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Alais

Bewertungen

Insgesamt 188 Bewertungen
Bewertung vom 22.07.2022
Mein Kompass durch die Wechseljahre
Fischer, Heide

Mein Kompass durch die Wechseljahre


ausgezeichnet

Ein freundlicher Begleiter durch eine kritische Lebensphase
Das sympathische Cover passt perfekt zum Inhalt dieses freundlichen Begleiters durch eine Zeit im Leben, die sicherlich für die meisten Frauen mit starken Emotionen, vielfältigen Problemen und manchmal auch Ängsten verbunden ist. Die Autorin schreibt sachlich und warmherzig zugleich, sodass ich mich von ihr kompetent begleitet und sanft an die Hand genommen fühlte.
Besonders beeindruckte mich an dem Schreibstil, dass sich das Buch so leicht liest, obwohl es prallgefüllt mit Informationen ist und oft sehr in die Tiefe geht. Man merkt einfach, dass es Heide Fischer als Ärztin gewohnt ist, Informationen laiengerecht zu verpacken und sich dabei auf die für die Betroffenen besonders wichtigen und somit besonders interessanten Punkte zu konzentrieren.
Die Themenvielfalt von Osteoporose über neue Gefühlswelten bis hin zum Beckenboden und vielem mehr spiegelt die Komplexität der Wechseljahre gut wider und, auch wenn am Anfang dieser Phase (bzw. eigentlich ja: Phasen) noch nicht alle Themen für mich relevant sind, war das Buch für mich sehr spannend zu lesen. Präsentiert werden verschiedenste Behandlungsmethoden (und dabei durchaus nicht nur Heilmittel der Natur, wie das Cover suggeriert), vor allem aber auch viele wertvolle Tipps von Frau zu Frau, was man jenseits der Arztpraxen tun kann, um sich diese Zeit zu erleichtern und Problemen gegenzusteuern.
Ein tolles Buch!

Bewertung vom 17.07.2022
Kreaturenkritzelbuch - Wilde Waldwesen
Hussung, Thomas

Kreaturenkritzelbuch - Wilde Waldwesen


ausgezeichnet

Zeichenschule mit Witz und Fantasie
An der Seite Gretels aus dem Märchen von Hänsel und Gretel kann man sich mit dieser fantasievollen Zeichenschule in ein spannendes Abenteuer stürzen, das von seinen kleinen und großen Leserinnen und Lesern fordert, selbst aktiv zu werden. Ein Punkt, der mir besonders gut gefiel: Es geht nicht nur darum, sich im Zeichnen fantasievoller Wesen zu üben (wobei das allein auch schon toll gewesen wäre), sondern auch darum, aktiv mitzuhelfen, etwas Gutes zu bewirken, positiv auf den Verlauf der Geschichte einzuwirken.
Die Rahmengeschichte dazu ist mit einem Augenzwinkern geschrieben und einige lustige Einfälle machen aus den Zeichenübungen manchmal regelrechte Events. Mir machte das einen Riesenspaß und ich kann mir vorstellen, dass viele Kinder dabei nicht nicht nur viel lachen und Zeichnen üben, sondern auch an Selbstvertrauen gewinnen können.
Die Übungen können allein gelöst werden, eignen sich aber auch dazu, sie im Freundeskreis durchzuführen, und können natürlich eine gute Ausgangsbasis für eigene Kreationen sein. Zur Unterstützung werden für die einzelnen Wesen Schritt-für-Schritt-Anleitungen mit hilfreichen Linien geboten. Unter den fantastischen Waldwesen befinden sich vertrautere und weniger vertraute Wesen, einfacher und weniger einfach zu zeichnende Figuren. Raum für eigene Ideen wird ebenfalls immer wieder gegeben.
Ein geniales, liebevoll gestaltetes Buch, das mir viel Freude bereitet hat!

