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Benutzername: 
Fannie
Wohnort: 
Oelsnitz/Erzgebirge

Bewertungen

Insgesamt 136 Bewertungen
Bewertung vom 23.03.2017
Drei Meter unter Null (Restexemplar)
Heib, Marina

Drei Meter unter Null (Restexemplar)


ausgezeichnet

Das Thriller-Highlight des Frühjahrs!

Es ist der Thriller, auf den ich in diesem Frühjahr am sehnlichsten gewartet habe: „Drei Meter unter Null“ von Marina Heib. Am 6. März 2017 erschien er endlich bei Heyne Encore. Mit großen Erwartungen bin ich an dieses Buch herangegangen. Und ich wurde nicht enttäuscht.

In ihrem aktuellen Buch erzählt Marina Heib die Geschichte einer jungen Frau, deren Leben bisher mit einem guten Job, einer schicken Wohnung und einem solidem Elternhaus ganz normal verlief. Doch eines Tages entschließt sie sich, dieses Dasein hinter sich zu lassen. Sie wird zur Mörderin.

In „Drei Meter unter Null“ zeichnet Marina Heib das auf verstörende Weise faszinierende Psychogramm einer Frau, die schon in ihrer frühen Kindheit gespürt hat, dass sie anders ist als die anderen Kinder. Die namenlose Protagonistin gibt die beklemmende Geschichte aus ihrer Sicht wieder. Eine durch und durch interessante Frau: Sie ist stark, diszipliniert, rachsüchtig und schildert nüchtern und ohne den kleinsten Funken Selbstmitleid ihre Vergangenheit. Obwohl ich bis zum Schluss eine gewisse Distanz zu der Figur der Erzählerin gespürt habe, hat sie doch meine Sympathien gewonnen.

Erst relativ spät offenbaren sich dem Leser die Geschehnisse, die diese augenscheinlich so normale und doch brandgefährliche Frau zur Mörderin werden lassen. Langweilig ist es bis dorthin allerdings kein bisschen. Die Mörderin schildert in der Zwischenzeit ihre Taten, die akribischen Vorbereitungen darauf und blickt auf ihre Kindheit zurück. Stück für Stück enthüllt sich die dramatische Geschichte um die junge Frau und fügt sich schließlich zu einem erschreckenden Ganzen zusammen.

Die Sprache dieses Thrillers ist so gegensätzlich wie dessen Hauptfigur: Manchmal lässt Autorin Marina Heib ihre Protagonistin mit anspruchsvoller Wortwahl philosophieren, dann wieder fallen ziemlich deftige Ausdrücke, die im Fernsehen mit einem Piepton unterlegt würden. Einige Sätze sind so grausam und dabei doch so schön, dass sie Gänsehaut verursachen: „Ich segele ohne Boot und Balken auf einem Meer aus Wut und werde die Fluten mit Blut färben.“ („Drei Meter unter Null“, Seite 22)

Die ganze Story ist in sich absolut stimmig, nachvollziehbar und fesselt mit ihrer durchweg düsteren Stimmung. Und nachdem ich dieses Buch mit Begeisterung gelesen habe, kann ich voller Überzeugung sagen: Das sehnsüchtige Warten darauf hat sich absolut gelohnt!

Bewertung vom 21.03.2017
Strom auf der Tapete
Badey, Ada;Kühn, Claudia

Strom auf der Tapete


ausgezeichnet

Herrlich abgedrehter Jugendroman mit ernstem Kern

In Frankfurt an der Oder boxt nicht gerade der Papst, um es mit den Worten von Ron Robert Ranke zu sagen. Außer der dortigen Plattenbausiedlung, in der er mit seiner Mutter wohnt, hat der Hauptdarsteller des Jugendromans „Strom auf der Tapete“ noch nicht viel von der Welt gesehen. Das ändert sich an seinem 16. Geburtstag. Gemeinsam mit seiner sonderbaren Klassenkameradin Clara, die an den Rollstuhl gefesselt ist, fährt er hinaus in die große weite … Na ja, immerhin nach Letschow, ein verträumtes Nest an der polnischen Grenze, wo Ron Robert seinen Vater zu finden hofft.

