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TochterAlice
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 1335 Bewertungen
Bewertung vom 10.04.2024
Gruß aus der Küche
Noll, Ingrid

Gruß aus der Küche


gut

Unlogische Wendung

Ich habe auf der Buchmesse in Leipzig die fast 90jährige Autorin Ingrid Noll bei einer Lesung dieses Buches erlebt und war begeistert. Der Roman versprach eine Frische, die Ingrid Noll aufs Glaubwürdigste zu transportieren wusste.

In dieser Hinsicht wurde ich von der Lektüre auch nicht enttäuscht - und auch einige der Protagonisten sind ganz wunderbar gezeichnet!

Allerdings nimmt die Handlung eine Wendung, für die die Bezeichnungen unlogisch oder unpassend absolute Untertreibungen bedeuten. Ab da verloren Autorin und Roman mich - was wunderbar begonnen hatte, ging leider den Bach runter!

Bewertung vom 07.04.2024
Der Wind kennt meinen Namen
Allende, Isabel

Der Wind kennt meinen Namen


sehr gut

Einmal um die ganze Welt
Oder jedenfalls fast - mit Isabel Allende kommt man diesmal ganz schön herum. Sowohl geographisch als auch historisch gesehen. Nach einem wirklich sehr heftigen, dabei durchaus authentischen Start in Wien 1938 begleiten wir das jüdische Kind Samuel Adler nach England, wo es zunächst ohne Liebe, dann aber mit Eltern im Geiste und Musik als lebenslangem Elixir aufwächst. In den Staaten lernen wir zunächst Leticia kennen, dann auch den smarten Frank, seines Zeichens werdender Staranwalt, der sich mehr und mehr für die überhaupt nicht trendige Sozialarbeiterin erwärmt.

Es kommen auch noch weitere Akteurinnen ins Spiel, vor allem die kleine sehbehinderte Anita, die mit ihrer Mutter aus El Salvador in eine bessere Zukunft aufbricht und dort schließlich im wahrsten Sinne des Wortes mutterseelenallein zurecht kommen muss. Und dann - wir schreiben inzwischen 2020 - bricht auch noch die Pandemie aus.

Ich muss sagen, ich finde nicht alle Werke der Autorin gut - "Das Geisterhaus" hat mir damals, in den ganz frühen Jahren meines Erwachsenenlebens ganz neue Dimensionen der Literatur aufgezeigt und "Porträt in Sepia" gehört zu dem Besten, was ich je gelesen habe.

Damit kann es dieses Werk nicht aufnehmen, dennoch hat es mich zutiefst beeindruckt - Frau Allende schreibt sich mit großem Respekt und noch mehr Achtung durch die verschiedenen Erdteile und es gelingt ihr vor allem, tatsächlich alle Fäden aufs Wirkungsvollste zusammen zu ziehen. Auch die Figuren - vor allem die männlichen, also Samuel und Frank und dann auch die kleine Anita, die sich in selbst geschaffene Welten rettet, sind stark und eindringlich gestaltet.

Ein Alterwerk der besten Art. Eines, das unterhaltsam und eindringlich zugleich ist.

Bewertung vom 07.04.2024
Mein Name ist Estela
Trabucco Zerán, Alia

Mein Name ist Estela


sehr gut

Jetzt spricht Estela
Estela, die in der Hackordnung der Familie ganz unten steht - beziehungsweise bis heute stand. Genauer gesagt: weit unter dieser, so würden es zumindest ihre Arbeitgeber sehen. Aber es ist etwas Außerordentliches, Grauenvolles geschehen - so groß, dass ihre Meinung keine Rolle (mehr) spielt.

Ein Romen, der Grenzen aufweicht, der in die Vollen geht, der die Leser fordert - manche sicher auch überfordert. Denn dieser Erguss - das ist aus meiner Sicht die passendste Bezeichnung für die Art des Textes - ist an Intensität nicht zu überbieten. Es ist ein Monolog - nicht der eines gestürzten Kriegherren, eines Königs vor dessen Abdankung oder einer Göttin. Nein, es ist der einer über Jahre benachteiligten Dienstbotin, in dem so manches zutage gefördert wird.