Bewertung vom 09.07.2022
Das Haus der stummen Toten
Sten, Camilla

Das Haus der stummen Toten


ausgezeichnet

Als Eleanor ihre Großmutter besuchen möchte, begegnet sie der Person, die gerade ihre Großmutter getötet hat - doch sie kann die Person nicht beschreiben, denn sie leidet unter Prosopagnosie. Dass Eleanor Gesichter nicht voneinander unterscheiden kann, ist natürlich ein besonders interessantes Element in einer Kriminalerzählung, in der ein Mörder oder ein Mörderin frei herumläuft...
Auch den Ort, der bald zum Haupthandlungsort wird, fand ich gut gewählt – ein altes Gutshaus mit einer geheimnisvollen Vergangenheit. Eleanor begibt sich dorthin zusammen mit ihrem Freund und einem Notar, auf der Spur des geheimnisvollen Vermächtnisses ihrer Großmutter und unheilvoller Familiengeheimnisse... So erhält die Erzählung einen gruseligen Touch - man kann förmlich spüren, wie die Geister der Vergangenheit durch das Haus spuken - ohne dass sie in einen anderen Genrebereich abgleitet. Dafür wird durch einen Schneesturm, der sie von der Außenwelt abschirmt, ein klassisches, aber immer wieder gut funktionierendes Krimielement eingeführt.
Ich war von diesem Thriller begeistert, nur das Ende hätte ich mir noch etwas ausgeschmückter gewünscht. Auch wenn die wesentlichen Fragen beantwortet werden, hätte ich mir gewünscht, zu erfahren, wie es für die eine oder andere Person weitergeht.
Ein erstaunlich versöhnliches, für Thriller ungewöhnlich tiefblickendes Buch, das daran erinnert, dass ein Mensch viele verschiedene Facetten hat...

Bewertung vom 04.05.2022
Atlas der Unordnung
Papin, Delphine

Atlas der Unordnung


ausgezeichnet

Grenzen in all ihrer Vielfalt, ob sichtbar oder unsichtbar, sonderbar, umstritten, schärfstens überwacht oder eigenwillig, ob Flussgrenzen, Mauern, Barrieren, natürliche oder künstliche Grenzen, stehen im Mittelpunkt dieses spannenden Atlas. Einleitend finden sich im vorderen Teil informative Texte zur Geschichte und zum Konzept „Grenze“, danach folgt ein umfangreicher Kartenteil (eingeteilt in die Abschnitte „Grenzen als Vermächtnisse“, „Meere und Grenzen“, „Mauern und Migration“, „Spezielle Grenzen“ und „Umstrittene Grenzen“), der von kurzen Texten und Diagrammen begleitet wird. Abgeschlossen wird das Buch mit einem kleinen Fazit und einem Ausblick auf die wahrscheinliche weitere Entwicklung.
Was mich gleich begeisterte, ist die hochwertige Gestaltung mit gestochen scharfen Abbildungen, die ich als sehr augenfreundlich empfand. Das Buch ist relativ groß und doch lässt sich gut damit umgehen, ohne dass man das Gefühl hat, Schwergewichte stemmen zu müssen. Nur ein Lesebändchen habe ich vermisst, aber da dieses Buch dazu einlädt, fasziniert hin und her zu blättern, hätte mir eines allein auch nicht ausgereicht.
Natürlich hat das Thema „Grenze“ viele finstere und brisante Aspekte und das Eintauchen in die Geschichte und aktuelles Zeitgeschehen, das dieses Buch bietet, ist oft beklemmend. Aber ich fand es hilfreich, mir ein Bild von den geografischen Gegebenheiten zu machen, zum Beispiel von Guantánamo, dessen besondere Lage für schlimmsten Machtmissbrauch ausgenutzt wurde. Und natürlich findet sich in diesem Buch auch eine erläuternde Karte zu „Ukraine gegen Moskau – eine explosive Grenze“, die die angespannte Lage kurz vor Putins Angriffskrieg wiedergibt …
Aber das Buch hat auch eine Fülle weiterer Informationen zu bieten – zu Mikronationen, Pässen und ihrer Anerkennung, Niemandsländern, Enklaven, Tripoints und vielem mehr. Und für mich war es besonders spannend zu erfahren, wie verschieden das Konzept „Grenze“ im Laufe der Geschichte aufgefasst wurde (und sich immer noch weiterentwickelt).
Ein klar strukturiertes Buch, das Einblicke in viele fesselnde Themen gewährt – zum Nachschlagen, Lernen und Staunen.