„Strom auf der Tapete“ von Andrea Badey und Claudia Kühn (schrieb unter anderem die Romane „Türkisch für Anfänger“ und „Banklady“) ist ein herrlich abgedrehtes Jugendbuch, das auch erwachsenen Lesern eine Menge Spaß bereitet. In erster Linie ist das der wunderbaren Figur des Ron Robert Ranke alias Dicki zu verdanken, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Obwohl er nur selten duscht, ist Ron Robert ein echter Gentleman und stiehlt sich deshalb mitten ins Leserherz. Selbst die Nebendarsteller (wie etwa die böse Nachbarin Frau Müller) sind bis ins Detail ausgefeilt und strotzen nur so vor Lebendigkeit.

Mit authentischem Jugendsprech, kanonenfeuerähnlichen Dialogen und vielen kleinen Skurrilitäten, mit denen das 192-seitige Buch gespickt ist, lassen Andrea Badey und Claudia Kühn mit „Strom auf der Tapete“ das Zwerchfell des Lesers erbeben. Ron Robert zum Beispiel ist neben der Schule als An- und Verkäufer tätig und handelt sowohl mit Klopapier als auch mit abgelaufenem Dosengemüse. Seine wohnungslose Freundin aus der Plattenbausiedlung, die Bushäuschenkaiserin, bedenkt er dabei hin und wieder mit kleinen Geschenken aus seinem Imperium.

Und doch steckt hinter all den kuriosen und amüsanten Begebenheiten und Personen eine ernste Geschichte. Rons Mutter Peggy gibt sich in der Plattenbau-Tristesse dem Alkohol und wechselnden Männerbekanntschaften hin, während Clara ihre superreichen und immerzu beschäftigten Eltern so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Aber Ron Robert und Clara wären nicht Ron Robert und Clara, wenn sie die Köpfe hängen ließen und jammern würden. Denn bei den beiden ist immerhin mächtig Strom auf der Tapete.

Bewertung vom 21.03.2017
Das Scherbenhaus
Kliem, Susanne

Das Scherbenhaus


sehr gut

Nervenaufreibende Spannung bis zum Ende

Es gibt Bücher, die im Kopf des Lesers wie ein Film ablaufen – und zwar schon vom ersten Satz an. „Das Scherbenhaus“ von Susanne Kliem gehört zweifellos in diese Kategorie.

Die Köchin Carla Brendel aus Stade steht in diesem Psychothriller im Mittelpunkt des Geschehens. Seit einiger Zeit lässt ihr ein Stalker keine Ruhe. Neben seltsamen Briefen schickt er ihr verstörende Fotos von menschlicher Haut, die mit tiefen Wunden übersät ist. Kurz darauf verschwindet Carlas Halbschwester Ellen, die in Berlin lebt. Nach einigen Tagen wird die Leiche der erfolgreichen Architektin in einem Kanal gefunden. Die Polizei legt den Fall als tragisches Unglück zu den Akten, doch Carla glaubt nicht daran. Sie gibt keine Ruhe und zieht vorübergehend in Ellens hochmoderne Wohnung ein. Dank allerfeinstem High Tech wird Carla von der Außenwelt abgeschirmt. Sie fühlt sich sicher. Doch bald schon gehen in dem Mietshaus der Luxusklasse befremdliche Dinge vor. Carla, die davon überzeugt ist, dass Ellen umgebracht wurde, befindet sich auf gefährlichem Terrain …

„Das Scherbenhaus“ erscheint heute (20. März 2017) als Paperback bei carl´s books. Das E-Book wurde bereits am 20. Februar 2017 veröffentlicht. In 22 Kapiteln erzählt Susanne Kliem auf 336 Seiten eine nervenaufreibende Story, die das Prädikat Psychothriller absolut verdient. Der Leser weiß dabei nie mehr als Carla und wird von unvorhergesehenen Ereignissen und drastischen Wendungen ebenso überrascht wie die Protagonistin. Nichts ist, wie es scheint. Wem kann Carla noch trauen? Die Spannung, in deren Zentrum diese Frage steht, hält die Autorin von Anfang bis Ende konstant auf hohem Niveau.

