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haberlei
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Wien
Über mich: 
Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 276 Bewertungen
Bewertung vom 19.07.2024
Dunkler Abgrund
Lillegraven, Ruth

Dunkler Abgrund


sehr gut

Ein Blick in menschliche Abgründe

„Dunkler Abgrund“ von der norwegischen Autorin Ruth Lillegraven ist die Fortsetzung von "Tiefer Fjord", ein Spannungsroman mit Clara Lofthus im Mittelpunkt.

Worum geht es?
Clara Lofthus, Mutter von Zwillingen und seit dem Tod ihres Mannes Alleinerzieherin, erreicht einen Höhepunkt ihrer Karriere: sie wird zur Justizministerin ernannt, was ihrerseits vollen Einsatz verlangt. Für ihre Kinder hat sie immer weniger Zeit. Eines Tages sind sie verschwunden. Entführt.

Das Cover mit der im tiefen Wasser schwimmenden Frau strahlt bereits in Verbindung mit dem Buchtitel eine gewisse bedrohliche Situation aus – das tiefe Wasser, das sie hinab zieht oder hinab ziehen könnte, in den Abgrund. Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel „Av mitt blod“ (=Von meinem Blut). Aus dem Norwegischen übersetzt wurde diese von Günther Frauenlob. Die deutschsprachige Ausgabe erschien 2024. Unterteilt ist der Roman in drei Teile (Arbeit, Die Kinder, Gebirge). In kurz gehaltenen Kapiteln entwickelt sich die Geschichte chronologisch, indem abwechselnd aus Sicht verschiedener Protagonisten jeweils in Ich-Form erzählt wird. Ich fand diesen Erzählstil gewöhnungsbedürftig. Die stetigen Perspektivenwechsel, die meist noch neben Gegenwärtigem Vergangenes offenlegen, gestalten die Handlung einerseits abwechslungsreich, erzeugen aber andererseits irgendwie einen unruhigen Lesefluss. Davon unabhängig ist der Schreibstil schon flüssig, gut beschreibend, auch im Hinblick auf das Umfeld, die typische norwegische Landschaft.

Für mich war es das erste Buch dieser Autorin. Dass es sich bei "Dunkler Abgrund" um einen Fortsetzungsroman handelt, war mir nicht bekannt. Ich bin dennoch ohne Vorkenntnisse gut in die Geschichte hineingekommen, da ja sukzessive die Vorgeschichte ans Tageslicht kommt. Nichtsdestotrotz bin ich überzeugt, dass es von Vorteil ist, Band 1 zuvor gelesen zu haben.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Clara Lofthus, eine Karrierefrau. Als Alleinerzieherin und frisch ernannte Justizministerin ist sie zunehmend mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert. Zu Lebzeiten ihres Mannes hat dieser primär sich um die Zwillinge gekümmert, Freizeitaktivitäten mit ihnen geteilt. Erst als die Kinder verschwunden sind, wir ihr bewusst, wie sehr sie sie liebt. Auf einmal ist ihr der Beruf weniger wichtig. Als weitere erzählende Protagonisten agieren primär ihr Vater Leif, der beste Freund ihres verstorbenen Mannes, Alex, der in Clara verliebt ist und ihr bzw. ihren Söhne im Alltag hilft, sowie Andreas, einer der Zwillinge. Primär geht es um Schuld, Gerechtigkeit, auch Rache, aber auch um familiäre Bande, Verstrickungen, seelische Abgründe.

Was den Spannungsbogen anbelangt, so treibt einen selbstverständlich die Suche nach den entführten Kindern an weiterzulesen. Zudem fragt man sich natürlich, wer dahinter steckt. Denn es bieten sich so nach und nach immer wieder andere Verdächtige an. Überraschende Wendungen und Aktionen führen letztlich zu einem Ende, das ich so nicht erwartet habe und das mich auch nicht wirklich befriedigt hat, und mich in der Annahme bestärkt, dass es eine Fortsetzung geben wird.

Durch die Ich-Form eröffnet sich die Gedanken- und Gefühlswelt der Personen, auch so manches Geheimnis. Trotzdem wurde ich mit keiner der Figuren wirklich warm, insbesondere Clara war mir von Beginn an nicht sympathisch, erst recht nicht im Laufe der Handlung, als ich mehr und mehr über ihren Charakter erfuhr. Im Großen und Ganzen sind alle maßgeblichen Personen gut vorstellbar gezeichnet.

„Dunkler Abgrund“ ist ein spannendes Buch mit typisch skandinavischer dramatisch-tragischer Handlung. Diese triste Stimmung, die wenig sympathische Hauptfigur und das mehr oder weniger offene Ende waren nicht ganz meins. Nichtsdestotrotz ist das Buch gut geschrieben, somit vergebe ich 4 Punkte.

Bewertung vom 07.07.2024
Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Spieldenner, Klaus E.

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!


ausgezeichnet

Eine abenteuerliche Reise ins Glück

„Das kann doch nicht ihr Ernst sein“ von Klaus E. Spieldenner stellt nach elf Regionalkrimis einen Genrewechsel dar. Dies ist, wie es der Autor bezeichnet, ein Womo Road Krimi, eine amüsante Geschichte über eine abenteuerliche Reise mit einem uralten Wohnmobil.

