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Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 14.03.2020
Die Kleider der Frauen
Lester, Natasha

Die Kleider der Frauen


ausgezeichnet

Als ich diesen Roman angefangen habe zu lesen, war das Ende das letzte, womit ich gerechnet habe und ich bin sehr begeistert von diesem unvorhergesehenen Handlungsverlauf. Ein Roman, über den ich nach Ende der letzten Zeile noch tagelang nachgedacht und mich gefreut habe, auf ihn gestoßen zu sein.
Die Figuren sind wunderbar gezeichnet und von einer so beeindruckenden Charakterstärke, dass man sich veranlasst sieht, über den eigenen Umgang mit den Unbilden des Lebens nachzudenken. Manch einer kann sich davon eine dicke Scheibe abschneiden.
Furchtlos und stets das Ziel vor Augen kämpfen die Figuren um den eigenen Erfolg und für ihr ganz privates Lebensglück. Es gilt Umwege zu nehmen, häufig auch mal einige Schritte zurückzugehen, aber immer stetig dem Ziel entgegen.
Freunde sind dabei unerlässlich. Und sie erweisen sich als echte Freunde, die in jeder Lebenssituation zusammenstehen, einander auffangen und unterstützen. Jeder zieht Nutzen aus dem Anderen und kann sich vollständig auf ihn verlassen.
Familie ist ein weiterer Baustein dieses Romans, der im Leben der Protagonisten wichtig ist. Sie wird als lebensnotwendige Basis angesehen, die aber gleichzeitig aus Menschen bestehen kann, die anderen Mitgliedern das Leben zur Hölle gemacht hat. Der Umgang damit ist eine weitere Aufgabe, der sich die Figuren stellen müssen. Und das in Vergangenheit und Gegenwart, denn es gibt zwei Handlungsstränge, die durch die Heldin Estella verbunden sind.
Das die Liebe in einem solchen Gesellschaftsroman nicht fehlen darf, versteht sich beinahe von selbst. Die Helden treffen in dieser wundervollen Geschichte auf den zweiten Teil ihrer selbst, den Teil, der sie ganz werden lässt. Das das Leben aber manchmal richtig dazwischen kommen kann mit all seiner Tragik, Hoffnung und Zweifeln, das bleibt den Figuren nicht erspart und macht den Roman zu einer spannenden Geschichte.
Das Buch abends vor dem Einschlafen auf den Nachttisch zu legen wird zu einer Vernunftfrage. Weiterlesen und den folgenden Tag nicht so wirklich auf die Reihe zu bekommen oder schlafen und sich vor Ungeduld unruhig im Bett zu wälzen. Auf jeden Fall lässt diese Geschichte einen nicht mehr los.

Bewertung vom 06.03.2020
Zu wahr, um schön zu sein
Engelmann, Gabriella

Zu wahr, um schön zu sein


gut

Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn dieser kurzweilige, unterhaltsame Frauenroman nicht so voller Sarkasmus stecken würde, dass der geneigte Leser nicht wirklich Zugang zu der Heldin Caro finden kann.
Was die gute Frau ab dem Tag ihrer Silberhochzeit so alles erleben muss, ist schon starker Tobak und normalerweise steckt Frau solche Dinge nicht mal so eben weg, als wäre nur eine Blumenvase der Ming-Dynastie zerschellt.
Die gute Caro wird ohne ihr Zutun in ihr Schicksal katapultiert und hat jetzt bitte schön das Beste daraus zu machen und das soll ihr durch handfesten Sarkasmus gelingen. Tut es aber nicht, denn der Leser weiß nicht wirklich wie es um ihr Gefühlsleben bestellt ist und was sich in ihrem Inneren abspielt. Sicher, sie hat Weinkrämpfe und ruft die beste Freundin um Hilfe, aber von wirklicher Trauer ist hier keine Spur. Caro tut locker und lässig, als wäre es völlig normal am 25. Hochzeitstag zu erfahren, dass der Ehemann… . Ihr Verhalten danach wirkt wenig 'echt' und auch ihr Umfeld steckt diese Info eher locker weg.
Was dann einsetzt, wenn Caro ihr Leben wieder 'entdeckt' erinnert mich streckenweise an einen schlechten Roman, der unter Klischees erstickt und an das verhalten verliebter Teenager erinnert. Ich meine Caro ist eine gestandene Frau von Mitte 40 mit entsprechend Lebenserfahrung (nehmen wir mal an, denn in 40 Jahren geschieht schon eine Menge) und die soll sich die Nacht um die Ohren schlagen, weil sie nicht weiß, was sie zu ihren ersten Date anziehen soll? Ehrlich? In dem Alter zu glauben, dass das Aussehen eine ausschlaggebende Rolle spielt, ist naiv. Entweder der andere nimmt mich so, wie ich bin oder er lässt es bleiben. Wenn nur das Aussehen den Ausschlag gibt, dann hat die gute Caro aber eine ganze Menge nicht gelernt.
Das Ende ist ziemlich typisch für Romane von Gabriella Engelmann. Wer andere von ihr gelesen hat, wird wissen wie es läuft.
Ich hätte es schöner gefunden, wenn die Heldin den Leser mehr an sich heran gelassen hätte. Der Sarkasmus verhindert letztlich auch, dass Caro einen Reifungsprozess durchläuft. Das Leben geht einfach weiter (fast so wie vorher) und einige Veränderungen, die sich ergeben haben sind eben normal und nicht zwangsläufig durch den Big Bäng am Silberhochzeitstag bedingt.