Anderes allerdings auch nicht - stellenweise konnte ich dem Text nicht mehr folgen, die Zusammenhänge blieben für mich unklar. Ein großes Projekt einer jungen chilenischen Autorin, das aus meiner Sicht in Teilen geglückt ist.

Bewertung vom 02.04.2024
The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding


gut

Nichts Besonderes
Und dazu schon mal dagewesen. Auch auf Deutsch. Es gab nämlich eine erste Auflage im Jahr 2018.

Darum geht es: Das erstaunliche Ding geistert durch alle Kanäle: eine recht große, leicht warme Skulptur, die April May eines Nachts ganz zufällig in "ihrer" Stadt New York entdeckt hat. Sie meldet es sofort ihrem Studienfreund und was folgt, ist eine Vermarktung ganz großen Stils.

Genauso wie bei diesem Buch. Denn hier schreibt einer, der sich ganz offensichtlich an den Erfolg seines Bruders dranhängen will, nämlich an den von John Green. Schon mal gehört? Kein Wunder, denn dieser schuf tolle, wertvolle Jugendbücher, allen voran "Das Schicksal ist ein mieser Verräter", das ich Lesern jeden Alters von Herzen empfehle. Dasselbe tut John mit dem Buch seines Bruders, das er gar als "brillant" bezeichnet.

Bei aller (Bruder)Liebe - das ist es nun wirklich nicht. Es ist ganz nett zu lesen, zumindest anfänglich, denn es geht richtig spritzig los. Aber sehr, sehr bald wiederholt sich so einiges bzw. erfolgen endlose Längen in Schilderungen und ich bin sehr sicher, dass ich längst nicht die einzige Leserin bin, die schnell an ihre Grenzen kam, was die Ausdauer anbelangt.

Ich empfehle es schon, aber nur als typisches Buch für Eltern, deren Zöglinge bei jedem Buch binnen weniger Stunden "ausgelesen" melden. Damit wird selbst das leselustigste Kind eine ganze Weile beschäftigt sein. Und möglicherweise einen Lernprozess durchlaufen, indem es erfährt, dass nicht jedes Buch ein lesenswertes ist!

Bewertung vom 28.03.2024
Der Sommer, in dem alles begann
Léost, Claire

Der Sommer, in dem alles begann


gut

Eher für Bretagne- als für Literaturfans
Beziehungsweise für solche des Unterhaltungsromans. Der Verlauf der Handlung greift tief hinein in das Wesen der Bretagne mit Druiden und Hinkelsteinen - aber ob das dort alles noch so vonstatten geht? Kann sein, ganz sicher bin ich mir aber nicht. Zudem scheint es mir ein wenig so, als wären nur ein paar bretagnetypische Phänomene herausgefischt und in den Roman eingebaut worden.

Sicher bin ich mir dagegen darin, dass die Geschichte um Hélène, Marguerite und Odette um einiges mehr an Räuberpistolen und verwegenen Wendungen enthält, als ihr gut tut.

Von dem in der Leseprobe als atmosphärischen Regionalroman mit literarischem Anspruch empfundenen Werk versprach ich mir ein ganz besonderes, eher zartes und empfindsames Lesevergnügen.

Wobei da schon klar war, dass dies ein ausgesprochen leicht zu lesender, stellenweise unterhaltsamer Roman ist - das zumindest hat sich bestätigt. Dagegen spürte ich weder die Zartheit noch die Sensibilität, ganz im Gegenteil. Die Seele der Bretagne ist mir dadurch nicht näher gerückt, ganz im Gegenteil. Ich habe das Buch sehr schnell gelesen und - davon bin ich überzeugt - nichts Wesentliches verpasst. Doch es ist kein Roman, der mein Herz erobern konnte - ich werde den Inhalt wahrscheinlich schon bald wieder vergessen haben. Hoffentlich auch die darin präsentierten Charaktere, von denen so mancher ziemlich eindimensional gezeichnet ist.