Worum geht es?
Der Hamburger Ernst Groß, verschuldet und obdachlos, macht sich mit einem altersschwachen Hymer-Mobil auf die Reise nach Polen. Er erlebt viel, Gutes und Schlechtes, und zieht aus seinen Erlebnissen folgenden Schluss: „Nicht am Ziel wird der Mensch groß, sondern auf dem Weg dorthin.“

Bereits das Cover sprach mich an, es wirkt fröhlich, urlaubsmäßig und turbulent. Das Buch erschien 2024 und gliedert sich in 25 mit Überschriften versehene Kapitel von angenehmer Länge. Der Schreibstil ist flüssig und humorvoll, so manch Situationskomik hat mich zum Lachen gebracht. Auch das Lokalkolorit kommt gut zur Geltung. Mir, die noch nie an der Ostsee war – die Handlung spielt zwischen Lübeck und Usedom – wurde ein anschaulicher Eindruck der dortigen Landschaft und Schauplätze vermittelt. Besonders geschätzt habe ich die am Buchrücken angebrachte Landkarte, wo ich die Reiseroute von Ernst Groß gut verfolgen konnte. Ich mochte bislang die Krimis von Klaus Spieldenner sehr, und ich finde, dieser Genrewechsel ist ihm auch ausgezeichnet gelungen.

Im Mittelpunkt steht eindeutig Ernst Groß, ein mir von Beginn an sympathischer Zeitgenosse, bei dem eben im bisherigen Leben so einiges schief lief, unverschuldet. Er verkörpert aufgrund seiner Körpergröße von nur 1,57 Meter nicht unbedingt das, was man sich unter einem Helden vorstellt. Doch er verfügt über Eigenschaften, die ihn aus der Masse hervorheben. Er ist aufmerksam, geht mit offenen Augen durch die Welt, ist hilfsbereit, mischt sich ein und handelt selbstlos und verantwortungsvoll, wenn er Missstände ortet. Jede seiner guten Taten hilft ihm auf seiner Reise weiter. Quasi nach dem Motto „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Er lernt natürlich nicht nur ihm wohlgesinnte Menschen kennen, doch letztlich siegt das Gute. So würde man es sich wünschen, im wahren Leben. Man weiß, so ist das reale Leben nicht, aber es liest sich wunderbar. Es tut einfach gut, einmal in ein bisschen heiler Welt zu versinken.

Nicht nur Ernst Groß ist lebendig, mit Stärken und Schwächen und Emotionen charakterisiert, auch die Nebenfiguren kann man sich sehr gut vorstellen, zum Teil haben mich auch die Namen sehr amüsiert, fängt ja schon damit an, dass ein 1,57 Meter großer Protagonist mit Nachnamen Groß heißt. Fantasievolle Namen wie Kommissar Deppenhauer, Kommissar Kälberjung, Bauer Knolle oder Habbe Niegenug erinnerten mich sogar etwas an Johann Nestroy.

Die Handlung ist abwechslungsreich, voll Fantasie, ein Erlebnis jagt das andere. Die Situationen sind kurios, witzig beschrieben, haben aber teils auch reale Hintergründe, manchmal steckt auch Kritik an Umständen dahinter – wie der Autor im Vorwort sagt: „Die Handlung bewegt sich zwischen spaßiger Komik und fiktiver Realität“. Und es mangelt auch nicht an Spannung, denn Ernst gerät aus lauter Gutmütigkeit und Naivität in so manch prekäre Situation.

Ich hatte unheimlichen Spaß beim Lesen. Mit Bedauern habe ich das Buch geschlossen und hoffe nun, dass der Autor, auch wenn ich seine Krimis schätze, auch noch Ideen für weitere amüsante Geschichten in petto hat. Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits und natürlich 5 Sterne!

Bewertung vom 03.07.2024
Der Nachtläufer
Fossum, Karin

Der Nachtläufer


sehr gut

Ein Außenseiter spielt mit der Macht

„Der Nachtläufer“ von der norwegischen Autorin Karin Fossum ist der Auftakt für eine neue Krimireihe mit Kommissar Eddie Feber als Ermittler.

Worum geht es?
Nachts schleicht sich ein Mensch in fremde Schlafzimmer, nicht als Dieb, sondern er bedroht die Opfer mit einer Waffe, noch ohne zu töten. Warum? Und wann wird es den ersten Toten geben? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt für die Polizei.

Das Cover vermittelt ebenso das norwegische Flair wie die nächtliche Situation, wenn der Täter unterwegs ist. Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel „Natteløperen“ (=Nachtläufer). Aus dem Norwegischen übersetzt wurde diese von Roland Hoffmann. Die deutschsprachige Ausgabe erschien 2024. Es gibt keinerlei Unterteilung in Kapitel, trotzdem sind die Perspektivenwechsel zwischen Täter und Polizeiaktionen problemlos nachvollziehbar. Der Schreibstil ist flüssig, gut beschreibend, auch im Hinblick auf die Schauplätze, auf das etwas düstere, auch einsame Umfeld, eben darauf, dass die Handlung in Norwegen spielt. Nicht vorrangig, doch unterschwellig werden Anderssein, Behinderung und die Probleme der Betroffenen bzw. die Akzeptanz durch andere Menschen thematisiert.

