Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
TanyBee

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2017
Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1
Lunde, Maja

Die Geschichte der Bienen / Klima Quartett Bd.1


ausgezeichnet

„Die Geschichte der Bienen“ spielt zu drei verschiedenen Zeiten und an drei verschiedenen Orten: In England im Jahr 1852 lernen wir William kennen, der als Samenhändler arbeitet, acht Kinder hat und seine Karriere als Biologe als gescheitert ansieht. Bis sein Forscherdrang von den Bienen neu entfacht wird. In Ohio im Jahr 2007 begleiten wir George, dessen Familie seit Generationen Bienen züchtet. Sein Sohn scheint jedoch kein Interesse daran zu haben, das Unternehmen zu übernehmen. Außerdem verschlägt es den Leser nach China im Jahr 2098: Die Lebensmittel sind knapp und Tao und ihr Mann Kuan sind zwei von vielen Arbeitern, die täglich die Blüten der Obstbäume bestäuben, da es keine Bienen mehr gibt.
Der Aufbau des Buches hat mich sofort an „Der Wolkenatlas“ von David Mitchell erinnert, den ich sehr mochte. „Die Geschichte der Bienen“ ist nicht ganz so komplex und etwas weniger überraschend, aber geht in die gleiche Richtung. Die drei Handlungsstränge verlaufen erst unabhängig voneinander. Die Kapitel sind relativ kurz und nach jedem Kapitel wechselt der Handlungsort. Dadurch fiel es mir sehr schwer, dass Buch aus der Hand zu legen („nur noch ein Kapitel“). Nach und nach erahnt der Leser Zusammenhänge zwischen den drei Hauptpersonen William, George und Tao.
Am faszinierenden ist sicherlich Geschichte rund um Tao. Es ist eine Art Dystopie, die dort erzählt wird und nach und nach wird immer klarer, wie es dazu kommen konnte. Und das diese Zukunft durchaus auch für uns eine mögliche Zukunft ist.
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass einige Wendungen sehr vorhersehbar waren und mich nicht überraschen konnten. Im letzten Drittel nimmt das Buch aber noch einmal richtig Fahrt auf und alle Puzzleteile fallen an ihren Platz. Übrigens lernt der Leser nebenher auch noch einiges über das Leben der Bienen und über Imkerei, ohne dass es langweilig wird.
Besonders gut hat mir auch die Aufmachung des Buches gefallen. Das Cover ist so toll, es wirkt richtig edel, und sogar ohne Schutzumschlag ist das Buch schön anzusehen.
Fazit: Ein tolles Buch, ein Schmöker, spannend und sogar lehrreich. Für Fans von David Mitchell oder Margaret Atwood, auch wenn es ein wenig seichter ist.

Bewertung vom 20.03.2017
Das geträumte Land
Mbue, Imbolo

Das geträumte Land


sehr gut

Jende Jonga kommt ursprünglich aus Kamerun, aber er will sein Glück in den USA versuchen. Mit der Hilfe seines Cousins hat er es nach New York geschafft und einige Zeit später kann er seine Frau Neni und seinem Sohn Liomi nachholen. Als er einen Job bei Clark Edwards als Fahrer bekommt, scheint es für die Familie Jonga aufwärts zu gehen, da Jende endlich ein ordentliches Gehalt bekommt. Doch über seinen Asylantrag wurde noch nicht entschieden.
Die heimliche Hauptperson in diesem Buch ist Neni. Sie will in den USA studieren und Apothekerin werden, was in Kamerun niemals möglich gewesen wäre. Interessant ist außerdem der Gegensatz zischen den Jongas und den Edwards. Clark Edwards und seine Frau Cindy haben zwei Söhne, jede Menge Geld und sind amerikanische Staatsbürger. Eigentlich müssten sie glücklich sein, oder? Doch wie heißt es so schön: Geld allein macht auch nicht glücklich.
Gut gefallen hat mir, dass wir viel über die Sichtweise der Einwanderer erfahren. An einer Stelle im Buch beschreibt Jende Clark seine Heimatstadt Limbe und ist voll des Lobs. Clark fragt, warum er dann weg gegangen sei. Jende erzählt ihm, dass er in Kamerun nichts hätte werden können und seine Kinder auch nicht. Er hätte nicht einmal seine Frau heiraten können. An einer anderer Stelle merkt man, wie wenig integriert Neni in die Gesellschaft in Amerika ist, und dass sie selbst rassistische Vorurteile im Kopf hat. Anfangs erscheint Neni sehr emanzipiert und fortschrittlich, doch im Laufe des Buchs zeigt sich, dass sie doch noch sehr in den kulturellen Normen ihres Heimatlandes verankert ist.
Gestört hat mich, dass es im Buch einige Stellen gibt, die sich widersprechen oder die inkonsequent sind. Ich finde, die Autorin widerspricht sich manchmal selbst. Außerdem erscheint mir vor allem die Darstellung der Familie Edwards etwas zu klischeehaft. Ich möchte nicht zu viel von der Handlung verraten, aber der letzte Teil des Buches konnte mich nicht mehr so richtig packen. Das lag unter anderem daran, dass einige der Protagonisten nicht mehr vorkamen.
„Das geträumte Land“ ist trotzdem ein lesenswertes Buch und ein toller Einblick in die Seele und Denkweise von Einwanderern, die um ihren Aufenthaltsstatus bangen müssen. Es gibt gute Denkanstöße zu einem sehr aktuellen Thema und lässt sich angenehm und leicht lesen.

