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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Frau M. aus M.
Wohnort: 
Magdeburg

Bewertungen

Insgesamt 108 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2023
Das Glück liegt im Darm
Polster, Elisabeth

Das Glück liegt im Darm


ausgezeichnet

Der Darm - eine Innenschau
In diesem Buch geht es um den Weg, den das, was wir essen und trinken, durch uns durch nimmt. Der Darm mit seinen verschiedenen Abschnitten, die entsprechende Spezialaufgaben haben, wurde lange nicht in seiner Komplexität wahrgenommen. In diesem Buch wird auf sehr anschauliche Weise, illustriert mit vielen Fotos und Zeichnungen, leicht und locker dargestellt, was sich in unserem Innern so abspielt. Vor allem die Wichtigkeit der Arbeit der vielen in uns wohnenden Bakterien, die das Mikrobiom bilden, wird erklärt. Daraus leitet sich sehr gut nachvollziehbar die Bedeutung einer gesunden Ernährung ab. Die Autorin erläutert, was den Bakterien gut tut und was ihnen schadet. Dieses Buch ist sehr wichtig, um ein richtiges Grundverständnis für die Bedeutung eines gesunden Darmes zu entwickeln, denn sehr viele Krankheiten haben einen Bezug zu den Vorgängen bei der Verdauung.
Sehr gut finde ich auch das Kapitel mit den Rezepten für Darmschmeichler.
Ich gebe gern eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.10.2023
Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?
Heim, Gabriel

Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?


ausgezeichnet

Eine Spurensuche
Schon das Cover ist sehr markant gestaltet. Der Titel rund um ein seitenfüllendes Foto, auf dem Felix Gasbarra mit abgewandtem Gesicht zu sehen ist, gibt einen treffenden ersten Eindruck.
Gabriel Heim wusste lange nichts über seinen Vater. Die Mutter verheimlichte ihm viele Jahre dessen Identität. Zehn Jahre nach dem Tod der Mutter und damit selbst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter machte sich Heim auf die Suche nach diesem Mann, der sich nie zu ihm bekennen wollte. Er stößt auf eine spannende und ungewöhnliche Persönlichkeit. Felix Gasbarra ist selbst ein vom Vater nicht anerkanntes Kind. Er ist ein starker Charakter, hochintelligent, sehr kultiviert, mit besonderer Anziehungskraft auf Frauen. Aber er ist schwer fassbar, denn Felix Gasbarra hat es verstanden, sich in vielen verschiedenen Masken zu zeigen, seine Spuren zu verwischen oder ganz und gar unsichtbar zu sein. Gabriel Heim nimmt die Tagebuchaufzeichnungen von Gasbarras Frau, der Malerin Doris Homann, mit hinzu. Daraus ergeben sich zusätzliche sehr aussagekräftige Anhaltspunkte. Auch die Kontaktaufnahme zu einer seiner in Südamerika lebenden Halbschwestern trägt zur Ergänzung des Bildes von Gasbarra bei.
War Gasbarra zunächst ein glühender Kommunist und engagierter Theatermann an der Seite Piscators, so mutiert er nach Machtergreifung der Nazis zu einem ebenso fleißigen Agitator im faschistischen Propagandaministerium Italiens. Er brennt darauf, Doris Homann zu heiraten, stellt sich einem Familienleben aber langezeit gar nicht und später auch nur widerwillig. Am Ende des Buches bleiben viele Fragen offen, was dem Lesevergnügen aber keineswegs entgegensteht.
Dieses Buch gefällt mir sehr. Die zahlreichen Fotos und auch die Bilder von Doris Homann illustrieren den Text auf beste Weise.

