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Elisabeth

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 31.03.2019
Das namenlose Mädchen
Sheehan, Jacqueline

Das namenlose Mädchen


gut

„Alles, was sie sagte, hörte sich irgendwie banal an und wurde dem emotionalen Moment nicht gerecht.“ (S. 378) – dieser im Roman geäußerte Satz könnte auch für diesen gesamten Spannungsroman gelten, der im Januar 2019 als Aufbau-Taschenbuch erschienen ist und 412 Seiten umfasst.
Delia Lamont arbeitet in einer Einrichtung für Pflegekinder und hat ihren Job gekündigt, um gemeinsam mit ihrer Schwester ein Café zu eröffnen. Doch noch hat sie einen letzten Auftrag zu erfüllen: Auf einer Landstraße in Maine wird ein verwirrtes, mit Blut bespritztes fünfjähriges Mädchen gefunden. Fast zeitgleich werden in einem nahegelegenen Haus drei Leichen entdeckt. Nachdem sich herausstellt, dass das Blut am Mädchen von einer dieser Leichen stammt, machen die Ermittler sich auf die Suche nach Zusammenhängen – und Delia versucht, dem Mädchen seine Familie zurückzugeben.
Der Roman beginnt spannend mit dem Auffinden des Mädchens und der Leichen. Auch die Ermittlungsarbeiten der Polizei halten den Spannungsbogen auf einem angemessenen Level und lassen den „Fall Hayley“, wie das Mädchen heißt, als roten Faden das Geschehen durchziehen. Am Ende wird der Fall logisch nachvollziehbar aufgeklärt.
Einen zweiten Handlungsstrang stellt die Geschichte der Schwestern Delia und Juniper Lamont dar. Beide haben aufgrund der Krankheit ihres Vaters und des Verlustes ihrer Eltern ein mitleiderregendes Schicksal hinter sich. Wie nicht anders zu erwarten, begleitet der Schicksalsschlag die Frauen bis in die Gegenwart und sorgt auch in diesem Roman noch für einige Überraschungen. Insofern ist die Story an sich durchaus interessant und spannend zu lesen.
Allerdings ist es der Autorin leider nicht gelungen, das Potenzial des Plots vollends auszuschöpfen: Der Mittelteil des Romans ist stellenweise recht langatmig zu lesen, und – und das ist das wohl größte Manko des Buches – die Charaktere bleiben beim Lesen sehr distanziert, ja sogar fremd. Mir jedenfalls fiel es beim Lesen sehr schwer, mich mit den Handelnden zu identifizieren oder mich in sie hineinzuversetzen, was es wiederum erschwerte, mit ihnen mitzufühlen und mitzufiebern. Der Roman ist und war zweifelsohne interessant zu lesen, in seinen Bann ziehen konnte er mich indes nicht.
Sheehans Sprache ist leicht, gleichmäßig und schnörkellos zu lesen, allerdings versäumt es die Verfasserin, durch mehr Abwechslung im Sprachgebrauch den Spannungsbogen zu unterstützen und dem Lesen Tempo zu verleihen.
Integriert in die beiden Handlungsstränge sind noch Drogen- und Medikamentenmissbrauch bzw. –kriminalität sowie, anhand der Erkrankung des Vaters der Lamont-Schwestern, das Leben mit psychisch erkrankten Familienmitgliedern, was ebenfalls wichtige und ernste Themen sind.
Aufgefallen ist mir zudem, dass im Klappentext von „Dalia Lamont“ die Rede ist, im Inneren aber von Delia.
Alles in allem handelt es sich bei „Das namenlose Mädchen“ um einen Spannungsroman, der flüssig zu lesen ist, der es allerdings aufgrund der oben angeführten Minuspunkte nicht geschafft hat, seine guten Ansätze vollends zur Geltung zu bringen und beim Lesen wirklich mitzureißen: ein Vertreter aus der Kategorie „Spannungsroman“, dem es an Authentizität und Rasanz fehlt, den man gut lesen kann, aber nicht muss.