Bewertung vom 15.03.2017
Betrunkene Bäume
Dorian, Ada

Betrunkene Bäume


sehr gut

Betrunkene Bäume handelt von zwei Menschen, deren Leben aus den Fugen geraten ist: Erich, jenseits des Pensionsalters, kommt alleine in seiner Wohnung eigentlich nicht mehr zurecht, will sich das aber nicht eingestehen. Und Katharina, die von zu Hause weg gelaufen ist, weil der Vater die Familie verlassen hat um in Russland zu arbeiten und die Mutter es nicht verhindert hat. Auch Erich hat eine Vergangenheit in Russland. Denn in jüngeren Jahren hat er sich einen Traum erfüllt und dort geforscht über die „betrunkenen Bäume“. In Rückblenden erfahren wir mehr darüber, denn diese Forschungsreise hat sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.

Bei der Lektüre habe ich sofort Erich ins Herz geschlossen. Er wehrt sich gegen die zunehmende Fremdbestimmung in seinem Leben und versucht sein kleines (oder eher großes) Geheimnis im Schlafzimmer zu verbergen. Was das für ein Geheimnis ist? Das möchte ich hier nicht verraten, aber es hat mich wirklich sehr gerührt.

Erichs und Katharinas Wege kreuzen sich und an manchen Stellen kam mir das Buch ein wenig zu klischeehaft vor. Momentan gibt es einfach sehr viele Bücher, die von älteren Leuten handeln, die etwas kauzig, aber liebenswürdig sind und die ein letztes Abenteuer erleben. Gefallen haben mir besonders die Rückblenden, die in Russland spielen. Diese hätten ruhig ausführlicher sein können, dann wäre das Verhalten von manchen Personen auch besser nachvollziehbar gewesen. Einige der Charaktere blieben unnahbar. Vor allem Dascha und ihre Entscheidung hätte ich gerne besser verstanden.

Aber ich möchte nicht nur negative Punkte aufzählen, denn die Lektüre ist durchaus angenehm. Es ist ein „Feel-good-Buch“, denn auch wenn die Protagonisten einiges durchmachen, so lässt das Buch den Leser doch mit einem guten Gefühl zurück. Und Erich muss man einfach gern haben! Ein gelungenes Romandebüt.

Bewertung vom 13.03.2017
So, und jetzt kommst du
Frank, Arno

So, und jetzt kommst du


sehr gut

Der Ich-Erzähler in „So, und jetzt kommst du“ erzählt uns von seiner Kindheit. Diese wurde vor allem durch den Vater geprägt, der immer irgendein Geschäft am Laufen hatte und davon überzeugt war, dass sie bald reich sein würden. Doch selbst ein Kind merkt, dass etwas nicht stimmt: sie müssen aus ihrem Haus ausziehen, der Vater bekommt Briefe mit offiziellen Wappen, die er jedoch nicht öffnet. Und immer wieder das Versprechen, dass sie bald reich sein würden. Eines Tages ist es dann scheinbar so weit, von einem Tag auf den anderen fahren sie nach Südfrankreich, Vater, Mutter, der Erzähler und seine beiden kleinen Geschwister. Doch diese Auswanderung erinnert eher an eine Flucht und das ist sie auch.

