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Nuigurumi

Bewertungen

Insgesamt 67 Bewertungen
Bewertung vom 19.07.2015
Janusmond
Winter, Mia

Janusmond


sehr gut

Dieses Buch war von Anfang an anders als alle Bücher, die ich je gelesen habe. Es fängt mit dem Äußeren an, was mich meistens gar nicht so sehr interessiert. Aber dieses pechschwarze Buch mit dem einen roten Fleck hat schon sehr intensiv auf mich gewirkt, als ich es nur in der Hand gehalten habe.

Am Anfang hat der Inhalt dann auch perfekt zum Äußeren gepasst. Leon Bernberg fährt in die französische Stadt Louisson, um dort seine vor 10 Jahren verschwundene Schwester Lune zu suchen. Mit Hilfe des französischen Polizisten Christian Mirambeau rekonstruiert er die letzten Monate im Leben seiner Schwester.

Der Leser merkt schnell, dass Lune ein sehr komplizierter Mensch war. Jeder hat irgendwie auf sie reagiert und selbst Menschen, die sie nur aus Erzählungen und von Fotos kennen - so wie Christian Mirambeau - geraten in ihren Bann.

Die Atmosphäre, die die Autorin in diesem Buch schafft, ist einfach unbeschreiblich und wird durch das schwarze Buch, das man in den Händen hält, noch verstärkt. Man spürt die Hitze in Louisson und über allem schwebt Lunes dominante Persönlichkeit, obwohl sie nur durch Erinnerungen und Erzählungen dargestellt wird. Alle Menschen, die Lune kannten, wurden durch sie beeinflusst und manipuliert. Noch nie hat mich eine Person in einem Buch durch ihre Persönlichkeit so verstört wie Lune. Manchmal wurde es mir tatsächlich zuviel und ich musste das Buch zur Seite legen, weil ich es nicht mehr ertragen habe.

Leider wird die Handlung nach einer Weile sehr langatmig und unglaubwürdig. Nur mit Mühe habe ich bis zum Ende gelesen, um zu erfahren, was nun wirklich mit Lune passiert ist. Ich habe lange überlegt, ob ich dem Buch drei oder vier Sterne gebe, weil ich mich am Ende wirklich gelangweilt habe, aber ich gebe ihm doch vier Sterne einfach für diese völlig neue Leseerfahrung, die ich mit diesem Buch gemacht habe.

Bewertung vom 13.07.2015
Die Sturmrose
Bomann, Corina

Die Sturmrose


sehr gut

Annabel zieht mir ihrer kleinen Tocher in ein altes Haus auf Rügen, um nach der Scheidung neu anzufangen. Alles scheint perfekt zu sein, doch schon in der ersten Nacht hat sie wieder einmal den Traum, der sie seit ihrer Kindheit verfolgt, und sie beschließt, sich endlich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Als Kind in der DDR wurde sie der Mutter weggenommen, von der es hieß, sie sei in den Westen geflohen, und zu Adoptiveltern gegeben.

Dann entdeckt Annabel im Hafen ein Schiff, das es ihr sofort angetan hat. Sie will es kaufen, aber auch Christian Mertens will es unbedingt haben. Zuerst ist Annabel misstrauisch, aber nach und nach lernt sie Christian und seine DDR-Vergangenheit, die auch der Schlüssel zu seinem Interesse an dem Schiff ist, kennen. Das Schiff "Sturmrose" hat nämlich zu DDR-Zeiten vielen Menschen zur Flucht verholfen. Und nicht nur Christian hat Erinnerungen daran, sondern auch die Geschichten vieler anderer Menschen, die Annabel und Christian im Laufe der Zeit treffen, sind eng mit der "Sturmrose" verbunden…

Ich habe schon einige Bücher von Corina Bomann gelesen und kenne ihren Stil. Dieses Buch ist absolut typisch für sie und man mag es oder mag es nicht. Die Autorin beschreibt alles – Personen, Häuser, Natur usw. – sehr anschaulich und es macht mir daher Spaß ihre Bücher zu lesen, weil ich immer von Anfang an in der Geschichte drin bin und nach kurzer Zeit das Gefühl habe, die Personen zu kennen. Allerdings ist die Handlung oft sehr konstruiert und basiert hauptsächlich auf Zufällen. Das ist auch bei der "Sturmrose" der Fall, aber ich bin bei Frau Bomanns Büchern von vorneherein darauf eingestellt, daher ist das in Ordnung.

