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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2021
Fischland-Fluch
Kastner, Corinna

Fischland-Fluch


gut

Alexander Hardenberg soll mit einem bedeutenden Literaturpreis ausgezeichnet werden. Der blanke Horror für Paul Freese, der sein Pseudonym nie lüften wollte. Er schätzt einfach seine Ruhe auf dem Fischland.
Hätte er gewusst, was er mit seiner Ablehnung auslöst, wären einige Pressetermine das reinste Zuckerschlecken gewesen. Es erscheinen widerliche Schmähartikel, immer knapp unter der Grenze zum Justizablen. So wird angedeutet, seine Großmutter sei eine Erpresserin, Diebin und Mörderin gewesen.
Nun beginnt Paul, zusammen mit den alten verlässlichen Freunden zu ermitteln und muss sich einigen Rätseln seiner Geschichte stellen.
Corinna Kastner hat mit ihren Fischland-Romanen meine Liebe geweckt und ich war seit dem schon zweimal dort in Urlaub. Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, einige Schauplätze aufzusuchen und meine Fantasie schweifen zu lassen.
Dieses Mal hat mich der Plot aber nicht restlos überzeugt. Ich fragte mich wirklich, ob eine Straftat – wenn die Andeutungen stimmen – die fast 100 Jahre her sind, noch ein großes Interesse in der Öffentlichkeit hervorruft. Die Handlungsstränge, die sich mit der Vergangenheit beschäftigen, waren mir im wahrsten Sinn des Wortes zu theatralisch.
Aber davon abgesehen, hat die Autorin wieder einen Krimi geschrieben, der ihren vertrauten Figuren Raum gibt und die Sehnsucht nach dem Fischland neu entfacht.
Ein Krimi mit viel Familientragödie und sicher auch ein Versprechen auf weitere Fälle von Paul und Kassandra.
3,5 Sterne

Bewertung vom 20.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


sehr gut

„Die Reise durch ein fremdes Land“ ist ein sehr zurückgenommes, ja melancholisches Buch. Auch mich hat diese Stimmung beim Lesen erfasst. Wir begleiten einen Vater auf eine Autofahrt durch Schottland in den Süden. Extreme Schneefälle haben fast alles lahmgelegt und er macht sich auf die Reise seinen Sohn Luke aus der Universitätsstadt über die Weihnachtstage nach Hause zu holen.
Während der Reise schweifen seine Gedanken immer wieder in die Vergangenheit. Er wollte einmal ein berühmter Fotograf werden, aber nun sind seine Aufträge Hochzeiten, Familienfeiern und ab und zu ein Werbeauftrag. Er denkt an die Bilder seiner Kinder und immer wieder kommt Daniel in seine Gedanken. Den Sohn, den er verloren hat, den er nicht beschützen konnte. Wie eine schwere Last liegt da sein Versagen auf den Schultern. Immer näher kommen wir dem Protagonisten.
Durch die eindrückliche Sprache und die Reduzierung auf einige Stunden im Auto bekommt der Roman eine ganz besondere Intensität. Er dringt tief in die Seelen seiner Figuren und dem konnte ich mich als Leserin auch nicht entziehen.
Eine sehr genaue Beobachtungsgabe und eine makellose Sprache machen dieses Buch besonders.

Bewertung vom 20.09.2021
Als wir an die Zukunft glaubten / Die Hafenschwester Bd.3
Metzenthin, Melanie

Als wir an die Zukunft glaubten / Die Hafenschwester Bd.3


ausgezeichnet

Mit „Als wir an die Zukunft glaubten“ endet die großartige Trilogie um die Hamburger Krankenschwester Martha Studt. Das Buch behandelt die Jahre zwischen den Kriegen bis 1955. Während der Inflation hat die Familie all ihre Ersparnisse verloren. Es wird immer schwieriger den Kindern die gewünschte Ausbildung zu ermöglichen. Besonders Ella, die unbedingt Ärztin werden will, muss ihre Pläne ändern. Sie entschließt sich in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten und erst eine Schwesternausbildung zu machen um die Familie finanziell zu unterstützen. Doch dann kommen die Nazis und ihre Ideologie sieht die Frauen im Haus, nicht im Beruf.

Die unbeugsame Haltung der Studts ist nicht ungefährlich, es warte harte Bewährungsproben und schlimme Zeiten auf die Familie.