Das Besondere dieses Kriminalromans liegt erstens darin, dass man von Beginn an den Täter kennt, dessen Umfeld, dessen Charakter und somit in gewissem Maße auch dessen Handlungen nachvollziehen kann. Folglich verfügt man als Leser auch über einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern. Die Spannung kreiert sich aus den bedrohlichen Szenen, wo man mit den im Schlaf überraschten Opfern mitleidet, mitzittert, bzw. daraus, wann es der Polizei gelingen wird, den Täter zu stoppen. Doch der Täter hat sich ein perfides Spiel ausgedacht.

Die zweite Besonderheit ist das sehr intensive Charakterbild des Täters, das vermittelt wird. Ein unscheinbarer Außenseiter findet eine Waffe. Zitat (S. 39): „Die Waffe veränderte etwas in ihm.“ Ich fand es faszinierend, seine Entwicklung zu verfolgen, was er sich da ausdenkt, und wie dann doch nicht alles so verläuft, wie er sich das vorgestellt hat, wie die Reaktionen seiner Opfer auf ihn wirken, ihn beeinflussen. Die Waffe gaukelt ihm Stärke und Macht vor, hebt sein Selbstbewusstsein. Im Kern seiner Persönlichkeit bleibt er unsicher, kann er seine Herkunft nicht abschütteln, dieses bisher verspottete, ungeliebte Dasein. Er verkörpert die Sorte von Täter, die man als Leser bemitleidet. Er ist nicht von Grund auf böse, ihn treibt Verzweiflung, auch der Wunsch nach Anerkennung, nach Liebe, die Suche nach seinen Wurzeln. Letztlich mündet sein Plan in einer total unerwarteten, aber gerecht scheinenden Lösung, in einem dramatischen und tragischen Ende.

Auch sein Gegenspieler, Kommissar Eddie Feber, ist eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Ein Familienmensch, Vater von acht Kindern, teilweise mit besonderen Bedürfnissen, verheiratet mit einer Kriminalautorin. Er hat nicht nur ein besonderes Gespür und Verständnis für seine Kinder, sondern er strahlt generell eine positive Aura aus, was sich in harmonischer Zusammenarbeit mit seinem Team ebenso äußert wie bei seine Befragungstaktik Verdächtigen gegenüber. Was die Tiefe der Charakterschilderung anbelangt, so lag das Hauptaugenmerk in diesem Band eindeutig beim Täter. Ich hoffe, dass die Folgebände über die rein sympathische Ausstrahlung noch etwas mehr Einblick in Eddie Febers Seele und Gedankenwelt geben werden. Generell sind die weiteren Personen gut vorstellbar beschrieben, jedoch eher nur oberflächlich.

„Der Nachtläufer“ ist ein Kriminalroman mit einer ungewöhnlichen Grundidee, einer eher psychologisch angesetzten Handlung. Ich fand das Buch interessant, aber es ist kein Pageturner. Auch ist es schwierig, mit den Protagonisten richtig warm zu werden, vor allem Eddie Feber hat für mich noch etwas zu wenig charakterliche Struktur. Dennoch bin ich neugierig auf die Fortsetzung. Dieses Buch empfehle ich vor allem an jene weiter, die einmal „einen etwas anderen Krimi“ lesen möchten. Ich vergebe 4 Punkte.

Bewertung vom 30.06.2024
Lavendel-Zorn / Lavendel-Morde Bd.5
Bernard, Carine

Lavendel-Zorn / Lavendel-Morde Bd.5


ausgezeichnet

Lilous erster Fall als Commissaire

„Lavendel-Zorn“ von Carine Bernard ist ein wunderbar stimmiger Cosy-Regionalkrimi.

Worum geht es?
Eine junge Frau ertrinkt am selben Tag in einem See, an dem ihr Chef, ein Notar, Selbstmord begeht. Eigentlich völlig klare Fälle, doch Lilou Braque kommen bei ihrem ersten Fall als Commissaire gewisse Zweifel an den Todesursachen, sie vermutet außerdem, dass die beiden Fälle zusammenhängen.

Bereits das Cover stimmt sehr eindrucksvoll auf das Umfeld ein, in dem der Krimi spielt. Das Buch erschien 2023 und ist bereits der 5. Band dieser Reihe mit Lilou Braque als zentrale Protagonistin. Nichtsdestotrotz kam ich als Quereinsteigerin problemlos in die Geschichte hinein und überblickte auch den relevanten Personenkreis mühelos. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Flair der Provence kommt sehr eindrucksvoll zum Ausdruck durch stimmungsvolle Szenerien, anschauliche Beschreibungen der Landschaft, des dörflichen Treibens und insbesondere von verlockenden kulinarischen Genüssen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, verfügen jedoch über keine Zeitangaben. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart.