Bewertung vom 30.09.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


ausgezeichnet

Was von Menachems Erbe übrig blieb

Der jüdische Autor wurde 1985 in Toronto geboren. Das ist sowohl räumlich als auch zeitlich sehr weit weg vom Unheil, das an den Juden Europas im Zweiten Weltkrieg verübt wurde. Das weit verbreitete Schweigen hat die emigrierten Familien oft abgetrennt von dieser Vergangenheit. Dennoch kommt der Autor mit ihr in Kontakt, als er vom vergeblichen Bemühen seines bereits vor seiner Geburt verstorbenen Großvaters erfährt, eine Entschädigung für das enteignete Wohnhaus der Familie im ehemaligen Schlesien zu erhalten. Er erforscht die Hintergründe, erkundet die jetzige Lage dort und bemüht sich um die Rückübertragung des Gebäudes. Während sich der juristische Prozess in Polen über mehrere Jahre hinzieht, sieht sich Menachem Kaiser im Lande um. Er findet neue Spuren seiner Familie. Auch trifft er auf viele interessante Menschen, die mit den Erinnerungen und Überlieferungen an den 2. Weltkrieg sehr unterschiedlich umgehen. Er nennt diese Sichtweisen Narrative. Menachem wägt diese Narrative gegeneinander ab, lässt sie alle gelten, ohne sich unbedingt eines davon zu eigen zu machen. Er zeigt, dass es keine absolute Wahrheit gibt und dass es zuweilen sogar richtig sein kann, falsche Dinge zu glauben. „Was machen wir mit dem Unwissbaren? Was können wir tun, außer es anzunehmen?“
Mich hat der Verlauf dieser Geschichte sehr beeindruckt. Es hat mir sehr gefallen, wie Menachem Kaiser die Dinge von allen möglichen Seiten betrachtet. Es werden auch jede Menge Fragen aufgeworfen. Dieser besondere Blickwinkel auf den Zweiten Weltkrieg führt zur Annahme der Gegenwart, wo sich die Dinge weiterentwickelt haben und sich ein neuer Kontext gebildet hat.
„Kaiser“ ist eine sehr spannende Lektüre. Es ist mein persönliches Buch des Jahres.

Bewertung vom 21.09.2023
Die Anatomie des Blumenkörbchens
Marmulla, Rüdiger

Die Anatomie des Blumenkörbchens


weniger gut

Origenelles Cover, weniger origeller Text
Titel und Cover haben bei mir hohe Erwartungen geweckt. Diese passten dann leider nicht sehr gut zu den Tatsachen. Die Idee der Geschichte ist originell und hätte das Zeug für richtig guten Lesestoff. Auf 78 Seiten erzählt der Roman dann aber ziemlich nüchtern, teilweise nerdig und ohne nennenswerte Dramatik die tragische Liebesgeschichte eines Medizinstudenten und einer Abiturientin im Jahr 1985. Man merkt, dass der Autor wohl auch Mediziner ist, denn die anatomischen Beschreibungen wirken ziemlich leidenschaftlich. Dies ist auch der interessante Teil der Geschichte. Die Beschreibungen rund um das Bochdalek-Blumenkörbchen und das Klinik-Millieu sind gut gelungen. Besondere Spannung kam bei mir jedoch nicht auf. Auch emotional hat mich das Buch nicht berührt.

Das beigelegte Lesezeichen gefällt mir sehr. Im ebenfalls beigefügten Katalog ist ersichtlich, dass Rüdiger Marmulla schon mehr als 20 weitere Bücher geschrieben hat. Er hat auf jeden Fall eine/n guten PR-Manager/in.

Bewertung vom 12.09.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


ausgezeichnet

Eine eigensinnige Tochter
"Die Wahrheiten meiner Mutter" erzählt eine sehr spannende Geschichte. Eine Tochter hat vor 30 Jahren alles hinter sich lassen müssen, um weit weg von ihrer norwegischen Heimat in den USA ein selbstbestimmtes unangepasstes Leben zu leben. Klar, dass Ehemann, Eltern und Schwester nicht fassen konnten, was passiert ist. Sie waren zunächst empört, ließen aber die Tür noch eine Weile einen Spalt breit offfen, damit die Tochter reuevoll zurückkehren könnte. Als sich jedoch zeigt, dass sie glücklich und auch als Malerin beruflich erfolgreich lebt, wird sie von der Familie ausgeschlossen. Aus der Sicht der Tochter, die jetzt nahe der 60 ist, wird erzählt, wie hoch der Preis der Freiheit für die abtrünnige Tochter ist. Zurück in ihrer Heimatstadt versucht sie vergeblich, Kontakt zu Mutter und Schwester zu bekommen. Sie muss allein fertig werden mit der Riesenwunde, die der Verlust der Familie auch in ihr Herz gerissen hat. Mutig, kompromisslos, ehrlich und sehr gründlich setzt sie sich mit allen denkbaren Fragen, Erinnerungen und Themen auseinander, die eine Geschichte ergeben, mit der die Tochter abschließend leben kann. Der große Abstand zu den Ereignissen und ihre umfangreiche Lebenserfahrung machen das möglich. Es kommt sicher häufiger vor, dass jemand in eine Familie geboren wird, deren Muster für sie bzw. ihn nicht lebbar sind. Dies ist eine Geschichte von einer, die sich nicht beirren lässt. Ich finde das Buch großartig.