Was mir gut gefallen hat, waren die Beschreibungen, wie die Menschen übers Meer geflohen sind, wie alles vorbereitet wurde und wieviel Risiko für die Flüchtlinge und ihre Helfer damit verbunden war.

Während ich das sehr realistisch fand, hat mich andererseits der etwas seichte Umgang mit der DDR-Vergangenheit gestört; es wird alles viel zu vereinfacht dargestellt. Natürlich erhebt das Buch nicht den Anspruch auf vollständige Darstellung, aber sooo einfach geht es meiner Meinung nach nicht. Wer Erfahrung mit Flucht aus der DDR, Stasi und Bespitzelung hat, wird mit diesem Aspekt des Buches nicht ganz glücklich werden und es vermittelt jüngeren Lesern auch ein ziemlich falsches und einseitiges Bild von der DDR.

Bewertung vom 13.07.2015
Nachruf auf den Mond
Filer, Nathan

Nachruf auf den Mond


ausgezeichnet

Ich hatte mir gar keine Gedanken darüber gemacht, was für eine Art Buch "Nachruf auf den Mond" ist, hätte es aber eigentlich besser wissen müssen. Alles, was ich vor dem Lesen wusste, war, dass Matt Homes in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses ist und dort seine Geschichte aufschreibt, in der es vor allem um den Tod seines älteren Bruders Simon geht, der während eines Urlaubs starb, als Matt neun Jahre alt war. Ich hatte wohl eine Art Familiengeschichte erwartet und das ist es irgendwie auch, aber hauptsächlich ist es die Lebens- und Krankengeschichte eines 19-Jährigen, der an Schizophrenie leidet – und damit genau die Art Buch, die ich eigentlich nicht mag…

Der Leser begleitet Matt von dem schicksalhaften Urlaub an durch sein Leben. Man sieht, wie der Tod des älteren Sohnes die Familienstruktur zerstört und wie sich am Anfang vor allem die Mutter verändert, worunter Matt leiden muss. Dieser Teil hat mir am besten gefallen. Die Atmosphäre im Haus und Matts kindliches Unverständnis über das merkwürdige Verhalten seiner Mutter ist sehr einfühlsam erzählt und lässt sicher niemanden kalt.

Matts Problem ist nicht nur, dass Simons Platz in der Familie leer bleibt, sondern auch, dass er sich an Simons Tod die Schuld gibt. Der Leser erfährt allerdings erst ganz am Ende des Buches, was wirklich passiert ist.

Matt will Simon noch einen Wunsch erfüllen, den er nie bekommen hat, nämlich eine Ameisenfarm. Schon als Kind versucht er es erfolglos und als Jugendlicher verrennt er sich schließlich völlig in diese Idee. Seine Großmutter, die Erfahrung mit Schizophrenie hat, erkennt schnell, was mit ihm geschieht und sorgt dafür, dass er psychiatrische Hilfe bekommt.

Matt wird mal in der Tagesklinik behandelt, mal über längere Zeit im Krankenhaus. Die Beschreibung des Alltags in der Psychiatrie hat mir gezeigt, dass dort der normalste Mensch wahnsinnig werden würde, obwohl alle sehr menschlich und freundlich sind. Das wird mich wohl noch länger verfolgen und ich werde mir darüber Gedanken machen.