Nachdem ich die ersten Seiten von „So, und jetzt kommst du“ gelesen hatte, habe ich eine skurrile Familiengeschichte mit schrulligen Charakteren erwartet. Aber schon bald hat mich die Wahrheit eingeholt. Denn der Vater ist ein Hochstapler und auf der Flucht vor der Polizei und die Kinder müssen es ausbaden. Die Eltern haben kaum Verantwortungsbewusstsein für ihre Kinder, der Vater ist phasenweise sogar aggressiv und gewalttätig, die Kinder haben manchmal nicht mal genug zu essen und sind meistens auf sich alleine gestellt. Der Vater versucht sogar, den Sohn auf seine Seite zu ziehen, indem er ihm erklärt, wie man sich im Leben durchtricksen kann, denn: „Jeden Tag steht irgendwo ein Dummer auf.“

Dabei bleibt der Ton des Erzählers immer leicht und man merkt, wie sich Kinder ihrer Umgebung und den Umständen anpassen können, wie sie immer versuchen, das Beste aus einer Situation zu machen. Das ist dem Autor sehr gut gelungen.

Das bedrückendste an dem Buch ist, dass der Arno Frank anscheinend seine eigene Kindheit schildert. Solche Erfahrungen wünscht man wirklich niemandem! Während er Lektüre hat mein Mutterherz die ganze Zeit geweint und ich hätte am liebsten nicht weitergelesen. Die Kinder werden seelisch und körperlich misshandelt und vernachlässigt, ebenso die Hunde, die später angeschafft werden.

Trotz der Kritikpunkte (die sehr subjektiv sind) gebe ich vier Sterne, denn: Erzählen kann der Autor. Man sollte sich vor dem Lesen aber gut überlegen, ob man sich auf solch eine bedrückende Geschichte einlassen kann und will.

Bewertung vom 09.02.2017
Das Buch der Spiegel
Chirovici, Eugene O.

Das Buch der Spiegel


ausgezeichnet

Peter Katz ist Literaturagent. Eines Tages erhält er ein Anschreiben, das sein Interesse weckt. Er liest den beigefügten Auszug aus dem Manuskript und ist fasziniert: der Autor Richard Flynn beschreibt wahre Begebenheiten rund um einen Mord, der schon viele Jahre vergangen ist. Neue Erkenntnisse hätten ihn dazu bewogen, alles aufzuschreiben. Als er Richard Flynn kontaktieren will, erfährt er, dass dieser im Sterben liegt. Das Manuskript ist nicht aufzufinden. Die Sache lässt Peter Katz keine Ruhe und er stellt Nachforschungen an.

„Das Buch der Spiegel“ treibt ein böses Spiel mit dem Leser. Es macht ihn nämlich ständig unglaublich neugierig, wie es weiter geht, so dass man kaum aufhören kann zu lesen. Den Manuskript-Auszug, den Peter Katz liest, bekommt auch der Leser zu lesen. Und gerade, wenn man vergessen hat, dass es nur ein Teil des Manuskripts ist und an der spannendsten Stelle natürlich, bricht der Auszug ab.

Es gibt drei verschiedene Erzähler: Peter Katz bestreitet den ersten Teil. Später ermitteln noch der Journalist John Keller und der pensionierte Polizeibeamte Roy Freeman in dem Fall. Diese drei unterschiedlichen Perspektiven machen die Geschichte sehr reizvoll und ermöglichen verschiedene Sichten auf die Ereignisse. Einen kleinen Kritikpunkt habe ich: ich finde, die drei unterschiedlichen Protagonisten haben keine „eigene Stimme“, ihre Erzählweise ähnelt sich zu sehr. Aber da das Buch mich so unglaublich gefesselt hat, kann ich darüber hinwegsehen.

