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Benutzername: 
Fannie
Wohnort: 
Oelsnitz/Erzgebirge

Bewertungen

Insgesamt 142 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2017
Ein Anderer
Huttel, Sabine

Ein Anderer


ausgezeichnet

Ein schmerzhaft schönes Buch über einen, der anders ist

Es gibt sie, diese Bücher, in die man hineinfällt, die einen Zeit und Raum, ja, alles um einen herum vergessen lassen. „Ein Anderer“ von Sabine Huttel ist einer dieser seltenen Schätze.

In ihrem aktuellen Roman erzählt die in Berlin lebende Autorin die Lebensgeschichte von Ernst Kroll. Ernst wird kurz vor dem Ersten Weltkrieg in der thüringischen Provinz geboren. Bald schon fällt auf, dass mit dem Jungen etwas nicht stimmt. Geistig und körperlich eingeschränkt, wächst er kaum und ist in seiner Entwicklung stark beeinträchtigt. Während die Mutter trotz aller Strenge nachsichtig mit dem Kleinen umgeht, kann der Vater den Umstand, dass sein Sohn ein „Kretin“ ist, nicht akzeptieren.

Doch der Junge beißt sich durch. Mit großer Mühe lernt Ernst lesen und schreiben und versucht zu helfen, wo er nur kann.

Parallel zu den Ereignissen der wechselvollen Geschichte Deutschlands erlebt der Leser Ernsts Entwicklung hautnah mit.

Sabine Huttel besitzt die wundervolle Gabe, so bildhaft zu erzählen, dass sich das Buch wie ein Film vor dem geistigen Auge des Lesers abspielt. Trotz aller Not, aller Mühen und Entbehrungen, die Ernsts Familie hinnehmen muss, lässt sie ihre Leser durch die Augen ihrer Hauptfigur die kleinen Dinge des Lebens betrachten, und beschreibt diese mit Hingabe und Sinnlichkeit: das Gefühl von wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut, der Duft eines noch ofenwarmen Kuchens, der Sommerwind, der durch die alte Linde beim Pfarrhaus streicht … Wer kann da ernsthaft behaupten, dass Ernst dumm ist, blödsinnig oder gar „unwertes Leben“, wie es die Nazis einst so fürchterlich formulierten?

„Ein Anderer“ ist ein schmerzhaft schönes Buch, das an sämtlichen Gefühlen rüttelt. Mal schüttelt man ungläubig den Kopf, mal schmunzelt man über Ernst und seine Sicht der Dinge, dann wieder ist man schockiert, beschämt oder den Tränen nah.

Sabine Huttel zeichnet ihre Figuren mit bemerkenswerter Schärfe. Obwohl man im Buch zahlreichen Dorfbewohnern und Verwandten von Ernst begegnet, ist ein Personenverzeichnis vollkommen unnötig, denn jede ihrer handelnden Personen ist schlichtweg unverwechselbar.

Das Auftauchen aus diesem Buch fällt schwer, so mitreißend und intensiv ist die Lebensgeschichte des Ernst Kroll.

Deshalb bleibt mir nach den fast 400 packenden Seiten nur eins zu sagen: Danke, Sabine Huttel, für dieses eindringliche Leseerlebnis!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.10.2017
Tot überm Zaun / Cosma Pongs Bd.1
Dälken, Ella

Tot überm Zaun / Cosma Pongs Bd.1


ausgezeichnet

*Schillernder Farbklecks auf der Krimi-Landkarte*

Cosma Pongs, eine Krimiautorin Anfang sechzig, die mit drei ebenfalls älteren Herrschaften in einer WG in Düsseldorf lebt, kann ihr Glück kaum fassen: In der Kleingartenanlage „Zur guten Freundschaft“ stolpert sie tatsächlich über eine echte Leiche! Hobbykriminalerin Cosma, die eigentlich Renate heißt, und ihre Gang, bestehend aus dem ehemaligen Verwaltungsbeamten von Itzenplitz, der rheinischen Frohnatur Ewald Meier-Zurhorst, der verträumten Horror-Autorin Gerda Romstätter und Kater Alfred, der dem Alkohol sehr zugetan ist, legen sofort los mit ihren Ermittlungen. Behindert werden sie dabei von Cosmas Tochter Paula, ihres Zeichens Kommissarin bei der zuständigen Mordkommission. Paula hat alle Hände voll zu tun: Sie muss nicht nur den Mord an Kleingärtner Roland Baumann aufklären, sondern auch ihre übereifrige Mutter und deren Freunde ständig vom Tatort fernhalten. Wer wird den Fall wohl zuerst lösen?

