Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
brenda_wolf
Wohnort: 
Oberfranken

Bewertungen

Insgesamt 173 Bewertungen
Bewertung vom 08.08.2023
Der Trost der Schönheit
Arnim, Gabriele von

Der Trost der Schönheit


ausgezeichnet

Schönheit sprengt Grenzen
‚Die lebenskluge Frau ist weder oberflächlich noch selbstsüchtig, sie ist nicht verwöhnt oder anspruchsvoll, denkt wach, schert sich wenig um Konventionen und amüsiert sich mit ihren guten Gedanken, an denen sie andere teilhaben lässt.‘ Zitat.

Ach, wie ich dieses Buch liebe. Gabriele von Armin schreibt so poetisch, sie findet Schönheit in allen Dingen. Ich habe jedes einzelne Wort genossen, mir auf der Zunge zergehen lassen. Sie hat Recht: Es gilt das Leben in seiner bestehenden Fülle zu entdecken. Es gibt so viel zu sehen, zu hören, zu lernen, zu wissen, zu genießen, zu kochen, zu reden, zu singen, zu mögen, so viel zu fragen, zu wagen und zu vergessen … und so wenig Zeit. Gabriele von Armin schreibt: Die Schönheit des Alters liegt in der Ruhe der Wünsche. Doch auch: Im Alter dunkelt das Leben sich ein. Schnell noch ein bisschen Schönheit speichern, Farbe und Licht, ein grauer Himmel, an dem dicke Wolkenfrauen mit mächtigen Brüsten und Hintern wandern und im nächsten Moment zu einem riesigen Mann werden, den ein kleiner Windstoß enthauptet und nun fliegt sein Kopf hinter ihm her.

Ein Buch mit tiefempfundener Altersweisheit. Das Jetzt mit offenen Sinnen erleben. Gabriele von Armin schreibt: Manchmal spüre ich Räume in mir, die noch immer verschlossen sind, verriegelt, unzugänglich.

Ich erkannte mich in vielen Sätzen wieder. Sätzen, die direkt ins Herz treffen. Die Autorin ist mir zu einer lieben Freundin geworden. Denn auch ich finde Trost in der Schönheit, sonst müsste ich am Leben verzweifeln.
Fazit. Ein wundervolles Buch, dass die Seele wärmt.

Bewertung vom 15.07.2023
Refugium / Stormland Bd.1
Lindqvist, John Ajvide

Refugium / Stormland Bd.1


sehr gut

Massaker in den Schären

John Ajvide Lindqvist, der Stephen King des Nordens, hat in Schweden längst Kultstatus erlangt. Sein neuster Thriller »Refugium« ist der Auftakt zu einer großen neuen Spannungstrilogie.
Julia Malmros, Krimiautorin und Expolizistin, recherchiert zu ihrem neuesten Krimi. Sie soll die erfolgreiche Millenium-Reihe des verstorbenen Stieg Larsson weiterführen. Sie holt sich den Computercrack Kim Ribbing mit ins Boot. Der junge Mann mit den langen schwarzen Haaren ist sehr eigen, er trägt an einem Kindheitstrauma.

In der Mittsommernacht geschieht auf einer Insel in den Schären ein grausames Verbrechen. Zwei vermummte Männer, bewaffnet mit Maschinengewehren, löschen innerhalb von wenigen Sekunden sechs Menschenleben aus. Nur Astrid Helander, die 14jährigeTochter des Gastgebers überlebt. Julia und Kim sind die ersten, die am Tatort eintreffen, da Julia ein Sommerhäuschen auf der Nachbarinsel hat.

Mit den Ermittlungen ist Julias Exmann Johnny betraut. Doch auch Julia und Kim mischen mit. Julia war mit dem Gastgeber Olof Helander seit Kindertagen befreundet.

Völlig unerwartet wird Julias Millenium-Band von der Lektorin abgelehnt. Julia ist am Boden zerstört, in einem TV-Interview macht sie ihrem Ärger Luft.

»Refugium« ist spannend zu lesen. Die beiden Protagonisten Julia und Kim sind gut gezeichnet und geben zwei faszinierende Charaktere ab. Kim erinnert schon ein bisschen an Stieg Larssons Lisbeth Salander und Mikael Blomkvist ist die Vorlage für Julia. Der Hammer ist, in Wirklichkeit wurde dem Autor John Ajvide Lindqvists sein Millenium-Entwurf vom Verlag abgelehnt. So hat er sein Manuskript kurzerhand umgeändert und als Auftakt zu einer eigenständigen Thriller-Trilogie herausgebracht. Komisch ist, ich hatte tatsächlich die ganze Zeit das Gefühl, dass dieses Buch von einer Frau geschrieben wurde. Das hat der Autor gut hinbekommen.