Ich konnte es wirklich nicht aus der Hand legen und habe es in zwei Tagen durchgelesen. Alle, die mit dem Mord irgendwie in Verbindung stehen machen komplett unterschiedliche und widersprüchliche Aussagen. Als Leser weiß man gar nicht mehr, wem man Glauben schenken kann. Der ermordete Professor hat zum Thema Erinnerungen geforscht und das macht die Sache noch verwirrender und spannender. Lügen die Beteiligten oder können Sie sich nicht erinnern? Wie gut kann man sich überhaupt auf seine Erinnerungen verlassen? Sind diese nicht immer persönlich gefärbt?

Es gibt viele unerwartete Wendungen und zeitweise hatte ich Angst, dass das Buch ins esoterische oder übernatürliche abdriften könnte, denn ein schlechtes Ende kann bei dieser Art von Roman das ganze Leseerlebnis trüben. Das ist aber nicht der Fall, so wohl die Wendungen als auch das Ende sind in meinen Augen sehr plausibel umgesetzt.

Eigentlich ist dieser Roman fast schon ein Krimi, eine klassische Whodunit-Geschichte. Sie ist aber sehr ungewöhnlich und klug aufgebaut.

Da das Buch mich so sehr gefesselt hat muss ich ihm auf jeden Fall 5 Sterne geben! Leseempfehlung an alle, die es mysteriös und spannend mögen.

Bewertung vom 26.01.2017
Ab morgen wird alles anders
Gavalda, Anna

Ab morgen wird alles anders


sehr gut

Yann führt eigentlich ein gutes Leben: er hat nach anfänglichen Schwierigkeiten einen Job gefunden, mit dem er Geld verdient. Er hat eine Freundin, eine günstige Wohnung. Es ist nicht sein Traumjob und seine Freundin geht ihm manchmal auf die Nerven, aber ist das nicht immer so? Eines Tages lernt er durch Zufall seine Nachbarn kennen, Alice und Isaac, ein sehr ungleiches Paar mit zwei Kindern. Er spürt die Leidenschaft, mit der die beiden leben, die Liebe. Diese Begegnung öffnet ihm die Augen, lässt ihn über sein eigenes, bequemes Leben hinaus blicken.
Die Personen in Anna Gavaldas Erzählungen sind alle an einer Art Wendepunkt in ihrem Leben. Ich bin sonst nicht größte Fan von Erzählungen: oft sind sie mir zu rätselhaft, es bleiben zu viele Fragen offen. Die Romane von Anna Gavalda mochte ich sehr, deswegen hab ich mich hier auch an die Erzählungen gewagt. Die Autorin hat es geschafft jeder Geschichte eine ganz eigene Erzählweise, einen eigenen Ton zu verleihen, was mir sehr gefallen hat. Vor allem die umgangssprachliche Erzählweise von „Mathilde“ ist sehr unterhaltsam, wenn auch die Geschichte insgesamt tatsächlich etwas rätselhaft bleibt.
Die Geschichten „Yann“ und „Mathilde“ haben beide ca. 100 Seiten, die anderen drei sind deutlich kürzer. „Yann“ und „Meine Kraftpunkte“ sind meine persönlichen Favoriten.
Das Buch inspiriert den Leser darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist im Leben und ob wir wirklich immer den einfachsten und komfortabelsten Weg gehen sollten. Es ist ein Aufruf zur Lebensfreude, Begeisterung und Menschlichkeit. Besonders mag ich an Gavaldas Stil, dass die Charaktere so lebendig wirken. Wie gute Freunde: nicht perfekt, aber sehr liebenswert.
Ich bin sehr froh, dass ich dieses Buch zur Hand genommen habe, obwohl es „nur“ Erzählungen sind. Eine sehr kurzweilige und trotzdem berührende Lektüre.