"Nachruf auf den Mond" ist wirklich keine einfache Lektüre, weder inhaltlich noch vom Aufbau mit seinen Zeitsprüngen. Aber der Autor, der früher Krankenpfleger in einer psychiatrischen Klinik war, hat dafür gesorgt, dass ich mich in Matt hineinversetzen kann. Das war für mich bisher immer das Problem bei Büchern, in denen es um psychisch kranke Menschen geht, dass ich sie nicht verstanden habe und ihre Handlungsweise nicht nachvollziehen konnte. Bei Matt kann ich das und das macht dieses Buch so anders, und so beklemmend, ergreifend und aufwühlend.

Bewertung vom 13.07.2015
Bella Clara
Durst-Benning, Petra

Bella Clara


sehr gut

Berlin im Jahr 1906: Clara Gropius, die mit einem angesehenen Arzt verheiratet ist, wird von ihrem Mann seit Anfang ihrer Ehe geschlagen und gedemütigt. Eine Scheidung ist nur möglich, wenn der Mann sie will, also inszeniert Clara einen Seitensprung, bei dem sie von ihrem Mann überrascht wird. Die Rechnung geht auf: ihr Mann reicht die Scheidung ein. Leider trifft sie auf einen harten Richter, der ihrem Mann nicht nur Claras Erbe, sondern auch den Sohn zuspricht. Die Tochter darf laut Urteil bei Clara bleiben, aber der Vater schafft es mit Tricks, dass auch das Mädchen bei ihm bleibt.

Clara bleibt nichts, keine Kinder, kein Geld, keine Arbeit - dafür aber zwei gute Freundinnen, Josefine und Isabelle. Da Clara in Berlin durch die Berichterstattung in der Zeitung zur persona non grata geworden ist, zieht sie zu einer Freundin von Josefine nach Meersburg am Bodensee. Lilo ist auch geschieden und hat ihr Leben selbst in die Hand genommen, daher versteht sie es, Clara zu motivieren, dasselbe zu tun.

Clara hat von ihrem Vater, einem Apotheker, in ihrer Jugend viel über die Herstellung von Seifen und anderen Kosmetika gelernt. Dieses Wissen wendet sie nun an und macht sich schnell mit einem kleinen Laden in Meersburg selbstständig. Sie weiß, dass Kosmetik nicht nur gut für die Haut, sondern auch für die Seele der Frauen ist, und mit dieser für ihre Zeit ungewöhnlichen Verkaufspsychologie, zusammen mit ihren guten Produkten, macht sie sich schnell einen Namen und hofft, dass sie, sobald sie etwas Geld und einen guten Ruf als Geschäftsfrau hat, auch ihre Kinder wiedersehen wird…

Die ersten Kapitel haben mich oft sehr betroffen gemacht: wie Clara von dem Scheidungsrichter und später von der ganzen Gesellschaft behandelt wird, ist heute einfach nicht mehr nachvollziehbar. Die Autorin versteht es sehr gut, dem Leser Claras Schicksal nahezubringen und zu zeigen, wie wichtig ihre Freundinnen in dieser Situation sind.

Auch Claras Ankunft in Meersburg und ihre Anfangszeit dort sind so schön beschrieben, dass ich am liebsten sofort hinfahren wollte, um alles mit eigenen Augen zu sehen, und ich fand es sehr interessant, wie Clara dazu kam, wieder mit der Seifen- und Kosmetikherstellung zu beginnen und ihr kleines Geschäft zu eröffnen. Doch danach ging mir plötzlich alles etwas zu schnell. Anhand der Zeitangaben über den einzelnen Kapiteln habe ich versucht, den Verlauf von Claras Karriere nachzuvollziehen, aber es war fast unmöglich. Sobald Clara ihr Geschäft eröffnet hatte, gefiel mir das Buch nicht mehr so gut wie vorher. Alles schien sehr überstürzt und unglaubwürdig.