Von Band zu Band hat sich meine Begeisterung für die Geschichte der Familie gesteigert. Ich fühlte mich fast wie ein Teil von ihnen und habe mit ihnen gelitten und auch gefreut. Mit den Figuren ist der Autorin ein großer Wurf gelungen. Sie verkörpern einen Kosmos, in dem sich alles spiegelt, was in dieser Zeit passiert. Überhaupt spürt man die akribische Recherche der Autorin, die in die Trilogie eingeflossen sind und für mich wie eine lebendige Geschichtsstunde waren. Sehr interessant fand ich auch die medizinischen Hintergründe dieser Zeit.

Melanie Metzenthin schreibt farbig und lebendig und zieht damit ihre Leser in Bann. Mir ist es jedenfalls so ergangen und obwohl der letzte Band wirklich sehr umfangreich war, hätte ich einfach nur weiterlesen mögen. Ich hoffe sehr, dass ich der einen oder anderen Figur in einem neuen Buch der Autorin wieder begegnen kann.

Wenn es mehr als 5 Sterne gäbe, hätte es dieser ausgezeichnete Roman verdient. Wie die Romanhandlung mit den geschichtlichen Ereignissen verknüpft werden ist ganz großes Kino. Apropos Kino – das wäre wirklich mal ein Stoff für eine Verfilmung.

Bewertung vom 19.09.2021
Salzburger Rippenstich
Eigner, Katharina

Salzburger Rippenstich


sehr gut

Als Arzthelferin ist Rosmarie immer mit dem neuesten Wartezimmerklatsch vertraut und was sie da nicht hört, ergänzt ihre Schwiegermutter. So erfährt sie von einem unbekannten Toten mit entstelltem Gesicht. Rosmarie, die sich selbst als begabte „Miss Marple“ sieht und genauso neugierig ist, begibt sich auf Mörderjagd und muss sich schon bald um eine zweite Leiche kümmern. Sie hat einen Verdacht und je tiefer sie gräbt, umso sicherer ist sie sich, dass sie einen dritten Mord verhindern muss.

Was für ein origineller und frischer Krimi. Ich habe mehrfach lauthals lache müssen, wenn Rosmarie aus der Praxis erzählt und ihre Schlussfolgerungen zum Besten gibt. Unverzichtbar bei ihren Ermittlungen ist ihre gute Freundin und natürlich nutzt sie die Praxis um an Informationen zu kommen, während die Polizei sich eher träge zeigt.

Anfangs dachte ich ja, ich hätte schon lange den Plot enträtselt, aber die Autorin hat mich interessanten Wendungen noch einige spannende Überraschungsmomente eingebaut. Die Figuren sind witzig, besonders bei den Nebenfiguren, die ja immer das Salz in der Suppe sind, hat sich Katharina Eigner viel einfallen lassen und damit sehr zu meinen Vergnügen beigetragen. Lediglich bei Rosmaries Ehemann, ein Macho, wie er eigentlich schon ausgestorben sein sollte, haben sich mir öfters die Haare aufgestellt.

Ein Regionalkrimi mit hohem Unterhaltungswert und ein Debüt, das mich überzeugt hat.

Besonders gelungen fand ich auch das Titelbild, ein kleine Stickerei, die auch Bezug zum Inhalt hat. Das rundet meinen guten Eindruck ab.

Bewertung vom 11.09.2021
Max und Moritz - Was wirklich geschah
Wilkes, Johannes

Max und Moritz - Was wirklich geschah


sehr gut

Tante Dörte macht sich große Sorgen um Max und Moritz. Ihr Vater hat die Witwe Bolte aus Finsterwalde in der tiefsten Mark Brandenburg geehelicht und ist nur kurz nach der Eheschließung verstorben. Seine beiden Jungs, die auf Betreiben der Stiefmutter in ein Internat verfrachtet wurden, sind nach der Beisetzung spurlos verschwunden. Auch ein seltsames Testament macht Tante Dörte stutzig. So bittet sie Karl-Dieter und dessen Freund Mütze, passenderweise Kriminalkommissar, mal nach dem Rechten zu sehen.