Mit einer starken Hauptfigur, authentischen Dialogen, einer wunderbaren Sprache und viel Atmosphäre bietet „Das Scherbenhaus“ pures Lesevergnügen und reichlich Nervenkitzel. Man kann dieses Buch nicht beiseitelegen, weil es schlichtweg Suchtpotenzial hat. Ja, diesen Satz liest man so oder so ähnlich oft in Krimi- und Thriller-Rezensionen, aber Ehrenwort: Hier stimmt er zu hundertzehn Prozent!

Allerdings hat mich eine Sache gestört, die mich lange mit mir selbst hat ringen lassen, ob ich nun vier oder fünf Sterne vergebe. Es ist die Auflösung (die ich hier natürlich NICHT verrate), denn ich halte sie für zu konstruiert. Aus diesem Grund habe ich mich nur für vier Sterne entschieden, obwohl alles andere absolut perfekt ist.

Zuvor habe ich noch kein Buch von Susanne Kliem gelesen – ein böser Fehler, wie ich mir nach der fesselnden Lektüre von „Das Scherbenhaus“ eingestehen muss, denn die in Berlin lebende Autorin versteht es meisterhaft, die Nerven der Leser aufs Äußerste zu strapazieren. Mit „Trügerische Nähe“ und „Die Beschützerin“ sind bislang neben „Das Scherbenhaus“ zwei weitere Thriller von Susanne Kliem bei carl`s books erschienen, die ich am liebsten beide auf der Stelle verschlingen würde.

Bewertung vom 31.10.2016
Opfer / Spiel-Trilogie Bd.1
Menapace, Jeff

Opfer / Spiel-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Mögen die (kranken) Spiele beginnen ...

Eine Siedlung mit hübschen Ferienhütten am Crescent Lake in der idyllischen Abgeschiedenheit Pennsylvanias sowie eine vierköpfige Familie, die der Enge der Stadt entkommen will und sich auf ein unbeschwertes Wochenende in der Natur freut: Das sind die Grundzutaten, die der US-amerikanische Autor Jeff Menapace für seinen Thriller „Das Spiel – Opfer“ benötigt. Doch bevor sich der geneigte Leser fragt, seit wann bei Heyne Hardcore Cozy Crime-Romane erscheinen, sei ausdrücklich versichert: Natürlich fehlt auch das Böse nicht – in diesem Falle in Gestalt der Brüder Arty und Jim Fanelli. Doch die beiden wollen nur spielen. Das allerdings auf ihre ganz eigene, kranke Art …

„Das Spiel – Opfer“ bildet den gelungenen Auftakt zu einer vielversprechenden Thriller-Trilogie. Der Originaltitel lautet „Bad Games“ und hat dank der fundierten Übersetzung von Sven-Eric Wehmeyer ins Deutsche nichts von seinem amerikanischen Flair eingebüßt.

Autor Jeff Menapace lässt es in Band eins zunächst ruhig angehen. Nachdem man die ersten Seiten hinter sich gelassen hat, steigert sich das am Anfang subtile Grauen Stück für Stück bis hin zu einem furiosen Finale. Dabei bietet der Autor seinen Lesern nicht nur Spannung, eine Prise Witz und messerscharfe Dialoge. Er präsentiert auch bildhaft die beeindruckende Bandbreite an Scheußlichkeiten, die sich die Fanelli-Brüder (nicht nur) für die ahnungslose Familie Lambert ausgedacht hat. Darüber hinaus beschäftigt der Autor sich, seine Figuren und die Leserschaft mit einer Frage, die wohl so alt ist wie die Menschheit selbst: Wird man böse geboren oder erst im Laufe des Lebens böse gemacht? Es ist anzunehmen, dass Jeff Menapace auch im zweiten Teil, „Das Spiel – Rache“, der am 14. November 2016 bei Heyne Hardcore erscheint, dieser Thematik nachgeht. Und wer weiß? Vielleicht liefert er ja schon darin oder in Band drei mit dem Titel „Das Spiel – Tod“, der am 10. April 2017 auf den Markt kommen soll, eine Antwort.