Natürlich treten auch wieder Männer in Claras Leben und natürlich entscheidet sie sich wieder für den falschen und merkt es zu spät. Aber in dem Fall ist die Geschichte einfach zu konstruiert und man weiß genau, wie es enden wird und dass es am Ende ein Happy End geben wird.

Petra Durst-Benning ist eine routinierte Autorin. Sie schreibt gut und weiß, was ihre Leserinnen möchten, daher ist "Bella Clara" ein gut zu lesender, unterhaltsamer Roman, wie alle Bücher der Autorin. Die erste Hälfte des Buches hat mich auch berührt und mitgerissen, aber in der zweiten Hälfte wurde es mir zu seicht und zu vorhersehbar.

Bewertung vom 06.07.2015
Kings of London / Detective Breen & Tozer Bd.2
Shaw, William

Kings of London / Detective Breen & Tozer Bd.2


ausgezeichnet

"Kings of London" schließt nahtlos an den ersten Band "Abbey Road Murder Song" an. Da ich mich aber nicht mehr an die Details erinnern konnte, kann man das Buch sicher auch gut lesen, ohne den ersten Band zu kennen.

London 1968 in den Swinging Sixties, in die Sergeant Cathal Breen nicht so recht zu passen scheint. Da er sich die letzten Jahre außerhalb der Arbeit um seinen kranken Vater gekümmert hat, hat er den Übergang in diese neue Zeit verpasst, die Musik, die Mode, die Frauen' Damit ist er genau das Gegenteil des jungen Mannes, der tot aufgefunden wird und dessen Mörder er sucht. Der Lebensinhalt des Opfers waren Partys, Sex und Drogen, was seinem Vater, einem einflussreichen Politiker, ein Dorn im Auge war, so dass er auch jetzt den Ablauf der Ermittlungen kontrolliert.

Schon im ersten Band ging es um korrupte Polizisten und in diesem Fall zeigt sich, wie weit verbreitet Korruption und Machtmissbrauch zu dieser Zeit überall in London waren. Das ist nicht Breens Welt und er versucht dagegen anzugehen - obwohl er mit der Zeit auch lernt, die Vorteile dieser Welt zu nutzen; allerdings nicht zu seinem eigenen Wohlergehen, sondern um Verbrecher zu fassen und anderen zu helfen (mit einer kleinen privaten Ausnahme, um endlich wieder ruhig schlafen zu können!).

Auch diesmal arbeitet Breen wieder mit Constable Helen Tozer zusammen, für die das aber die letzten Wochen bei der Polizei sind, da sie nach kurzer Zeit schon wieder gekündigt hat. Und wie gut kann das jede Leserin verstehen!

Im Mittelpunkt des Buches steht nicht der Mordfall - manchmal habe ich den beim Lesen völlig vergessen - sondern William Shaws brillianter Einblick in das Leben der späten 60er Jahre: Frauen wurden in jeder Hinsicht diskriminiert, Hierarchien wurden gepflegt und mussten um jeden Preis respektiert werden, geraucht wurde immer und überall. Und der Autor zeigt auch die Schattenseiten dessen, was heute nostalgisch verklärt gesehen wird: bei den Hippies war nicht alles Liebe und Flower Power, da wurde im neuen Outfit genauso diskriminiert und kontrolliert wie im Rest der Welt. Thematisiert wird auch der Umgang mit Drogen, da zu dieser Zeit in England die legale Verschreibung von Drogen durch Ärzte abgeschafft wurde.

Am eindrucksvollsten sieht man aber an Helen Tozer, wie Frauen noch vor weniger als 50 Jahren behandelt wurden. Tägliche Diskriminierung in allen Bereichen war normal und dumme Sprüche waren mehr als salonfähig. Und das, obwohl dem Leser sehr schnell klar wird, dass Helen viel mehr drauf hat als die meisten Männer bei der Polizei...