Finsterwalde – der Name passt, es gibt eine Mühle, eine Schneiderwerkstatt, das Gasthaus und die Kirche und die kleine Pension der Witwe. Schon bald stoßen die Freunde auf allerlei Ungereimtes und Gereimtes und kommen einer Geschichte auf die Spur, die so ganz anders war, als uns die Reime vorgaukeln.

Max und Moritz von Wilhelm Busch sind schon oft Thema von Neuinterpretationen gewesen und wurden auch schon aus strafrechtlicher Sicht untersucht. Das ist durchaus ein Zeichen von Anerkennung und der Leser, der seinen Wilhelm Busch kennt, wird die Abenteuer von Karl-Dieter und Mütze und nicht zu vergessen dem Spitz der Witwe Bolte, mit Vergnügen lesen.

Ein ausführliches Nachwort zur Entstehungsgeschichte und ein wenig aus den Jugendjahren Wilhelm Buschs – einige Streiche sollen dem jungen Wilhelm und seinem Jugendfreund Erich eingefallen sein – runden die Hommage an Max und Moritz ab.

Eine vergnügliche kleine Kriminalgeschichte.

Bewertung vom 09.09.2021
Das Geheimnis der Hyazinthen
Romes, Claudia

Das Geheimnis der Hyazinthen


sehr gut

Um ihrer krebskranken Mutter die letzten Monate so schön wie möglich zu gestalten, reibt sich Lilly auf. Einen letzten Wunsch äußert die Mutter, Lilly soll nach Portree auf der Insel Skye reisen und aus ihrem früheren Zuhause, einem alten Cottage, eine seltene Hyazintenzwiebel ausgraben, mit der sie besondere Erinnerungen verbindet.

Das Cottage steht schon lange leer, sieht genauso verwahrlost aus wie der Garten. Wie soll sie da die Blumenzwiebel finden? Unterstützung erhält sie von unerwarteter Seite. Liam, an den sie aus ihrer Kindheit keine guten Erinnerungen hat, hilft ihr. Auf Skye muss sich Lilly auch ihrer Vergangenheit stellen, dem lieblosen Vater, der die Familie im Stich ließ, dem Verlust ihrer Heimat und ein Geheimnis, dass ihre Mutter lange bewahrte.

Claudia Romes hat eine romantische und liebenswerte Geschichte erzählt. Ihre Figuren rühren den Leser an. Die Erwartungen die das zauberhafte, idyllische Titelbild weckt, werden in erfüllt. Eine schöne Liebesgeschichte, ein zartbitteres Schicksal und die Gewissheit, dass sich alles zum Guten wenden wird, macht das Lesen perfekt.

Ich habe die Geschichte sehr genossen, spielt sie doch auf einer Insel, die ich schon einmal kennenlernen konnte und die Erinnerungen an den Schauplatz waren ein besonderer Pluspunkt für mich.

Ein sehr schöne, anrührende Geschichte, die warmherzig und gefühlvoll erzählt wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.09.2021
Barbara stirbt nicht
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht


ausgezeichnet

Ach Walter, möchte ich unwillkürlich ausrufen, als er am frühen Morgen aufwacht und den vertrauten Kaffeeduft vermisst. Wo ist Barbara? Die sich doch immer um alles gekümmert hat, den Haushalt gestemmt, die Kinder großgezogen und vor allem Walter jeden Wunsch von den Lippen abgelesen hat.

Barbara liegt im Bad, sie ist gestürzt, kann sich kaum noch bewegen. Walter schafft sie wieder ins Bett und überdenkt nun seine Lage. Wie war das mit dem Kaffee, wo ist das Pulver, wieviel Wasser braucht er und vieles mehr. Und Barbara will einfach nicht mehr aufstehen.

Die Kinder machen sich Sorgen, unausgesprochen klingt auch immer ein Vorwurf an Walter mit.

Walter ist ein Dinosaurier, eine Gattung Mann, die man ausgestorben glaubte, von denen es sicher noch einige Exemplare gibt. Eine Ehe, die mehr als ein halbes Jahrhundert andauerte und von der Walter überzeugt ist, dass es das Beste war, was seiner Frau passieren konnte. War er nicht großzügig, als er sie heiratete, als sie schwanger wurde, obwohl seine Mutter nichts von Frauen aus dem Osten hielt. Den Akzent und die Neigung seltsame Dinge zu kochen hat er ihr abgewöhnt, aber hat er sich einmal gefragt ob Barbara glücklich war?

