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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 158 Bewertungen
Bewertung vom 11.04.2014
Restlos!  (Restauflage)
Möller, Hildegard

Restlos! (Restauflage)


sehr gut

Wer hat sich nicht schon einmal darüber geärgert, dass der Kühlschrank zwar einigermaßen voll ist, aber nur traurige Reste von den letzten Schlemmer-Tagen zu bieten hat?
Für den Müll sind diese Produkte meist zu schade und die allseits beliebte „Biotonne auf vier Pfoten“ verträgt nicht alles. Eine sinnvolle Verwendung findet sich spontan nur in den seltensten Fällen, wodurch die Entscheidung verschoben wird und man kurz darauf verschimmelte oder ungenießbare Lebensmittel dann doch wegschmeißen muss.
Das ist ärgerlich für den Geldbeutel und eine Verschwendung von Rohstoffen, der Hildegard Möller den Kampf angesagt hat.

Die Einleitung mit der Überschrift „Vorratshaltung“ ist eine Wiederholung von gängigen Tipps, die sich mit einer guten Lagerung im Kühlschrank oder der Speisekammer befassen und davor warnen hungrig einkaufen zu gehen, weil dann der Magen und nicht die Vernunft den Wagen vollpackt. Neues wird dort zwar nicht erzählt, aber die Rezepte danach haben durchaus Potenzial und decken den kleinen Hunger ebenso ab, wie vollwertige Menüs für die ganze Familie.

Unterteilt ist das Kochbuch in die Kapitel:
- Gemüse restlos genießen
- Kartoffeln, Nudeln & Reis
- Brot – eine zweite Chance
- Fleisch, Geflügel & Fisch
- Früchte & Beeren

Die Rezepte werden verständlich und ausführlich erklärt, sowie in den meisten Fällen mit Bildern illustriert. Neben den Zutaten der Kategorie „Reste“, die über gekochte Kartoffeln über altbackenes Brot oder sogar vermeintlicher Gemüseabfall, wie Radieschenblätter oder Möhrengrün, hinausgehen, wählt die ehemalige Küchenchefin hauptsächlich Gewürze, die sowieso jeder Haushalt vorrätig hat, sodass der Resteverwertung nichts im Wege steht. Etwas schade ist, dass bei manchen Vorschlägen dann gleich wieder Reste auftauchen, wie beispielsweise 50g Frischkäse oder Creme Fraiche. Als besonders positiv habe ich dagegen die Hinweise am Rand der Seiten empfunden, die zum Beispiel für Vegetarier eine fleischlose Variante umsetzt!

Bei der Gestaltung hat der Kosmos-Verlag genau meinen Geschmack getroffen, da viele gedeckte Braun- und Grautöne die Wärme einer heimeligen Großküche ausstrahlen und das bodenständige Hausfrauenwissen der kreativen Gerichte hervorhebt. Meine persönlichen Highlights sind vorläufig die „Spaghetti-Nester“ (S.78/79), die jeden Kindergeburtstag bzw. uninspirierte Bratnudeln mit wenigen Handgriffen aufpeppen und „Grüne Pfannkuchen mit Kräutercreme“ (S.32/33), welche ebenfalls unkomplizierte herzustellen und ratzfatz verputzt sind. Die „Quarknocken mit Erdbeersoße“ (S.124/125) waren zwar geschmacklich ebenfalls in Ordnung, aber der Aufwand ist mir in diesem Fall für das mittelmäßige Ergebnis zu groß gewesen. Aber die Liste der wartenden Rezepte ist noch lang und die nächsten Reste türmen sich bestimmt bald wieder in meiner Küche.
Dieses Kochbuch ist gleichermaßen für Anfänger wie für Experimentierfreudige zu empfehlen, und das auch dann, wenn keine Reste im Haus sind!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.04.2014
Vulkanjäger
Brandis, Katja

Vulkanjäger


sehr gut

Begeisterung ist ein Vulkan. In seinem Krater wächst kein Gras des Zauderns. (Khalil Gibran)