Bewertung vom 24.03.2019
Madame Piaf und das Lied der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.9
Marly, Michelle

Madame Piaf und das Lied der Liebe / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.9


sehr gut

Er für mich, ich für ihn, ein Leben lang – la vie en rose.
„La vie en rose“, „Milord“, „Non, je ne regrette rien“ – um nur die Bekanntesten zu nennen: Wer kennt sie nicht, die „Hits“ dieser kleinen, großen französischen Chansonnette?
In ihrer 448-seitigen Romanbiographie „Madame Piaf und das Lied der Liebe“, im März 2019 als Aufbau-Taschenbuch erschienen, nimmt Michelle Marly das Leben dieses französischen Weltstars unter die Lupe. Im Zentrum des Romans stehen die Jahre 1944 bis 1947.
Nachdem Paris von der deutschen Besatzung befreit wurde, beginnen die „Aufräumarbeiten“. Und auch Édith Piaf gerät im Zuge dessen unter den Verdacht der Kollaboration mit den deutschen Besatzern. Während das Damoklesschwert eines Auftrittsverbots über ihr hängt, lernt sie den jungen Yves Montand kennen und lieben. In den ersten Nachkriegsjahren nimmt sie ihn unter ihre Fittiche und protegiert ihn. Zeitgleich reift in ihr die Idee zu einem Chanson, das bis heute ganz Frankreich fasziniert: La vie en rose.
Der Roman ist aufgeteilt in einen Prolog, der das Jahr 1937 schildert, gefolgt von drei Teilen, in denen Édiths Zeit mit Yves Montand im Zentrum steht – bis es einem Auseinanderleben kommt. Der erzählende Teil des Romans schließt endlich mit dem Beginn des Siegeszuges von „La vie en rose“. In einem Nachwort erfahren interessierte Leser/innen Wissenswertes über das Leben von Édith Piaf und Yves Montand sowie die Arbeit der Autorin.
Authentisch und keineswegs beschönigend schildert Marly sowohl das von Versorgungsengpässen gebeutelte Frankreich des letztens Kriegsjahres und der beginnenden Nachkriegszeit als auch das Leben des französischen Künstlerkreises in dieser Zeit, der versucht, sich jenseits der allgemeinen Armut ein neues Leben aufzubauen. Ein wenig schlecht kommt meines Erachtens hier Édith Piaf weg, die eher versucht, den Unwegsamkeiten des Lebens aus dem Wege zu gehen, statt sich ihnen zu stellen: Ihr Leben bildet sozusagen einen Mikrokosmos im großes Weltgeschehen. Immer wiederkehrende, kursiv gedruckte Rückblenden bieten einen Einblick in Piafs Leben jenseits des hier erzählten Zeitraums.
Auch die anderen Charaktere sind zwar genau beschrieben, bleiben jedoch etwas farblos, was ich ein wenig schade finde. Édith Piaf dominiert eindeutig das Geschehen, von Yves Montand indes hätte ich mir mehr „Präsenz“ erhofft, spielt er doch eher eine passive Rolle.
Marlys Sprache ist leicht und schnörkellos, sodass sich das Buch flott lesen lässt. Stellenweise werde Orte und Personen recht ausführlich geschildert, dennoch ist es der Autorin leider nicht gelungen, mich vollends in den Bann zu ziehen und in die vergangene Zeit eintauchen zu lassen: Mir persönlich fehlt es einfach zu sehr an „Tiefe“. Zudem wäre es mir lieb gewesen, ein bisschen mehr über das Verhältnis von Fiktion zur Realität zu erfahren. Hier bleibt alles zu schwammig. Für Leserinnen und Leser, die einfach nur eine schöne Liebesgeschichte lesen wollen, dürfte dieses allerdings kein Defizit darstellen.
Cover und Layout des Buches reihen sich sehr gut ein in die Buchserie „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“, innerhalb der auch dieser Roman erschienen ist. Das Cover lässt die Vierzigerjahre wieder aufleben, Zitate der Piaf im Inneren und eine großzügige Aufteilung lassen das Buch zu einem harmonischen Ganzen werden.
Ich selber habe „Madame Piaf und das Lied der Liebe“ in einem Zug durchgelesen und auch einiges Wissenswerte über die Piaf und Yves Montand, mit denen ich mich vorher noch nie detaillierter beschäftigt habe, erfahren, jedoch ist es Michelle Marly, wie oben schon erwähnt, leider nicht gelungen, mich vollkommen in die Welt der beiden zu entführen. Aufgrund der soliden schriftstellerischen Arbeit und guten Lesbarkeit des Buches gibt es von mir dreieinhalb von fünf Sternen.

