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Benutzername: 
Yernaya
Wohnort: 
Linz

Bewertungen

Insgesamt 50 Bewertungen
Bewertung vom 30.10.2022
Keltenfluch. Mord im Schwarzwald
Morhard, Christoph

Keltenfluch. Mord im Schwarzwald


schlecht

Der Wald fühlt sich heute seltsam an
Seltsam ist leider nicht nur der herbstliche Schwarzwald, sondern auch das Buch "Keltenfluch - Mord im Schwarzwald", welches Christoph Morhard im Selbstverlag auf den Markt bringt. Nach Angaben des Autors war eine künstliche Intelligenz am Schreibprozess beteiligt. Vielleicht erklärt dies, warum mir als Leserin bis zum Schluss nicht ganz klar wurde, was dieses Buch eigentlich sein möchte: ein Krimi, ein Mysterie-Thriller oder ein Jugendbuch. Brutale Szenen wechseln sich mit ausufernden Beschreibungen des Alltags der jugendlichen Protagonisten ab. Mal finde ich den Schreibstil und die Beschreibungen der düsteren Atmosphäre des Waldes sehr gelungen, dann wieder wiederholen sich Formulierungen so oft, dass man das Gefühl hat, einen Absatz schon einmal gelesen zu haben. Häufige Perspektivwechsel, die nicht immer durch einen Absatz optisch gekennzeichnet sind, behindern den Lesefluss. Teilweise werden Namen verwechselt, was ebenfalls zu Verwirrungen führt. Hinzu kommen logische Brüche und ein aus meiner Sicht nicht nachvollziehbares Ende.

Fazit: ein Lektor oder zumindest ein menschlicher Zweitleser hätte dem Buch sicherlich gut getan.

Leider kann ich hier nicht mehr als einen Stern vergeben.

Bewertung vom 30.10.2022
Bergische Nacht
Meester, Janine

Bergische Nacht


ausgezeichnet

Cosy Crime aus dem Bergischen Land mit Schraubenschlüssel statt Häkeldeckchen

Es ist gar nicht so einfach, einen guten Cosy Crime Krimi zu finden. Zum Glück hat Janine Meester mit ihrem Debut-Roman “Bergische Nacht” nun einen solchen abgeliefert. Auf 240 Seiten begleiten wir die KFZ-Mechatronikerin Ria Mertens auf ihrem Motorrad durch das Bergische Land, inklusive Schloss Burg und der Dröppelminna. Dennoch steht die Landschaft mit ihren Sehenswürdigkeiten und Eigenarten hier nicht so sehr im Vordergrund, dass die Geschichte darunter leidet. Und eine gute Geschichte erzählen kann Janine Meester. Charmant und frisch erzählt, liest sich das Buch an zwei langen Abenden auf der Couch. Die Handlung ist spannend und stimmig, und natürlich kommt auch das Herz nicht zu kurz. Die Protagonisten sind sympathisch und am Ende des Buches möchte man wissen, wie es mit ihnen weitergeht. Und mit dem Hovawart Bruno gibt es auch einen liebenswerten vierbeinigen Mitstreiter, der seinem Frauchen gar nicht so unähnlich ist.

Fazit: Janine Meester stellt unter Beweis, dass ein Kuschelkrimi spannend sein kann und gut ohne Häkeldeckchen auskommt. Mehr davon!!

Bewertung vom 30.10.2022
Die Halligfischerin / Hallig Bd.2
Elste, Karen

Die Halligfischerin / Hallig Bd.2


ausgezeichnet

"So ein kleines Fleckchen Land, so viele Schicksale!"
Die Hallig Südfall liegt im Wattenmeer an der Nordseeküste von Schleswig-Holstein, unweit der kleinen Insel Pellworm und ist gerade einmal 0,56 qkm groß. Und doch gelingt es der Autorin Karen Elste, bereits den zweiten Band einer Familiensaga hier anzusiedeln. Nach “Die Halligprinzessin” ist “Die Halligfischerin” nicht als klassische Fortsetzung erschienen. Für mich, die ich nur den aktuellen Roman gelesen habe, war es keine Schwierigkeit in die Handlung hineinzukommen. Mit viel Herzblut und Liebe zur einzigartigen Landschaft des Wattenmeeres beschreibt Elste das Leben auf der Hallig aus wechselnden Perspektiven. Da ist zum einen die des Ornithologe Brar aus Kopenhagen, der eine Stelle als Halligwart annimmt, und für den sich dadurch fast alles in seinem Leben ändert. Der Wechsel aus der Großstadt in das so ganz andere Leben auf Südfall gelingt seiner Partnerin Annika nicht. Dann die seiner Kollegin Lena, die er von früher kennt, und mit der ihn vieles verbindet.