Bewertung vom 12.10.2016
Neuschweinstein - Mit zwölf Chinesen durch Europa
Rehage, Christoph

Neuschweinstein - Mit zwölf Chinesen durch Europa


ausgezeichnet

Wir alle haben sie schon einmal gesehen: Asiatische Reisegruppen, die alles fotografieren, was ihnen in den Weg kommt und die sich dann wieder in ihren Reisebus setzen und zum nächsten Ziel fahren. Für die Recherche zu diesem Buch hat sich der Autor Christoph Rehage sozusagen in eine dieser chinesischen Reisegruppen eingeschlichen, um zu ergründen, warum sie eine solche Reise machen und wie sie Europa sehen. Er hätte sich sicherlich gerne undercover eingeschlichen in die Gruppe, aber das ist natürlich auf Grund seines europäischen Aussehens nicht möglich. Dafür hat er einen anderen unbezahlbaren Vorteil: er spricht fließend Mandarin. In 13 Tagen erkundete er mit der Reisegruppe Deutschland, Italien, die Schweiz und Frankreich.
Zu Beginn fühlt er sich noch fremd in der Gruppe, aber er gewinnt schnell ihr Vertrauen und fungiert auch als einer Art zweiter Reiseführer, da er den Chinesen natürlich oft helfen kann in Europa. Der Autor fühlt sich bald so sehr als Teil der Gruppe, dass er immer von „wir“ spricht, auch in Situationen, in denen er eigentlich als Europäer nicht wirklich dazu gehört (bei der Steuerzurückerstattung am Flughafen zum Beispiel). Er hat eine sehr freundliche und offene Art mit den Leuten umzugehen und so erfährt der Leser auch viel über das Leben der Teilnehmer, die Situation in China und über die Menschen dort, was sie hoffen und träumen.
Der Schreibstil ist sehr flüssig und lässt sich gut und schnell lesen. An vielen Stellen musste ich lachen oder schmunzeln. Aber es werden auch ernstere Themen angestoßen. Gut finde ich, dass der Autor bei den ernsteren Themen kaum wertend auftritt, sondern nur wiedergibt, was er erfahren hat.
Nach der Reise besucht er einige der Teilnehmer noch in ihren Heimatorten in China. Dieser Teil des Berichts macht gut 60 Seiten des Buchs aus und hat mir auch sehr gut gefallen. Er wirft noch einmal ein anderes Licht auf die Reise.
Ich hatte von dem Buch folgendes erwartet: einen amüsanten Reisebericht aus ungewohnter Perspektive. Aber ich muss sagen, es ist viel mehr! Denn wenn man vorher Vorurteile über „die Chinesen“ hatte, so denkt man nach dieser Lektüre anders: Denn die Teilnehmer sind einfach Menschen wie du und ich, mit ihrer eigenen Lebensgeschichte, die natürlich auch durch ihr Heimatland geprägt wurde. So ist das Buch auch ein Aufruf zu Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen.
Mein Fazit: Die Lektüre dieses Buches war eine echte Bereicherung für mich. Und dazu und amüsant und kurzweilig! Was will man mehr. Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.09.2016
Lebensgeister
Yoshimoto, Banana

Lebensgeister


sehr gut

Zu Beginn des Buches „Lebensgeister“ sind wir gleich mitten im Geschehen. Sayoko hat eine Eisenstange im Bauch. Sie und ihr Freund Yoichi hatten einen Autounfall und Sayoko hat eine Nahtoderfahrung: Sie ist an der Pforte zum Jenseits, wird aber von ihrem Großvater wieder in die Welt der Lebenden gebracht. Ihr Freund überlebt nicht. Es vergeht viel Zeit bis sie körperlich genesen ist, aber ihre Seele braucht noch viel länger um zu heilen. Im Buch begleitet der Leser sie dabei, wie sie langsam zurück ins Leben findet.
„Lebensgeister“ war mein erstes Buch von Banana Yoshimoto, deswegen kann ich es nicht mit ihren anderen Werken vergleichen. Der Stil ist auf jeden Fall typisch japanisch. Die Erzählerin analysiert ihre Emotionen ganz nüchtern und fragt sich auch oft was die Gesellschaft davon halten würde. Sayo kann plötzlich Geister von Verstorbenen sehen, aber es beunruhigt sie eigentlich nicht sonderlich. Das Übernatürliche vermischt sich gekonnt mit der Realität.
Das Buch ist außerordentlich kurz, es hat nur 160 Seiten. Es gibt nicht viel Handlung, der Leser begleitet Sayo auf ihrem Weg und bei ihren Gedanken. Sie stellt mit der Zeit fest, dass sie eine andere geworden ist, aber dass diese neue Sayo gut so ist, wie sie ist. Es hat etwas tröstliches, wie die Erzählerin wieder zu einem normalen Leben zurückfindet, Stück für Stück. Dabei ist das Buch aber nicht kitschig.
Es hat mir gut gefallen, dass der Übersetzer typisch japanische Begriffe im Original belassen und in Fußnoten erläutert hat. Übersetzungen wirken bei solchen Begriffen oft zu verkrampft. Außerdem kann der Japan-Interessierte so noch einiges lernen. In vielen Szenen wird der Leser von japanischem Flair umweht. Vor allem Kyoto wird so schön beschrieben, man möchte am liebsten gleich hinfahren und auch dort spazieren gehen.
Eine sehr schöne kleine Lektüre für zwischendurch. Wie ein Kurzurlaub in Japan.