„Das Spiel – Opfer“ ist ein typisch amerikanischer Thriller, der sich so hervorragend liest, als würde man einen guten Horrorfilm schauen. Dieses Buch lässt den Leser mit einem ungeahnten Cliffhanger zurück, der ungeduldige Neugier auf den Nachfolgeband auslöst.

Bewertung vom 17.10.2016
11: Elf unheimliche Geschichten
Allertseder, Daniel

11: Elf unheimliche Geschichten


gut

Faszinierende Horrorstorys mit großem Manko

In seiner 136-seitigen Horror-Anthologie hat der 1998 geborene Autor Daniel D. Allertseder zehn eigene Kurzgeschichten sowie eine der Autorin Larena Delacruz zusammengetragen. Die Handlungsorte, -stränge und -zeiten überzeugen durch ihren Abwechslungsreichtum. Daniel D. Allertseder stellt damit nicht nur seine Kreativität unter Beweis, sondern auch ein echtes Talent im Erfinden von Horrorgeschichten, die tatsächlich sehr zum Gruseln taugen. Besonders „Nächster Halt: Dein Tod“ hat mich fasziniert und über Tage nicht losgelassen.

Äußerst sympathisch: Jeder Kurzgeschichte hat der im niederbayerischen Bad Birnbach lebende Autor eine Anekdote zur Entstehung der jeweiligen Story vorangestellt.

Ein großes Manko verleidet einem die Lesefreude jedoch gehörig: Das Buch strotzt nur so vor Rechtschreib- und Grammatikfehlern sowie reichlich unbeholfenen Ausdrücken. Auch inhaltliche Schnitzer hat sich Daniel D. Allertseder geleistet: Da ist eine im Jahr 2005 geborene Protagonistin im Jahr 2012 elf Jahre alt, während ihr Bruder bereits im Alter von sieben Jahren pubertiert.

Schade, denn die Geschichten haben wirklich großes Potenzial. Ein gründliches Lektorat und Korrektorat könnte aus „11 – Elf unheimliche Kurzgeschichten“ noch eine Menge herausholen.

Bewertung vom 18.04.2016
Kalt
Berg, Eric

Kalt


sehr gut

Tödliche Klassenfahrt

Acht Schüler und zwei Lehrer aus Deutschland machen sich zu einem Biologieprojekt nach Finnland auf. Doch schon bald wird die Renaturierung der finnischen Moore zur Nebensache: Erst verschwindet der Lehrer Dr. Brecht spurlos, danach seine Kollegin Mrs Greenwood. Der junge Betreuer Nooa muss die Truppe, mit der er in einem abgelegenen Camp wohnt, nun zusammenzuhalten. Später wird auch eine der Schülerinnen vermisst, deren Leiche man kurz darauf findet. Hat der seltsame Ranger Arttu Rinne etwas mit dem Tod des Mädchens zu tun? War es ein Unfall? Oder ist vielleicht einer der verbliebenen acht Campbewohner ein Mörder?

Nach "Schrei" veröffentlichte der bloomoon Verlag, das Young Adult-Imprint von arsEdition, mit "Kalt" am 12. Februar 2016 den zweiten Jugendthriller von Eric Berg. Der Autor dürfte etlichen Krimifans durch seine Spannungsromane wie "Das Nebelhaus" oder "Das Küstengrab" sowie Freunden von historischer Literatur unter dem Namen Eric Walz ein Begriff sein.

In seinem neuen Buch "Kalt" ist der Name Programm. Kälte empfinden nämlich nicht nur die Charaktere in der Geschichte - auch der Leser bekommt garantiert Gänsehaut. Schon allein mit dem Ort des Geschehens schafft Eric Berg den idealen Nährboden für Schauergefühle: Die Protagonisten bewohnen Holzhütten in einer einsamen Moorlandschaft Finnlands. Dazu kommen ein Wintereinbruch, der es in sich hat, ein angsteinflößender Ranger mit einer furchtbaren Vergangenheit und Dauer-Spannungen unter den Klassenkameraden.