Jemand, der auch nicht zaudert, ist Jan Benderts Vater André, ein Vulkanologe mit Leib und Seele, der seinen Sohn, den er die letzten 16 Jahre stark vernachlässigt hat, zu seinem nächsten Trip einlädt – nach Hawai, Indonesien und all die Hot Spots der Vulkanjäger. Erster Halt auf ihrer Reise zu faszinierenden Filmaufnahmen am Rand der magmaspuckenden Ungetüme ist Neapel, wo Jan sich Hals über Kopf in die Einheimische Giulia verliebt, die dort als Verkäuferin in einem Souvenirgeschäft arbeitet. Leider nimmt die Arbeit keine Rücksicht auf Gefühle und so trennen sich die Wege der beiden Turteltauben schon nach kurzer Zeit wieder, ehe sich der Protagonist im Abenteuer seines Lebens wiederfindet und vor gefährlichen Aschewolken und Lavaströmen in panischer Angst flieht. Niemals würde er sich je freiwillig wieder so nah an Naturgewalten heranwagen, bis der Vesuv zu grummeln beginnt und Giulia am Fuße des Hanges unbedarft einen Geburtstag feiert.

Katja Brandis Schreibkunst habe ich schon durch den Jugendroman „Schatten des Dschungels“ kennen gelernt, der wie auch ihr neuestes Werk durch hervorragende Rechercheleistung punktet und das Geschehen mit sehr lebhaften Sätzen und Erkenntnissen schmückt. Neben dem hohen Unterhaltungsfaktor, der durch die brenzligen Situationen mit Spannung aufgeheizt wird, erfahren wir jede Menge Wissen über Vulkane insgesamt, sowie ihre Zerstörungswut in Pompeji, Riten rund um die Besänftigung der Göttin Pele, und Frühwarnsystemen. Beim Lesen packte mich der Wunsch einmal selbst mit einem speziellen Handschuh in die Lava zu greifen oder einfach glühende Schwefelfelder zu besichtigen, obwohl ich dem Nervenkitzel, der damit einhergeht vermutlich nicht gewachsen wäre.

Ein Minuspunkt an der Geschichte war eindeutig die etwas aufgezwungene Liebesgeschichte im schönen Neapel. Was als unverfänglicher Urlaubsflirt begann, entwickelt sich bei der Autorin in Windeseile in die größte Liebe, die Italien seit Romeo und Julia je gesehen hat und für diesen sonst sehr hochwertigen Jugendroman viel zu ausgelutscht ist. Ein Junge darf schließlich mit seinem Vater auch einfach nur die Zweisamkeit genießen und trotzdem dabei das jüngere Publikum interessieren.
Ebenfalls ist der Höhepunkt in Jans Familienstory auf hoher See nicht ganz rund, wodurch ich nach dem Epilog noch immer wie in einem kleinen Boot schaukelte und der Hintergrund, der sich auf die Berufsgruppe, der Vulkanologen allgemein bezieht, nicht bei mir ankam. Erst durch das sehr persönliche und informative Nachwort bin ich praktisch vom Dampfer gestiegen.

Nichtsdestotrotz konnte mich Katja Brandis wieder mitreißen und ich hoffe, dass ihr Mut zu Büchern mit dem federleichten Wissensfaktor belohnt und ihr Erfolg wie ein Stratovulkan explodieren wird, denn „Vulkanjäger“ hat es sich redlich verdient.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.04.2014
Empfindliche Wahrheit
Le Carré, John

Empfindliche Wahrheit


gut

In Gibraltar ist eine streng geheime Mission unter dem Decknamen „Wildlife“ geplant, die einen Terrorboss von höchster Wichtigkeit dingfest machen möchte. Beteiligt sind amerikanische Söldner ein Minister, britische Soldaten, die für diesen Einsatz aus den Akten gestrichen wurden, sowie Paul Anderson, der kurz vor der Pension noch einmal einen echten Coup über die Bühne bringen will. Obwohl vieles nicht wie geplant läuft, sind die Auftragsgeber danach zufrieden und schicken ihren Mittelsmann Paul zur Belohnung zu einem Auslandsaufenthalt in die Karibik und erheben ihn in den Adelsstand. Stutzig wird nur seine schwer kranke Ehefrau, die drei Jahre später bei einem zufälligen Treffen mit einem Beteiligten der damaligen Aktion über einen Kollateralschaden erfährt, der alles in einem neuen Licht erscheinen lässt. Paul Anderson nimmt für sein Seelenheil daraufhin Kontakt zu dem ehemaligen Privatsekretär Toby auf, der eine Spur verfolgt, die tief in einen Korruptionssumpf führt.