Von Beginn an ist man voll in die Ermittlungen integriert und mit den rätselhaften Komponenten konfrontiert. Wie Lilou tappt man voll im Dunkeln, ahnt, dass da etwas nicht stimmt und kann es sich doch nicht erklären. Viel Raum für eigene Theorien und zum Miträtseln, was ich sehr schätze. Im Prinzip ergeben die zwei scheinbar unabhängigen Fälle, die noch dazu von verschiedenen Polizeibehörden bearbeitet werden, zwei Handlungsstränge, die nach und nach zueinander finden. Der Spannungsbogen hält sich bis zuletzt auf gutem Niveau. Letztendlich klärt sich alles schlüssig und die Falle schnappt für den Mörder zu.

Das polizeiliche Ermittlerteam ist generell sehr sympathisch gezeichnet, durch freundschaftlichen Umgangston, Teamarbeit, aber auch Empathie und Interesse an privaten Problemen. Lilou, seit kurzem erst Commissaire, muss sich erst Respekt verschaffen innerhalb der männlichen und teils älteren Kollegen, aber sie ist selbstbewusst, zielgerichtet und durchsetzungsstark. Ihr Privatleben ist nur peripher erwähnt, der rote Faden fehlte mir ein wenig, weil ich die Vorgängerbände (noch) nicht kenne.

„Lavendel-Zorn“ war ein Krimi genau nach meinem Geschmack: Wohlfühlambiente kombiniert mit Spannung und ein bisschen Reisesehnsucht. Ich freue mich schon jetzt auf weitere Fälle mit Lilou und möchte die anderen Bände nachlesen.
Eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 30.06.2024
Toskanisches Verhängnis
Trinchieri, Camilla

Toskanisches Verhängnis


ausgezeichnet

Reich, ungeliebt, tot

„Toskanisches Verhängnis“ von Camilla Trinchieri ist bereits der vierte Fall mit Nico Doyle als Ermittler, ein Wohlfühlkrimi, unblutig, in sympathischem Umfeld und mit wunderbarem italienischem Ambiente.

Worum geht es?
Eine reiche Witwe wurde ermordet, unter rätselhaften Umständen. Nico, der Ex-Cop aus New York, wird benötigt, denn die einzige Person, die zum Zeitpunkt des Mordes im Haus war, spricht nur Englisch. Gemeinsam mit dem örtlichen Polizeichef Perillo beginnt er, das Umfeld des Opfers zu ergründen, an Verdächtigen mangelt es nicht …

Das Cover zeigt eine typische Landschaft der Toskana, ein wenig nebelverhangen, irgendwie symbolisch für die schwierigen Ermittlungen, wo Nico und Perillo weitgehend im Nebel herumstochern. Das Buch erschien 2024 in der Originalausgabe unter dem Titel „The Road to Murder“ und wurde aus dem amerikanischen Englisch von Sonja Hauser übersetzt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Flair der Toskana kommt sehr eindrucksvoll zum Ausdruck durch stimmungsvolle Schilderungen, auch durch gewisse Alltagsszenen, das familiäre Zusammenleben, vor allem aber durch all die beschriebenen kulinarischen Genüsse. Man wird bei dieser Lektüre nicht nur hungrig, sondern würde sich am liebsten hinbeamen in diese Restaurants. Unterstrichen wird das Lokalkolorit auch durch gut dosierte eingestreute italienische Ausdrücke. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart.

Ich bin als Quereinsteigerin problemlos in die Geschichte hineingekommen. Soweit erforderlich sind Hinweise auf Vorhergegangenes vorhanden. Zudem gibt es am Ende des Buches eine umfangreiche Personenliste, wobei ich anregen würde, diese am Beginn zu positionieren (weil Menschen wie ich, die nie das Ende ausspionieren, diese Liste erst entdecken, wenn das Buch ausgelesen ist). Jeder einzelne Band dieser Reihe steht für sich alleine. Kenntnis der Vorgängerbände ist nicht erforderlich.

Der Spannungsbogen ist von Beginn bis zum Ende gegeben. Der Schauplatz des geschlossenen Raumes, eine Augenzeugin, die offensichtliche Unmöglichkeit des Entkommens des Mörders, allein diese Komponenten werfen eine Menge Fragen auf. Der erste Verdacht, das Naheliegende, kann es doch nicht sein – oder doch? Das Rätselhafte und eine Menge Ungereimtheiten ziehen sich durch den gesamten Fall. Der Kreis der Verdächtigen scheint überschaubar, auch mangelt es nicht an Motiven und doch tappen Nico und Perillo lange im Dunkeln. Viel Raum zum Miträtseln, was ich an Krimis besonders schätze. Irgendwie verlaufen alle Spuren im Sand, nichts ist wirklich greifbar. Denn die Verdächtigen lügen, erzählen Halbwahrheiten, verheimlichen alle etwas. Durch unzählige Befragungen gelingt es Nico und Perillo, sich stückchenweise der Wahrheit zu nähern. Letztlich bringt ein weiterer Todesfall den Stein ins Rollen, verdichten sich Verdachtsmomente gegenüber einer bestimmten Person. Schließlich klärt sich der Fall, schlüssig und doch einigermaßen überraschend.