Bewertung vom 08.09.2016
Loney
Hurley, Andrew Michael

Loney


gut

Der Ich-Erzähler aus dem Buch „The Loney“ lebt mit seiner streng gläubigen Familie in London. Sein großer Bruder Andrew, von allen Hanny genannt, scheint geistig jünger zu sein als er, denn er spricht nicht und ist auch sonst nicht auf dem Entwicklungsstand eines 16jährigen. Die Mutter der beiden hofft auf eine Wunderheilung auf einer Pilgerfahrt und so fuhren sie viele Jahre zur Osterzeit nach „The Loney“ mit dem alten Pfarrer Father Wilfred. In diesem Jahr fahren sie mit dem neuen Pfarrer der Gemeinde, Father Bernard. Doch über „The Loney“ gibt es viele Sagen und Gerüchte und einige werden die Pilger am eigenen Leib kennen lernen.
Der Erzähler in diesem Buch wird nie mit Namen angesprochen, wenn ich mich nicht irre. Außer von Father Bernard, der im den Spitznamen Tonto gibt. Das sagt viel zu familiären Situation aus, denn alles scheint sich immer nur um Andrew zu drehen, im positiven wie im negativen. Die Mutter ist derart im Glauben verrannt, dass ich mich manchmal gefragt habe, welches Jahr wir in diesem Buch überhaupt schreiben, es kam mir an manchen Stellen unglaublich altmodisch vor. Die Messdiener werden vom Pfarrer (dem alten Pfarrer) gezüchtigt, die Messen sind lang und auf Latein. Es spielt aber tatsächlich in den 70ern.
Besonders schön fand ich die Interaktion zwischen den Brüdern: Tonto ist der einzige, der mit seinem Bruder kommunizieren kann. Er versorgt Andrew sogar zu großen Teilen allein. Obwohl die Mutter so viel Kraft in die „Heilung“ investiert, scheint sie gar keine richtige Beziehung zu Andrew zu haben. Andrew „spricht“ mit Tonto über verschiedene Zeichen, wenn er sich entschuldigen will gibt er ihm beispielsweise einen kleinen Plastikdinosaurier, den er immer bei sich hat. Tonto ist es auch, der erkennt, wenn eine Situation beunruhigend für Andrew ist. Diese Szenen fand ich sehr berührend, aber leider gibt es sehr wenige davon.
Interessant war auch die Religiosität der Gemeindemitglieder und des alten Pfarrers, die in ihrer Ausübung schon fast sektenhafte Züge annimmt. Dem gegenüber steht der neue Pfarrer, der mit dem alten, starren Glauben nicht viel anfangen kann und dessen Leitgedanke eher Menschlichkeit ist. Sehr gelungen!
Das große ABER bei diesem Buch ist die Handlung. Sie kommt einfach nicht in Schwung. Für mich gab es kaum Spannung und ich hatte oft keine große Lust weiter zu lesen. Erst auf den letzten hundert Seiten wird das etwas besser. Aber bis dahin hat man lange Durststrecken zu überwinden, die nur von kurzen Highlights unterbrochen werden.
Das Ende dürfte auch nicht jedermann gefallen. Ich fand es aber ganz gut. Es ist eher ein offenes Ende, es werden nicht alle Fragen beantwortet. Trotzdem ist die Geschichte meiner Meinung nach „Rund“.
Es ist wirklich schwer, diesem Buch eine Bewertung zu geben. Es ist durchaus interessant, aber keine einfache, schnelle Lektüre. Ich gebe drei Sterne, da es mich die Handlung einfach nicht richtig packen konnte.