Leider konnte mich das Buch nicht durchgängig fesseln. Ab etwa der Hälfte empfand ich manches als vorhersehbar oder langatmig, dass wurde erst wieder zum Schluss besser. Dennoch ein spannender Einstieg in die Stromland-Triologie.

Bewertung vom 06.07.2023
Über Leben in der Klimakrise
Glimbovski, Milena

Über Leben in der Klimakrise


ausgezeichnet

Tomorrow ist to late

Wer jetzt noch die Klimakrise leugnet, dem ist nicht mehr zu helfen. Angesicht der ansteigenden Temperaturen, massiven Dürren, Wassermangel und extremen Wetterphänomene stellt sich die Frage: Was kann ich eigentlich tun? Wie kann ich meinen CO² Fußabdruck als Privatperson verringern?

Neu war für mich, dass den Begriff ‚CO² Fußabdruck‘ von der Ölindustrie groß gemacht wurde. Sie kreierten eine Kampagne, um mit dem Finger auf jeden Einzelnen von uns als verantwortlich für die Klimakrise zu seinen. Sprich jeder Einzelne von uns könne seinen CO² Fußabdruck verringern und die Welt retten. Und klar, die Industrie ist fein raus.

Die Autorin Milena Glimbovski ist übrigens die Gründerin der Unverpackt-Läden-Bewegung, außerdem ist sie Speakerin für die Themen Nachhaltigkeit und Umwelt.

Die Autorin prangert das Greenwashing beim Thema Nachhaltigkeit an. Viel Konzerne schmücken sich mit diesem Begriff Nachhaltigkeit, um sich ein ;Grünes; Image zu verschaffen. Mit grünem Konsum, die Welt besser machen, klappt nicht, schreibt die Autorin. Man kann die Welt nicht mit etwas reparieren, mit dem man sie kaputt macht.

Ansteigende Temperaturen, massive Dürre, extreme Wetterphänomene – die Klimakrise ist längst auch bei uns in Deutschland angekommen. Die Trinkwasserversorgung ist nicht mehr sicher. Denn nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter kann das Wasser knapp werden. Wir machen es uns leicht, wenn wir glauben, das Trinkwasser kommt aus dem Hahn. Die Landwirtschaft hat es so schwer wie nie zuvor, während der Meeresspiegel steigt. Doch selbst wenn die politisch Verantwortlichen die große Katastrophe noch abwenden können: Viele klimatischen Veränderungen sind nicht mehr rückgängig zu machen. Wir haben keine Wahl, wir müssen uns anpassen. Die Aktivistin und Gründerin von Original Unverpackt Milena Glimbovski zeigt, wie es gehen kann. Sie stellt konkrete Maßnahmen vor, die wir politisch, aber auch privat umsetzen müssen, um eine klimaresiliente Gesellschaft zu schaffen.

Ein logischer Schritt wäre, dass Menschen, die an der Klimakrise verdienen, die mit der Zerstörung der Grundlage unserer Zivilisation ihr Geld verdienen, das Geschäft zu ruinieren. Ihnen das Handwerk zu legen oder zumindest in die Suppe zu spucken.

Fakt ist, die Klimakrise wird nicht einfach verschwinden. Der Klimawandel stellt uns immer wieder vor neunen Aufgaben. Und unsere Anpassung an den Klimawandel hat Grenzen.

Fazit: Leicht zu lesen, jedoch ein Thema mit Dynamit, ein Thema, dass uns allen wichtig sein sollte.

Bewertung vom 22.05.2023
So weit der Fluss uns trägt
Read, Shelley

So weit der Fluss uns trägt


sehr gut

Die Härte des Lebens
Auf dieses Buch hatte ich mich gefreut. Warum? Ich hatte mir genauso viel Lesevergnügen versprochen wie bei Delia Owens ‚Der Gesang der Flusskrebse‘. Denn Cover und Klappentext klingen verheißungsvoll. Ob Shelley Reads Debütroman ’So weit der Fluss uns trägt‘ meinen Erwartungen entsprechen konnte, erfahrt ihr hier.