"Kalt" wird aus verschiedenen Sichtweisen erzählt - es berichten die Teilnehmer der Biologie-Exkursion, deren Angehörige und der finnische Betreuer Nooa. Das verleiht der Story eine Menge Abwechslung, ohne sich negativ auf den roten Faden auszuwirken. Insgesamt ist "Kalt" ein knackiger Jugendthriller, der sich mit seinen gerade mal 192 Seiten ohne ermüdende Ausschweifungen auf das Notwendigste beschränkt. Für meinen Geschmack hätte Eric Berg an mancher Stelle ruhig ein wenig mehr ausholen dürfen - das Potenzial dazu hat die Geschichte auf jeden Fall!

Die unkomplizierte Sprache und die kurzen Kapitel machen dieses Buch zu einem "Easy Reading"-Vergnügen, das durch viel Spannung punktet und neben einigen grausamen Szenen sogar eine kleine Prise Liebe beinhaltet. Bis zum Schluss darf fleißig mitgefiebert und -gerätselt werden, wer hinter dem Tod der Schülerin und dem Verschwinden der Lehrer steckt. Ich (34) fühlte mich gut unterhalten. Ganz besonders eignet sich "Kalt" für Teens ab 14 Jahren, die sich für Thriller begeistern.

Fakt ist: Mit diesem Buch im Regal kann das nächste verregnete Wochenende ruhig kommen.

Bewertung vom 14.04.2016
Tage mit Leuchtkäfern
Hagen, Zoe

Tage mit Leuchtkäfern


ausgezeichnet

Beeindruckendes Roman-Debüt einer 17-Jährigen

Antonia ist 15 Jahre alt, verletzt sich selbst und leidet unter Bulimie. Die Einsamkeit und die Leere in ihrem Inneren bekämpft sie mit Essen, das sie regelmäßig erbricht, um sich danach wieder hundeelend zu fühlen. Eine zufällige Begegnung mit Fred verändert schließlich ihr Leben. Fred und seine Freunde bezeichnen sich selbst als der “Club der verhinderten Selbstmörder”, denn Noah, Fabien, Amira, Lynn und Fred eint genau das: Sie alle haben bereits Suizidversuche hinter sich. Antonia wird herzlich in ihren Kreis aufgenommen, lernt Freundschaft kennen und Vertrauen. Sie ist glücklich – allerdings nur für eine relativ kurze Zeit…

Mit 17 Jahren schrieb Zoe Hagen ihren Roman “Tage mit Leuchtkäfern”. Inzwischen ist die Berlinerin 21. Ihr 192-seitiges Debüt ist seit dem 14. März 2016 im Handel erhältlich.

Das Buch der jungen Autorin über ein Mädchen im Teenageralter ist dennoch kein klassisches Jugendbuch, sondern ein Roman für sämtliche Altersgruppen. Sowohl die Sprache als auch die Dialoge sind ohne Frage jugendlich, aber dieses Buch erzählt keine seichte Geschichte über typische Teenie-Probleme. “Tage mit Leuchtkäfern” ist eine einfühlsame Lektüre mit Tiefgang. Sie ist mit wundervollen Sätzen gespickt, die den Leser von Zeit zu Zeit immer wieder innehalten lassen und nachdenklich machen. “Nicht jeder, der lacht, ist glücklich. Wie heißt es so schön? Manchmal lacht man auch nur, um nicht zu weinen.” (aus “Tage mit Leuchtkäfern”, Seite 72)

Eine bedeutende Rolle, wenn auch nur in Zitatform, kommt dem französischen Schriftsteller Gustave Flaubert zu. Dank Noah wird Antonia quasi zum Fan des Verfassers von “Madame Bovary”. Einen modernen Kontrast zum etwas (Verzeihung!) angestaubten Monsieur Flaubert bilden Songtexte von Jack Johnson. Nichts verdeutlicht die vermeintlichen Gegensätze des Buches besser, denn Jugend und Anspruch schließen sich nicht aus. Das stellt Zoe Hagen in ihrem Debüt eindeutig unter Beweis.