Bewertung vom 06.04.2022
Monster auf der Couch
Strandberg, Mats;Jägerfeld, Jenny

Monster auf der Couch


sehr gut

Wenn sich ein Buch nicht in eine Schublade packen lässt, dann dieses! Lange rätselte ich, was ich da überhaupt vor mir habe, und war doch bzw. gerade deshalb gleich fasziniert. Worum es geht: Monster (oder drücken wir es freundlicher aus: therapiebedürftige Gestalten) aus alten Klassikern wie Stevensons „Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde“, Oscar Wildes „The Picture of Dorian Grey“ oder auch der Vampirgeschichte „Carmilla“ aus „In a Glass Darkly“ von Sheridan Le Fanu landen auf der Couch einer Psychologin aus unserer Zeit.
Die Therapiegespräche sind erstaunlich. Die Erzählungen der Patienten und Patientinnen folgen in Erzählweise und Inhalt eng den literarischen Vorlagen aus den klassischen Werken und passen doch hervorragend in die hier neugeschaffene Situation „auf der Couch“. Teilweise entsteht ein interessanter Kontrast zu den modernen Einstellungen der Psychologin, teilweise wird aber auch eine Brücke geschlagen und die Gemeinsamkeiten der Menschen der verschiedenen Zeiten treten zutage.
Gerade auch die moderne Rahmenhandlung mit der Psychologin gibt jede Menge Rätsel auf, die durch spannende Details der Buchgestaltung untermalt werden. Da finden sich von Hand geschriebene Briefe der Patienten und Patientinnen an die Psychologin, Zeichnungen, rätselhafte Flecken … Ich liebe diesen „authentischen“ Touch, der mir hilft, mich beim Lesen wie ein Teil der Welt des Romans zu fühlen. Ein wenig erscheint mir das auch eine Hommage an den irischen Klassiker „In a Glass Darkly“ von Sheridan Le Fanu zu sein, dessen Erzählungen als posthume Dokumente eines Arztes dargestellt werden. Auch die Psychologin ist zu dem Zeitpunkt, da wir uns durch die von ihr hinterlassenen aufgezeichneten Therapiegespräche lesen, nicht mehr da …
Letztendlich ließ mich „Monster auf der Couch“ ein wenig ratlos zurück. Einerseits hatte es mich begeistert und ich fand es ganz wunderbar, weil es ausgetretene Pfade verlässt und seinen ganz eigenen Weg geht. Es kam meiner Liebe zu Klassikern der (Horror-)Literatur, zur Psychologie, zur Geschichte und zu außergewöhnlichen Erzählungen, die mit einem Augenzwinkern erzählt werden, sehr entgegen.
Andererseits schwächelte es für mich im letzten Teil ein wenig, was vor allem an dem Patienten Dorian Grey lag, dessen fürchterlich flacher Charakter mich langweilte, sodass ich die Therapiegespräche mit ihm nicht so genoss wie mit den anderen Gestalten. Auch hätte ich mir das im Übrigen erfreulich überraschende Ende noch etwas ausgeschmückter gewünscht. Zumindest Letzteres ist aber Jammern auf hohem Niveau: unterm Strich ist „Monster auf der Couch“ für mich vor allem ein außergewöhnliches, humorvoll-skurriles Buch, das mich auf vielerlei Weisen fasziniert und ganz wunderbar unterhalten hat.