Besonders gut gefällt mir bei William Shaw, wie er seinen Charakteren mit wenigen Worten Leben einhaucht. Eine kurze Beschreibung hier, ein kleiner Dialog dort, und schon werden seine Figuren dreidimensional und man glaubt, sie schon ewig zu kennen. Ich habe mit Tozer mitgelitten, die trotz aller Probleme (fast) nie die gute Laune verliert, und Breens Einsamkeit und seine Unfähigkeit, sich der Gesellschaft anzupassen, fand ich sehr ergreifend beschrieben.

Ich gebe diesem Buch 5 Sterne, weil es toll geschrieben ist, einen interessanten Einblick in die 60er Jahre gibt und glaubwürdige Charaktere hat, die einen so schnell nicht wieder loslassen. Als Krimi finde ich es nicht sonderlich interessant, da der Fall so sehr ins Hintertreffen gerät, dass praktisch keine Spannung aufkommt. Wer also einen "richtigen" Krimi lesen möchte, ist mit diesem Buch vielleicht nicht so gut bedient.

Ich aber warte auf den letzten Teil dieser Trilogie um Breen und Tozer. Es kann doch nicht sein, dass Tozer die Polizei so sang- und klanglos verlässt und Breen muss doch auch endlich sein Glück finden...

Bewertung vom 28.02.2015
Ein Mann namens Ove
Backman, Fredrik

Ein Mann namens Ove


ausgezeichnet

"Ein Mann namens Ove" ist eins von den Büchern, die mich am Anfang überhaupt nicht interessiert haben. Den Klappentext fand ich ziemlich nichtssagend und der Vergleich mit dem "Hundertjährigen", den ich abgebrochen hatte, weil ich das Buch so schrecklich fand, hat mich noch mehr abgeschreckt. Dann ist das Buch doch irgendwie in meinen Besitz geraten und nachdem es so viele gute Rezensionen bekommen hatte, wollte ich wenigsten "mal reinlesen" … und ich habe es nicht bereut.

Ove wird als "Nachbar aus der Hölle" beschrieben, der alles kontrolliert und beobachtet und die Leute auf ihre Fehler und Vergehen aufmerksam macht. Aber warum tut er das? Für ihn ist Routine sehr wichtig, aber sie fehlt plötzlich in seinem Leben, nachdem seine Frau Sonja gestorben ist und er mit 59 Jahren seine Arbeit verloren hat. Sonja und seine Arbeit haben seinem Leben Sinn gegeben und beides ist nicht mehr da. Warum sollte Ove also weiterleben? Methodisch wie er ist bereitet er alles für seinen Selbstmord vor, aber leider kommt immer wieder etwas dazwischen…

Immer wieder wird er dabei gestört, wenn er versucht sich umzubringen, und eigentlich will er nur die Störfaktoren aus dem Weg schaffen, hilft dabei aber vielen seiner Nachbarn, ohne es zu wollen. Denn so ist Ove: hinter dem grummeligen Mann mit seinen Routinen steckt ein sehr liebenswerter Mensch. Der Leser erfährt von Oves Kindheit, die nicht einfach war und durch die klar wird, warum Ove so ist wie er ist. Und der Autor erzählt uns Oves
Liebesgeschichte, wie er Sonja kennengelernt hat und wie ihr gemeinsames Leben aussah. Sonjas Freundinnen konnten nicht verstehen, wie sie es mit einem Mann wie Ove aushielt, aber jeder, der das Buch gelesen hat, kann es.

Natürlich ist "Ein Mann namens Ove" keine große Literatur, aber mir wurde beim Lesen warm ums Herz und die Liebesgeschichte von Ove und Sonja ist so schön erzählt, dass sie mir definitiv in Erinnerung bleiben wird.