Der Roman wird in Tagebuchform erzählt. Antonia adressiert ihre Einträge an Gott, obwohl sie nicht religiös ist. Sie meint damit vielmehr eine Kraft, “die alles irgendwie zusammenhält”. Dieser Kraft gewährt sie ungefilterte Einblicke in die Abgründe ihrer Seele, aber sie berichtet auch von den schönen Momenten, die sie gemeinsam mit ihren Freunden erlebt. Insofern ist “Tage mit Leuchtkäfern” eine emotionale Achterbahnfahrt. Antonia beeindruckt mit schonungsloser Ehrlichkeit, in erster Linie sich selbst gegenüber. Das macht sie, die starke und zugleich – in psychischer Hinsicht – schwache Hauptfigur des Buches, unglaublich sympathisch. Bei aller Schwermut verfällt sie nicht pausenlos in Selbstmitleid, was für weitere Pluspunkte sorgt.

Mit einem wahren Paukenschlag neigt sich das Buch schließlich seinem Ende zu – aber mehr wird auf gar keinen Fall verraten!

Wer eine besondere Lektüre sucht, wird mit “Tage mit Leuchtkäfern” fündig. Zoe Hagens Erstling ist vieles: Traurig, bedrückend, erschreckend, klug, modern – vor allem aber: Einzigartig!

Bewertung vom 14.04.2016
Darkmere Summer
Maslin, Helen

Darkmere Summer


ausgezeichnet

Absolutes Lesehighlight rund um ein verfluchtes Schloss

Ein verlassenes Schloss mit düsterer Vergangenheit, sechs abenteuerlustige Teenager und eine atemberaubende Atmosphäre: Das sind die wesentlichen Elemente, die Helen Maslin in ihrem ersten Roman “Darkmere Summer” zu einer faszinierenden Geschichte verbindet.

Leo ist der Star auf der Denborough-Privatschule, die Kate nur dank eines Stipendiums besuchen kann. Als Leo sie fragt, ob sie den Sommer mit ihm und seinen Freunden auf seinem geerbten Schloss verbringen will, hält sie ihn zunächst für einen Spinner. Doch er ist tatsächlich der neue Eigentümer von Darkmere Castle. Das beeindruckende Anwesen im Süden Englands liegt fernab der Zivilisation, verfügt weder über Strom noch über fließendes Wasser – an Handyempfang ist erst recht nicht zu denken. Dafür ist die Umgebung fantastisch: Eingebettet in dunkle Wälder liegt Darkmere Castle auf einem Hügel direkt über dem Meer. Private Strandpartys, jede Menge Alkohol und Spaß ohne Ende: Für die sechs Freunde beginnt der Sommer als pures Vergnügen, doch dann kippt die ausgelassene Stimmung. Kate kommt hinter bedrückende Geheimnisse, die sich einst rund um das alte Schloss zugetragen haben …

“Darkmere Summer” ist am 26. Februar 2016 bei Chicken House, einem Imprint des CARLSEN Verlags, erschienen. Nun verbindet man mit CARLSEN in erster Linie Kinder- und Jugendbücher. Doch Helen Maslins Roman lehrte selbst mich mit meinen fast 35 Jahren noch ordentlich das Gruseln. Die britische Autorin hat eine intensive Geschichte geschrieben, die sich förmlich in den Kopf des Lesers einbrennt. Sie ist eine großartige Erzählerin, die außerdem das Talent besitzt, durch Worte Bilder in 3-D entstehen zu lassen. Die markanten Figuren, mit denen sie ihre Geschichte bestückt hat, tragen dazu bei, dass man “Darkmere Summer” als echtes Lesehighlight bezeichnen darf. Leo, Kate, Hat-man Dan, Beano, Jackson und Lucy kommen alle sehr authentisch und teenagertypisch rüber. Den Gegensatz dazu bildet die Zeit um das Jahr 1825: Damals kam Elinor jung verheiratet nach Darkmere – und erlebte dort die Hölle auf Erden. Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Elinor und Kate erzählt. Dabei gelingt es Helen Maslin perfekt, die jeweils richtige Stimmung einzufangen. Übersetzerin Ilse Rothfuss hat ebenfalls einen wirklich guten Job gemacht.