Bewertung vom 23.03.2019
Schatten der Toten / Judith Kepler Bd.3
Herrmann, Elisabeth

Schatten der Toten / Judith Kepler Bd.3


sehr gut

… dass ich nicht ruhen werde, bis ich ihn gefunden habe.
Ich muss gestehen, dass ich mich anfangs mit der Lektüre ein wenig schwertat. Die Handlung ist recht komplex, und die beiden Vorgängerbände waren mir nicht mehr 100%-ig präsent. Jedoch gelingt es Herrmann, mit geschickt eingestreuten Informationen in ihrer Leserschaft wieder Judiths Geschichte wachzurufen, sodass man sich doch nach und nach in die Story einfinden kann. Ein gewisses Maß an Konzentration erfordern bis zum Ende die vielen verschiedenen Abkürzungen für Geheimdienste und –organisationen, die man allerdings nach einer Zeit auch gut zuordnen kann.
Ist man beim Lesen einmal in den Lesefluss gekommen, präsentiert sich Herrmanns Thriller als interessante Reise durch die beiden Großstädte Berlin und Odessa sowie die deutsch-deutsche Geschichte. Insbesondere die Beschreibungen des heutigen Odessas und seiner Menschen haben mich beim Lesen sehr beeindruckt und zeugen von einer tiefgreifenden Recherche. Zudem stellt die Autorin mit Judith Kepler einen Menschen und sein Schicksal ins Zentrum des Geschehens, die des Erinnerns an diese deutsche Epoche würdig sind.
Mag der Mittelteil des Thrillers, in dem viele Vorbereitungen diverser Geheim- und Nachrichtendienste geschildert werden, zuweilen zu langatmig erscheinen, macht dieses der wirklich fulminante und von Überraschungen geprägte letzte Teil dieses Buches fast wieder wett. Im Gegensatz zu den Charakteren des Buches verfügen Leserinnen und Leser über alle wichtigen Informationen, sodass für sie die gesamte Kepler-Reihe zu einem befriedigenden und logischen Ende kommt.
Herrmanns Sprache ist vielfältig: So gibt es einige sprachlich wirklich gelungene und feine Passagen, während an anderen Stellen, passend zu Hintergrund und Charakter der Figuren, die Sprache sehr derbe ist. Alles in allem ist das Buch flüssig zu lesen und bereitet in dieser Hinsicht keine größeren Schwierigkeiten. Ein wenig gewöhnungsbedürftig dürften für einige die eher uns fremd erscheinenden ukrainischen Namen sein.
In diesem Roman trifft man beim Lesen auf viele aus den Vorgängerbänden schon bekannte Gesichter, was für Neueinsteiger/innen eventuell eine Herausforderung darstellen könnte. Dennoch sind alle Charaktere sehr vielschichtig und – vor allem – wandelbar dargestellt, die Sympathien für die einzelnen Figuren kommen und gehen von Zeit zu Zeit – lediglich Judith Kepler scheint hier eine Konstante zu sein.
Das Cover ist düster gestaltet, allein die helle Schrift mit Titel und Namen der Autorin sticht hervor. Die Treppe, die ins Tiefe führt, hat durchaus symbolischen Charakter: ein Abstieg in die Abgründe des Menschen und der Geschichte. Aber auch zum offensichtlichen Inhalt des Buches gibt es Bezüge, spielt der Keller doch mehr als einmal eine Rolle.
Alles in allem präsentiert Elisabeth Herrmann mit „Schatten der Toten“ trotz ausgesprochener Längen einen lesenswerten und würdigen Abschluss ihrer Kepler-Trilogie. Der spannende Showdown lässt das Buch zu einem Muss für alle Kepler-Fans werden. Von mir gibt es daher mit dreieinhalb von fünf Sternen eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 14.03.2019
Murder Swing / Vinyl-Detektiv Bd.1
Cartmel, Andrew