Das Buch zeigt, dass hinter griesgrämigen oder durch ihre Macken nervigen Menschen oft viel mehr steckt als man denkt. Wenn ich jetzt so einem Menschen begegne, denke ich manchmal an Ove und frage mich, was wohl die Geschichte meines griesgrämigen Gegenübers sein mag…

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2015
Die Erfindung der Flügel
Kidd, Sue Monk

Die Erfindung der Flügel


ausgezeichnet

Zwei Arten der Sklaverei

Ich hatte keine besonderen Erwartungen an dieses Buch, sondern hatte mich auf einen durchschnittlichen historischen Südstaatenroman über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem weißen und einem schwarzen Mädchen, gespickt mit der üblichen Sozialkritik, eingestellt. Doch ich wurde eines Besseren belehrt…

Anfang des 19. Jahrhunderts in Charleston bekommt Sarah zu ihrem elften Geburtstag von ihren Eltern die 10-jährige Sklavin Handful "geschenkt". Ein Geschenk, mit dem sie nicht nur nichts anfangen kann, sondern das ihr auch sehr unangenehm ist, weswegen sie vom ersten Moment an versucht Handful die Freiheit zu schenken, was ihr aber verwehrt wird.

Sarah und Handful erzählen abwechselnd von ihrem Leben. Als sie etwas älter sind, fasst Handful die Situation sehr treffend zusammen: sie sind beide Sklaven; bei Handful ist der Körper versklavt, bei Sarah der Geist. Sarah ist intelligent, sie möchte lernen und sie würde alles dafür geben, Anwältin werden zu dürfen, doch als sie zu rebellisch wird, wird ihr sogar jeglicher Zugang zu Büchern untersagt. Sarah und Handful gehen beide ihren Weg, und für beide ist es ein ungewöhnlicher Weg für Frauen und Sklavinnen ihrer Zeit.

Sarahs und Handfuls Leben werden beide genau beschrieben. Der Leser bekommt einen Einblick in das Leben der Sklaven und vor allem in die Denkweise der Weißen zu jener Zeit. Natürlich war vielen Weißen klar, dass die Sklaverei nicht richtig sein kann, aber so war es nun mal und es hat den Weißen ein angenehmes Leben beschert.

Sarah ist das "arme, reiche Mädchen", das nie heiratet und daher von der Gesellschaft nicht anerkannt wird. Bis sie merkt, dass sie nichts mehr zu verlieren hat und für ihre Ideale zu kämpfen anfängt, nämlich erst gegen die Sklaverei und dann auch noch für Frauenrechte. Erst am Ende des Buches erfährt man, dass dieser Roman auf historischen Tatsachen beruht und dass Sarah Grimké und ihre Schwester Angelina tatsächlich existiert haben und die ersten bekannten Frauenrechtlerinnen in den USA waren.

Was mir besonders gefallen hat, war, dass die Autorin sich mit ihren Figuren nicht beim Leser anbiedert. So war mir zum Beispiel von den Sklaven keiner besonders sympathisch, auch Handful nicht. Dadurch hat es die Autorin geschafft, dass mein Blick auf die Situation der Sklaven nicht verschleiert wurde. Auch von Weißen mochte ich niemanden besonders. Sarah war mir eigentlich ziemlich unsympathisch und ich musste mich immer wieder daran erinnern, dass sie ein Produkt ihrer Zeit, ihrer Gesellschaft und ihrer Erziehung ist und natürlich nicht so handelt, wie ich es tun würde. Da mir jegliche Sympathien gefehlt haben, habe ich das Buch relativ objektiv gelesen und das fand ich in diesem Fall gut.