Von allen Protagonisten ist es aber die Halligbewohnerin Ines, deren Blickwinkel den Roman trägt. Sie ist auf Südfall aufgewachsen, und durch bewegende Einblicke in ihr Leben gelingt der Autorin eine Zeitreise von 1967 bis heute, in der ein Familiengeheimnis und eine Liebesgeschichte eine wichtige Rolle spielen. Keine Angst, die Hallig ist nicht nur Kulisse. Sie spielt eine wichtige Rolle, schafft Identität und wird eindrucksvoll beschrieben. Hier merkt die Leserin, wie intensiv sich Elste mit diesem besonderen Lebensraum auseinandergesetzt hat.

“Die Halligfischerin” ist ein Roman, der sich angenehm liest und mich neugierig auf den Vorgängerband und - wer weiß - einen eventuellen Folgeband gemacht hat. Leider hat der Lübbe-Verlag ihn mit einem Cover vom Typ “Frauen, die aufs Wasser starren” versehen. Das Problem kann mit einer schicken Buchhülle gelöst werden, und ist natürlich nicht der Autorin anzulasten. Somit meinerseits eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.10.2022
Wiener Küche mit Herz
Herkner, Stefanie

Wiener Küche mit Herz


ausgezeichnet

Die Wirtin Stefanie Herkner hat ein sehr stimmiges Kochbuch herausgebracht, mit dem sie zugleich für ihr Wirtshaus wirbt. Zwischen den festen Buchdeckeln findet sich ein ganz klassisches Kochbuch mit traditionellen Vorspeisen, Suppen, Haupt- und Nachspeisen, abgerundet von einem kleinen Kapitel über Drinks. Die Rezepte sind ehrlich und bodenständig. Zur Philosophie Ihres Wirtshauses "Zur Herknerin" sagt sie: "Ich will, dass meine Gäste sich beim Essen an ihre Kindheit erinnern und sich mit meinen Gerichten umsorgt fühlen." Und so sind die Rezepte auch nicht modisch aufgemotzt, nicht kalorien- oder fettreduziert, sondern so, wie es das gelungene Design des Buches verspricht - wie in der Wirtschaftswunderzeit. Nährwertangaben und Fitnessteller sucht man hier vergeblich. Stattdessen erzählt die Herknerin aus ihrem Leben und ihrer Familiengeschichte. Untermalt wird dies durch viele Fotos aus dem Familienalbum und aus dem heutigen Wirtshaus. Abgerundet wird das ganze durch ein alphabetisches Rezeptregister und ein Glossar für österreichisches Deutsch. Letzteres ist sehr hilfreich, wenn man sich erst einmal orientieren muss, das denn wohl Beuschel, Brimsen und Grammeln sein mögen. Besonders gefällt mir, dass das Buch auch über ein Lesebändchen verfügt, so dass man schnell wiederfindet, was man zu Kochen beabsichtigt. Meines markiert gerade den Zwetschgenröster.

Bewertung vom 06.10.2022
Tod in der Schorfheide
Brandes, Richard

Tod in der Schorfheide


ausgezeichnet

Vielschichtiger Thriller aus den Wäldern Brandenburgs

Richard Brandes legt nach! Nachdem mich sein Debut-Krimi "Tot in der Schorfheide" (emons-Verlag 2021) bereits überzeugt hat, bin ich nun von "Wenn das Böse nach Brandenburg kommt" vollauf begeistert. Man muss den ersten Band aber nicht kennen, um in diesen außergewöhnlichen Krimi einzutauchen. Allerdings, man verpasst in diesem Fall ein wirklich mitreißendes Buch!

"Wenn das Böse nach Brandenburg kommt" ist ein Thriller, der durchaus mit der intensiven düsteren Krimi-Tradition Skandinaviens mithalten kann, und dadurch unter Beweis stellt, dass ein Krimi in einer Region verortet sein kann, ohne sich deshalb in Belanglosigkeiten wie Straßennamen und Sehenswürdigkeiten zu verlieren. Atmosphärisch dicht erzählt Brandes die Geschichte eines Serienmörders, der Heranwachsende tötet und dabei auch in die Privatsphäre der Ermittler eindringt. Kriminalhauptkommissarin Carla Stach, ihre Familie und ihr Team werden detailreich beschrieben, ohne dass ihr Privatleben die Fallgeschichte überdeckt. Diversität ist hier kein Thema, sondern sie wird gelebt. Durch verschiedene Erzählstränge, einen lebendigen Perspektivwechsel und einen respektvollen Umgang mit den auftretenden Protagonisten erschafft Brandes ein vielfältiges Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Schwierige Themen wie die psychologischen Hintergründe der Tat oder die düsteren Abgründe der DDR-Geschichte werden ohne erhobenen Zeigefinder erzählt und ohne Oberlehrerhaftigkeit.