Murder Swing / Vinyl-Detektiv Bd.1


ausgezeichnet

Ein mörderisches Business
Der Vinyldetektiv ist ein Sammler, ein Spezialist für außergewöhnliche Schallplatten eben, sein Leben ist die Musik – genauer der Jazz. Eines Tages erhält er den Auftrag, zusammen mit Nevada eine seltene Platte eines kleinen amerikanischen Labels aufzustöbern. Was anfangs einfach nur ein kniffeliges Rätsel zu sein scheint, entpuppt sich bald als tödlicher Auftrag: Denn immer mehr Leichen pflastern den Weg der Suchenden. Die Lage spitzt sich zu, als dann auch noch die „arischen Zwillinge“ Heidi und Heinz den Weg des Vinyldetektivs kreuzen.
Auch wenn es an Todesfällen in diesem Thriller nicht mangelt, brilliert er nicht nur durch seine Spannung, sondern vor allem durch seinen Humor: Von Slapstickhaftem bis Tiefgründigem ist hier alles vertreten. Diese Kombination macht das Buch zu einem Lesespaß, den man einfach nicht aus der Hand legen mag.
Der Roman ist, wie auch die gute, alte Schallplatte, in eine A- und eine B-Seite unterteilt. Auf der A-Seite machen sich Leserinnen und Leser zusammen mit dem doch eher ungleichen Pärchen Nevada und Vinyldetektiv auf die Suche nach der Platte, auf der B-Seite erfährt man dann, welche Geschichte hinter diesem Tonträger steckt, weshalb die Suche so brisant war.
Während die A-Seite eher rasant geschrieben ist und die Leser/innen kreuz und quer durch London führt, geht es auf der B-Seite zwar geruhsamer zu – jedoch keineswegs weniger witzig und spannend. So bilden beide Teile zusammen eine spannende Reise durch die Welt der Jazzmusik und der Plattenindustrie.
Leserinnen und Leser, die sich noch an die Zeit der Langspielplatten erinnern, werden in diesem Roman auf einige(s) Bekannte(s) treffen, Jüngere werden vielleicht ein wenig nachvollziehen können, welche Faszination von diesen schwarzen Scheiben einst ausging – und allen ist gemeinsam, dass man viel Wissenswertes über dieses Medium erfährt.
Sprachlich lässt sich dieser Thriller locker-flockig lesen, an vielen Stellen muss man gar laut auflachen. Insbesondere die Dialoge sind einfach nur lustig und zum großen Teil mit trockenem Humor gespickt. Die Ich-Perspektive und die inneren Monologe lassen die Lesenden tief in das Geschehen eintauchen und mit den Protagonisten mitleiden und –lachen.
Die Zahl der Charaktere ist übersichtlich, alle sind liebevoll gezeichnet und haben ihre Marotten, was ebenfalls für reichlich Humor sorgt. Besonders gut hat mir der Vinyldetektiv selbst gefallen, der auf den ersten Blick eher wie ein etwas verlotterter Verlierer wirkt, sich aber im Laufe des Lesens als gewitzt und pfiffig erweist – und einfach nur einen „Schlag bei den Frauen“ hat, was man beim Lesen durchaus nachvollziehen kann. Ein besonderes Highlight waren für mich zudem seine Katzen, die dem Roman etwas Liebreizendes geben – und die Art, wie Nevada mit ihnen redet, ist einfach nur göttlich.
Das Cover ist ein echter Hingucker. Es erinnert ein wenig an James Bond, hat mit seinem knalligen Blau und Rot aber auch etwas Comichaftes. Die große Schallplatte im Zentrum stimmt ansprechend auf das Thema ein.
Insgesamt ist Cartmel mit diesem Roman ein Thriller der etwas anderen Art gelungen, eher Krimödie als Thriller, mit wenig Brutalität, aber dafür mit einer ordentlichen Portion Humor und Coolness, der in einem Zug gelesen werden will und mir einige sehr amüsante Lesestunde bereitet hat. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