Die Autorin Ella Dälken lebt in Düsseldorf und schreibt neben Fachpublikationen auch Krimis und Kurzgeschichten. „Tot überm Zaun“ ist ihr erster Kriminalroman im Heyne Verlag und am 14. August 2017 erschienen.
Nicht nur durch ihren fröhlichen und herrlich unverkrampften Schreibstil beschert Ella Dälken Krimifreunden auf 384 Seiten puren Lesespaß. Auch ihre originellen Figuren und der bis zum Schluss ebenso spannungsreiche wie absolut stimmige Kriminalfall tragen dazu bei, dass man sich beim Lesen von „Tot überm Zaun“ nicht einen Augenblick langweilt.

Interessant ist auch die Wahl der abwechselnden Erzählperspektiven: Cosma hat in ihren Kapiteln in der Ich-Form das Wort, während Paulas Episoden quasi von einem unsichtbaren Erzähler vorgetragen worden.

Das Lokalkolorit hat ebenfalls einen Platz in „Tot überm Zaun“ erhalten, denn Ella Dälken streut eine Prise regionale Eigenarten in ihre Geschichte: Ewald Meier-Zurhorst spricht (zum Missfallen von Cosma Pongs) rheinischen Dialekt und auch die Feindschaft zwischen den Rheinmetropolen Köln und Düsseldorf nimmt die Autorin aufs Korn.

Ganz egal, ob man zu den passionierten Kleingärtnern zählt oder seine liebe Not mit dem grünen Daumen hat – dieser Krimi ist für Gartenfreunde und Nichtgärtner gleichermaßen geeignet, die ein Faible für humorvolle Kriminalgeschichten haben.

Ich wünsche mir, dass „Tot überm Zaun“ noch weitere Fälle für Cosma Pongs folgen, denn die herrlich unangepasste Hobbyermittlerin und ihre Crew stellen einen schillernden Farbklecks auf der Krimi-Landkarte dar.

Bewertung vom 22.09.2017
Abschlussball
Jochimsen, Jess

Abschlussball


gut

Marten, ein Mittdreißiger aus München, fühlt sich mitnichten so jung, wie seine Geburtsurkunde es behauptet – ganz im Gegenteil: in seinem Inneren ist er ein Greis, der nichts, aber auch gar nichts in seinem Leben dem Zufall überlässt. Spaß, Abenteuer, Freunde – das gibt es nur in den Büchern, die der gelernte Bibliotheksassistent zuhauf verschlingt. Wichtig ist ihm einzig seine Trompete, die zugleich sein Arbeitsmittel darstellt, denn Marten steht als Musiker im Dienst des Bestattungsunternehmens Berger und spielt den Verstorbenen ein letztes Lied. Doch plötzlich nimmt sein tristes Dasein eine Wendung …

"Menschen erzählen sich Geschichten, um zu leben. Und für den Tod brauchen sie die Musik."

Zitat aus „Abschlussball“

Jess Jochimsen, Autor und Kabarettist, rückt in seinem Roman „Abschlussball“, der am 9. Juni 2017 bei dtv erschienen ist, einen Beerdigungstrompeter in den Fokus. Man muss nicht alle 312 Seiten gelesen haben, um festzustellen, dass eben dieser Musiker, Marten nämlich, ein seltsamer Kauz ist – aber keineswegs ein unsympathischer. In mir hat er eine Mischung aus Mitleid und Unglauben hervorgerufen, mir aber aufgrund seines verschrobenen Wesens hin und wieder aber auch ein Lächeln abgerungen. Jess Jochimsen macht seinen Protagonisten allerdings nicht lächerlich. Das ist lobenswert, geht es in dem Buch doch in erster Linie um bittere Themen wie Trauer, Verlust und psychische Krisen.