Obwohl es ja heißt “Don’t judge a book by it’s cover”, muss man bei “Darkmere Summer” schon allein auf Grund seiner äußeren Erscheinung eine Ausnahme machen. Der Einband mit seinen schillernden Rot-, Orange- und Pinktönen ist bezaubernd. Außerdem sind die Anfänge der einzelnen Kapitel liebevoll mit wunderschönen Blumenranken in schwarzweiß verziert. Wer sich Helen Maslins Erstling aus dem Hause CARLSEN kauft, sollte sich unbedingt für die gebundene Ausgabe entscheiden.

“Darkmere Summer” ist also ein rundum hervorragend gelungenes Buch, das sowohl durch seine Gestaltung als auch durch den Inhalt besticht. Ich bin froh, dieses Juwel entdeckt zu haben. In meinem Buchregal bekommt es deshalb einen Ehrenplatz unter den wahren Schätzen.

Bewertung vom 14.03.2016
Der Goldene Handschuh
Strunk, Heinz

Der Goldene Handschuh


ausgezeichnet

Und das schon im Februar: Mein Buch des Jahres 2016!

Neues von Heinz Strunk! Diesmal befasst sich der Hamburger Autor, der im wahren Leben Mathias Halfpape heißt, nicht mit seiner eigenen Biografie, sondern mit der eines gefürchteten Verbrechers. Obwohl es sich bei dem 256-seitigen Buch um einen Roman handelt, basiert es auf Fakten. Heinz Strunk hat dafür die Staubschicht der bislang im Staatsarchiv Hamburg unter Verschluss gehaltenen Akten zum Fall Honka abgetragen und das Leben eines Mannes aufgearbeitet, den nicht wenige für das personifizierte Böse halten: Der vierfache Frauenmörder Fritz Honka, geboren in Leipzig. Sein Lebenslauf ist von einer Tragik, die ihresgleichen sucht. Aufgewachsen in Kinderheimen, floh er 1951 in den Westen. 1956 erlitt er einen Verkehrsunfall, der ihm sein deformiertes Aussehen bescherte. Alkohol und Verwahrlosung bestimmten sein weiteres Leben. Und der “Goldene Handschuh” natürlich, eine recht urige Kneipe im berüchtigten Hamburger Stadtteil St. Pauli. Dort kehrte Honka (Spitzname: “Fiete”) regelmäßig ein, um sich sein Lieblingsgetränk “Fako” zu genehmigen – Orangenlimonade mit Korn. Im “Handschuh” schloss er auch Bekanntschaft mit seinen vier späteren Opfern, allesamt Damen des auf der Reeperbahn einschlägigen Milieus.

Die Sprache des Romans, gleichermaßen bestehend aus niederstem Jargon und apart-kultivierter Diktion, ist genauso gegensätzlich wie die beiden Lebenswelten von Strunks Protagonisten – Fritz Honka als Vertreter des Bodensatzes der Gesellschaft, demgegenüber die adelige Reederfamilie von Dohren. Und doch sind sie sich näher als man denkt. Denn auch unter feinen Häusern verlaufen Abwasserkanäle, wie es im Film “Saw” heißt.

Heinz Strunk versteht es, dem Leser Sympathien für den Trinker Honka zu entlocken, ohne ihn zu glorifizieren. Das ist nicht der einzige Balanceakt, den der 53-jährige Autor spielend meistert. Die Stimmung im Buch nämlich reicht von Ausgelassenheit bis hin zu purer Verzweiflung. “Der goldene Handschuh” deshalb mit dem Etikett “tragikomisch” zu versehen, wäre allerdings Frevel. Diese Bezeichnung ist schlicht und ergreifend zu klein für die aberwitzige literarische Reise, auf die der Hamburger Schriftsteller und Künstler seine Leser mitnimmt. Er beschreibt Momente, die Ekel und Abscheu hervorrufen, Mitleid und Fassungslosigkeit. Aber Heinz Strunk wäre nicht Heinz Strunk, wenn er nicht ebenfalls von Dingen erzählen würde, die den Leser zu wahren Lachsalven hinreißen. Dazu kommen köstliche Dialoge, mitunter verfasst in edelstem Hamburger Schnack.