Bewertung vom 26.03.2024
Die Entflammten
Meier, Simone

Die Entflammten


gut

Eine starke Frau
Nämlich Jo van Gogh-Bonger, steht hier im Mittelpunkt. Sie hatte ihren Verehrer Theo van Gogh, den jüngeren Bruder des damals noch weitgehend unbekannten Vincent van Gogh, erst nach jahrelangem Werben erhört und dann aus Liebe geheiratet - um ihn nach rund einem Jahr an die Syphilis zu verlieren. Er hatte sich über die langen Jahre ohne sie zumindest körperlich getröstet, wofür er - wie nicht wenige damals - mit dem Leben bezahlen musste. Kurz davor hatte sich Vincent, lebenslang finanziell vollkommen abhängig von seinem Bruder, erschossen.

Jo bleibt zurück mit einem Säugling und mit so einigen Gemälden des Schwagers - ansonsten jedoch mittellos. Gelingt es ihr, ihn posthum bekannt zu machen - denn dass Vincent eine besondere Begabung hatte, war sowohl ihr als auch dem verstorbenen Gatten klar. Leider verliert sich ihre Geschichte in zahlreiche Nebenbaustellen, es kommen eine Reihe von - häufig historisch belegten - Charakteren vor, die auf mich eher verwirrend als bereichernd wirken.

Und schlimmer noch - es gibt einen zweiten Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt und mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Das alles in einem schmalen Band vereint, wirkt insgesamt auf mich überbordend, aber wenig aussagekräftig. Dennoch konnte die Autorin Simone Meier mein Interesse für Jo van Gogh-Bonger wecken - doch ich werde versuchen, mich dieser wenig bekannten Frau auf anderem Wege zu nähern - und sei es durch meine eigene Phantasie!

Bewertung vom 20.03.2024
Mein ziemlich seltsamer Freund Walter
Berg, Sibylle

Mein ziemlich seltsamer Freund Walter


sehr gut

Lisa ist einsam
Und sie fühlt sich ungeliebt. Mehr noch: gemobbt, wo sie geht und steht. Und als Leser dieser Graphic Novel kann man ihr auch nur recht geben, denn die Autorin/der Zeichner geben uns die Gelegenheit, mit ihr einen gesamten Tag zu erleben. Wahnsinn, sogar ihre Lehrerin hat nur spitze Bemerkungen für sie übrig, die Rapper und ihre Schulkameraden sind da noch um einiges brutaler.

Das ändert sich erst, als ihr beim abendlichen Waldspaziergang ein UFO über den Weg fliegt - und hält. Nicht ihretwegen, sondern um seine Passagiere, menschenähnliche Wesen mit Schwänzen, heraus zu lassen ... und wieder einzusammeln. Wobei einer übrig bleibt - nämlich Walter. Der hat eigentlich einen sehr komplizierten Namen, den Lisa aber vereinfacht - und er ist bereit, ein wenig Zeit mit ihr auf Erden zu verbringen.

Was soll man sagen - Walter räumt auf in Lisas Leben und zwar so, dass es ihr auch ohne ihn gut geht. Mehr möchte ich nicht verraten, aber es geht mir alles ein bisschen zu glatt, auch wenn die Geschichte - und ihre zeichnerische Umsetzung - durchaus liebenswert gestaltet ist.

Vom Alter her ist die Leseempfehlung m.E. etwas tief angesetzt - es ist eher was für die Schüler weiterführender Schulen als für Grundschüler!

Bewertung vom 17.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


ausgezeichnet

Issa kehrt zurück
Nämlich nach Kamerun, dem Land ihrer Ahnen. Und zwar in einem sehr besonderen Moment - sie ist zum ersten Mal schwanger und das Kind soll durch die dortigen Rituale eine sichere Ankunft auf der Erde und einen guten Start ins Leben haben.

Issa war seit Ewigkeiten, seit zehn Jahren, nicht mehr dort bei ihren Omas, wo sie doch einige Jahre gelebt hat. Zunächst kommt ihr das alles sehr fremd vor, sie kann sich kaum identifizieren, sehnt sich nach Deutschland zurück.