Andererseits habe ich mir von Jess Jochimsen, der immerhin unter anderem mit dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde und auf Auftritte im „Quatsch Comedy Club“ und bei „Scheibenwischer“ zurückblicken kann, einen Roman mit mehr Skurrilität, mit mehr Komik, ja, einfach mit mehr Drive erwartet. Denn aufgrund des Klappentextes hatte ich eine verrückte Story im Sinn. So ist es eine stille Geschichte um einen klassischen Losertypen geworden, in der mit Dialogen gegeizt, aber mit Musiktheoretie verschwenderisch um sich geworfen wird.

Der Schreibstil darf als anspruchsvoll, selten sogar als anstrengend bezeichnet werden. Zwar geben sich viele liebenswert schräge Vögel in diesem Roman die Klinke in die Hand. Das allerdings hat mir leider nicht gereicht. Obwohl in „Abschlussball“ immer mal wieder illustre Szenen und Darsteller vorkommen, konnte dieser Roman insgesamt nicht zu einem besonderen Leseerlebnis, das einem im Gedächtnis bleibt, werden.

Bewertung vom 16.05.2017
Lost Boy
Groschupf, Johannes

Lost Boy


gut

Leider nicht so packend wie der erste Teil

Die Faszination für Lost Places, also Orte, die dem Verfall preisgegeben sind, ist ungebrochen. Unzählige Urban Explorer erkunden verlassene Krankenhäuser und Betriebe und veröffentlichen teils atemberaubende Bilder im Netz. Der in Berlin lebende Autor Johannes Groschupf hat seinen Jugendroman „Lost Places“ genau in diese Umgebung eingebettet: Die Freunde Lennart, Kaya, Moe, Chris und Steven machen in einer Fabrikruine eine fürchterliche Entdeckung.

Im zweiten Teil „Lost Boy“, der am 13. Januar 2017 bei Oetinger Taschenbuch erschienen ist, verlegt Johannes Groschupf das Setting in den Berliner Untergrund: stillgelegte U-Bahnhöfe und verwaiste Gleise bilden den Rahmen für die Handlung seines aktuellen Jugendromans. In dem gibt es ein Wiedersehen mit alten Bekannten aus „Lost Places“.

Worum geht es in „Lost Boy“? Lennart wacht auf einem Bahnsteig in Hamburg auf und kann sich an nichts mehr erinnern, nicht einmal an seinen Namen. Nach und nach sickern bruchstückhafte Erinnerungen in sein Bewusstsein. Eines Tages kommt er schließlich zurück in seine Heimatstadt Berlin. Aus einem Grund, den er nicht kennt, ist ihm der berühmte Underground-DJ Bulgur auf den Fersen. Lennart befindet sich in großer Gefahr …

Johannes Groschupf hat mich mit „Lost Places“ absolut begeistern können. Deshalb habe ich die Fortsetzung „Lost Boy“ mit Spannung erwartet. Die Kulisse in „Lost Boy“ ist wieder einmal etwas ganz Besonderes. Die düstere Atmosphäre der verlassenen U-Bahn-Schächte beschreibt Johannes Groschupf eindrucksvoll. Als Leser hat man absolut keine Probleme damit, sich diese Parallelwelt unter den Straßen Berlins vorzustellen.

Mysteriös und spannend ist die Geschichte von Lennart. Der Nebel um das, was passierte, bevor Lennart ohne Erinnerungen in Hamburg aufwachte, lichtet sich sowohl für die Hauptfigur des Romans als auch für den Leser nur Stück für Stück.

Allerdings konnte mich die Story von „Lost Boy“ nicht so packen wie die des Vorgängers „Lost Places“. So manche Handlung erschien mir außerdem ziemlich unlogisch. Da wird beispielsweise Lennarts Freundin Jule entführt. Anstatt nach ihr zu suchen, gibt er sich erst einmal in aller Ruhe der Musik in einer Disko hin. Auch die Figuren wirkten auf mich im Vergleich zu Teil eins platter und weniger charismatisch.

Deshalb setze ich große Hoffnungen auf den Nachfolger „Lost Girl“, der am 1. September 2017 bei Oetinger Taschenbuch veröffentlicht wird.