Bewertung vom 28.03.2022
Papier & Blut / Die Chronik des Siegelmagiers Bd.2
Hearne, Kevin

Papier & Blut / Die Chronik des Siegelmagiers Bd.2


ausgezeichnet

Leicht verrücktes Fantasyabenteuer, mit cleverem Humor und grandioser Lässigkeit erzählt:
Dies ist bereits der zweite Band der Chronik des Siegelmagiers, aber wer (wie ich) den ersten Band nicht gelesen hat, kann ganz beruhigt sein: Am Anfang steht eine ausführliche Zusammenfassung der Ereignisse aus dem ersten Band. Ich fühlte mich dadurch ausreichend informiert und hatte keinerlei Mühe, in die Geschichte einzutauchen.
Kevin Hearne erzählt aber auch auf eine unnachahmlich lässige Weise, die mich gleich begeisterte. Sie wirkt auf positive Art wunderbar amerikanisch und umfasst herrlich lustige Dialoge (großes Lob an das Übersetzerteam für die gelungene Übertragung ins Deutsche!). Worum es eigentlich geht: Der schottische Siegelmagier Al MacBharrais ist beunruhigt – zwei befreundete Siegelagentinnen sind in Australien verschwunden. Zusammen mit dem Hobgoblin Buck, der in seinem Dienst steht, bricht er auf eine gefahrvolle Reise auf, um sie zu suchen …
Buck war für mich ganz eindeutig der Star dieses Fantasyromans. Der Hobgoblin sorgt mit seiner gnadenlosen Geschwätzigkeit und Respektlosigkeit für gute Laune und bildet einen guten Gegenpol zum ernsteren Siegelmagier Al, der aufgrund eines Fluches (alle, die sich länger mit ihm unterhalten, beginnen, ihn zu hassen) für die Kommunikation mit anderen auf eine Sprach-App angewiesen ist. Wer Fan des Eisernen Druiden aus Kevin Hearnes anderen Romanen ist, kann sich außerdem auf ihn und seine beiden Hunde Oberon und Starbuck freuen. Und dann gibt es noch einige weitere schillernde Figuren ...
Die Handlung erschien mir wild, skurril und ereignisreich – leider auch oft sehr blutig, wenn auch nicht mit der voyeuristischen Detailgenauigkeit beschrieben, die man von schlechteren Thrillern kennt. Die Monster, von denen es reichlich gibt, werden allerdings als ziemlich plump und primitiv dargestellt. Das fand ich ein bisschen schade. Sie ähneln völlig emotionslosen Tötungsmaschinen, sodass es innerhalb der Erzählung akzeptabel erscheint, sie mit der gleichen Emotionslosigkeit niederzumetzeln – ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll … Undifferenziertes Denken würde ich dem Autor nämlich dennoch nicht unterstellen, dafür stellt er die meisten Handlungsfiguren zu vielschichtig dar und auch Empathie kommt in der Erzählung immer wieder zum Tragen.
Ausgestattet ist das Buch im Übrigen im hinteren Teil mit einem kurzen Glossar mit Hinweisen zur Aussprache (insbesondere für die vorkommenden gälischen Namen von Sagenwesen und der einen oder anderen Gottheit sehr nützlich, obwohl ich in solchen Fällen auch gerne gnadenlos meine eigene Aussprache erfinde).
Eine schöne Lektüre für Fantasyfans, souverän und mit cleverem Humor erzählt!