Bewertung vom 10.03.2019
Wolfsspiel
Jaschinski, Christian

Wolfsspiel


sehr gut

Im ansonsten ach so beschaulichen Lipperland treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Dieses ruft in Christian Jaschinskis „Wolfsspiel“ Kriminalhauptkommissar Florian Dreier und sein Team auf den Plan. Der Regionalkrimi ist im Februar 2019 bei Gmeiner erschienen und umfasst 314 Seiten.
Leichenfund im Bad Salzufler Kurpark, in Nase und Ohren stecken gelbe Halmafiguren – wer ist zu einem solch perfiden Mord fähig? Während Dreier und sein Team noch im Trüben fischen, kommt es zu einem zweiten Mord, der demselben Schema folgt. Und bald steht fest: Hier hat das Ermittlerteam es mit einem Serientäter zu tun. Doch welchen Plan verfolgt er? Was steckt dahinter? Parallel dazu recherchiert auch die Richterin Tara Wolf mit ihren Freunden in diesem Fall - und nicht nur in diesem, sie macht zudem noch Jagd auf den mysteriösen Rocker, der hinter dem Mord an ihrem Mann steckt. Als sie dem Serienkiller auf die Spur kommt, gerät auch sie selbst in tödliche Gefahr …
Ich muss gestehen, dass es mir anfangs einige Mühe bereitete, in den Kriminalroman hineinzufinden, werden Leserinnen und Leser doch gleich zu Beginn mit recht vielen Handlungssträngen und Charakteren - teils sympathischen, teils eher unsympathischen, auf jeden Fall aber zutiefst menschlichen - konfrontiert. Hat man diese Anfangshürde jedoch einmal überwunden, liest sich das Buch – nicht auch zuletzt aufgrund seiner flüssigen, klaren Sprache - zügig und spannend. Die recht kurzen Kapitel lassen beim Lesen schnell voranschreiten. Leider standen für mich schon zur Hälfte des Romans Täter und Motiv fest (und ich lag mit meiner Annahme nicht falsch), was, obgleich es auch ansonsten interessant und kurzweilig war, die Ermittlungsarbeiten weiter zu verfolgen, dem Geschehen doch ein wenig die Spannung nahm. Am Ende klärt sich die Mordserie logisch nachvollziehbar und solide auf, bedauerlicherweise bleiben allerdings einige Aspekte außen vor, so ist mir auch am Ende nicht ganz klar, was es mit den Halmafiguren auf sich hat.
Positiv hervorzuheben sei hier dennoch der Perspektivwechsel: Immer wieder stößt man beim Lesen auf die aus der Ich-Perspektive erzählten und kursiv gedruckten Gedanken des Mörders, was einerseits beim Lesen für ein rasches Durchschauen sorgt, auf der anderen Seite aber eben auch ein gewisses Verständnis für die Taten weckt und Einsichten in die Psyche des Mörders eröffnet, sodass man am Ende die Motivation für die Morde gut nachvollziehen kann. Dieses lenkt den Blick auf einen ernsten Gedanken, der hinter diesem Roman steckt: die Selbstjustiz. Selbst wenn man, wie ich, nicht viel davon hält, bringt er Leserinnen und Leser doch ins Grübeln.
Der gesamte Roman ist durchzogen von einem feinen, zum Teil auf hintergründigen Humor, wie z.B. das Auffinden der zweiten Leiche zeigt, bei dem es nach einer schönen Landschaftsbeschreibung heißt: „Das alles interessierte Sergej Kusainov nicht mehr. Er war tot und lag auf dem Rücken im Matsch.“ (S. 137)
Wie es sich für einen Regionalkrimi gehört, enthält auch dieses Werk viel Lokalkolorit, was Lust darauf macht, selbst einmal das Lipperland zu besuchen – und dann hoffentlich, ohne auf einen Serienkiller zu treffen.
Alles in allem präsentiert Christian Jaschinski mit „Wolfsspiel“ einen lesenswerten Regionalkrimi und ein sympathisches Ermittlungsteam, die förmlich nach einer Fortsetzung der Reihe rufen und Leserinnen und Lesern einige vergnügliche, interessante Lesestunden bescheren. Trotz der oben erwähnten Kritikpunkte gibt es von mir mit 3,5 von fünf Sternen eine eindeutige Leseempfehlung.