Fazit: ein absoluter Lesegenuss, auf dessen Fortsetzung ich mich schon jetzt freue!

Bewertung vom 25.09.2022
Kalamitäten im Sparverein
Hrabal, Thomas

Kalamitäten im Sparverein


sehr gut

Kleine Hommage an das Sparkästchen

Kurzweilig und flott erzählt Thomas Hrabal eine Geschichte rund um das Sparkästchen, das viele mittlerweile nur noch aus ihrer Kindheit oder Opas Erzählungen kennen. Zwischen der einleitenden Satzung - es muss ja alles seine Ordnung haben - und einem lehrreichen Epilog bietet das Büchlein gemütliche Unterhaltung um einen nicht alltäglichen Kriminalfall. Oder eigentlich gleich zwei Verbrechen. Manche Szenen haben mich an ein Bauerntheater erinnert, so herrlich detailreich sind die Dialoge beschrieben.

"Kalamitäten im Sparverein" ist eine Lektüre, die man mal eben zwischendurch in einem Rutsch lesen kann. Und das ist dann auch das einzige, was es zu bemängeln gibt: es hätten gerne ein paar Seiten mehr sein können.

Bewertung vom 04.09.2022
Niederrheinische Glut
Wedershoven, Anja

Niederrheinische Glut


ausgezeichnet

"Niederrheinische Glut" ist der der zweite Band um das Ermittler-Duo Brenner & Holtz von Anja Wedershoven. Doch keine Angst: auch Neueinsteiger finden problemlos in die Story hinein. Mich hat die Lektüre so gefesselt, dass ich unbedingt den ersten Band lesen möchte, und mögliche Folgebände mit Sicherheit auch.

Es ist Hochsommer am Niederrhein. Johanna Brenner und Alex Holtz sind mit der Aufklärung einer Entführung betraut, bei der jede Minute zählt, denn das betagte Opfer muss medizinisch behandelt werden. Doch wo liegt das Motiv hinter dieser Entführung? Zunächst taucht keine Lösegeldforderung auf und für das Opfertickt die Uhr.

Anja Wedershoven erzählt eine spannende Kriminalgeschichte mit einigen Handlungssträngen und Spuren, die im Buch lebendig beschrieben werden. Die Protagonisten werden glaubwürdig und detailreich beschrieben. Dadurch gelingt es der Autorin, keine klischeehaften Schwarz-Weiß-Zeichnungen abzuliefern, sondern Menschen in all ihren Facetten darzustellen. Und dort, wo doch ein Klischee bemüht wird, macht auch dieses Sinn und trägt einen Teil der Geschichte.

"Niederrheinische Glut" ist erfreulicherweise kein Regionalkrimi, der im Sumpf von Regionalkolorit und örtlichen Sehenswürdigkeiten stecken bleibt, sondern ein tiefgründiger Gesellschaftsroman mit psychologischer Tiefe. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und habe es nur einmal zum Schlafen beiseite gelegt.

Bewertung vom 01.09.2022
Die guten Frauen von Safe Harbour. Ein lebensbejahender Roman über Freundschaft und Versöhnung
French, Bobbi

Die guten Frauen von Safe Harbour. Ein lebensbejahender Roman über Freundschaft und Versöhnung


ausgezeichnet

Bobbi French beschreibt in ihrem Debutroman "Die guten Frauen von Safe Harbour" das Lebensende einer einsamen und depressiven Frau, der das Leben viel zu viel abverlangt hat. Erst mit einer tödlichen Diagnose gelingt es ihr, das zu tun, was sie ihr Leben lang nicht geschafft hat. Bobbi Frensch schafft es, sehr sensiblen Themen lebensnah und doch lyrisch zu präsentieren. Freundschaft, Vergebung, Liebe, Gesellschaftskritik - trotz der Schwere der Themen ist es ein Buch voller Humor und Leidenschaft. Am Ende des Lebens gibt es nichts mehr, was dem im Wege steht.