„Empfindliche Wahrheit“ war mein erster Carré, sodass ich mit einem etwas mulmigen Gefühl in das Buch gestartet bin, schließlich ist der Autor für seine anspruchsvolle und höchst aktuelle Literatur bekannt. Das erste Kapitel war dann aber keineswegs trocken oder vollgestopft mit politischem Wissen, sondern temporeich und durch die heikle Situation auf dem britischen Hoheitsgebiet für einen Thriller sehr würdig. Leider folgte dann ein Rückblick, wodurch sich das Geschehen über mehrere Seiten (fast 1/3 des Buches) hinter geschlossenen Türen abspielte und mich leider nicht erreichte. Obwohl das unsaubere Treiben der Ministerien, die anscheinend eine unendliche Narrenfreiheit besitzen für die Leser wirklich empörend war, wird es erst durch den drastischen Gegenpol in Form eines Ortswechsel in die eher ländlichen Regionen deutlich. Denn diese Szenen machten beinahe den Eindruck eines Zeitsprungs in die Vergangenheit, weil die Menschen dort noch bodenständig und korrekt ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen und gegen das Großstadtchaos herrlich beruhigend waren.

Mit den Charakteren konnte ich lange keine Bindung aufbauen, wodurch mir der Ausgang der Geschichte größtenteils herzlich egal war. Durch den späteren Fokus auf den sehr interessanten Charakter des Toby Bell gelang das Mitfiebern immer besser und der Spannungsverlauf steigert sich nach dem kleinen Durchhänger im Mittelteil zusehends. Die kleinen verstreuten Verweise auf die korrekten Sicherheitsvorkehrungen, beispielsweise niemals das erste vorbeifahrende Taxi zu besteigen oder der ideale Ort zum Verstecken von brisanten Material waren für mich das i-Tüpfelchen bei dem Spionagethriller, was gerne noch ausführlicher behandelt werden dürfte. Selbst Humor baut der Autor vereinzelt in den eher steifen Ernst der Realität ein, was für mich die wohl überraschendste Erkenntnis nach der Lektüre war.

So schnell werde ich zwar keinen Carré mehr lesen wollen, da das Buch einige Hänger hatte und nicht durchweg das Niveau durch leichte Absonderlichkeiten halten kann, aber hochwertige Literatur mit einem treffenden Schreibstil gespickt mit knallharter Ehrlichkeit ist definitiv sein Steckenpferd.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.03.2014
Ostseesühne / Pia Korittki Bd.9
Almstädt, Eva

Ostseesühne / Pia Korittki Bd.9


sehr gut

Da mir "Ostseefluch" (Korittkis 8.Fall) schon ziemlich gut gefallen hat, war ich sehr auf die Leseprobe gespannt, die ja schon einen verhältnismäßig langen Einblick in die Geschichte gewährt.

Der Prolog rund um Ulf Nielsen, der seine Begeisterung für die Fototgrafie von der Burgruine "Ravensvelde" am frühen Sonntagmorgen frönt, war schon sehr stimmungsvoll. Die Andeutungen von Armin Fuhrmann aufbrausendem Gemüt und des leeren Blickes von seinem psychisch kranken Sohn waren in der Abgeschiedenheit und der Kälte richtig gruselig. Die Beschreibungen seines Nachbarn Gernot tun anschließend ihr übriges dazu. Neben der Ruine gibt es im Wald auch noch den "Eiskeller", eine Höhle, zu besichtigen und die Autorin schafft es mit ihrem bildlichen Schreibstil wunderbar die Atmosphäre einzufangen. Wer hatte Ulf auf dem Gewissen, ist Fuhrmanns Frau Elsa auch tot? Liegt er im Feuerlöschteich?