Das Ermittler-Team, einerseits der Polizeichef Perillo und seine Leute, andererseits Nico Doyle, sind sympathisch gezeichnet, sehr menschlich, mit Stärken und Schwächen, Emotionen und privatem Umfeld, letzteres gut dosiert, die Persönlichkeit unterstreichend. Insbesondere die zwischenmenschlichen Beziehungen runden das Wohlfühlklima, das der Krimi ausstrahlt, gut ab: Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein für andere. Auch Randfiguren sind gut vorstellbar und lebendig dargestellt.

„Toskanisches Verhängnis“ hat mir spannende Lesestunden beschert, Erinnerungen an wunderbare Aufenthalte in der Toskana aufgefrischt und Reiselust geweckt. Es war dies mein erstes Buch dieser Autorin, sicher nicht mein letztes. Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 29.06.2024
Lavendel-Sturm / Lavendel-Morde Bd.6
Bernard, Carine

Lavendel-Sturm / Lavendel-Morde Bd.6


ausgezeichnet

Ein rätselhafter Unfall und ein kaltblütiger Mord

„Lavendel-Sturm“ von Carine Bernard ist ein Wohlfühlkrimi, unblutig, mit stimmungsvollem Provence-Flair.

Worum geht es?
Eine junge Frau wird tot in einer Höhle aufgefunden. Es ist die Schwester von Valerie, einer Kollegin von Kommissarin Lilou Braque. Pascal, der Freund der Toten hat sie immer wieder zu Drogenkonsum verleitet. Als Pascal ermordet wird, verdächtigt Lilou Valerie …

Bereits das Cover mit dem Lavendelfeld stimmt sehr eindrucksvoll auf die Provence ein. Das Buch erschien 2024 und ist bereits der 6. Band dieser Reihe mit Lilou Braque als zentrale Protagonistin. Ich fühlte mich nach wenigen Seiten wieder heimisch in Lilous Umfeld. Auch als Quereinsteiger*in kommt man sicher problemlos in die Geschichte hinein, jeder Fall steht ja für sich alleine. Allerdings ist es nicht so einfach, den umfangreichen Personenkreis zu überblicken. Ein Personenverzeichnis wäre da wohl hilfreich. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Flair der Provence kommt sehr eindrucksvoll zum Ausdruck durch stimmungsvolle Szenerien, anschauliche Beschreibungen der Landschaft, des dörflichen Treibens und insbesondere von verlockenden kulinarischen Genüssen. Das Lokalkolorit wird auch durch französische Ausdrücke gut dosiert unterstrichen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, verfügen jedoch über keine Zeitangaben. Die Handlung spielt in der nicht näher festgelegten Gegenwart. Eine Landkarte hätte mir gefallen, um die Schauplätze geografisch besser zuordnen zu können.

Von Beginn an ist man voll in die Ermittlungen integriert und mit den rätselhaften Komponenten konfrontiert und teilt Lilous Zweifel an der Unfallversion. Nach dem Mord sind es zunächst zwei scheinbar unabhängige Fälle, die noch dazu von verschiedenen Polizeibehörden bearbeitet werden. Während der Tod der jungen Frau als Unfall angesehen und quasi als erledigt angesehen wird, konzentrieren sich die Ermittlungen Lilous und ihres Teams auf den Mord an Pascal. Generell verläuft die Handlung relativ ruhig, die Recherchen gestalten sich mühsam. Privates ist mit Dienstlichem geschickt verwoben. Auch ohne Action gibt es ausreichend Spannungsmomente und unerwartete Wendungen und Erkenntnisse, um die Spannung am Köcheln zu halten. Letztlich klärt sich alles schlüssig und einigermaßen überraschend.

Sowohl Lilous privates Umfeld als auch das polizeiliche Ermittlerteam sind sympathisch gezeichnet. In der Dienststelle herrscht ein freundschaftlicher Umgangston und Teamarbeit. Die Charaktere, auch von Nebenfiguren, sind gut vorstellbar dargestellt. Im Mittelpunkt steht Lilou. Sie ist zwar erst seit kurzem Commissaire, hat sich bereits gut eingearbeitet und wird allseits respektiert. Sie liebt ihren Beruf, setzt sich voll ein, zeigt Eigeninitiative, verfolgt ihre Ziele, vertraut auch ihrer Intuition. Sie ist ehrgeizig, will Karriere machen, noch denkt sich nicht an Familiengründung – im Gegensatz zu ihrem Freund Simon. Wie sich die Beziehung wohl weiterentwickeln wird?

„Lavendel-Sturm“ ist ein Krimi mit Schwerpunkt Polizeiarbeit, wo sich erst nach und nach die Verdachtsmomente verdichten, ein Krimi mit einem sympathischen Umfeld, sowohl beim Polizeiapparat als auch im privaten Bereich der Protagonistin. Mit einem Wort: ein Wohlfühlkrimi, der zudem anhand der verlockenden landschaftlichen Schilderungen auch Fernweh weckt. Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich freue mich schon jetzt auf weitere Fälle mit Lilou.