"Die Erfindung der Flügel" habe ich sehr gerne gelesen und es hat auch lange in mir nachgeklungen und mich zum Nachdenken gebracht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2015
Ungeschehen
Seskis, Tina

Ungeschehen


gut

Emily verlässt ihre Familie in Manchester und beginnt in London ein neues Leben, wobei sie ganz von vorne anfangen muss. Man weiß nicht, warum sie geht, aber man merkt, dass vor einiger Zeit in Emilys Leben etwas passiert ist, dass sie völlig aus der Bahn geworfen hat und weswegen sie das Leben mit ihrer Familie, ihren Freunden und Bekannten nicht mehr aushält. Es gibt immer wieder Rückblenden in ihr "altes Leben", bis am Ende ihr altes und ihr neues Leben aufeinander treffen und alles aufgeklärt wird.

Ich habe das Buch an einem kalten Dezembertag gelesen und konnte die Hitze der ersten Wochen in Emilys neuem Leben förmlich spüren. Auch die Beschreibung ihrer ersten Unterkunft mit ihren zusammengewürfelten Bewohnern, ihre Jobsuche und ihren späteren beruflichen Werdegang fand ich sehr realitätsnah. Es war ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte, da mich Emilys Geschichte einerseits und ihre geheimnisumwitterte Vergangenheit andererseits in ihren Bann zogen.

Doch dann kam die Auflösung des Geheimnisses und ich muss sagen, dass ich noch nie vom Ende eines Buches so enttäuscht war wie von diesem. Das ganze Buch beruht eigentlich auf der Tatsache, dass die Autorin den Leser von Anfang an an der Nase herumführt. Ich hatte schon auf den ersten Seiten, als Emily das Haus verlässt, in dem sie die letzten Jahre gewohnt hat, das Gefühl, dass etwas fehlt. Ich habe sogar die ersten Seiten zweimal gelesen, weil ich verwirrt war. Und dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmt, hatte ich immer wieder, sobald es im Buch um diejenigen ging, die Emily zurückgelassen hat.

Natürlich wird Spannung in einem Buch oft aufgebaut, indem der Autor dem Leser bestimmte Informationen vorenthält, aber in diesem Buch ist das so plump gemacht, dass man sich als Leser von der Autorin nicht ernst genommen fühlt, wenn man das am Ende merkt. Die letzten Seiten, die dann auch sehr überstürzt geschrieben und kitschig wirkten, habe ich nur noch überflogen und das Buch dann verärgert zur Seite gelegt. So macht mir Lesen keinen Spaß!

Bis kurz vor Ende des Buches hätte ich "Ungeschehen" fünf Sterne gegeben. Doch das Ende hat alles kaputt gemacht…

Bewertung vom 20.01.2015
Mörderkind
Löhnig, Inge

Mörderkind


ausgezeichnet

Fiona Jacobys glückliche, wenn auch durch ihre Künstlereltern unkonventionelle Kindheit endet mit sieben Jahren jäh, als ihr Vater Ben in einem Indizienprozess des Mordes an seiner Geliebten schuldig gesprochen und zu einer langjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird. Von da an ist sie, wohin sie auch geht, überall nur noch das "Mörderkind". Als Ben nach 18 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, weigert sie sich, mit ihm zu kommunizieren. Doch eine letzte Nachricht erreicht sie: als er bei einem Feuer ums Leben kommt, bittet er den Rettungssanitäter, der sich um ihn kümmert, Fiona auszurichten, dass er sie immer geliebt hat und … dass er kein Mörder ist.

Anfangs ist Fiona einfach nur wütend, da ihr Vater es in ihren Augen wagt, sie über seinen Tod hinaus zu belügen. Doch dann kommen die Zweifel. Vielleicht ist er ja doch kein Mörder? Schließlich hat er den Mord nie gestanden, obwohl er damit sogar seine Gefängnisstrafe hätte verkürzen können. Und der Rettungssanitäter Matthias ist sowieso der Meinung, dass Sterbende meistens die Wahrheit sagen. Also versucht Fiona herauszufinden, was damals wirklich passiert ist und merkt schnell, dass es Menschen gibt, die nicht wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt…