An Pia und Lars' Streitigkeiten kann ich mich nur noch dunkel erinnern, dafür aber an ihren süßen Sohn Felix noch ganz genau. Das erste Kapitel hilft aber mit der Protagonistin wieder warm zu werden, denn mit einer berufstätigen Frau, die sich alleine durch den Job und die Mutterrolle kämpft, fällt das nicht schwer.

Dina Löbich, Referendarin, die für Ulf im Unterricht einspringen soll, hat keine gute Meinung von unserem Opfer, aber wenigstens forscht sie nach, was mit dem Verschwundenen geschehen ist.

Warum wurde Ulf getötet und dann nicht besser versteckt? Sollte es eine Warnung für die Fuhrmanns sein oder schweben sie selbst in Gefahr? Der Einstieg hat mich schon gefesselt und nun würde ich natürlich gerne wissen, wie der Kriminalfall gelöst wird. :-)

Bewertung vom 26.03.2014
Die verlassene Stadt / Survivor Dogs Bd.1
Hunter, Erin

Die verlassene Stadt / Survivor Dogs Bd.1


sehr gut

Lucky, ein Sheltie-Retriever Mischling, ist ein aufgewecktes Kerlchen, denn als Straßenhund hat er sich für lange Zeit alleine durch die Gegend geschlagen – immer auf der Hut vor bösartigen Menschen, die der Protagonisten-Hund „Langpfoten“ nennt. Der Hunger war sein ständiger Begleiter, auch wenn er von einem alten Freund erfolgreich im Jagen unterrichtet wurde und ihm das Betteln mit schief gelegtem Köpfchen manchmal eine Leckerei eingebracht hat. Irgendwann hat es der Hundegott dann aber doch schlecht mit dem kleinen Streuner gemeint, denn er wurde von Hundefängern eingesperrt und musste im Tierheim mit unzähligen Artgenossen vor sich hin vegetieren. Am Tag des „Großen Knurrers“, der die Erde erbeben ließ, stürzt das Gebäude der gefangenen Fellnasen ein und lediglich Lucky und seine Käfignachbarin Sweet können sich retten. Die ganze Stadt ist ein Trümmerhaufen und alle Menschen sind vor dem Chaos geflohen – ohne ihre Haustiere und Habseligkeiten. Nun heißt es wieder zu überleben auf eigenen Pfoten, bis Lucky auf ein Rudel stößt, welches alle seine Vorsätze als Einzelgänger auf eine harte Probe stellt.

Nachdem ist von Erin Hunter nur die „Warrior Cats“ Reihe kannte, war ich sehr gespannt auf die Abenteuer der besten Freunde des Menschen, die vom Charakter durchaus anders agieren, als die stolzen Samtpfoten.

In den Schreibstil konnte ich mich sofort wunderbar fallen lassen, da hier den „Survivor Dogs“ eine sehr einfache und tiergerechte Wortwahl in die Schnauze gelegt wurde, die sich in Verbindung mit den eher groß gedruckten Zeilen (der Zielgruppe entsprechend) flott weglesen lässt. Als besonders herausragend aus der Masse der Tierromanen habe ich die Kreativität der Wortschöpfungen empfunden, die sich mir zwar nicht immer auf den ersten Wuff ersichtlich zeigen, aber sich dann doch ziemlich schnell aufklären – Kinder werden da bestimmt ohne Probleme hinter die Anspielungen schauen. Beispielsweise sind unsere röhrenden Autos aus Luckys Sicht zu Recht „Lärmkasten“ und die Nachtstunden eine „Ohnesonne“, sodass wir Leser immer wieder überrascht werden und über die Logik der klaren Worte staunen können.