Bewertung vom 23.02.2020
Das Geheimnis von Ray's Rock / Silberflut Bd.1
Falkner, Alex

Das Geheimnis von Ray's Rock / Silberflut Bd.1


ausgezeichnet

Ein wundervolles Abenteuerbuch. Anders lässt sich diese schöne und aufregende Geschichte über Freundschaft, Unterstützung, Hilfe und Teamwork nicht beschreiben. Nach einem merkwürdigen Naturphänomen plötzlich auf sich allein gestellt, ist eine Schülergruppe gezwungen auf einer Insel mitten im Meer zu überleben.
Zunächst hocherfreut, ohne "blöde" Erwachsene zu sein, schlägt dieses sehr schnell in Ernüchterung um, als die Realität sie mit hoher Geschwindigkeit einholt. Survival ist angesagt und die Schüler müssen sich zusammenraufen. Was gar nicht so einfach ist, denn ein Mädchen hat schwere Probleme, die sie zur Einzelgängerin werden lassen. Tough aber unzugänglich zeigt sie Charakter und weiß die Dinge zu nehmen.
Die anderen lernen ihren Kopf einzusetzen, greifen auf ihr Wissen zurück und warten in schwierigen Situationen mit guten Lösungen auf. Der Gruppenzusammenhalt wächst, auch wenn es Zeiten gibt, wo sie sich gegenseitig auf die Nerven gehen und Streit in der Luft liegt.
Die vielen Rückschläge, die die Kinder in der Geschichte erleben und gezwungen sind hinzunehmen, verleiht viel Spannung und lässt den Leser am Buch haften.
Die Charaktere kommen lebensecht rüber und meistern die ihnen auferlegten Schwierigkeiten auf beeindruckende Weise.
Wunderbar in dem Zusammenhang ist das komplette Fehlen von Strom und Netzempfang. Die Kinder müssen begreifen, ohne diese Segnungen auszukommen. Die zwangsläufige Rückführung auf das "einfache Leben" bringt sie in einen Überlebensmodus, der ihnen zeigt, dass es nach wie vor ein schwieriges, aber machbares Leben außerhalb der Zivilisation gibt.
Sehr empfehlenswert, da Freundschaft und Teamwork der hohe Wert beigemessen wird, den er trotz Digitalisierung und Pseudogemeinschaft von Social Media immer noch hat.

Bewertung vom 12.02.2020
Goodbye, Bukarest
Seeberger, Astrid

Goodbye, Bukarest


sehr gut

Als ich begann diesen Roman zu lesen, fand ich mich in einer erzählten Welt wieder, die es versteht, den Leser in diese Welt hineinzuziehen. Eine dichte Erzählweise lässt den Leser in einer gefühlsgeladenen Stimmung zurück, die ihn zwangsläufig über das Gelesene nachdenken lässt.
Dabei gerät der eigentliche rote Faden manchmal aus dem Fokus, nämlich die Suche nach dem Onkel, der angeblich gestorben sein soll. Erste Spuren aus dem Nachlass der Mutter geben den Weg vor, den die hartnäckige Tochter einschlagen wird, weil sie nie geglaubt hat, dass ihr Onkel damals gestorben ist.
Auf ihrer Suche trifft die Tochter auf Menschen und deren Lebensschicksale, die alle mehr oder weniger mit dem Onkel zusammenhängen und die das Leben und Schicksal des Onkels beschreiben.
Diese Lebensschicksale sind ergreifend, bewegend, meist bedrückend, aber immer voller Hoffnung und von dem Willen zu überleben gekennzeichnet. Es findet sich immer ein Weg, immer ist jemand da, der hilft und das Wenige Eigene teilt.
Starke familiäre, freundschaftliche aber auch sexuell begründete Bindungen zwischen den Protagonisten zeichnen ein Bild gegenseitiger Abhängigkeiten und Annäherungen. Dabei sind Musik und Kunst der Kitt zwischen den Menschen. Aus diesen kulturellen Dingen ziehen alle Halt und finden ihre Bestimmung im Leben.

