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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 1986 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2024
Es sind nur wir
Peichl, Martin

Es sind nur wir


ausgezeichnet

Die Füchsin

Neben der Rahmenhandlung um Mascha und dem Icherzähler gibt es dazwischen immer wieder Überlegungen und Reflexionen über diverse Details. Das sind oft ungewöhnliche Abschnitte, die einen als Leser stutzen und überlegen lässt.

Der Protagonist ist verstört. Oft erinnert er sich an seinen Freund Paul, der sich umbrachte, hat Sorgen um seine Mutter oder denkt an seine Exfreundin Sophia.
Doch die Beziehung zu Mascha ist ihm wichtig.
Er hat Mascha in einem Birdwatching-Verein kennen gelernt. Sie lebt zurückgezogen in einem Bunker. Leitmotivhaft begleitet eine Füchsin Mascha.

Der Text deutet die Auswirkungen eines problematischen Gesellschaftszustand an.

Es sind nur wir ist ein sorgfältig gemachter, verhaltener, manchmal auch stimmungsvoller Roman!

Bewertung vom 27.09.2024
Okaye Tage
Mustard, Jenny

Okaye Tage


gut

Nicht okay

Okaye Tage ist ein Buch über eine Beziehung. Die aus Schweden stammende Sam verbringt einige Monate mit Lucas in London. Überwiegend bleibt es an der Oberfläche wie auch den Figuren es an Tiefe fehlt. Die Perspektive wechselt jedes Kapitel. Ich bevorzuge die Schilderungen von Luc. Die Beziehung ist unkompliziert, locker und wie sich bei der ersten kleinen Krise zeigt, nicht von Dauer. Die zweite Romanhälfte beschäftigt sich mit dem Verarbeiten der Trennung. Sprachlich bleibt es konventionell.
Von mir bekommt das Buch keine Empfehlung.

Bewertung vom 26.09.2024
Zeitpfade
Michaels, Anne

Zeitpfade


sehr gut

Zeitpfade der kanadischen Schriftstellerin Anne Michaels überzeugt durch einen eleganten Stil, der poetische Momente hat und die schwebende Atmosphäre der Vergangenheit transportieren kann.

Anne Michaels folgt keiner konventionellen Handlung, aber sie zeigt mehrere Generationen einer Familie
Der Roman deckt einen großen Zeitraum ab, beginnend 1917 auf einem Schlachtfeld des ersten Weltkriegs, dann die Rückkehr des verletzten Soldat John zu seiner späteren Frau Helena. Er widmet sich der Fotografie. Ein geheimnisvolles Element kommt hinzu, als in den Fotos, die John macht, verstorbene zu sehen sind. Es sind die Angehörigen der Menschen, die John fotografierte. Ein Element, dass leider nicht komplett verfängt.

Mehrere Generationen werden noch gezeigt. Die Tochter Anna, die Enkelin Mara, ihr Freund Alan und weitere Figuren, die nicht sofort zuordenbar sind. Zudem wird sehr in den Zeiten vor- und zurück gesprungen. Dadurch wird es bald etwas zu fragmentarisch, auch wenn fast alle Passagen stark geschrieben sind.

Zeitpfade ist ein Roman, der abseitig der Lesekonventionen etwas wagt und den Leser dabei fordert.

Bewertung vom 25.09.2024
Die Unmöglichkeit von Liebe
Reece, Francesca

Die Unmöglichkeit von Liebe


sehr gut

Der Roman erzählt die Geschichte von Geth und Olwen im ländlichen Wales.
Die Autorin arbeitet geschickt mit zwei Zeitebenen. Gegenwart ist 2016/2017, rückblickend dann ab 1987 über die neunziger Jahre, als die Protagonisten noch jung waren. Zwischendurch geht es dann noch mehrfach ins Jahr 1980. Mir persönlich war das zu viel. Es wurde zu sprunghaft, aber das ist Geschmackssache.
Geth und Olwen hatten eine Liebesbeziehung, aber dann trennten sich ihre Wege. Während der erste Teil des Buches Geth mehr im Blickpunkt stand, kommt im zweiten Teil Olwens Perspektive mehr zum Tragen.
Im Gegenwartshandlungsstrang treffen sie sich wieder und alte Gefühle kommen wieder hoch.
Die Figuren sind nicht schlecht gemacht. Man kann sie verstehen.
Nach „Ein französischer Sommer“ ist „Die Unmöglichkeit von Liebe“ eine kleine Steigerung.

Bewertung vom 25.09.2024
Der Zauberberg, die ganze Geschichte
Ohler, Norman

Der Zauberberg, die ganze Geschichte


sehr gut

Der Zauberberg, die ganze Geschichte

Verspielt, aber sorgfältig

Norman Ohler schafft eine Rahmenhandlung mit autofiktionalen Ansatz. Ein Autor ist mit Tochter und deren Freundinnen in Davos und liest dort Thomas Manns Meisterwerk Der Zauberberg.

Darin eingebettet ist die Entstehungsgeschichte des Zauberbergs mit Thomas und Katia Mann als Hauptfiguren.

Prinzipiell ist das alles bekannt, aber der Autor geht so spielerisch mit dem Stoff um, dass es Spaß macht.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.09.2024
Trauer ist das Glück, geliebt zu haben
Adichie, Chimamanda Ngozi

Trauer ist das Glück, geliebt zu haben


sehr gut

Notizen zur Trauer

Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie ist eine äußerst interessante Autorin, die auf hohen Niveau schreibt. Berühmt ihr Roman Americanah.
In diesem 80 Seiten umfassenden Essay schreibt sie vom Tod ihres Vaters in Nigeria, während sie in den USA lebt. Und da es die Zeit des Lockdowns ist, kann sie nicht zu ihm.
In 30 kurzen Kapiteln erzählt sich auch das Leben ihres Vaters. Ein bemerkenswerter Mann.
So gesehen ist wohl dieser Text ihre Art des Abschiednehmens.