Bewertung vom 28.08.2022
Ein Bild von einer Frau
Bub, Natascha

Ein Bild von einer Frau


ausgezeichnet

Wirbelwind trifft Fossil

"Fotografen waren Diebe . Die sich rücksichtslos des Anblicks eines anderen bemächtigen . Und was sie begehrten , festhielten und ans Licht brachten , war nicht selten das , was ihr Modell nicht zeigen wollte . Sie zwangen den anderen , das zu enthüllen , was er oder sie vielleicht lieber versteckt gehalten hätte und doch mit dem Gesicht offenbarte ." (S. 39)

Natascha Bub lässt in ihrem Roman “Ein Bild von einer Frau” die junge Fotografin Insa Schönberg lebendig werden. Sie reist 1953 auf eigene Faust nach New York und Kuba, um ein Porträt von Ernest Hemingway aufzunehmen, so wie er wirklich ist. Die junge Frau strotzt vor Selbstbewusstsein und Energie. Sie wickelt die Menschen mit ihrem Charme und ihrer ungestümen Art um den kleinen Finger. Auch mich als Leserin hat es erwischt. Doch wie reagiert der große alte Mann auf die “kleine Kraut”?

Natascha Bub erzählt die grandiose Geschichte eines weltberühmten Fotos. Das Buch ist eine Hommage an die Fotografin und Verlegerin Inge Schönthal-Feltrinelli. Wortgewandt und humorvoll beschreibt die Autorin das Aufeinandertreffen zweier Persönlichkeiten, die eine am Beginn ihrer Karriere, der andere in ihren Augen schon ein Fossil. Und dennoch sind sie einander ähnlicher, als es anfangs scheint.

Darüber hinaus ist “Ein Bild von einer Frau” ein Sittenbild der 50er Jahre und ein Stück Emanzipationsgeschichte. Ein großartiges Buch, mitreißend von der ersten bis zur letzten Seite.

Bewertung vom 20.06.2022
Wodka mit Grasgeschmack
Mittmann, Markus

Wodka mit Grasgeschmack


ausgezeichnet

Eine Reise in die Vergangenheit, ein Roadtrip - wohin? Markus Mittmann nimmt uns mit auf eine ungewöhnliche Reise. Zwei Männer fahren mit ihren hochbetagten Eltern zurück in ihre Heimatdörfer.

Wir fahren übrigens nach Polen, mein Bruder und ich zumindest, meine Eltern fahren nach Schlesien, nach Hause sagen sie.
Als '67 geborene hätte mich diese Thematik einst abgeschreckt. Vertriebene, das waren für mich die Leute in den Vertriebenenverbände. Und die waren mir dank ihrer lautstraken ihrer Vorsitzenden und deren Politik ziemlich suspekt. "Wir", die Deutschen, waren doch die Täter. Dass die Welt nicht schwarz weiß ist, und die Dychotomie von Täter und Opfer so einfach nicht ist, wollte ich damals nicht erkennen. Dass es den Holocaust nicht relativiert, wenn man das Unrecht an den Vertriebenen benennt. Viele haben ja erst von der eigenen Vertreibung erzählt, als die syrischen Flüchtlinge zu uns kamen. Und nun die Ukraineflüchtlinge.

Das Thema Vertreibung ist brandaktuell. Täglich begegnen wir Vertriebenen und damals wie heute bleibt vieles ungesagt. Oder es wird überlagert durch die Propaganda, durch politische Interessen. Wer aber hört den Betroffenen wirklich zu? Wer beschäftigt sich mit dem Ungesagten, den Gedanken, den Traumata? Nur weil heute überall Handykameras Gräueltaten aufzeichnen, führt das nicht dazu, dass die Opfer eine Stimme erhalten. Darin ähneln sie den Kriegerdenkmälern vergangener Zeiten. Markus Mittmann nennt sie "Sinnlosigkeitsdenkmäler"

Obwohl uns in diesem Buch die schlimmsten Dinge begegnen, die Menschen einander antun können, betrachtet durch Kinderaugen mit einer Verzögerung von einem Dreivierteljahrhundert, besticht der Roman auch immer wieder durch den Humor und die große Schreibkunst des Autors. Wortgewaltig und bildreich, doch dabei immer sensibel und niemals voyeuristisch lässt er uns teilhaben an den Gedanken und Emotionen der Reisenden. Manchmal geht es nur um flüchtige Beobachtungen, dann um Erinnerungen und Verdrängtes. Vieles bleibt dabei ungesagt, und doch wird so viel erzählt. Das ist große Literatur.