Bewertung vom 23.03.2017
Drei Meter unter Null  (Restauflage)
Heib, Marina

Drei Meter unter Null (Restauflage)


ausgezeichnet

Das Thriller-Highlight des Frühjahrs!

Es ist der Thriller, auf den ich in diesem Frühjahr am sehnlichsten gewartet habe: „Drei Meter unter Null“ von Marina Heib. Am 6. März 2017 erschien er endlich bei Heyne Encore. Mit großen Erwartungen bin ich an dieses Buch herangegangen. Und ich wurde nicht enttäuscht.

In ihrem aktuellen Buch erzählt Marina Heib die Geschichte einer jungen Frau, deren Leben bisher mit einem guten Job, einer schicken Wohnung und einem solidem Elternhaus ganz normal verlief. Doch eines Tages entschließt sie sich, dieses Dasein hinter sich zu lassen. Sie wird zur Mörderin.

In „Drei Meter unter Null“ zeichnet Marina Heib das auf verstörende Weise faszinierende Psychogramm einer Frau, die schon in ihrer frühen Kindheit gespürt hat, dass sie anders ist als die anderen Kinder. Die namenlose Protagonistin gibt die beklemmende Geschichte aus ihrer Sicht wieder. Eine durch und durch interessante Frau: Sie ist stark, diszipliniert, rachsüchtig und schildert nüchtern und ohne den kleinsten Funken Selbstmitleid ihre Vergangenheit. Obwohl ich bis zum Schluss eine gewisse Distanz zu der Figur der Erzählerin gespürt habe, hat sie doch meine Sympathien gewonnen.

Erst relativ spät offenbaren sich dem Leser die Geschehnisse, die diese augenscheinlich so normale und doch brandgefährliche Frau zur Mörderin werden lassen. Langweilig ist es bis dorthin allerdings kein bisschen. Die Mörderin schildert in der Zwischenzeit ihre Taten, die akribischen Vorbereitungen darauf und blickt auf ihre Kindheit zurück. Stück für Stück enthüllt sich die dramatische Geschichte um die junge Frau und fügt sich schließlich zu einem erschreckenden Ganzen zusammen.

Die Sprache dieses Thrillers ist so gegensätzlich wie dessen Hauptfigur: Manchmal lässt Autorin Marina Heib ihre Protagonistin mit anspruchsvoller Wortwahl philosophieren, dann wieder fallen ziemlich deftige Ausdrücke, die im Fernsehen mit einem Piepton unterlegt würden. Einige Sätze sind so grausam und dabei doch so schön, dass sie Gänsehaut verursachen: „Ich segele ohne Boot und Balken auf einem Meer aus Wut und werde die Fluten mit Blut färben.“ („Drei Meter unter Null“, Seite 22)

Die ganze Story ist in sich absolut stimmig, nachvollziehbar und fesselt mit ihrer durchweg düsteren Stimmung. Und nachdem ich dieses Buch mit Begeisterung gelesen habe, kann ich voller Überzeugung sagen: Das sehnsüchtige Warten darauf hat sich absolut gelohnt!

Bewertung vom 21.03.2017
Strom auf der Tapete
Badey, Ada;Kühn, Claudia

Strom auf der Tapete


ausgezeichnet

Herrlich abgedrehter Jugendroman mit ernstem Kern

In Frankfurt an der Oder boxt nicht gerade der Papst, um es mit den Worten von Ron Robert Ranke zu sagen. Außer der dortigen Plattenbausiedlung, in der er mit seiner Mutter wohnt, hat der Hauptdarsteller des Jugendromans „Strom auf der Tapete“ noch nicht viel von der Welt gesehen. Das ändert sich an seinem 16. Geburtstag. Gemeinsam mit seiner sonderbaren Klassenkameradin Clara, die an den Rollstuhl gefesselt ist, fährt er hinaus in die große weite … Na ja, immerhin nach Letschow, ein verträumtes Nest an der polnischen Grenze, wo Ron Robert seinen Vater zu finden hofft.