Walter erfindet sich neu, ganz langsam zwar, aber nun lernt er seine Frau aus einer neuen Perspektive kennen. Erstaunt stellt er fest, was für Anker, ein Halt sie für ihn war und nun will er das für sie sein.

Ein tolles Buch, bitterböse in weiten Teilen, wird Walter aber nicht nur an den Pranger gestellt. Die Autorin berichtet und überlässt mir die Deutung. Aus vielen kleinen Rückblicken und Gedanken Walters ersteht das Bild dieser Ehe. Das hat mir sehr gut gefallen. Die Wandlung eines nicht sehr empathischen Mannes ist sehr schön ausgefallen. Alina Bronsky kann die Menschen in all ihren Facetten sehr wahrhaft beschreiben und stellt damit für den Leser eine Nähe zu den Protagonisten her.

Ich war von „Barbara stirbt nicht“ restlos begeistert und konnte das Buch nicht aus der Hand legen.

Bewertung vom 03.09.2021
Des Kummers Nacht / Von der Heyden Bd.1
Knobelsdorf, Ralph

Des Kummers Nacht / Von der Heyden Bd.1


sehr gut

„Des Kummers Nacht“ schickt in den Leser zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts. In Berlin werden die beiden Studenten Wilhelm von der Heyden und Johann Schmidt Zeugen einer Explosion im Nachbarhaus. Als sie zu Hilfe eilen, finden sie eine Tote, die von der Wucht der Sprengladung aus dem Fenster geschleudert wurde. Wilhelm, der über einen fotografischen Blick verfügt, fallen einige Ungereimtheiten auf.

Nachdem Wilhelm erst unter Verdacht gerät, dann später den leitenden Kriminalisten überzeugen kann, bietet der ihm eine Stelle bei der Polizei an. Die noch junge Kriminalpolizei soll personell und qualitativ aufgerüstet werden. Eine Arbeit, die Wilhelm reizt, aber von den Eltern als unter seinem Stand angesehen wird. Als Sohn eines Junkers kommt doch nur der höhere Staatsdienst in Frage.

An diesem Krimi hat mich fast alles überzeugt. Die Schilderung des historischen Hintergrunds, der Blick auf Berlin in dieser Zeit und vor allem die Einblicke in preußisches Beamtentum und Politik. Deshalb habe ich das Buch mehr als geschichtlichen Roman und weniger als Krimi gelesen. Denn bei all diesen wissenswerten und interessanten Abhandlungen kam mir der Krimi Plot fast ein wenig zu kurz.

Mir gefiel das Auftauchen der historischen Persönlichkeiten, sogar Bismarck, der noch am Anfang seiner Karriere steht, bekommt seinen Auftritt. Die Einordnung der realen Personen und Ereignisse werden durch das ausführliche Nachwort erleichtert. So habe ich aus diesem Kriminalroman viel gelernt.

Die Figuren werden in ihrem geschichtlichen Kontext gezeichnet, die verschiedenen Stände waren noch sehr ausgeprägt und es ist schon ein Unterschied, ob man zum Adel, zu den Gutsbesitzern oder zum Bürgertum gezählt wird.

Auch wenn ich „zu wenig“ Krimi anführte: der Plot war sehr stimmig entwickelt und jeder Entwicklungsschritt bis zur Auflösung sehr logisch.

Dazu hat mich der Sprachstil des Autors überzeugt, der in den Dialogen den Ton der Zeit trifft und sich immer mal auch ein Augenzwinkern erlaubt.

Der Untertitel „von der Heydens erster Fall“ lässt mich schon auf die Fortsetzung hoffen.

Bewertung vom 02.09.2021
Mörderisches Kreta / Kommissar Galavakis ermittelt Bd.2
Vertidi, Nikola

Mörderisches Kreta / Kommissar Galavakis ermittelt Bd.2


sehr gut

Drei junge Männer werden bestialisch ermordet und am Strand zur Schau gestellt. Ein Verbrechen, dass Kommissar Hyeronimos Galavakis an die Grenzen bringen wird. Die drei gehörten zu einer Clique aus besten Familien, haben sich öfters zu Partys getroffen und versucht ihre Homosexualität geheim zu halten. Die Eltern der Toten haben erheblichen Einfluss in Kirche und Politik und setzen alles daran, genaue Ermittlungen zu verhindern. Das war ein außergewöhnlicher Krimi für mich. Die Grundidee der Geschichte ist interessant und ich hatte keine Ahnung, dass in Griechenland und auch Kreta, die griechisch-orthodoxe Kirche einen so entscheidenden Einfluss auf das Leben hat. Außerdem ist die Einstellung zu Homosexualität geradezu mittelalterlich.