Goodbye Bukarest ist ein ergreifender, stimmungsvoller, streckenweise beklemmender Roman, der dem Leser deutlich vor Augen führt, wozu Hoffnung fähig ist und dass diese der größte Anker im Leben des Menschen ist.

Bewertung vom 06.02.2020
Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!
Simmons, Jo

Hilfe, ich habe meinen Bruder im Internet getauscht!


ausgezeichnet

Die Idee, unliebsame Geschwister einfach gegen ein perfektes Wunschmodell eintauschen zu können ist wunderbar und durch das Internet 'machbar/vorstellbar' geworden; das heißt, dass es eine Plattform gibt, die es theoretisch möglich machen würde. (All die hinderlichen rechtlichen/moralischen/ethischen Probleme, die sich ergeben, lassen wir hier man in der Versenkung liegen.)
Ein nervtötendes Geschwisterkind loszuwerden, ist für manch einen gekränkten Bruder/Schwester der Himmel auf Erden. Doch sollte man vorsichtig sein, mit dem, was man sich wünscht. Es könnte sein, dass man es bekommt und dann auf einmal nicht mehr haben will. So, wie es unserem Helden Jonny ergeht. Die Austauschgeschwister erweisen sich als unbrauchbar, weil ihre Eigenarten (hier überzeichnet dargestellte Klischees) Probleme aufwerfen, die ungewohnt sind. Erst langsam dringt bei Jonny durch, dass das Gewohnte vielleicht blöd ist, aber immerhin weiß man, woran man ist. Und das ist ein ganz großer Unterschied. Zu wissen, woran man ist, bringt Sicherheit und das ist für viele Kinder der Anker schlechthin.
Die Geschichte ist gut ausgedacht und spannend gehalten bis zum Schluss.
Themen, wie Internetsicherheit (nicht alles anklicken, was auf dem Bildschirm hochpoppt), Geschwisterliebe, Angst überwinden und Freunden helfen werden in die Handlung eingebaut und als wichtige Elemente des kindlichen Lebens betont.
Es gibt jedoch zwei Dinge, die ich gerne kritisch anmerken möchte:
Jonnys Mutter ist so dämlich, dass ein Leser mit gesundem Menschenverstand den Eindruck bekommt, ihr sollte die Erziehungsberechtigung entzogen werden. Wie sie mit dem Verschwinden ihres älteren Sohnes umgeht ist äußerst fragwürdig und sonst tritt sie nur als vergessliche Person in Erscheinung, die entweder arbeitet, irgendwo im Haus herumläuft oder schläft.
Es ist klar, das im Rahmen solcher Abenteuergeschichten die Eltern immer Randfiguren bleiben und vieles nicht mitkriegen dürfen, damit die Geschichte funktioniert, aber in diesem Fall ist meiner Meinung nach die Grenze des Ahnungslosen weit (!) überschritten worden.
Dann noch ein Wort zu den Illustrationen:
Sie sind witzig und modern gezeichnet und ein klein wenig verrückt, wie die Story selber. Doch leider stimmen Handlung und Bilder nicht immer überein. So z. B. hat Jonny einen Laptop, in der Illustration aber einen Desktop-PC.
Empfehlenswert, wie auch die folgenden Anmerkungen meiner Tochter (10Jahre) aufzeigen:

Wenn ich das Buch beschreiben müsste, wäre es: `Die heutige Jugend`. Das, was die Figuren in diesem Buch tun, würden die Leute von früher noch nicht einmal in Betracht ziehen, aber es passt für die heutige Generation perfekt.
Man kann sich auch sehr gut in jeden der Charaktere hineinversetzen und zwar so, dass man auch wie sie fühlt.
Der Titel zieht einen magisch an, dass man nicht an dem Buch vorbei gehen kann, ohne dass man das Buch in die Hand nimmt oder in das Buch hineinliest oder es glatt mitnimmt. Man kann dem Sog des Buches einfach nicht Endflüchten. Man kann nicht mehr auf hören zu lesen sobald man angefangen hat . Es ist quasi an den Fingern festgeklebt.