Die 17-jährige Victoria Nash lebt auf einer Pfirsich Farm nahe dem kleinen Städtchen Iola am Fuße der mächtigen Berge Colorados im Tal des Gunnison Rivers. Sie ist schon sehr früh gezwungen Verantwortung für ihre Familie zu übernehmen, denn die Mutter verstarb als sie noch ein kleines Mädchen war. Neben dem Vater und dem Bruder hat sie auch noch für einen Onkel, der versehrt aus dem Krieg zurückkehrte und auf den Rollstuhl angewiesen ist, zu sorgen. Zeitlich befinden wir uns im Jahre 1948.

Eines Tages begegnet ihr auf der Straße ein fremder junger Mann, der ihr Herz stolpern lässt. Es ist der Indianerjunge Wilson Moon. Er ist so anders. ‚Er erlebte die Zeit nicht so wie die anderen Menschen. Er hatte es nie eilig, er empfand die Schweigepause nicht als peinlich. Er blickte nur selten in die Zukunft, und in die Vergangenheit noch weniger.‘ Die Einheimischen verachten den Fremden wegen seiner indigenen Herkunft. Sie jagen ihn aus dem Ort. Wil versteckt sich im Wald. Viktoria trifft sich heimlich mit ihm in seiner Hütte in den Bergen. Dann wird Wil brutal ermordet. Viktorias Bruder ist tief in die Geschichte verstrickt. Und Viktoria stellt bald fest, dass sie schwanger ist. Nachdem ihre Schwangerschaft nicht länger zu verbergen ist, flieht auch sie in die Berge und bringt ihr Kind ganz alleine in der Hütte, in der sie sich mit Will getroffen hatte, zur Welt.

Der Schreibstil der Autorin sehr bildhaft und poetisch. Der Leser erlebt die Geschehnisse hautnah. Die Atmosphäre in Viktorias Familie ist seltsam düster. Es ist eine sonderbare Schwere spürbar. Die Natur erlebt der Leser zum Teil als atemberaubend, zum Teil aber auch als bedrohlich. Die Protagonistin ist authentisch beschrieben. Viktorias Kraft und Überlebenswillen kommen glaubhaft rüber. Auch die Boshaftigkeit, besonders die ihres Bruders, ist von der Autorin gut skizziert. Stellenweise rutschte der Text in die Langatmigkeit ab, da musste man dann Geduld aufbringen.

Ein bemerkenswerter Satz: Das Außergewöhnliche lauert immer unter dem Gewöhnlichen.

Fazit: Ein wunderbares Debüt, jedoch nicht ganz so gut wie mein Favorit ‚Der Gesang der Flusskrebse‘.

Bewertung vom 26.04.2023
Bergfreundinnen
Schlosser, Antonia;Kestler, Katharina;Heudorfer, Katharina

Bergfreundinnen


ausgezeichnet

Der Reiz der Berge
Was macht die Faszination Berge aus? Vielen reicht es ja schon, sie von unten zu bewundern. Wahren Bergfreundinnen genügt das nicht. Sie müssen rauf, ob zu Fuß, mit dem Mountainbike oder mit Skiern. Die Freiheit liegt auf dem Berg.

Für Anfänger ist es jedoch immer ratsam sich jemandem Erfahrenen anzuvertrauen, der einem in verschiedene Techniken einweist bzw. seine Erfahrungen an einem weitergibt. Aber auch der Profi ist in den Bergen gerne mit einem Buddy unterwegs.

Berge sind Herausforderungen, sie zwingen uns, unsere Komfortzonen zu verlassen, über unsere persönlichen Grenzen hinauszugehen, denn nur so können wir über uns hinauswachsen. Und das fühlt sich richtig gut an.

Im Buch ‚Bergfreundinnen‘ gibt es ein kleines ABC fürs Anfangen. Das sollte man sich als Neuling unbedingt genauer ansehen. Die Tipps reichen von den Alpenvereinen, über Ausrüstung, Tourenwahl bis zum Wetter und der planvollen Zeit.

Ein wichtiges Thema ist die Selbsteinschätzung. Es kann absolut gefährlich werden, sich selbst zu überschätzen. Es sollte vermieden werden, sich plötzlich in einer Situation zu befindet, wo man sich fragt, wie bin ich da nur reingeraten und was mache ich jetzt. Okay, es kann trotzdem passieren. Jetzt heißt es vor allem die Angst unter Kontrolle zu bringen. Genau deshalb, sollte man in den Bergen nicht nur körperlich fit, sondern auch mental stabil sein.