Bewertung vom 23.06.2024
Ihr raffiniertes Spiel
Mancini, Ruth

Ihr raffiniertes Spiel


ausgezeichnet

Ein ungewöhnlicher Fall, eine unerwartete Lösung

„Ihr raffiniertes Spiel“ von Ruth Mancini ist ein Thriller mit einem außergewöhnlichen Tathergang.

Worum geht es?
Eine Frau stützt von deiner Dachterrasse – Selbstmord oder Mord? Tate Kinsella gibt zu Protokoll, die Frau kürzlich kennengelernt zu haben, dass diese Frau deprimiert war, selbstmordgefährdet. Tate bestreitet aber, mit ihr am Dach gewesen zu sein. Doch die Polizei glaubt ihr nicht, sie wird verhaftet, ist die Hauptverdächtige.

Das Cover mit der an der Dachkante stehenden Frau unterstreicht die Thematik. Das Buch erschien 2024 und trägt in der Originalausgabe den Titel „The Woman On The Ledge“. Aus dem Englischen übersetzt wurde es von Frauke Meier. Der Roman gliedert sich in sechs Teile, in fast 60 kurz gehaltene Kapitel, teilweise mit Datumsangaben versehen, wodurch man sich chronologisch gut zurechtfindet und auch Rückblenden deutlich erkennbar sind. Die Handlung spielt in der Gegenwart, vermutlich im Jahr 2022. Schauplatz ist London. Der Schreibstil ist flüssig und packend.

Nicht nur im Titel des Buches steckt das Wort „raffiniert“. Der gesamte Handlungsaufbau verdient diese Bezeichnung. Immer wenn ich zu wissen glaubte, worauf alles hinausläuft, trat eine Wendung ein, die all meine Überlegungen über den Haufen warf, und alles nahm eine total andere Richtung ein. Von Abschnitt zu Abschnitt klären sich die Zusammenhänge, werden bereits geschilderte Szenen anders gedeutet, erkennt man Fehlinterpretationen, sieht vieles mit anderen Augen. Näher kann ich auf die Handlung nicht eingehen, zu groß ist die Gefahr etwas zu verraten. Zusammenfassend sei nur angemerkt, dass das Buch von der ersten bis zur letzten Seite extrem spannend ist. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Es bleiben letztlich auch keine Fragen offen, alles klärt sich schlüssig.

Im Mittelpunkt steht Tate Kinsella, ein unbedeutende Schauspielerin, die als Bürohilfskraft ihren Lebensunterhalt verdient. Aus ihrer Sicht werden auch die Ereignisse erzählt. Im Laufe der Handlung gewinnen noch weitere Frauen an Bedeutung, allesamt eindrucksvolle, mutige Persönlichkeiten. Gut vorstellbar gezeichnet.

„Ihr raffiniertes Spiel“ ist ein Pageturner, ein exzellenter Thriller mit einem ausgezeichnet aufgebauten Plot, ein Buch, das ich wärmstens empfehlen möchte. 5 Sterne.

Bewertung vom 21.06.2024
Leben
Möller, Hilde

Leben


ausgezeichnet

Ringen um Achtung und Gleichberechtigung

„Leben“ von Hilde Möller ist ein berührender autobiographischer Roman, die Geschichte eines ausgefüllten, abwechslungsreichen Frauenschicksals der heutigen Zeit, mit all seinen Höhen und Tiefen.

Klappentext:
Zwei Ehen, drei Männer, vier Länder, viele Kinder. Glück und Selbstzweifel, Aufbrüche, Zusammenbrüche, Schicksalsschläge, leben!
Als Georg bei einem Spaziergang neben ihr tot zusammenbricht, scheint Hannahs Leben seinen Sinn zu verlieren.
Doch sie greift zur Feder, schreibt …

Auf dem Cover meiner Ausgabe aus dem Jahr 2009 sitzt eine Frau alleine und blickt hinaus aufs Meer. Das Foto symbolisiert sehr gut die Situation der Protagonistin, die sich im Laufe ihres Lebens trotz großer Familie sehr oft alleingelassen fühlte, nicht erst als ihr Mann verstarb. Der Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern besticht u.a. dadurch, dass die Autorin sehr gelungen Stimmungen einfängt: Das Fremdartige und gleichermaßen Faszinierende anderer Kulturen ebenso wie die Atmosphäre von Städten, romantische Momente der Zweisamkeit und die Herausforderungen des Alltags mit einer zahlreichen Kinderschar, Krisenzeiten und traumhafte Reisen. Immer wird man durch die Lebendigkeit des Erzählstils in die Welt der Protagonistin hineingezogen.

Erzählt wird abwechselnd in zwei Zeitebenen. Beginnend mit dem plötzlichen Tod ihres Mannes im Jahr 2001, in Ich-Form, durch Kursivschrift sich von der rückblickenden chronologischen Erzählung abhebend. Den Hauptteil nimmt die Erzählung ein über Hannah und Georg, über die 43 Jahre ihres abwechslungsreichen gemeinsamen Lebens, beginnend mit dem Jahr 1957.