Bewertung vom 04.09.2023
Zeiten der Langeweile
Becker, Jenifer

Zeiten der Langeweile


ausgezeichnet

Was weiß Google über dich!
Das Cover des Buches ist wunderschön. Das ist also Mila, die mit Mitte dreißig zwar einen Doktortitel hat, aber keine/n Partner/in, keine Kinder, keine echten Freunde und irgendwie auch keinen Plan. Immerhin erkennt sie, dass es ihr nicht guttut, von morgens bis abends auf den sozialen Netzen unterwegs zu sein. Sie fühlt sich ausgeliefert und kann die Unkontrollierbarkeit ihrer Daten nicht mehr ertragen. Sie steigt aus und bekommt erwartungsgemäß heftige Entzugserscheinungen. Mit Facebook und Co war sie maximal abgelenkt von den wirklich relevanten Dingen in der Welt. Zurückgeworfen auf sich selbst hat Mila jetzt Zeit, ihr Leben zu gestalten. Leider ist sie nicht in der Lage, die Möglichkeiten, die es da um sie herum gibt, zu erkennen und nutzen. Mit ihrer Freiheit, nach der sie sich so stark gesehnt hat, kann sie nichts anfangen. Immer verbissener ist sie damit beschäftigt, ihre alten Spuren in der digitalen Welt auszulöschen, keine neuen Spuren zu erzeugen und dann auch immer mehr im richtigen Leben unsichtbar zu werden. Sie zieht sich von allem zurück, geht kaum noch aus dem Haus. Das in Ich-Form geschriebene Buch hat mich in Milas Gefühlswelt eingeladen und eingebunden. Es ist eine große Taurigkeit zu spüren, die Mila nicht mitteilen kann und die von der Umwelt nicht bemerkt bzw. falsch interpretiert wird.
Der Roman zeigt sehr direkt, wie stark uns die digitalen Medien vereinnahmen, manipulieren, beschäftigen und bevormunden können. Er zeigt auch, dass es kaum ein Entkommen gibt. Am Ende drängen sich zwei große Fragen auf: 1. Wohin führt uns die totale Durchdigitalisierung des Lebens? 2. Wie kann man daraus den besten Nutzen ziehen und sich gleichzeitig den Zugang zu den wichtigen Themen des echten Lebens erhalten?
Ich gebe gern eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 28.08.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


ausgezeichnet

Ich weiß ja, wo ich einsteigen muss
Das Cover dieses Buches ist mir sofort ins Auge gefallen. Ich finde es genial in seiner Schlichtheit. Das Ölpapier mit dem verrutschten Stempel, der gleichzeitig ein Exlibris ist, war vor 60 bis 70 Jahren vielleicht ein normales "Kleid" für viele Bücher. Der Autor erzählt von seiner Mutter, die in dieser Zeit jung war, jetzt jedoch 95 Jahre alt ist und dement. Es ist spannend, wie Mutter und Sohn sehr eng miteinander interagieren, dabei aber in sehr weit voneinander entfernten Welten unterwegs sind. Aus einem inneren Zwang heraus, "muss ich jetzt ihr Leben nachstricken. ...und dann bin ich es los." Und so ist der Leser in den letzten drei Tagen des Lebens der Mutter direkt dabei, wie der Sohn einerseits die letzten Momente mit ihr erlebt, andererseits die Lebensstationen der Mutter erinnert. Geboren im Jahr 1923 war ihr ganzes Leben vom Trauma der Weltwirtschaftskrise geprägt, das sie nie überwinden konnte und das auch der Sohn schon mit der Muttermilch verabreicht bekommen hat. Noch viele weitere schlimme Zeiten waren zu überstehen, die die Mutter hart gemacht haben. "Sie konnte nicht mit den Leuten." Und die Leute konnten dann wohl auch nicht mit ihr.
Einen besonderen Charme bekommt das Buch durch die sehr authentische Wiederholung von Gedanken, so wie es besonders bei sehr alten Menschen stattfindet. Auch der rhetorische Trias, der eine Spezialität der Mutter ist (putzen, waschen, kochen), durchdringt den gesamten Text. Bei aller Traurigkeit ist das Buch von einem großartigen herzerwärmenden Humor durchzogen. Liebevoller Respekt klingt in jeder Szene an.
Ich bin sehr froh, dass dieses Buch zu mir gefunden hat. Sehr gern gebe ich eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 21.08.2023
Wikinger
Haywood, John