Der Sheltie trifft auf seinem Weg als Einzelgänger interessante Vierbeiner, die schrecklich böse oder zahm und liebreizend personifiziert werden – einen Weg dazwischen gibt es nicht. Teilweise etwas nervig habe ich die kleinen Alpha-Raufereien rund um den heimlichen Rudelführer Lucky und seine Wurfschwester Bella empfunden, der er unterwegs begegnet und ihr plus ihren Freunden in der harten Realität außerhalb der sicheren vier Wände hilft. Obwohl sie selbst über keinerlei Erfahrungen verfügt, drängt sie sich gerne vor ihren Bruder und führt damit im Mittelteil beinahe alle in den Tod. Insgesamt ist der bunte Haufen mit der scharfen Beutenase, den Schwimmhäuten zwischen den Pfoten und der Schnelligkeit einer Antilope aber ein Rudel mit Kuschelfaktor, deren Abenteuer ich auch gerne noch über mehrere Staffeln verfolgen möchte. Die „Survivor Dogs“ haben die „Warriors Cats“ also würdevoll beerbt. :-)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2014
Süß ist der Tod
Conrad, Emma

Süß ist der Tod


ausgezeichnet

„Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man bekommt.“

Dietmar Molitor liebt Belgische Pralinen über alles und kann sich nach seinem 65. Geburtstag über zahlreiche Präsente in schokoladiger Form freuen. Während eines Interviews mit der freiberuflichen Journalistin Constanze Freitag bezüglich eines Zeitungs-Portraits der Familie verspeist er diese genüsslich und vergisst dabei seine guten Manieren, denn anbieten tut er seinem Gast von der „Kaiserslauterer Morgenpost“ keine. Als der Geschäftsführer nur wenige Minuten später mausetot in seinem Chefsessel hängt, wird schnell klar, dass hier ein hinterhältiger Pralinen-Mord ausgeheckt wurde. Als Journalistin ist es für Constanze eigentlich ein Glücksfall, doch von der Polizei bekommt sie einen Maulkorb verpasst und soll dafür lieber im Auftrag der Molitors, sowie ohne deren Wissen auch für die Staatsgewalt heimlich ermitteln. Dabei ist sie überhaupt keine geborene Detektivin und nach der zweiten Leiche, einer Hauptverdächtigen, sogar kurz davor alles hinzuschmeißen.

Heike Abidi hat mir unter ihrem Pseudonym Emma Conrad ganz außergewöhnliche Lesestunden beschert, die mich gebannt von einem Kapitel zum nächsten blättern ließen. Das besondere an ihrem Schreibstil ist der Mut zum Brechen von starren Erzählweisen, denn bei der Autorin zeigt jede Person einmal einen Einblick in ihre Gefühlswelt, wodurch wir mit vielen Perspektivenwechseln, aber somit auch niemals Langeweile konfrontiert werden. Außerdem zeigt sich hier deutlich das Handwerk einer Werbetexterin, denn immer wieder werden lustige Kolumnen der Protagonistin eingestreut, die sich mit kleinen Problemchen bis hin zu den essentiellen Fragen des Lebens befassen. Als krönendes Sahnehäubchen endet bzw. beginnt jedes Kapitel mit einer Email der Ehefrau bzw. des Gatten aus der Freitägischen Familie, da sich die beiden momentan wegen eines Forschungsprojekts mit einer elektronischen Fernbeziehung begnügen müssen. All diese stilistischen Mittel fügen sich zu einem lockeren Mix zusammen, die nur durch das irre Verwirrspiel rund um den oder die Täter getoppt werden. Bis zum Schluss war ich auf einer falschen Fährte und davon sät die gebürtige Birkenfelderin reichlich, sodass ich selbst der Witwe, dem Sohn, der Putzfrau, etc. die vergiftete Kalorienbombe zugetraut hätte.

Über die Handelnden persönlich will ich gar nicht mehr viel sagen, da man sich von ihren netten Marotten besser überraschen lassen sollte. Der Spruch auf dem Buchrückseite „Miss Marple trifft Bridget Jones“ hat aber einen wahren Kern, denn in Tante Doro schlummert eine Schnüfflerin mit faszinierenden Hausfrauenfähigkeiten und Kommissar Kaiser ist mit seinem Faible für alles Zuckerhaltige eindeutig ein männliches Pendant der Britin.