Der Kommissar Galavakis wird als „verschroben“ bezeichnet, was ich leicht untertrieben fand. Er kann Auren sehen, schleppt selbst einige Traumata mit durchs Leben, bleibt aber dabei immer sehr sympathisch. Die Kollegen der Dienststelle sind alle recht sonderbar, mal cholerisch, mal von Neid zerfressen, das wirkte auf mich überzeichnet.

Echte Unterstützung findet er nur bei der Pathologien Penelope, die selbst homosexuell ist und mit Gavlakis die Vorschriften schon mal sehr weit auslegt. Die Ermittlungen leben von der Konfrontation des Kommissars mit den Eltern, hier finden sich alle Facetten von Schwulenhass, reaktionären Denken, Arroganz und versuchter Einflussnahme.

Die deutsche Autorin, die sehr viel in Zeit in Kreta verbringt, beschreibt die Insel als Kennerin. Das gefiel mir, man selbst nimmt doch die Insel als Touristin ganz anders wahr. Man sieht dann vieles mit anderen Augen. In Landschaftskrimis dürfen natürlich auch kulinarische Details nicht fehlen, Frau Vertidi liefert im Anhang noch einige Rezepte dazu.

Wichtiger fand ich aber das Nachwort, in dem sie ausführlicher auf die Situation homosexueller Menschen in einer orthodox geprägten Umgebung eingeht.

Insgesamt ein spannender Krimi mit einem relevanten Thema.

Bewertung vom 01.09.2021
Träume und Kulissen
Bremer, Alida

Träume und Kulissen


ausgezeichnet

Bibliomariein ein paar Sekunden
Sommer 1936 in Split. In der Stadt brodelt es. Ein Vielvölkergemisch hat sich an der Adria eingefunden. Juden versuchen von hier die Flucht aus Europa. Es wimmelt von revolutionären Splittergruppen. Die einen halten zum Duce, die anderen trauern der Habsburger Monarchie nach und Kommunisten wollen einen Staat nach russischem Vorbild bilden. Es tummeln sich auch eine Menge deutscher „Filmani“ in der Stadt, die die Adriakulisse für deutsche Filme nutzen.

In dieser aufgeheizten Atmosphäre findet ein Fischer einen gut gekleideten Toten inmitten seiner Netze liegen. Als er bei der Polizei den Fund melden will, wird er gleich wegen Mordes verhaftet. Kommissar Bulat hält nichts von diesen voreiligen Schlüssen, steckt aber inmitten der diversen Machtkämpfe. So sucht er auf seine eigene, stille Art nach dem Täter. Bulats Ermittlungen scheinen sich im Kreis zu bewegen, er geht vielen Spuren nach und endet doch immer ein Sackgasse.

Die Handlung ist in einer Sommerwoche angesiedelt, aber ich hatte beim Lesen das Gefühl, Zeuge einer Zeitenwende zu sein. Die leichte, mediterrane Atmosphäre wandelt sich merklich. Man spürt die instabile politische Lage in Europa und vielleicht schon die ersten Vorahnungen eines neuen Kriegs.

Die Autorin, eine gebürtige Kroatin, ist Literaturwissenschaftlerin und ihr Roman ist die perfekte Mischung aus Landes- und Geschichtskenntnis und einer farbigen, bildreichen Sprache. Man muss schon sehr genau lesen, um alle Zwischentöne des komplexen Kriminalromans zu erfassen und die Vielzahl an Personal erfordert ebenfalls Aufmerksamkeit.

Dabei ist der Krimi – der eigentlich mehr Gesellschaftsroman ist, mit einer mediterranen Leichtigkeit geschrieben und sehr atmosphärisch. Man fühlt sich in die heißen Sommernächte versetzt, kann sich Gerüche und Geräusche geradezu ausmalen.

Ein wirklich ausgezeichneter Roman, der mich überrascht und überzeugt hat.