Sauerteige, und der Umgang damit wird in einer ausführlichen und reich bebilderten Einleitung vermittelt. Für Unerfahrene sicher eine Herausforderung und möglicherweise etwas überfordernd, für fortgeschrittene Backfreudige jedoch eine sehr nützliche Informationsquelle, zu der man immer wieder zurückkehrt.

Die Besonderheit dieses Backbuchs liegt sicher in seiner Detailliertheit: Zutaten sind aufs Gramm genau (bis in die erste Nachkommastelle) angegeben, dazu gibt es genaue Anweisungen zur Reihenfolge und Dauer des Knetens und der Temperatur der Zutaten. Augenmaß hat in diesem Backbuch nichts zu suchen, hier wird alles ganz genau gemacht. Das erfordert Zeit und ein wenig Geduld, die Ergebnisse sprechen jedoch für sich. Folgt man den Anweisungen aufs Wort, erhält man wirklich ein ungewöhnlich gutes Ergebnis, das die Qualität der Backwaren regulärer Hobbybäcker*innen definitiv bei Weitem übersteigt. Ob dafür Zeit und Energie vorhanden sind, ist dann eine individuelle Frage. Die extrem detaillierten Anweisungen können ein wenig einschüchternd wirken und eignen sich bestimmt eher für Menschen mit etwas Erfahrung im Backen.

Wer hohe Ansprüche hat und mit Zeit, Geduld und ordentlich Perfektionismus ans Backen herangeht, wird mit diesem Buch traumhafte Ergebnisse erzielen. Auch alle anderen können aber vor allem aus dem Grundlagenkapitel des Buchs eine Menge lernen.

Bewertung vom 06.11.2022
Nach dir der Tod
Eilinger, Phillip

Nach dir der Tod


sehr gut

Ein Buch, das Paranoia schürt – superspannend!

Wer Serienkiller-Literatur mag, kommt bei Phillip Eilingers Psychothriller „Nach dir der Tod“ voll auf seine Kosten. In einem cleveren Hin und Her zwischen der Protagonistin Hanna und einem skrupellosen Serienkiller erzählt der Roman eine psychologische Verfolgungsjagd, die einem einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Dass es dabei sprachlich hier und da noch etwas holpert, kann man dabei wohlwollend übergehen.

Hanna ist keine sympathische Protagonistin: Dank ihres Alkoholproblems hat sie sich von der Familie entfremdet und befindet sich jetzt in einem Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex David, der ihren gemeinsamen Kindern zwar ein guter Vater ist, sie jedoch auch bewusst auf Abstand hält. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, nimmt ihr bester Freund Roland sie eines Abends mit auf eine extravagante Party … und das Unheil nimmt seinen Lauf. Denn jemand scheint ein Auge auf Hanna geworfen zu haben und scheint wild entschlossen, ihr Leben zur Hölle zu machen. Kann der charismatische Martin etwas damit zu tun haben, der kürzlich in ihr Leben getreten ist? Hanna weiß nicht mehr, wem sie trauen kann, und sucht verzweifelt nach Antworten, während der geheimnisvolle Fremde ihr immer dichter auf den Leib rückt …

Typisch fürs Genre, kommt auch der Killer immer wieder in mysteriösen Zwischenkapiteln zu Wort und offenbart seine Intentionen. Das sorgt dafür, dass man Hanna nonstop Warnungen zurufen möchte, aber zugleich macht sie es einem nicht leicht, mit ihr zu sympathisieren. Ein durchaus interessanter Kniff! Die Spannung ist kontinuierlich hoch, was das Buch zu einem echten Pageturner macht, jedoch ist es sprachlich leider noch nicht ganz ausgereift. Immer wieder verirren sich holprige Ausdrucksweisen in die Schilderung der Ereignisse, und der Stil wirkt mitunter hölzern. Hier gäbe es noch Luft nach oben, was den Spaß an der rasanten und packenden Geschichte jedoch glücklicherweise nur ein wenig eindämmt.

Ein echter Pageturner, der einen zweimal überprüfen lassen wird, ob die Haustür wirklich abgeschlossen ist.