Zusammengefasst kann ich „Süß ist der Tod“ nur ein humorvolles Frauen-Krimi-Wunderwerk nennen, was die Bedürfnisse nach spannendem Rätselraten und harmonischer Wohlfühlatmosphäre gleichzeitig vollkommen erfüllt! Es war definitiv mein Highlight im März und ich würde mir eine Fortsetzung in der schönen Pfalz mit lieb gewonnenen Charakteren so schnell wie möglich wünschen. :-)

Bewertung vom 05.03.2014
Die unterirdische Sonne
Ani, Friedrich

Die unterirdische Sonne


gut

Fünf Jugendliche, fast noch Kinder, wurden entführt, verschleppt und nun in einem tristen Kellergewölbe gefangen gehalten. Sie dienen als hilfloses Spielzeug für ihre drei Peiniger, deren pädophile Neigungen in purer Gewalt gipfeln. In ihrer persönlichen Hölle dürfen die unmündigen Opfer weder über ihre Erlebnisse dort „oben“ sprechen, noch sich über ihre Vergangenheit austauschen. Die erlebten Qualen laugen die zarten Pflanzen bis zur Quelle ihrer kindlichen Freude aus und nur die Solidarität untereinander brennt wie eine zittrige Flamme weiter für eine bessere Zukunft.

Der erste Akt ist durch diverse Personenwechsel leider sehr sprunghaft und dadurch in seinem Wesen eher holprig. Es hat schon erhöhte Konzentration gefordert, um die Personen auseinanderzuhalten, was der Spannung leider nicht zuträglich war. Im zweiten Akt flacht die Handlung dann ab, weil die Kinder in ihrer Verzweiflung und Wut zu keiner Auflehnung mehr fähig sind und nur krampfhaft versuchen ihre Würde zu behalten, während sie die Wände anstarren oder sich auf den Matratzen zusammenkauern – Träume und Hoffnungen sind zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben. Der Roman punktet hier lediglich mit den schweren Selbstmordgedanken der Jugendlichen, die sich wie bleierne Gewichte über die Zeilen legen. Obwohl in diesem Mittelteil der Höhepunkt der Geschichte zu finden, indem ein Mitglied grob aus ihrer Gemeinschaft gerissen wird, war es für meinen Geschmack der schwächste Abschnitt. Lediglich im dritten Akt scheint es so, als würde der Autor seinen Stil ordnen und die Kinder wie Phönixe aus der Asche aufsteigen lassen. Schade, dass nicht der gesamte Roman so reizen konnte, wie die letzten circa 60 Seiten.

Meine größte Schwierigkeit war es wohl nach einiger Zeit ohne weitere Andeutungen zu den schlimmen Misshandlungen am Ball zu bleiben. Wir Leser wurden teilweise zu den stillen Beobachtern hinter der Kamera, die über der Kellertür hängt, degradiert und haben die gequälten Seelen nur aus der Ferne beobachtet. Da diese sich auf ihren wenigen Quadratmetern nicht entfalten können, wirkte es auf mich wie ein ständiger Blick in den Käfig der Löwen im Zoo. Die Tiere laufen dort auch apathisch im Käfig herum, aber nach einer Weile stumpft das Interesse daran ab. Friedrich Ani hat für mich hier eindeutig zu wenig Input gegeben. Er lässt die Gefangenen sogar Märchen erzählen, die ihr eigenes Schicksal in Metaphern verpacken, da es ihnen verboten ist darüber zu sprechen. Eigentlich ist diese Idee ganz nett, ja sogar philosophisch, aber dadurch nimmt das Buch noch mehr an Fahrt ab und ich konnte mich nach dem langwierigen Trott nicht mehr darauf einlassen, sodass die Wirkung nicht ankam.

Ich könnte mir vorstellen, dass LeserInnen, die selbst schon Kinder oder noch jüngere Geschwister haben für die Thematik sensibilisierter sind und das Kopfkino mit der Angst stärker ankurbelt. Mir persönlich fehlte schlichtweg die entscheidende Benennung des Schreckens. Da es sich aber um ein Jugendbuch handelt, war diese Wahl möglicherweise aber folgerichtig, denn die Wirkung der beklemmenden Situation kann auf junge Leser durchaus erschreckender und fesselnder sein. Die hintergründige Botschaft des Romans, dass man Fremden nicht trauen darf oder gar mit ihnen mitgehen sollte, ist allerdings eindringlich überliefert! In Zukunft werde ich dem Wahl-Münchner jedoch nur in seinen Krimis treu bleiben.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.