Bewertung vom 07.03.2022
Ancora
Hadler, Colin

Ancora


ausgezeichnet

Ein brillanter Pageturner, der mit magischem Realismus und Tiefgründigkeit aufwartet:
Tiefe, urwüchsige Wälder, inmitten dieser Wildnis Ancora, eine Dorfgemeinschaft, die sich sorgfältig von der übrigen Welt entfernt hält, und ganz in der Nähe geheimnisvolle, verlassene Ruinen … Vor diesem Hintergrund entfaltet der Autor eine spannende Geschichte rund um Romy, die zusammen mit ihren Freunden Aurel und Yannis in Ancora einen Urlaub der besonderen Art, ohne Smartphone oder jegliche andere moderne Technik, erleben möchte und keine Ahnung hat, auf was für ein gefährliches Spiel sie sich dabei einlässt …
Ganz kurz hatte ich zu Beginn aufgrund der Naturverbundenheit der Dorfbewohner, die geradezu religiöse Züge zu tragen scheint, die Befürchtung, diese Geschichte könnte sich in Richtung des furchtbar blutigen Horrorfilms Midsommar entwickeln, aber da habe ich den Autor Colin Hadler zum Glück unterschätzt. Auch wenn es ab und zu schön gruselig wird – er schlägt einen anderen, seinen ganz eigenen Weg ein und fesselte mich mit einer Erzählung, die mich immer wieder überraschte, mit magischem Realismus verzauberte und mit ihrer Tiefgründigkeit begeisterte.
Die Ancora umgebende Wildnis beschwört natürlich die Erinnerung an alte Legenden, aber auch die Handlungsfiguren wirken jede auf ihre Art besonders. Sie sind vielschichtig aufgebaut und werden so lebendig geschildert, dass es mir als Leserin leichtfiel, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Gleichzeitig hatte ich immer den Eindruck, dass sie etwas zu verbergen haben … Romy selbst ist mutig, warmherzig, zu Selbstkritik in der Lage und anderen Menschen offen begegnend – wie man es leider nur selten antrifft. Und auch in einem anderen Punkt ist sie alles andere als normal … aber ich will nicht zu viel verraten!
Ein Buch, das sich schnell und leicht liest, mich ganz in die besondere Atmosphäre des Dorfes und der umgebenden Wildnis eintauchen ließ und dabei immer wieder faszinierte und tief berührte.

Bewertung vom 26.02.2022
Mrs Agatha Christie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.3
Benedict, Marie

Mrs Agatha Christie / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.3


ausgezeichnet

Unglaublich, aber wahr: Es ist nun schon über 100 Jahre her, dass der erste Roman von Agatha Christie veröffentlicht wurde. Doch meine Lieblingsautorin gab den Menschen nicht nur in ihren Büchern Rätsel auf, sondern auch durch ihr geheimnisvolles elftägiges Verschwinden 1926 ... Eine Episode, die bereits zu einem, wie ich finde, eher blassen Film mit Vanessa Redgrave und Dustin Hoffman, zu einer einfach wunderbaren Folge der britischen Doctor-Who-TV-Serie und nun die Autorin Marie Benedict zu diesem spannenden Roman mit einer so erstaunlichen wie plausiblen These inspirierte ...
Marie Benedict blickt dabei auf die junge Agatha von der Zeit des Kennenlernens ihres Mannes Archie (dem sie den Nachnamen Christie zu verdanken hatte) 1912 bis zu ihrem mysteriösen Verschwinden 1926. Erzählt wird in zwei Zeitsträngen, die sich allmählich einander annähern, und aus zwei verschiedenen Perspektiven – aus Archies und aus Agathas Sicht, deren Unterschiedlichkeit der Erzählung eine gewissen Würze verleiht.
Faszinierend war für mich unter anderem die unterschiedliche Wahrnehmung des Kindermädchens Charlotte durch Archie (der sie völlig unterschätzt) und Agatha (von der sie hochgeschätzt wird) - und wie diese dann jeweils auch auf mich abfärbte. Und dies selbst bei Archie, der in diesem Roman als ziemlich borniert dargestellt wird. Es erscheint unglaublich, dass sich die wegen ihrer tiefen Menschenkenntnis so berühmte Autorin ausgerechnet in so einen Mann verliebt haben soll. In ihrer Autobiographie zeichnete Agatha Christie allerdings auch ein gnädigeres Bild von ihm – und doch lässt sich erkennen, dass Marie Benedict genau diese für ihren Roman eifrig studiert hat. Viele Details, ob Kleidung oder ein Satz, den ihre Tochter Rosalind zu Agatha sagte, fand ich in der Autobiographie, die ich parallel zur Lektüre durchblätterte, wieder. Das hatte ich ehrlich gesagt gar nicht erwartet, sondern reine Fiktion. Umso plausibler erscheint dann natürlich die (wenn auch zwangsläufig fiktive und fantastische) Erklärung, die die Autorin in diesem Werk für die fehlenden Tage in der Biographie ihrer berühmten Kollegin vorlegt ...
Ein Buch mit vielen Facetten - in einer sehr ansprechenden, wohlklingenden deutschen Fassung von Marieke Heimburger, spannend, bewegend, empfehlenswert für alle Freunde und Freundinnen der Kunst des Erzählens ...