Im Buch finden wir Adressen von Bergfrauen-Communitys, denen man sich anschließen kann. Aber auch ein Kapitel über die dunkle Seite der Berge: dem Bergtod.

Auch ich bin dem Reiz der Berge verfallen, deshalb übte das wunderschöne Cover mit den drei Freundinnen, die auf einem Felsvorsprung sitzen, große Faszination auf mich aus. Was ich von dem Buch erwartete, waren Inspiration, Motivation, Leidenschaft, neue Blickwinkel. Leider war das Buch der drei Bergfreundinnen für mich nicht der große ‚Bringer‘. Der berühmte Funke sprang nicht auf mich über. Die Interwies mit verschiedenen Sportlerinnen sind für Otto-Normal-Frau zwar interessant, aber sie wirken eher entmutigend auf Normal-Sportlerinnen wie mich.

Fazit: Das Buch bietet einiges an Insiderwissen, ist jedoch kein Buch für mich. Ich habe mich als Normal-Sportlerin hier nicht wieder gefunden.

Bewertung vom 14.04.2023
Muskeln - die Gesundmacher
Froböse, Ingo

Muskeln - die Gesundmacher


sehr gut

Lebensnotwenig: Fitte Muskeln

Muskel ist nicht gleich Muskel. Prof. Dr. Ingo Froböse, Deutschlands Sportwissenschaftler Nr. 1, erklärt in seinem Ratgeber die drei grundverschiedenen Muskeltypen, den Aufbau der Muskulatur, welche Rolle das Bindegewebe und die Faszien spielen und das Muskelkraft nicht gleich Muskelmasse ist.

Wenn wir regelmäßig Sport treiben, beeinflussen wir aktiv die Zusammensetzung unserer Muskeln und damit unsere körperliche Leistungsfähigkeit, das sollte jedem von uns klar sein. Denn leider beginnt der Muskelabbau bereits im Alter von 30 Jahren. Regelmäßiges Training hilft bis ins hohe Alter die Muskelkraft zu erhalten und schützt vor Muskelverlust.

Doch der Muskel benötigt Nährstoffe, die wichtigsten Baustoffe sind die Proteine, sie müssen regelmäßig nachgetankt werden. Überrascht hat mich die hohe Proteinwertigkeit des Hühnereis. In ihm sind alle essentiellen Aminosäuren enthalten, die vom Muskel zu hundert Prozent verwendet werden.

Doch was haben Stress und Angst mit unseren Muskeln zutun oder das berühmte Zähneknirschen im Schlaf? Und stimmt es wirklich: Fitte Muskeln, fittes Gehirn?

Prof. Dr. Ingo Froböse legt uns hier einen sehr komplexen Ratgeber vor, der für den Laien sehr schwer zu lesen ist. Bodybuilder, Sportler und Mediziner, die sich mit dieser Thematik schon eingehender befasst haben, finden hier sicherlich tiefergehende Erkenntnisse für sich. Für mich persönlich zu wissenschaftlich, ich fühlte mich überfordert.

Fazit: Ein anspruchsvolles Sachbuch, jedoch für Laien nicht geeignet.

Bewertung vom 02.04.2023
Mythen und Sagen der Griechen
Seelert, Sylvia

Mythen und Sagen der Griechen


ausgezeichnet

Die Götter des Olymp – entstanden aus dem Chaos

Sylvia Seelert entführt uns in die magische griechische Götterwelt. Sie bietet uns in Schautafeln einen Überblick wie alles aus dem Chaos entstand, über die Verwandtschaftsverhältnisse der Gottheiten und ihre historische Einordnung. Die Erdgötter erschufen die Titanen und aus diesen gingen die eigentlichen Götter hervor. Die griechischen Götter und Halbgötter hatten durchaus menschliche Züge, sie waren eifersüchtig, streitlustig, listig, durchtrieben. Allen voran Zeus, der Vater aller Götter, der oft Beziehungen zu irdischen Frauen in Gestalt verschiedenster Personen hatte. Seine Gattin, Hera, die eifersüchtig über ihn wacht. Im Olymp ging es nicht zimperlich zu.