„Strom auf der Tapete“ von Andrea Badey und Claudia Kühn (schrieb unter anderem die Romane „Türkisch für Anfänger“ und „Banklady“) ist ein herrlich abgedrehtes Jugendbuch, das auch erwachsenen Lesern eine Menge Spaß bereitet. In erster Linie ist das der wunderbaren Figur des Ron Robert Ranke alias Dicki zu verdanken, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Obwohl er nur selten duscht, ist Ron Robert ein echter Gentleman und stiehlt sich deshalb mitten ins Leserherz. Selbst die Nebendarsteller (wie etwa die böse Nachbarin Frau Müller) sind bis ins Detail ausgefeilt und strotzen nur so vor Lebendigkeit.

Mit authentischem Jugendsprech, kanonenfeuerähnlichen Dialogen und vielen kleinen Skurrilitäten, mit denen das 192-seitige Buch gespickt ist, lassen Andrea Badey und Claudia Kühn mit „Strom auf der Tapete“ das Zwerchfell des Lesers erbeben. Ron Robert zum Beispiel ist neben der Schule als An- und Verkäufer tätig und handelt sowohl mit Klopapier als auch mit abgelaufenem Dosengemüse. Seine wohnungslose Freundin aus der Plattenbausiedlung, die Bushäuschenkaiserin, bedenkt er dabei hin und wieder mit kleinen Geschenken aus seinem Imperium.

Und doch steckt hinter all den kuriosen und amüsanten Begebenheiten und Personen eine ernste Geschichte. Rons Mutter Peggy gibt sich in der Plattenbau-Tristesse dem Alkohol und wechselnden Männerbekanntschaften hin, während Clara ihre superreichen und immerzu beschäftigten Eltern so gut wie nie zu Gesicht bekommt. Aber Ron Robert und Clara wären nicht Ron Robert und Clara, wenn sie die Köpfe hängen ließen und jammern würden. Denn bei den beiden ist immerhin mächtig Strom auf der Tapete.

Bewertung vom 21.03.2017
Das Scherbenhaus
Kliem, Susanne

Das Scherbenhaus


sehr gut

Nervenaufreibende Spannung bis zum Ende

Es gibt Bücher, die im Kopf des Lesers wie ein Film ablaufen – und zwar schon vom ersten Satz an. „Das Scherbenhaus“ von Susanne Kliem gehört zweifellos in diese Kategorie.

Die Köchin Carla Brendel aus Stade steht in diesem Psychothriller im Mittelpunkt des Geschehens. Seit einiger Zeit lässt ihr ein Stalker keine Ruhe. Neben seltsamen Briefen schickt er ihr verstörende Fotos von menschlicher Haut, die mit tiefen Wunden übersät ist. Kurz darauf verschwindet Carlas Halbschwester Ellen, die in Berlin lebt. Nach einigen Tagen wird die Leiche der erfolgreichen Architektin in einem Kanal gefunden. Die Polizei legt den Fall als tragisches Unglück zu den Akten, doch Carla glaubt nicht daran. Sie gibt keine Ruhe und zieht vorübergehend in Ellens hochmoderne Wohnung ein. Dank allerfeinstem High Tech wird Carla von der Außenwelt abgeschirmt. Sie fühlt sich sicher. Doch bald schon gehen in dem Mietshaus der Luxusklasse befremdliche Dinge vor. Carla, die davon überzeugt ist, dass Ellen umgebracht wurde, befindet sich auf gefährlichem Terrain …

„Das Scherbenhaus“ erscheint heute (20. März 2017) als Paperback bei carl´s books. Das E-Book wurde bereits am 20. Februar 2017 veröffentlicht. In 22 Kapiteln erzählt Susanne Kliem auf 336 Seiten eine nervenaufreibende Story, die das Prädikat Psychothriller absolut verdient. Der Leser weiß dabei nie mehr als Carla und wird von unvorhergesehenen Ereignissen und drastischen Wendungen ebenso überrascht wie die Protagonistin. Nichts ist, wie es scheint. Wem kann Carla noch trauen? Die Spannung, in deren Zentrum diese Frage steht, hält die Autorin von Anfang bis Ende konstant auf hohem Niveau.