Bewertung vom 08.03.2019
Blind / Milla Nova ermittelt Bd.1
Brand, Christine

Blind / Milla Nova ermittelt Bd.1


sehr gut

Zum ersten und hoffentlich nicht letzten Mal ermittelt die Fernsehreporterin Milla Nova in „Blind“ in einem komplexen und spannenden Kriminalfall. Dieser Kriminalroman aus der Feder von Christine Brand ist im März 2019 bei blanvalet erschienen und umfasst 448 Seiten.
Der blinde Nathaniel wird via der App „Be my eyes“ Zeuge eines Verbrechens. Da niemand ihm Glauben schenkt, wendet er sich an die Journalistin Milla, die ihrerseits gerade in einem Aids-Skandal recherchiert. Mit ihr gemeinsam macht er sich auf die Suche nach der Wahrheit, und beide stoßen auf ungeahnte Zusammenhänge, die schließlich Nathaniel selbst in Gefahr bringen.
Der Roman liest sich von der ersten bis zur letzten Seite ausgesprochen spannend, sodass man das Buch beim Lesen kaum aus der Hand legen mag. Nach und nach stoßen Ermittler/innen und Leser/innen auf neue Zusammenhänge, werden mit möglichen Täter/innen und Motiven konfrontiert, weshalb man sich beim Lesen immer wieder den Kopf darüber zerbricht, was wohl hinter dem vermeintlichen Verbrechen stecken mag – und ob nicht auch Nathaniel selbst etwas zu verbergen hat. Unterstützt wird diese Spannung durch den Perspektivwechsel, der die Leser/innen immer wieder in die Gedankenwelt des Entführungsopfers lenkt, und die Cliffhanger, mit denen die in der Regel recht kurzen Kapitel oftmals enden.
Über weite Strecken des Kriminalromans sind Leserinnen und Leser den Ermittelnden an Wissen um mögliche Zusammenhänge voraus, was aber der Spannung keinen Abbruch tut – genau im Gegenteil, ist es doch interessant nachzuvollziehen, wie diese die Puzzleteilchen nach und nach zusammensetzen. Außerdem wird das Verbrechen als Ganzes an sich erst nach einem dramatischen Finale aufgeklärt, man darf also bis zum Ende mit den Charakteren mitgrübeln und –bangen. Ein wenig unbefriedigt hat das Ende mich dann doch zurückgelassen, da nicht alle Handlungsstränge zur Gänze aufgelöst werden.
Brands Sprache ist flüssig und schnörkellos zu lesen, was Lesende schnell voranschreiten lässt und kurzeilige Lesestunden beschert.
Die Charaktere sind realitätsnah und meist sympathisch gezeichnet, gerade die Perspektivwechsel laden zu einer Identifikation mit denselben ein, sodass man sowohl mit Täter als auch mit Opfer mitfühlen kann. Ganz im Nebenbei erfährt man als Leser/in durch die Begegnung mit Nathaniel auch Wissenswertes aus der Welt der Blinden, der Umgang der anderen Charaktere mit ihm hat mich immer wieder auf Aspekte gestoßen, an die ich im Alltag so nicht denke.
Das düstere Cover, auf dem hell das Wort „Blind“ hervorsticht und ein einsamer junger Mann im Begriff ist, durch die aus dem großen L gebildete Tür hindurchzugehen, stimmt eindrücklich auf die Lektüre ein. Ein besonderes Highlight sind die angerauten Ecken des Covers, die das Buch auch zu einem haptischen Erlebnis werden lassen.
Alles in allem präsentiert Christine Brand mit „Blind“ einen sehr lesenswerten und komplexen Kriminalroman, der Leserinnen und Leser von der ersten Seite an fesselt und so eben ein echter Pageturner ist. Lediglich das aus meiner Sicht nicht völlig befriedigende Ende hindert mich daran, dem Roman die volle Punktzahl zu geben. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier aber um einen Krimi, der auch allen anderen Liebhaber/innen dieses Genres ein paar kurzweilige, spannende und „rätselhafte“ Lesestunden bereiten dürfte und den ich deshalb gerne als Lektüre weiterempfehle.