Bewertung vom 03.02.2020
Die Galerie am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.1
Cedrino, Alexandra

Die Galerie am Potsdamer Platz / Die Galeristinnen-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Was für eine Geschichte! Eingeklemmt zwischen zwei Buchdeckeln und einem anspruchslosen Schutzumschlag.
Never judge a book by its cover! Diesem Rat sollte der Leser unbedingt folgen und er wird mit einem wundervoll dargestellten Sittengemälde aus dem Berlin Anfang der 1930er Jahre belohnt.
In diesem Sittengemälde trifft der Leser auf eine junge Frau - Alice - die nach dem Tod der Mutter nach Berlin reist, um ihre ihr unbekannte Großmutter zu einem Schuldeingeständnis zu bewegen. Sie trifft auf eine Mauer des Schweigens und gnadenlose Gefühlskälte. Das ändert sich auch nicht wirklich.
Während Alice Aufnahme in die Familie ihrer Onkel findet, wird anhand ihres Alltags und ihrer Interessen das Leben in Berlin mit all seinen Facetten beschrieben. Reste der wilden 20er mit Partys, lesbischer Liebe, Kunst, viel Champagner, endlosen Zigaretten und dem Besuch illegaler Lokale illustrieren das gesellschaftliche Leben kurz vor dem Wahlsieg der Nationalsozialisten. Antisemitismus ist ein Thema, genau wie die schrittweise Aushebelung demokratischer Verfahren dem Leser vor Augen geführt wird.
Alice findet ihren Weg entlang vieler Widrigkeiten, Stolpersteinen und selbst produzierten Problemen, weil ihr sturer Dickkopf sie so manches Mal ausbremst.
Und die Liebe darf natürlich nicht fehlen. Sie verläuft als stetige Parallele im Selbstfindungsprozess von Alice - bis hin zu einem Ende, von dem hier nicht die Rede sein soll. Diese Neugier sollte den potentiellen Leser in die Buchhandlung führen.

Bewertung vom 28.01.2020
Das Wolkenschiff - Aufbruch nach Südpolaris (Das Wolkenschiff 1)
Hardy, Vashti

Das Wolkenschiff - Aufbruch nach Südpolaris (Das Wolkenschiff 1)


ausgezeichnet

Dieser wunderbare Abenteuerroman für junge Leser ab 10 Jahre ist fesselnd und bisweilen richtig pageturnerverdächtig.
Die Handlung beschreibt eine anstrengende, abenteuerliche und bisweilen halsbrecherische Reise mit einem an einen Zeppelin erinnerndes Wolkenschiff zum Südpol eines imaginären Planeten, der aus drei Kontinenten besteht.
Atmosphärische Beschreibungen der Umgebung machen den Leser zum Teilnehmer an dieser Expedition. Er fiebert mit dem Zwillingen Arthur und Marie - sie haben ihren Vater auf dessen letzter Expedition verloren - die dem vermeintlichen Unrecht, das ihm widerfahren sein soll, auf den Grund gehen wollen. Nichts als die Familienehre steht auf dem Spiel.
Die Zwillinge schließen sich einer neuen Expedition zum selben Ziel an und müssen leidvoll erfahren, dass die Menschen auf dieser Welt nun mal nicht alle freundlich sind.

Die Charaktere werden entsprechend einem Lese- und Erfahrungshorizont Zehnjähriger angepasst. So sind die Zwillinge tapfer, hart im Nehmen, ehrgeizig, zielstrebig, schlau und sehr intelligent.
Die sie umgebenden Erwachsenen - je nach deren Rolle - bösartig, freundlich, liebevoll, respektvoll, helfend, anerkennend oder grausam. Alles in einer Weise dargestellt, dass junge Leser deren Handlungsweisen verständlich nachvollziehen und akzeptieren können. Es wird aber auch fein darauf geachtet, dass die Kinder auf Augenhöhe mit den Erwachsenen sind, gleichwertige Partner, die sich allerdings beweisen müssen.

Insgesamt ein empfehlenswertes Buch mit actionreichen Szenen, guten Dialogen in einer vernünftigen Sprache, einer gut ausgedachten Welt und einem zum Teil offenen Ende, das auf weitere Abenteuer von Arthur und Marie verweist.