Das Buch wechselt dann immer zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit, in der Bens ermordete Geliebte Julia aus ihrer Sicht erzählt. Obwohl der Kriminalfall interessant und spannend ist, ist es kein Krimi im eigentlichen Sinne. Im Mittelpunkt steht Fiona und ihr durch den Mord völlig verkorkstes Leben. Ihre Kindheit und Jugend waren ein Albtraum, sie ist unfähig längerfristige Beziehungen aufzubauen, stößt viele Leute vor den Kopf und weiß nicht, was sie aus ihrem Leben machen soll. Sie hat keinen festen Job und versucht, sich das aus dem Kopf zu schlagen, was sie eigentlich machen will: etwas Künstlerisches.

Inge Löhnig ist auch in diesem Buch ihrem einfühlsamen und eindrucksvollen Erzählstil aus den Kommissar-Dühnfort-Krimis treu geblieben, was den Leser umso mehr mit Fiona und ihrem Schicksal mitfühlen lässt. Auch die ungeahnten Wendungen, die der Fall nimmt, haben mir gut gefallen und keine Langeweile beim Lesen aufkommen lassen. Mal kein Dühnfort-Krimi, aber absolut lesenwert!

Bewertung vom 30.11.2014
Aufstieg und Fall großer Mächte
Rachman, Tom

Aufstieg und Fall großer Mächte


gut

Hätte ich dieses Buch in einer Buchhandlung gesehen, wäre ich weitergegangen. Der Titel gibt keinen Hinweis darauf, um was für ein Buch es sich handelt und das Cover – obwohl es gut gemacht ist! – genauso wenig. Die Inhaltsangabe hat mich aber neugierig gemacht, denn welchem Bücherwurm geht nicht das Herz auf, wenn er von einem Roman hört, in dem eine Frau einen kleinen, nicht sehr lukrativen Buchladen führt?

Im Nachhinein kann ich sagen, dass Cover und Titel doch gut zum Buch passen, da es für mich eher undurchschaubar war.

Tooly Zylberberg ist Anfang Dreißig und hat ein chaotisches Leben hinter sich, von dem der Leser in vielen Zeitsprüngen und Ortswechseln im Laufe des Buchs erfährt. Jetzt lebt Tooly in einem Dorf in Wales und wahrscheinlich würde sich daran nie etwas ändern, wenn nicht ein Bekannter aus ihrem "alten" Leben plötzlich mit ihr Kontakt aufgenommen hätte, um ihr zu sagen, dass es einem Freund sehr schlecht geht. Tooly reist also nach New York, begegnet Menschen von früher, erfährt einige unangenehme Wahrheiten und versucht, mit sich selbst und ihrem Leben ins Reine zu kommen und sich überhaupt darüber klar zu werden, wer sie eigentlich ist.

Einerseits ist es ein toller Roman: großartig geschrieben mit vielen literarischen Anspielungen – der Traum eines jeden Buchliebhabers. Mein Problem ist nur, dass ich mit keiner einzigen Figur in diesem Buch warm geworden bin. Wenn ich wenigstens jemanden richtig gehasst hätte, hätte das schon geholfen, aber mir waren sie alle, Tooly eingeschlossen, völlig gleichgültig, und vor allem gab es keine einzige Handlungsweise, die ich hätte nachvollziehen können und ich konnte auch nicht verstehen, dass so vieles nicht getan wurde, was hätte getan werden müssen.

Ja, Tooly hatte eine dysfunktionale Kindheit – das merkt man schnell. Ja, sie hat es nicht gelernt, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und ihr Leben zu planen. Aber trotz dieses Hintergrundwissens bin ich mit ihr nicht klargekommen. Und die Menschen in ihrem Leben waren mir alle zu extrem.

Ich habe das Buch immer wieder zur Seite gelegt und erst nach einer Weile weitergelesen. Es gab viele schöne Passagen, viele interessante Dialoge, aber das hat mir nicht gereicht. Es hat mich einfach nicht erreicht…