Wer dieses Buch liest, wird unweigerlich zum Zaungast im “Goldenen Handschuh”. Er schließt Bekanntschaft mit Originalen wie Soldaten-Norbert, Fanta-Rolf und Tampon-Günter, lernt beeindruckende Schimpfwörter, bekommt all die großen und kleinen Tragödien mit, die sich in der Schänke am Hamburger Berg abspielen. Er wird aber auch Zeuge von Honkas Morden, denn die beschreibt Heinz Strunk auf eindringliche Weise.

“Der goldene Handschuh” ist in diesem Jahr für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik nominiert. Völlig verdient, wie ich finde, denn dieses Buch ist ganz und gar außergewöhnlich und sucht seinesgleichen. Ich dekoriere es schon jetzt, im noch sehr jungen Lesejahr 2016, mit der Auszeichnung “Mein Lieblingsbuch des Jahres”. Bisher haben es nur sehr, sehr wenige Bücher geschafft, mich derart zu fesseln und sich in mein Gehirn zu brennen wie Heinz Strunks neuer Roman.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2016
Spreewaldgrab / Klaudia Wagner Bd.1
Dieckerhoff, Christiane

Spreewaldgrab / Klaudia Wagner Bd.1


sehr gut

Mörderischer Spreewald

In einem stockdunklen Verließ wird eine Frau gefangen gehalten. Sie hat keinerlei Erinnerungen, weiß nicht einmal, wer sie ist. Kinderstimmen in ihrem Kopf quälen sie mit Liedern wie “Häschen in der Grube” und “Dornröschen war ein schönes Kind”. Bruchstückartig setzt ihr Erinnerungsvermögen nach und nach wieder ein – doch wird ihr dieses Wissen noch nützen?

Die gelernte Kinderkrankenschwester Christiane Dieckerhoff setzt in ihrem Kriminalroman “Spreewaldgrab” auf die Beschaulichkeit der Landschaft rund um Lübben in Brandenburg. Doch das Verbrechen existiert auch im malerischen Spreewald. Für Aufklärung soll die Polizistin Klaudia Wagner sorgen – frisch getrennt und deshalb auf eigenen Wunsch jüngst aus dem Ruhrgebiet in den Osten der Republik versetzt. Welten prallen aufeinander. Christiane Dieckerhoff macht es ihrer ohnehin schon angeschlagenen Hauptfigur nicht leicht, in ihrer Wahlheimat Fuß zu fassen. Aber Klaudia Wagner ist eine unnachgiebige Frau. Sie sagt, was sie denkt. Für den Leser ist die Kriminalobermeisterin die einzige Person, der er über den Weg trauen kann. Alle anderen Charaktere sind nicht leicht zu durchschauen. Wer steht auf welcher Seite? Einen echten Sympathieträger sucht man in “Spreewaldgrab” jedenfalls vergeblich.

Die große Stärke der Autorin ist es, für eine bilderreiche Atmosphäre zu sorgen. Mit üppigen Worten und fast schon sinnlich beschreibt sie Natur und Gegend. Manche Sätze sind purer Lesegenuss.

Bei der hervorragend durchdachten Krimihandlung sorgt Christiane Dieckerhoff für Wendungen, mit denen man nicht rechnet. Als ich während des Lesens in einem leichten Anflug von Enttäuschung denke, der Klappentext des Buchs verrät ja schon alles, und nicht mehr an eine Überraschung glaube, schlägt die Autorin plötzlich einen Haken und die Geschichte erscheint in einem ganz anderen Licht. Mit diesem Kniff hält sie die Spannung bis zum Ende des 352-seitigen Krimis konstant hoch.

Apropos Ende: Das läuft ziemlich überstürzt ab. Fast schon beängstigend ist dabei die schier übernatürliche Kombinationsgabe von Klaudia Wagner, die in “Spreewaldgrab” in ihrem ersten Fall ermittelt. Christiane Dieckerhoff schreibt an einer Krimi-Reihe, in der die selbstbewusste Polizistin die Hauptrolle spielt. Ob ich auch den nächsten Band lesen werde? Sehr wahrscheinlich.