Bewertung vom 22.09.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


ausgezeichnet

konzentrierter Text, leicht überfrachtet

Die Österreichische Schriftstellerin Judith W.Taschler hat mit Nur Nachts ist es hell ein sehr konzentriertes Buch geschrieben. 1973 erzählt eine Frau ihr Leben. Überwiegend spielt es in Wien. Elizabeth wächst in Mühlviertel auf, heiratet dann Georg, der im ersten Weltkrieg einen Arm verlor und wurde nachdem sie zunächst Krankenschwester war Ärztin.
Nach fühlt sie sich ihren Bruder Eugen, der in die USA ausgewandert war, dann aber zurückkehrte.
Elizabeths Erzählung springt gelegentlich. Es gibt jedenfalls viele Fakten und Details, die man als Leser erst einmal verarbeiten muss. Ehrlich gesagt, halte ich das Buch für überfrachtet. Doch man ist durch Taschlers Erzählart auch so tief in die Handlung reingezogen, dass sich allmählich ein Gesamtbild ergibt.
Da Elizabeth alleinige Erzählerin ist, bleibt man nah an ihr dran.
Einzige Ausnahme sind die geschickt von der Autorin eingebundenen Briefe von Eugen, in der er seine Zeit in Boston berichtet.

Bewertung vom 21.09.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


sehr gut

Glühend heißer Boden

Juli, August, September heißt der neue Roman der Schriftstellerin Olga Grjasnowa , die durch „Der Russe ist einer der Birken liebt“ so bekannt wurde. Das neue Buch hat vergleichbare sprachliche Qualitäten, unterscheidet sich aber durch die Protagonistin Lou, die Ende 30 ist, ein Kind hat und mit einem Konzertpianisten verheiratet ist. Sie hat russisch-Aserbaidschanische Wurzeln, definiert sich aber inzwischen als Deutsche. Auch ihre jüdische Identität beschäftigt sie. Neben der Frage der Identität ist auch eine Beschreibung des Zustands, in der sie sich im Jahr 2023 befindet. Ihre Ehe ist leicht erkaltet, ihre berufliche Situation liegt auf Eis und ihr Plan, ein Buch zu schreiben stockt ebenfalls.

Das Buch hat anfangs wenig Handlung. In der zweiten Buchhälfte wird ein historischer Kontext hinzugefügt, den ich nicht ganz so zwingend fand.
Das Buch ist aber keineswegs schwach. Dazu hat es zu viele gut Passagen.

Bewertung vom 21.09.2024
Die vorletzte Frau
Oskamp, Katja

Die vorletzte Frau


ausgezeichnet

Eine Beziehung

Katja Oskamp, die mit Marzahn, mon amour schon so sehr überzeugte, schreibt ein weiteres mal über ihr eigens Leben. Im Mittelpunkt steht die langjährige Beziehung einer Frau und einem Mann, dem Schweizer Tosch.
Obwohl die Beziehung sehr eng ist, leben sie nicht zusammen. Tosch hält auf Distanz, denn er ist ein erfolgreicher Schriftsteller und das Schreiben ist ihm das wichtigste.
Die Erzählerin ist auch Schriftstellerin, wenn auch weniger bekannt. Sie hat mit Paula eine Tochter.
Die Passagen mit den dreien zusammen sind fast anrührend.
Später bekommt Tosch Krebs, aber sie hält zu ihm, pflegt ihn. Dennoch weiß man schon früh, dass die Trennung noch folgen wird.

Die Art der Beziehung ist interessant dargestellt. Teilweise ist sie ungleich, manchmal fast toxisch, dann gibt es aber auch Momente von Zuneigung und Verbundenheit.
Es gibt viele Kapitel, manche sind kurz. Auffällig ist, dass die Autorin einen ganz eigenständigen Ton gefunden hat. Dazu gehört auch ein leicht spöttischer Humor, dem es auch nicht an Selbstironie mangelt.

Bewertung vom 18.09.2024
Die Schlangen werden dich holen
Malfatto, Emilienne

Die Schlangen werden dich holen


sehr gut

Erzählerische Reportage

Die Schlangen werden dich holen. - Eine literarische Reportage aus Kolumbien.
Den Untertitel kann man Ernst nehmen. Es ist kein Roman, aber mehr als Reportage, denn es ist erzählend aufgebaut.
Die Autorin recherchiert in Kolumbien über eine Frau, die Aktivistin war und ermordet wurde. Es ist die Zeit als das Paramilitär und die linksgerichtete Guerilla-Organisation FARC sich bekämpften und die Bevölkerung darunter leiden musste. 2019 wurde Maritza ermordet.
Emilienne bereist die Gegend, trifft Maritzas Familie und Täter aus beiden Lagern.
Der Text ist so erzählt, dass die Autorin die verstorbene immer wieder anspricht. Das fand ich zu penetrant, es hat mich leicht gestört. Auch war mir manche Passagen zu wenig konkret. Vielleicht hätte etwas mehr Reportage dem Buch doch gut getan. Davon abgesehen, gab es schon einiges an Informationen über ein Land, das uns deutschen Lesen überwiegend wenig bekannt sein dürfte. Man muss hoffen, dass sich die Lage für die Menschen und die Menschenrechte durch die neue Regierung langfristig verbessern wird. Aber das bleibt abzuwarten.