Bewertung vom 17.02.2022
Finne dein Glück
Gieseking, Bernd

Finne dein Glück


ausgezeichnet

Ein liebevoller Blick auf finnische Kultur und Begabung zum Glücklichsein - unterhaltsam geschrieben und erkenntnisreich:
Bernd Gieseking, Kabarettist und Autor, berichtet in diesem Buch liebevoll staunend von seiner Reise durch das Land, das jede Glücksweltmeisterschaft zu gewinnen scheint, und seinen Begegnungen und Gesprächen in verschiedenen Orten Finnlands mit Menschen, die dort leben.
Das klingt jetzt viel kitschiger als es ist: Tatsächlich fügen sich die einzelnen Kapitel, in denen so spannende Dinge wie Saunamützen und das Jedermannsrecht vorkommen, zu einem facettenreichen Bild zusammen, das auch Schattenseiten des Lebens in Finnland zeigt. Jedes Kapitel wird jedoch mit mindestens einem Glückstipp abgeschlossen – manchmal leider nur für Finnlandreisende geeignet, manchmal aber auch von zuhause aus umsetzbar.
Gieseking erzählt kurzweilig, oft mit einem sympathischen, erfrischenden Humor und stets auf eine angenehme, respektvolle Art. Dabei nimmt er die Suche nach dem Geheimnis des finnischen Glücks sehr ernst und gelangt am Ende zu, wie ich finde, interessanten Schlussfolgerungen.
Eine schöne "buchige" Reise voller Leseglück!

Bewertung vom 27.01.2022
Eine Geschichte des Lebens - auf zehneinhalb Arten erzählt
Taylor, Marianne

Eine Geschichte des Lebens - auf zehneinhalb Arten erzählt


sehr gut

Marianne Taylor präsentiert mit ihrem Buch eine wahre Schatztruhe des Wissens rund um das Thema Evolution. Die einzelnen Kapitel sind jeweils einer bestimmten Art gewidmet, beleuchten aber hauptsächlich verschiedene Aspekte des Lebens. Dabei wurden unter anderem mir kaum bekannte Lebewesen gewählt, wie der Zimtfarn (eine seit rund 180 Millionen Jahren im Wesentlichen unveränderte Art), der Nautilus (das so wunderhübsche und geheimnisvoll wirkende Covermodel) oder auch die Schwarze Strandammer (eine sehr traurige Geschichte), und auch Erscheinungsformen wie Viren, die zeigen, dass die Definition von Leben nicht immer einfach ist ...
Ich war bei diesem Buch ein bisschen hin- und hergerissen. Einerseits begeisterte es mich mit vielen faszinierenden Einblicken in die Vielfalt des Lebens und in dessen Geschichte. Ein bisschen konnte ich altes Schulwissen reaktivieren, vor allem aber auch viel Neues lernen. Die Gestaltung ist so farbenfroh, wie ich es liebe, und umfasst viele absolut atemberaubende, künstlerische Fotografien sowie einige hilfreiche Grafiken. Wichtige und hochaktuelle Fragen werden angesprochen und ich habe selten ein Buch gelesen, in dem das Ausmaß der menschlichen Schuld am derzeitigen Massensterben von Arten so erschütternd klar und deutlich dargelegt wird.
Andererseits fühlte ich mich auch oft von der Fülle von Fakten erschlagen und hätte mir manchmal weniger Details und mehr große Linien gewünscht. Zum Ende hin hatte ich das Gefühl, dass entweder mir oder der Autorin etwas die Luft ausging - und ich sah im letzten Kapitel eine große Chance verpasst, näher auf das Potenzial unfassbarer Entwicklungen der letzten paar Jahre, über die viel zu wenig berichtet wird und die daher vielen Menschen gar nicht bewusst sind, einzugehen, wenn dieses Potenzial auch durchaus angesprochen wurde.
Unter dem Strich war es für mich aber eine Lektüre mit vielen Wow-Momenten und bleibt für mich ein Buch, das ich zum Nachschlagen und Wiederlesen immer wieder gerne in die Hand nehmen werde.