Mir gefällt Sylvia Seelerts Stil uns die Griechischen Sagen unterhaltsam näher zu bringen. Das Buch selber ist ansprechend gestaltet. Die Illustrationen lockern die Thematik auf. Die Autorin bietet uns lediglich eine Einführung in die griechische Mythologie. Sechzehn kurzweilige Geschichten lassen die wichtigsten Sagen vor unserem inneren Auge erstehen. Wer auf den Geschmack gekommen ist, kann sich ja gerne tiefergehend mit dem Stoff beschäftigten.

Fazit: Eine gelungene Einführung in die Götterwelt

Bewertung vom 25.03.2023
Die Radfahrerin
Leonard, Susanna

Die Radfahrerin


ausgezeichnet

Annie, eine tollkühne Frau mit unschlagbarem Charisma

Erst kürzlich habe ich von Susanna Leonard die Romanbiographie ‚Dian Fossey - Die Forscherin‘ gelesen und war begeistert davon, wie brillant die Autorin den Stoff umgesetzt hat. In dieser Romanbiografie geht es um eine andere bemerkenswerte Frau, nämlich um die ‚Die Radfahrerin Annie Londonderry‘. Ich gebe zu, ich hatte vorher noch nichts von ihr gehört. Inzwischen weiß ich, Annie war die erste Frau, die mit dem Fahrrad die Welt umrundete.

Im ‚Bosten Tea Party Club‘ kommt es im April 1894 zu einem Disput zwischen Professor Dowe und dem Zuckerfabrikanten Samuel Thatcher. Thatcher spricht derart despektierlich von Frauen und reizt damit den guten Professor so sehr, dass der sich zu einer Wette hinreißen lässt. Es geht um 5.000 Dollar, die Professor Dowe daraufsetzt, dass es eine Frau schafft, mit dem Fahrrad die Welt zu umrunden.

Auf ein Inserat hin, meldet sich die gewitzte Annie. Sie lebt mit ihrem Mann und den drei Kindern zusammen mit ihrem Bruder und seiner Familie auf engsten Raum im jüdischen Ghetto der Stadt. Das Einkommen ist knapp, so dass Annie abends Geschäfte abklappert, um Werbeanzeigen für Zeitungen zu ergattern, mit deren Einnahmen sie ihre Familie über Wasser hält. Annie nimmt die Wette an. Der Clou ist, Annie ist in ihrem ganzen Leben noch nie auf einem Fahrrad gesessen. Erschwerend kommt hinzu, dass an die Wette Bedingungen geknüpft sind. Sie darf nur eine Garnitur Wechselwäsche mit auf die Reise nehmen und ohne einen Dollar in der Tasche starten, jedoch mit 5.000 Dollar zurückkehren. Ganz schön heftig. Annie ist zu dem Zeitpunkt 22 Jahre alt.

Annie ist eine Protagonistin, die mir gefällt. Ich kann ihren Freiheitsdrang nachvollziehen, dass sie der Enge entfliehen will, aber auch, dass sie ihre Familie mit dem Geld absichern möchte, nicht zuletzt auch die Zweifel, die sie quälen, weil sie ihre Familie 15 Monate zurücklassen muss. Ein grausamer Zwiespalt.

Annies tollkühne Radreise ist ein Meilenstein im Kampf um die Rechte der Frauen um Gleichstellung. Männer sahen zu der Zeit in der Frau ein Mittelding zwischen Kind und Mann. Sie nahmen Frauen nicht ernst. Die Frauenbewegung steckte in ihren Anfängen. Feministinnen mahnten die Rechte an, die Männer ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nahmen. Zu diesem Zeitpunkt besaßen Frauen noch nicht einmal das Wahlrecht. So war die Radreise zugleich auch von gesellschaftlicher Bedeutung. Es galt die Frauenwürde zu verteidigen. ‚Es geht um mehr als nur um einen Rekord, es geht darum, der Welt zu beweisen, dass wir Frauen zu gleichen Leistungen fähig sind wie Männer.‘ (ZITAT)

Annie besaß das Talent, Menschen für sich zu gewinnen und zu begeistern. Sie, die mittellose Jüdin aus dem Ghetto, begegnete Adelige, Mächtige und Reiche auf ihrer Reise. Annie setzte gekonnt und manipulativ ihr Charisma ein, um Menschen um den Finger zu wickeln. Sie nahm es mit der Wahrheit nicht so genau. Ihr Drang, sich ins positive Licht zu stellen, ließ sie Fakten übertrieben und ausschmücken oder gar erfinden. Und dennoch schaffte sie es, auch mich um den Finger zu wickeln.