Im Mittelpunkt steht Hannah. Und es geht nicht nur um Hannahs persönliches Schicksal, sondern im Prinzip verkörpert sie die Position der Frauen in den 50er bis 70er Jahren, wo die Männer das Sagen hatten, sich primär dem Beruf, ihrer Karriere widmen konnten, die Frauen auf das Hausfrauendasein und Kindererziehen reduziert wurden, einfach aus einer Selbstverständlichkeit aus Sicht der Männer heraus. Und Hannah will mehr sein als „nur Hausfrau“, als „nur Mutter“, als „Georgs Frau“. Sie träumt davon als Individuum, als sie selbst wahrgenommen zu werden, sie will echte Partnerschaft.

Ich empfand während des Lesens unheimliche Bewunderung für diese Frau, die die ständig wachsende Kinderschar mehr oder weniger alleine aufziehen musste, weil der Mann beruflich stark eingespannt und vielfach sogar auf Reisen war. Sie trug für den funktionierenden Haushalt und die Kinder die Verantwortung. Doch sie selbst, ihre eigene Persönlichkeit blieb dabei auf der Strecke, es ist ein langer, schwieriger Weg mit vielen Tiefen und Krisen, bis sie nicht nur Selbstbewusstsein und Gleichberechtigung erlangte, sondern sogar Erfolge und Anerkennung.

Mich hat dieser Roman sehr berührt. Einerseits die Trauer um den geliebten Mann. Andererseits die Kraft, die in dieser Frau immer steckte, auch wenn sie sie nicht wahrnahm und eher unter Minderwertigkeitskomplexen litt. Mich beeindruckte die Abenteuerlust, der Mut, sich immer in Unbekanntes, Neues zu stürzen. In keiner Phase war diese Lebensgeschichte langatmig, im Gegenteil, sie hat mich gefesselt wie so mancher Krimi, diese ehrliche Schilderung von Krisen, Schicksalsschlägen, all diese facettenreichen Emotionen. Letztlich macht so eine Story auch einem selber Mut, was ein Mensch alles bewältigen und zum Guten wenden kann.

Für mich war „Leben“ mein Lesehighlight in diesem Jahr! Eine unbedingte Leseempfehlung meinerseits und natürlich 5 Sterne!

Bewertung vom 21.06.2024
Ach, Elke
Teufl-Heimhilcher, Brigitte

Ach, Elke


ausgezeichnet

Wohnung gesucht, Mann gefunden

„Ach, Elke“ von Brigitte Teufl-Heimhilcher ist ein Familien-Wohlfühlroman, der zweite Band der Reihe „Gestern & Heute“.

Worum geht es?
Elke Bergmann, eine erfolgreiche Autorin, hat sich zwar kürzlich von ihrem Lebensgefährten Conny getrennt, doch dieser will Elke wieder zurückgewinnen. Da lernt Elke den Immobilienmanager Erich kennen. Für welchen der beiden wird sich Elke entscheiden? Für den verlässlichen, ernsthaften Erich oder den untreuen, charmanten Conny?

Das Cover in seiner Buntheit ist sehr ansprechend, eine strahlende junge Frau in einem schnittigen Oldtimer-Cabriolet. Das Buch erschien 2024, ist in 24 mit Überschriften versehenen Kapiteln unterteilt. Der Schreibstil ist locker und flüssig, humorvoll. Die Handlung spielt in der Gegenwart in Wien. Wie ich bereits zum ersten Band angemerkt habe, fände ich (insbesondere für Quereinsteiger) eine Personenliste im Hinblick auf die zahlreichen Familienmitglieder hilfreich. Ich freute mich über das Wiedersehen mit den bereits in Band 1 vorgekommenen Protagonisten. Es ist jedoch keineswegs notwendig, den Vorgängerband gelesen zu haben. Jeder Roman ist in sich abgeschlossen ist, soweit erforderlich sind Hinweise vorhanden.

Das Buch knüpft im Prinzip nahtlos an den Vorgängerband an und führt den roten Faden weiter, wobei die Hauptpersonen des ersten Bandes nun als Nebenfiguren agieren. Als Protagonistin neu hinzugekommen ist die Autorin Elke, die im Mittelpunkt der Handlung steht.

Das Motto der Reihe „Gestern & Heute“ war im Band „Ach, Gisela“ spürbarer, da gab es echte Zeitsprünge. Nicht nur, weil sich Rückblenden optisch aufgrund der kursiven Schrift deutlich hervorhoben, sondern weil es jeweils tatsächlich Szenen waren, die in der Vergangenheit stattfanden, mit Dialogen. In „Ach, Elke“ sind es ihre Kindheitserinnerungen, ihre persönliche Sicht der Dinge, die nach wie vor ihre Beziehung zu den Eltern, insbesondere zur Mutter belasten. Der Bezug zum Gestern ist durchwegs nachvollziehbar: die Geschehnisse aus der Vergangenheit beeinflussen das Denken und das Miteinander in der Gegenwart. Dennoch, ich fand das Motto „Gestern & Heute“ in Band 1 gelungener dargestellt.

Die Handlung verläuft wenig spektakulär, lebt von den größtenteils sympathischen Menschen, von humorvollen Szenen bzw. Dialogen. Die Geschichte liest sich wohltuend, weil es keine wirklich negativen Emotionen gibt, trotz kleiner Missverständnisse und fehlender Harmonie zwischen Mutter und Tochter. Selbst die Rivalität von Elkes Verehrern bleibt in gesittetem Rahmen, fair, ohne Gehässigkeit oder Böswilligkeit.