Bewertung vom 18.11.2019
Bülent Rambichler und der störrische Karpfen / Bülent Rambichler Bd.2
Bogner, Anja

Bülent Rambichler und der störrische Karpfen / Bülent Rambichler Bd.2


gut

Wenn der Leser diesen Provinzkrimi aufschlägt, wird er genau damit konfrontiert: mit tiefster bayerischer Provinz. Dorfleben vom Feinsten mit all seine Facetten wie Klatsch, Tratsch, durchgeknallten Charakteren und Geheimnissen hinter opulenten Fassaden.
Die Leiche taucht gleich auf den ersten Seiten auf, wenig ansehnlich, aber das stört die Drumherumstehenden überhaupt nicht. Die Witwe ist gleich zur Stelle und gibt einen bühnenreifen Trauerauftritt, der jegliche wirkliche Trauer arg vermissen lässt. Wichtiger ist, was die anwesenden Besserwisser dazu beizutragen haben: jede Menge Erkenntnisse vorgebracht im breiten Dialekt. Da stockt einem Nicht-Bayern schon manchmal der Lesefluss.
Nun ist das mit dem Bayerischen so eine Sache. Netter Klang im Gesprochenen und ähnlich wie die plattdeutsche Sprache in der Lage, Unfreundlichkeiten hübsch zu verpacken, dass die eigentliche Beleidigung nicht so reinschlägt. Und davon gibt es in Bogners Text jede Menge. Sprachliche Kämpfe, bei denen die Attacken dem Leser nur so um die Ohren fliegen. Häufig ist kein Bezug zur Aufklärung des Mordfalls zu erkennen, so wird dem Dialekt gefrönt. Erst ab der zweiten Romanhälfte nehmen die Ermittlungen Fahrt auf und die Geschichte kommt weiter. Es ist, als ob die "Kriminaler" erstmal wach werden mussten.
Die Geschichte ist gut ausgedacht und die Sache mit dem Karpfen bleibt lange im Dunkeln. Wichtige Erkenntnisse kommen quasi im Nebensatz heraus und ertrinken in bayerischer Schwärmerei.
Der Provinzkrimi lebt von dem bayerischen Dialekt, der dem Ganzen eine gewisse Würze verleiht und Nicht-Bayern einen guten Einblick in die örtliche Mentalität liefert. Würde die Geschichte auf Hoch-Deutsch geschrieben sein, sie hätte keinen Charme, wäre nüchtern und knochentrocken.
Die Sprache und der Inhalt eines Romans sollten zueinander passen und sich ergänzen, so hat jedes Genre eigene Stilelemente, die einer eigenen sprachlichen Form bedürfen. Beim störrischen Karpfen hat die Sprache nichts mit dem Inhalt zu tun. Die Geschichte lebt einzig durch den Dialekt, bei dessen Grammatik Herr Duden im Grabe rotieren würde. Es müsste aber keine Krimi sein. Ein Gesellschaftsroman wäre genauso möglich, wie eine Studie über das Leben auf dem Dorf.
Von beidem finden sich Anklänge in dem dennoch unterhaltsamen Provinzkrimi.

Bewertung vom 14.10.2019
Die Zeit des Lichts
Scharer, Whitney

Die Zeit des Lichts


gut

Mit Lee Miller lernt der Leser eine für ihre Zeit überaus schöne Frau kennen, die ihr Leben lang von einer inneren Zerrissenheit beherrscht wird.
Ein traumatischer Vorfall in ihrer Kindheit und ein sehr schlechtes Verhältnis zur Mutter werfen lange Schatten auf ihr Leben nach dem siebten Lebensjahr. Ihr Vater ist ihr Anker, er liebt sie und sorgt so für eine Kindheit, an die Lee sich gerne erinnert. Zumal die ersten sieben Lebensjahre von einer heiteren Unbeschwertheit einer Kindheit auf dem Lande sind.
Ihren ersten Job als Model gibt sie bald auf, um "Bilder zu machen und keine zu sein".
Diese Absicht führt sie nach Paris und dort in die Arme des Künstlers Man Ray. Der Leser begleitet die beiden während der wilden 20er Jahre dort. Lernt die Abgründe der Künstler-Bohemiens kennen und erlebt Lees Kampf, als eigenständige Foto-Künstlerin anerkannt zu werden. Was ihrer Zerrissenheit immer wieder Nahrung gibt, sie jedoch weiter antreibt.
Als Geliebte von Man Ray wird sie mit der Bedeutung von Sex in diesen Kreisen konfrontiert. Hier tun sich Abgründe auf, gerade auch was die fotografische Darstellung des Themas angeht.
Ein Besuch ihres Vaters in Paris bildet den Widerspruch in ihrem Leben scharf ab. Auf der einen Seite das kleine Mädchen und sein Daddy, auf der anderen Seite die erwachsene Frau, die es nicht schafft, sich zu behaupten und ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben.
Allerdings lässt man sie auch nicht, denn ihre fotografischen Arbeiten werden nicht unter ihrem Namen veröffentlicht und gewinnen Preise, sondern unter dem von Man Ray. Das kränkt sie bis ins Mark und führt neben Rays besitzergreifendem Verhalten zum Bruch.