Bewertung vom 03.03.2019
Das letzte Achtel
Pfeifer, Günther

Das letzte Achtel


sehr gut

Zum wiederholten Mal ermitteln in „Das letzte Achtel“ die Wiener Kommissare Hawelka und Schierhuber in der österreichischen Provinz. Dieser Regionalkrimi aus der Feder von Günther Pfeifer wurde im Februar 2019 von Emons herausgebracht und umfasst 288 Seiten.
37 Rohrweihen, fein säuberlich im Kreis um eine Leiche drapiert – skurriler geht es wohl kaum. Und als die Vogelkadaver dann auch noch vom Leichenfundort verschwinden, ruft das Hawelka und Schierhuber auf den Plan. Dieses Mal sind die beiden in geheimer Mission im niederösterreichischen Retz unterwegs, wo sie, wie sollte es anders sein, nach einigen Verwirrungen und feuchtfröhlichen Gelagen gemeinsam mit dem „Auskunftsbüro Berlakovic“ Licht ins Dunkel bringen.
„Vogelkadaver, hübsch ordentlich zu einem nahezu perfekten Kreis angeordnet“ – köstlicher kann das Auffinden einer Leiche wohl kaum dargestellt werden. Als die Kadaver dann auch noch verschwinden, niemand etwas wissen will und nicht derjenige ist, der zu sein er vorgibt, ist die Verwirrung perfekt - eine Verwirrung, die sich bis zum Ende kaum entwirren lässt. Als die undercover ermittelnden Kommissare Hawelka und Schierhuber dann auch noch wortwörtlich im Dunkeln tappen, werden sie doch inmitten der Kellergänge, die die niederösterreichische Stadt Retz unterlaufen, in eine wilde Schießerei verwickelt, zermartern sich auch Leserinnen und Leser das Hirn darüber, was sich wohl in den Tiefen dieser Provinzstadt und ihrer Bewohner/innen abspielen mag. Forciert werden Spannung und Verwirrung dadurch, dass es zwar Motive und Verdächtige ohne Ende zu geben scheint, aber nichts wirklich zusammenpasst. In einem überraschenden Finale wird der Fall schließlich logisch nachvollziehbar aufgeklärt, sodass man am Ende das Gefühl hat, ein humorvolles, spannendes und überzeugendes Werk gelesen zu haben.
Obwohl der Roman im Niederösterreichischen spielt, ist er auch für Hochdeutschsprechende leicht verständlich. Textpassagen, die für Verständnisschwierigkeiten sorgen könnten, sind wieder einmal in Fußnoten erklärt, die ihrerseits vor Humor nur so sprühen. Pfeifers Sprache ist an sich leicht verständlich und flüssig zu lesen; immer wieder eingebaute kompliziertere Satzkonstruktionen mit Wiederholungen und Doppelungen oder eine verkorkste Grammatik machen den Charme des Geschriebenen aus und sorgen für Erheiterung. Dialoge, die wie eine Fußballreportage dargestellt oder durch Unterbrechungen geprägt sind („Waru-“ – „Sie wollte, dass wir endlich arbeiten.“), verleihen der Erzählung zudem Rasanz.
Die Charaktere sind liebevoll und skurril gezeichnet. Jede/r hat irgendwelche Schrullen und Marotten, die ihrerseits für Witz sorgen. Da erscheint Herta Berlakovic mit ihrem gesunden Menschenverstand noch als die Normalste. Sehr gut hat mir gefallen, dass selbst der ansonsten so griesgrämige „Erzherzog“ Zauner sich am Ende zu einem ernst gemeinten „Danke“ hinreißen lässt – ein Zeichen, dass die Figuren durchaus wandelbar und entwicklungsfähig sind.
Neben Humor und Spannung bietet dieser Regionalkrimi wunderbare Einblicke in die Stadt Retz und ihre Attraktionen, sodass man beim Lesen geradezu Lust bekommt, dieses Fleckchen einmal zu besuchen.
Das Cover ist schlicht gehalten und passt mit seiner ungewöhnlichen Darstellung von Weinflaschen sehr gut zum Inhalt des Buches. Auch die Farbgebung ist sehr harmonisch.
Wer Spannung in Verbindung mit gepflegtem Humor mag, wird bei diesem Krimi bestimmt auf seine Kosten kommen. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 26.02.2019
Lago Mortale / Simon Strasser Bd.1
Conti, Giulia

Lago Mortale / Simon Strasser Bd.1


sehr gut

Mordermittlungen mit Urlaubsflair

Der Piemont-Krimi „Lago Mortale“ von Giulia Conti bildet den Auftakt zu einer Krimireihe rund um den ehemaligen Polizeireporter und Halbitaliener Simon Strasser. Er erscheint im März 2019 im Atlantik-Verlag und umfasst 286 Seiten.
Flirrende Augusthitze am Lago d’Orta. Auf dessen Luxusyacht entdeckt Simon Strasser die Leiche eines Fabrikantensohns. Während die Polizei noch im Dunklen tappt und mehr und mehr von einem Unfall ausgeht, macht sich der ehemalige Polizeireporter auf eigene Faust an die Ermittlungen – und stößt dabei auf eine Reihe von Familiengeheimnissen.
Von Anfang an werden Leserinnen und Leser unmittelbar ins sommerliche Piemont mit seinem Ambiente hineingezogen. Mit dem Auffinden der Leiche beginnt der Krimi auch gleich spannend, dann allerdings plätschert die Handlung erst einmal vor sich hin, bis sich in der zweiten Romanhälfte immer mehr Hinweise auf einen möglichen Mord und sein Motiv ergeben. Schließlich gelingt es Strasser, in einem dramatischen Finale den Mörder zu entlarven.
Der Krimi besticht weniger durch seine Spannung, kommt unblutig und unspektakulär daher, reizt jedoch mit seiner realistischen Darstellung der italienischen Lebensweise und der Landschaft des Piemonts. Hieran wird jeder Italienfan seine wahre Freude haben: Man unternimmt eine kulinarische Reise durch das Land, die teils fast unberührten Landschaften und die Orte rund um den Lago d’Orta werden sehr ansprechend und realistisch beschrieben, sodass man beim Lesen das Gefühl hat, vor Ort zu sein. Ergänzt wird diese „Reise“ durch einige Informationen über den See im Nachwort der Autorin.
Gut in dieses Ambiente passt auch Contis Sprache, die von italienischen Wendungen und Sätzen durchsetzt ist. Ansonsten pflegt die Autorin einen beschreibenden, flott zu lesenden Sprachstil. Die Kapitel sind kurz, sodass man beim Lesen gut vorankommt.
Die überschaubaren Charaktere sind wirklichkeitsgetreu und plastisch beschrieben, dabei aber durchaus vielschichtig, sodass man nicht zuletzt bei der Auflösung des Falls auch überrascht wird. Innere Monologe laden zudem zu einer Identifikation mit dem Protagonisten, Simon Strasser, ein. Besonders gut hat mir neben diesem Reporter die Polizistin, Carla Moretti, gefallen, die durch ihre ruhige Art hervorsticht.
Das Cover ist sehr ansprechend, passt mit der Abbildung einer italienischen Kleinstadt am Wasser zur Szenerie und erinnert, genau wie die Schilderung des italienischen Augusts, an Urlaub.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Krimidebüt um ein Buch, das sich „in einem Rutsch“ lesen lässt, Leserinnen und Leser in den italienischen Sommer entführt und somit – gerade auch wegen seiner Unblutigkeit – eine unterhaltsame, gefällig spannende Urlaubslektüre darstellt. Alles in allem ein angenehmes Lesevergnügen für zwischendurch.