Susanna Leonhard trifft den Ton dieser Zeit sehr gut. Sie schreibt leicht lesbar und flüssig. Man fühlt sich mitten im Geschehen. Die Autorin versteht es exzellent, den belegten historischen, wie auch den fiktiven Personen Leben einzuhauchen.

Fazit: Eine Romanbiographie, um eine bemerkenswerte und tollkühne Frau mit unschlagbarem Charisma. Super umgesetzt. Ein Pageturner.

Bewertung vom 22.03.2023
Wir hätten uns alles gesagt
Hermann, Judith

Wir hätten uns alles gesagt


ausgezeichnet

Vom Schweigen und Verschweigen

Judith Hermann gilt als eine der wichtigsten zeitgenössischen Autor:innen in Deutschland. In diesem poetischen Roman gewährt uns die Autorin Einblick in ihren Schaffensprozess.

Sie ist eines nachts mit einem Schriftstellerkollegen unterwegs, vor dem Spätkauf trifft sie auf ihren früheren Analytiker. Die Psychoanalyse liegt schon Jahre zurück, Sie hat ihm seither nicht wieder getroffen. In ihrem Erzählband ‚Lettipark‘ taucht er als Dr. Grupka auf. Sie folgt ihn in ein Lokal und es entspinnt sich eine Unterhaltung.

Judith Hermanns Sprache ist klar und präzise. In ‚Wir hätten uns alles gesagt‘ geht es um Freundschaften, Beziehungen und familiäre Bindungen. Es geht aber auch um Schweigen und Verschweigen im Schreiben, es geht um Eindrücke, Empfindungen, Gedanken, Ahnungen. Sie mischt Erfundenes mit Realem. So fragt sie sich, ist die Begegnung mit ihrem Psychoanalytiker wirklich passiert? Wie wichtig ist das überhaupt? Wieviel Biographie gibt sie Preis? Und was ist Fiktion?

Judith Hermann fängt mit ihrer poetischen Sprache ein Lebensgefühl ein. Es sind alltägliche Dinge, die sie beschreibt. Sie schreibt widersprüchlich. Es ist ein Spagat von: Was gebe ich preis und was verschweige ich. Und doch ist alles wahr.

Fazit: Eine persönliche Aufarbeitung ihrer Geschichte. Keine leichte Lektüre.

Bewertung vom 06.03.2023
Das Meer und ich
Randau, Tessa

Das Meer und ich


gut

Finde deine Lebensfreude

Tessau Randaus Bücher habe ich mich seit ihrem ersten Buch „Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich“ begeistert. Die Autorin ist Journalistin und Stress- und Burnout-Beraterin und trifft mit ihren inspirierenden Geschichten genau auf den Punkt.

Das schmale Büchlein ist hübsch gestaltet und wirkt mit seiner goldenen Schrift auf dem Cover sehr hochwertig. Man nimmt es gerne zur Hand. Auch im Innern finden sich ansprechende Zeichnungen. Aber leider bin ich diesmal vom Inhalt enttäuscht. Ich hatte mir mehr erwartet. „Das Meer und ich“ schaffte es nicht, mich mit auf die Reise nehmen. Die Erzählung von der Frau, die sich auf der Insel eine Auszeit vom Alltag gönnen möchte und die, die Lebenskünstlerin Lena kennenlernt, hat mich tatsächlich nicht gepackt. Die Geschichte lässt sich leicht lesen. Doch gelang es mir nicht, weder zu Lena noch zu der Frau, eine echte Verbindung aufzubauen.

Intention des Büchleins ist es, einen neuen Blickwinkel zu gewinnen. Grundtenor ist, dass es sinnlos ist, sich über Dinge zu ärgern, die nicht zu ändern sind und dass es immens wichtig ist, alte Gedankenmuster zu überdenken sich und seinen Körper zu akzeptieren und Dankbarkeit im Leben zu erlangen.

Vielleicht bin ich auch ein zu glücklicher Mensch, dass ich dem Stoff nichts abgewinnen konnte.

Albert Einsteins Zitat: ‚Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert,‘ sollte uns zu denken geben.

Fazt: Ein leicht und flüssig lesbares Büchlein mit wertvoller Botschaft.