Zwischen der Schilderung ihres Lebens in Paris werden immer wieder Kapitel eingestreut, die sich auf Erlebnisse von Miller als Kriegsfotografien im Zweiten Weltkrieg beziehen. Dokumentarisch hervorragend, führen ihre Bilder und das, was sie erlebt, sie emotional an den Rand des Abgrunds, der Alkohol ist ein treuer Freund.

Mir fällt es schwer, Zugang zu der unsteten, zerrissenen Persönlichkeit von Lee Miller zu finden. Tief in ihrem Inneren geschädigt vom Traum ihrer Kindheit, den Nacktfotos, die ihr Vater von ihr als kleines und junges Mädchen anfertigt und dem schlechten Verhältnis zur Mutter, findet sie keinen Halt im Erwachsenenleben und ist nicht in der Lage, eine feste Beziehung aufzubauen. Sie flieht, traut sich nicht, ist unsicher, was Liebe ist.
Ihre Zeit als Kriegsfotografin, die sie weit tiefer blicken lässt, als es menschliche Abgründe gibt, zieht sie weiter in ihre persönliche Misere hinein. Seelisch geschädigt, zieht sie sich in ihre eigene Welt zurück und scheint die Tage irgendwie zu verdämmern. Die Vergangenheit lauert ständig im Hintergrund, wie das Damoklesschwert bereit, hinabzufahren.

Eine Biografie über eine Persönlichkeit, die das Leben anpackt, aber doch nicht in der Lage ist, es erfolgreich und glücklich zu meistern.

Bewertung vom 07.10.2019
Die Furchtlosen Fünf
McPartlin, Anna

Die Furchtlosen Fünf


sehr gut

Die Furchtlosen Fünf beeindrucken durch ihren bedingungslosen Zusammenhalt, um eine in ihren Augen gute und richtige Sache durchzuziehen. Bedenken und Zweifel werden im Keim erstickt - das große Ganze ist ihr Ziel vor Augen und das kann nur gemeinsam erreicht werden.
So kommen vier irischen Jungs und ein Mädchen auf den Gedanken, die krebskranke Mutter ihres Freundes Johnny J. zu retten, in dem sie Geld besorgen, um sie in das medizinisch hochentwickelte Land Amerika zu bringen. Dort würde man sie heilen können und Johnny J. seine Mutter nicht verlieren.
Soweit wunderbar erdacht und auch die Ausführung des Plans wird umsichtig geplant. Mit mehr Glück als Verstand ziehen die Kinder ihr Vorhaben durch, doch kleinere Schwächen führen die Polizei auf ihre Spur.
Wunderbar geschrieben in einer flüssig zu lesenden Sprache, die sich an Gedankengängen 12-14 Jähriger orientiert, werden wie nebenbei die Sorgen und Nöte der Kinder deutlich gemacht. Ihre Furcht vor dem Arm des Gesetzes (mehr noch als vor den Eltern) und die Auswirkungen ihres Tuns für ihre Zukunft schweben wie ein Damoklesschwert über ihnen, lassen aber nie die Zweifel an ihren guten Absichten überwiegen. Bis zum Schluss stehen sie ihre Mann und ertragen tapfer das, was die Realität dann parat hält.

Der Autorin ist es wunderbar gelungen, den Balanceakt zwischen guten Absichten und falschem Tun zu halten. Die Kinder wissen immer, dass das, was sie tun falsch ist, aber die Hoffnung, dass am Ende das Gute siegen wird, ist übermächtig.
Letztlich siegt die Vernunft, auch wenn sie als Verrat daherkommt. Doch am Ende haben alle ihre Lektion gelernt und blicken dem vor ihnen liegenden Sommer fröhlich, aber reifer entgegen.