Das Loslösen von der alten und das Wachsen der neuen Beziehung bilden das Hauptthema. Es zeigt sich, dass es für reifere Menschen, die bereits gescheiterte Beziehungen hinter sich haben, gar nicht so leicht ist, sich wieder auf einen anderen Menschen einzulassen, Vertrauen zu fassen. Die Charaktere der Hauptpersonen sind vielschichtig gezeichnet, mit Stärken und Schwächen, Wünschen, Sehnsüchten, Ängsten und Unsicherheit. Auch die Nebendarsteller sind gut vorstellbar beschrieben, wirken lebendig und authentisch, sympathisch. Eine Hausgemeinschaft, in der man auch gerne leben würde.

„Ach, Elke“ hat mir unterhaltsame und entspannte Lesestunden beschert und mich von meinen eigenen Problemen erfolgreich abgelenkt. Gerade in solchen Situationen zieht man sich gerne in eine Fantasiewelt zurück, in ein bisschen heile Welt. Gerne empfehle ich das Buch weiter und vergebe 5 Sterne.

Bewertung vom 15.06.2024
Tal der Sehnsucht
Korten, Astrid

Tal der Sehnsucht


ausgezeichnet

Packend, ergreifend und berührend – ein Lesehighlight!

In „Tal der Sehnsucht“ schildert Astrid Korten sehr eindrucksvoll, gefühlsstark und spannend das harte und entbehrungsreiche Leben einer kanadischen Farmersfamilie Anfang des 20. Jahrhunderts.

Worum geht es:
Der Mathematikprofessor Jamie McHannay kehrt anlässlich der Beerdigung seiner Mutter auf die elterliche Farm zurück. Das Wiedersehen mit seinem Stiefvater Logan Taylor verläuft distanziert, Jamie kann seine negativen Gefühle ihm gegenüber nicht abschütteln. Doch dann vermitteln die Tagebücher aus dem Nachlass seiner Mutter Jamie tiefe Einblicke in das Leben und die Gefühlswelt seiner Eltern.

Das Cover in den Pastelltönen sticht vielleicht nicht sofort ins Auge, doch harmoniert es vorbildlich mit dem Titel – es ist quasi „leise“, unaufdringlich, Sehnsucht ist ein leises Gefühl. Das Buch erschien 2024 und gliedert sich in zwei Teile, nämlich die Jahre, als Jamies Vater noch lebte, und jene mit seinem Stiefvater. Die insgesamt 38 Kapitel sind jeweils mit Titeln versehen und haben eine angenehme Länge. Außer Prolog und Epilog aus dem 1962 spielt die Handlung in den 1920er Jahren in Brownsville, Kanada. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, die Sprache der Zeit angepasst.

Dies war nicht mein erstes Buch der Autorin, die ich bislang vor allem von fesselnden Thrillern her kannte. Wie stets bei Astrid Korten bildet auch bei dieser höchst emotionalen Familiengeschichte ausgezeichnete Recherchearbeit den Hintergrund für ein anschauliches, gut vorstellbares, mit vielen Details gespicktes Zeitbild.

Von Anfang an wurde ich regelrecht hinein gesogen in die Welt dieser kanadischen Farmersfamilie, ein Leben mit und gegen Naturgewalten, wo Waldbrände und Schneestürme Lebensgefahr bedeuten, ein Leben in Einsamkeit, in Naturverbundenheit. Die Schilderungen sind wunderbar lebendig, reich an kritischen Situationen, wo ich nicht umhin konnte, mit den Protagonisten zu leiden, mich zu ängstigen oder mit zu fiebern, dass sie der Gefahr wohlbehalten entrinnen mögen.

Abgesehen von den Spannungsmomenten nahmen mich aber vor allem die facettenreich und sehr intuitiv dargestellten Persönlichkeiten gefangen. Von einigen Randfiguren abgesehen entwickelt sich die Handlung durch das Aufeinandertreffen von sehr schwierigen, von früheren Erlebnissen geprägten Charakteren. Logan, kräftig, fleißig, durchsetzungsstark, hilfsbereit und tüchtig, trägt ebenso eine Schwachstelle in sich wie Everly, eine stolze und eigenwillige, auch leidenschaftliche Frau und Mutter, die in erster Linie das Wohl ihres Kindes sieht. Die Zentralfigur ist der empfindsame, naturverbundene Jamie, der sehr um seinen lebensfrohen und verständnisvollen Vater trauert, und der vom Stiefvater lange Zeit missverstanden und nicht so akzeptiert wird, wie er ist. Die Entwicklung, das Zueinanderfinden, die Akzeptanz jener Wesenszüge des anderen, die der eigenen Denkweise nicht entsprechen, machen den Roman zu einem besonderen Leseerlebnis.

„Tal der Sehnsucht“ hat mich einfach begeistert – ein Pageturner, den ich kaum aus der Hand legen wollte, spannend und bewegend zugleich. Für dieses wunderbare Buch gibt es von mir eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.