Bewertung vom 25.02.2019
Der Gesang der Bienen
Dorweiler, Ralf H.

Der Gesang der Bienen


ausgezeichnet

Ich selber lese eher selten historische Romane, jedoch hat das Auftreten der Heiligen Hildegard von Bingen mich zum Griff zu dieser Lektüre veranlasst. Und ich wurde nicht enttäuscht: Von Anfang an liest sich der Roman spannend wie ein Krimi, lässt Leserinnen und Leser tief in die Welt des Mittelalters eintauchen und wartet mit interessanter Sachkenntnis auf.
Im Zentrum dieses Romans stehen die 16 Tage, die dem Zeidler verbleiben, seine Frau vor dem Schafott zu bewahren. Diese werden aus verschiedenen Perspektiven erzählt: Neben den Abenteuern des Reisenden gibt es immer wieder Wechsel zum Schicksal seiner Frau im Kerker und seiner Kinder, die er auf der Burg Gottfrieds von Staufen zurücklassen musste. Die Zeit ist für die Familie geprägt von dramatischen Ereignissen, oft zweifelt man beim Lesen an einem guten Ausgang, um dann durch eine unvorhergesehene Wendung wieder Hoffnung zu schöpfen – nur um etwas später doch erneut mit den Charakteren bangen zu müssen. So kommt man beim Lesen kaum zur Ruhe und fliegt förmlich durch die Seiten. Das Ende des Romans ist für meinen Geschmack zwar ein wenig zu „schön“, dieses tat dem Lesegenuss jedoch keinen Abbruch.
Trotz aller Spannung sorgt Ralf H. Dorweiler auch für Wissenszuwachs beim Lesen: Sehr detailliert wird über das Zeidlerhandwerk berichtet, und die Szenen auf der Burg lassen das Ritterleben realistischer erscheinen, als man es von verbreiteter Ritterromantik gewohnt ist. Insbesondere die Darstellung der Heiligen Hildegard und des Rupertsbergs sowie des Disibodenbergs haben mich beeindruckt und zeugen von einer guten Recherche des Autors.
Die Charaktere sind lebensnah und plastisch gestaltet, was zum Mitleiden und –fühlen einlädt. Immer wieder tritt auch eine Vielschichtigkeit zutage, was insbesondere für Hildegard von Bingen gilt, die auf den ersten Blick zwar als schroff und abweisend, also unchristlich, erscheint, sich dann aber als weitschauende, intelligente, ihren Mitmenschen zugewandte Frau entpuppt.
Dorweilers Sprache ist flüssig zu lesen, an manchen Stellen fast schon poetisch und eine gut leserliche und verständliche Mischung aus Alt und Neu. Besonders gut gefallen haben mir die mittelalterlichen Ausdrücke wie z.B. Begine und Refektorium. Auch an der einen oder anderen Stelle eingefügte lateinische Zitate bzw. Wendungen kamen bei mir sehr gut an.
Am Ende des Buches befindet sich unter dem Titel „Dramatis personae“ ein Personenglossar, welches die Orientierung beim Lesen erleichtert. Besonders gefällt, dass historisch belegte Persönlichkeiten markiert sind. Dieses regt die Leser/innen dazu an, sich ggf. mit bestimmten Personen weiter zu beschäftigen.
Insgesamt präsentiert Ralf H. Dorweiler mit „Der Gesang der Bienen“ einen wirklich spannenden und lehrreichen historischen Roman, der das Mittelalter wieder aufblühen lässt und Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht. Von mir gibt es deshalb eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

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