Mit einer starken Hauptfigur, authentischen Dialogen, einer wunderbaren Sprache und viel Atmosphäre bietet „Das Scherbenhaus“ pures Lesevergnügen und reichlich Nervenkitzel. Man kann dieses Buch nicht beiseitelegen, weil es schlichtweg Suchtpotenzial hat. Ja, diesen Satz liest man so oder so ähnlich oft in Krimi- und Thriller-Rezensionen, aber Ehrenwort: Hier stimmt er zu hundertzehn Prozent!

Allerdings hat mich eine Sache gestört, die mich lange mit mir selbst hat ringen lassen, ob ich nun vier oder fünf Sterne vergebe. Es ist die Auflösung (die ich hier natürlich NICHT verrate), denn ich halte sie für zu konstruiert. Aus diesem Grund habe ich mich nur für vier Sterne entschieden, obwohl alles andere absolut perfekt ist.

Zuvor habe ich noch kein Buch von Susanne Kliem gelesen – ein böser Fehler, wie ich mir nach der fesselnden Lektüre von „Das Scherbenhaus“ eingestehen muss, denn die in Berlin lebende Autorin versteht es meisterhaft, die Nerven der Leser aufs Äußerste zu strapazieren. Mit „Trügerische Nähe“ und „Die Beschützerin“ sind bislang neben „Das Scherbenhaus“ zwei weitere Thriller von Susanne Kliem bei carl`s books erschienen, die ich am liebsten beide auf der Stelle verschlingen würde.

Bewertung vom 31.10.2016
Opfer / Spiel-Trilogie Bd.1
Menapace, Jeff

Opfer / Spiel-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Mögen die (kranken) Spiele beginnen ...

Eine Siedlung mit hübschen Ferienhütten am Crescent Lake in der idyllischen Abgeschiedenheit Pennsylvanias sowie eine vierköpfige Familie, die der Enge der Stadt entkommen will und sich auf ein unbeschwertes Wochenende in der Natur freut: Das sind die Grundzutaten, die der US-amerikanische Autor Jeff Menapace für seinen Thriller „Das Spiel – Opfer“ benötigt. Doch bevor sich der geneigte Leser fragt, seit wann bei Heyne Hardcore Cozy Crime-Romane erscheinen, sei ausdrücklich versichert: Natürlich fehlt auch das Böse nicht – in diesem Falle in Gestalt der Brüder Arty und Jim Fanelli. Doch die beiden wollen nur spielen. Das allerdings auf ihre ganz eigene, kranke Art …

„Das Spiel – Opfer“ bildet den gelungenen Auftakt zu einer vielversprechenden Thriller-Trilogie. Der Originaltitel lautet „Bad Games“ und hat dank der fundierten Übersetzung von Sven-Eric Wehmeyer ins Deutsche nichts von seinem amerikanischen Flair eingebüßt.

Autor Jeff Menapace lässt es in Band eins zunächst ruhig angehen. Nachdem man die ersten Seiten hinter sich gelassen hat, steigert sich das am Anfang subtile Grauen Stück für Stück bis hin zu einem furiosen Finale. Dabei bietet der Autor seinen Lesern nicht nur Spannung, eine Prise Witz und messerscharfe Dialoge. Er präsentiert auch bildhaft die beeindruckende Bandbreite an Scheußlichkeiten, die sich die Fanelli-Brüder (nicht nur) für die ahnungslose Familie Lambert ausgedacht hat. Darüber hinaus beschäftigt der Autor sich, seine Figuren und die Leserschaft mit einer Frage, die wohl so alt ist wie die Menschheit selbst: Wird man böse geboren oder erst im Laufe des Lebens böse gemacht? Es ist anzunehmen, dass Jeff Menapace auch im zweiten Teil, „Das Spiel – Rache“, der am 14. November 2016 bei Heyne Hardcore erscheint, dieser Thematik nachgeht. Und wer weiß? Vielleicht liefert er ja schon darin oder in Band drei mit dem Titel „Das Spiel – Tod“, der am 10. April 2017 auf den Markt kommen soll, eine Antwort.

„Das Spiel – Opfer“ ist ein typisch amerikanischer Thriller, der sich so hervorragend liest, als würde man einen guten Horrorfilm schauen. Dieses Buch lässt den Leser mit einem ungeahnten Cliffhanger zurück, der ungeduldige Neugier auf den Nachfolgeband auslöst.