Doch mehr und mehr fühlt sie sich im Land angekommen, distanziert sich emotional von Deutschland, auch vom Vater des Kindes.

In einer Parallelhandlung, die für mich das eigentliche Highlight des Romans ist, geht es um die Geschichte der Frauen in Issas Familie, genauer gesagt um ihre Ahninnen, die es vom Anfang des 20. Jahrhunderts an bis in die Gegenwart nicht gerade leicht hatten. Im Kolonialstaat Kamerun, der unter anderem auch mal zu Deutschland gehörte, hatten Frauen nichts zu lachen. Aber, um ehrlich zu sein, auch unter der eigenen Regierung nicht. Aber dennoch sind die Frauen in Issas Familie stark und haben ihren eigenen Willen.

Auch wenn für meinen Geschmack zeitweise viel zu viele Lücken in der Handlung sind, ist dies ein eindringlicher, sehr besonderer Roman, der den Blick des Lesers auf die Themen Kamerun, Frauen, Migration ordentlich weitet.

Etwas für Leser:innen, die danach gieren, mal über den Tellerrand hinaus zu blicken.

Bewertung vom 15.03.2024
Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1
Nore, Aslak

Meeresfriedhof / Die Falck Saga Bd.1


gut

Durchaus breit aufgestellt
ist die hier im Mittelpunkt stehende Familie Falck, von der gleich Vertreter mehrerer Generationen eine große Rolle in der Handlung dieses Buches spielen, denn die ausgesprochen komplexe Familiengeschichte bestimmt die Handlung des Buches von der ersten bis zur letzten Seite.

Diese gestaltet sich stellenweise ausgesprochen geheimnisvoll bzw. pflastern Geheimnisse den Lebensweg gleich mehrerer Protagonisten - natürlich ist alles ineinander verschachtelt, denn es hängt alles zusammen - auch wenn gleich mehrere Familienmitglieder schon lange nicht mehr miteinander reden.

Für meinen Geschmack ist das alles etwas zu komplex, zu umfangreich und dazu viel zu verzweigt. Und dadurch so langatmig, dass ich mehrmals den Faden verlor und wieder zurückblättern musste, mehr oder weniger weit.

Insgesamt ein ungewöhnlicher, stellenweise spannender (soweit man durchgehend am Ball bleibt) und historisch interessanter Roman für wache Leser!

Bewertung vom 09.03.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


sehr gut

Nach langen Jahren der Einsamkeit und weiteren Sorgen in jüngerer Vergangenheit hat Jimmy endlich einen Freund gefunden. Der heißt Tristan und ist etwas älter - dennoch sitzt er in der Schule direkt neben Jimmy. Tristan ist zusammen mit seiner ganzen großen Familie aus dem Kosovo geflohen, die wohnen jetzt in dem kleinen belgischen Dorf, in dem auch Jimmy zu Hause ist.

Er hat von seiner Lehrerin die ehrenvolle Aufgabe erhalten, Jimmy - und ein wenig auch den großen Rest der Familie - bei den Hausaufgaben zu helfen, ihn aber auch in die Besonderheiten des Lebens in Belgien einzuführen. Im Tausch dagegen bekommt er eine Familie - zu Hause ist es gerade nämlich nicht sehr gemütlich.

Bis eines Tages Tristan und dessen Schwester ein Anliegen haben - Jimmy soll ihnen helfen, aber zunächst wird ihm kaum etwas verraten. Dennoch will er seine neuen Freunde natürlich nicht in Stich lassen, zumal sie diese Hilfe dringend nötig haben.

Ein Roman über eine Kinder- bzw. Jugendfreundschaft, bei der es um Leben und Tod geht. Und um einen sehr besonderen kleinen Jungen, der gerade ziemlich unter Druck steht.

Lize Spit hat sich bereits in ihren beiden früheren Romanen als Autorin der Extreme gezeigt. Hier tut sie es auf eine vollkommen andere Art, die mich zutiefst berührt hat in ihrem Verständnis sowohl für einsame Kinder als auch für Flüchtlinge.