Wikinger


ausgezeichnet

Winkinger - eine Zeitreise
Auch wer schon viel über die Wikinger weiß, wird an diesem Buch sicher große Freude haben. Das Phänomen Wikinger wird hier aus einer sehr originellen Perspektive angegangen. Der Leser wird ins 10. Jahrhundert versetzt, wo ihm das Wikingerdasein als mögliche berufliche Perspektive angeboten wird. Man bekommt einen Eindruck davon, welche gesellschaftlichen Werte die Basis für das Handeln der Wikinger waren. In diesem Kontext werden sehr anschaulich und mit vielen schwarz/weißen Abbildungen versehen ganz viele relevante Themen beleuchtet. Wer genau diese Männer waren, wer welche Karrierechancen hatte, was die Anführer leisten mussten, welche Ausrüstung üblich war, welche Arten von Schiffen es gab, wie die Beutefahrten abliefen, was die Männer taten, wenn sie nicht gerade auf Beutezügen unterwegs waren, die Verteilung der eroberten Schätze und letztendlich über den Tod und das Dasein danach, wird sehr anschaulich und auch mit viel Witz und Humor erzählt. Sehr beeindruckend fand ich beispielsweise den kompromisslosen Pragmatismus, mit dem die Wikinger vorgegangen sind. Es gibt auch eine geografische Karte, die das Europa der Winkinger zeigt. Man kann sehr gut sehen, dass die heutigen Strukturen schon damals im Ansatz entstanden waren. Tatsächlich habe ich nicht nur einiges mehr über die Wikinger gelernt, sondern auch dies und das als Verständnis für unser heutiges Leben mitnehmen können. Durch die zeitliche Perspektive des 10. Jahrhunderts kann man unsere Zeit heute sozusagen von außen betrachten. Es ist gut zu erkennen, dass die hier und heute geltenden ethischen Werte nicht in Stein gemeißelt sind und sich auch wandeln können.
Es ist ein wirklich tolles Buch, für das ich gern eine unbedingte Leseempfehlung gebe.

Bewertung vom 08.08.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


ausgezeichnet

Glück ist eine Tätigkeit
Schon äußerlich gefällt mir das Buch sehr gut. Der feste Einband, das schöne Gemälde auf dem Schutzumschlag und die gewählten Farben für Einband, Vorsatzblatt und Lesebändchen machen das Buch zu etwas Besonderem.
Großmutter Tanja, Mutter Nina, Tochter Lena und Enkelin Wanja sind die Protagonistinnen.
Erzählt werden viele kleine Geschichten dieser vier Generationen russischer Frauen, die aus einem kleinen Ort nahe Kasan stammen. Diese Geschichten erscheinen mir wie eine Schachtel voller unsortierter alter Fotos. Erzählt wird von den harten und kargen Leben der Frauen, die stets auf sich allein gestellt sind und nach Unterstützung und Beistand gar nicht erst fragen. Jede auf ihre spezielle Art macht einfach immer wieder aus dem, was das Leben ihr zumutet, das Bestmögliche. Das Überleben beherrschen die Frauen wirklich gut. Die Männer spielen eher die Nebenrollen. Aus verschiedenen Gründen etabliert sich kein Mann als verlässlicher Partner, mit dem man durch Dick und Dünn gehen kann.
Es ergibt sich ein schwermütiges und kraftvolles Gesamtbild, durch das die russische Seele sehr klar hindurchklingt.
Ich mag dieses Buch sehr und gebe eine klare Leseempfehlung.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.