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Benutzername: 
Elohym78
Wohnort: 
Horhausen

Bewertungen

Insgesamt 385 Bewertungen
Bewertung vom 24.09.2022
Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit
Pulley, Natasha

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit


weniger gut

Joe Tournier steht auf einem Bahnhof in London. Er weiß nicht, wer er ist. Er weiß nicht, woher er kommt, oder wohin er möchte. Joe hat sein Gedächtnis verloren. Zum Glück werden seine Besitzer schnell gefunden und die Suche nach dem Ich nimmt ihren Weg. Denn alles erscheint Joe falsch, verworren und irgendwie nicht greifbar. Er weiß nur eins: Er muss M finden! Seine Reise bringt ihn schließlich zu einem geheimnisvollen Leuchtturm und dort erkennt Joe, dass alles anders ist, als er es sich jemals vorgestellt hätte.

Das Cover zeigt den Leuchtturm von Eilean Mór als eine Art abgestempelte Briefmarke. Er thront auf den Klippen einer Insel auf den Äußeren Hebriden wie aus der Zeit gefallen; umkränzt von einem Ziffernblatt. Ich finde es sehr schön und es berührte mich sofort. Zusammen mit dem Klapptext machte es mich sehr neugierig auf das Buch.

Natasha Pulley hat eine schöne, bewegende und interessante Zeitreisegeschichte kreiert, mit deren Irrungen, Wirrungen und unvorhergesehenen Wendungen ich nie gerechnet hätte. Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht Joe Tournier, der mitten auf einem Bahnhof ohne jegliche Erinnerungen zu sich kommt. Joe spührt, ahnt und merkt, dass da noch mehr sein muss, kann das Vergessene allerdings nie wirklich greifen. Selbst als er sich endlich am Ziel wähnt, am Leuchtturm Eilean Mór, spitzt sich die Situation immer weiter zu.
Natasha Pulley nimmt nicht nur Joe, sondern auch mich, mit auf eine Zeitreise. Allerdings nicht nur durch die Zeit, sondern auch durch Joes Leben und die Geschichte Englands und wie sie sein könnte, hätte sein können, ist, wäre und in Zukunft sein wird. Mir persönlich waren das zu viele Wendepunkte und schnell verlor ich den roten Faden in der Geschichte. Und auch die Lust am Lesen, da ich nie wusste, wann ich bin und mit wem ich gerade unterwegs bin. Das legte sich erst, als ich Personen und Zeiten auf einem Zettel notierte und diesen griffbereit neben mir hatte. Die Zeitsprünge und vor allem die Rückblicke innerhalb der Zeiten waren mir zu viel des Guten. Außerdem fieberte ich die ganze Zeit nach des Rätselslösung und hatte immer das Gefühl, dass wenn ich endlich Klarheit erlangt habe, mir das Deutliche zwischen den Fingern zerrinnt.
Auch fand ich es nicht schön, die ganze Zeit Menschen leiden zu sehen, ob ihrer inneren Gefühle. Eine raue Zeit, eine faszinierende Zeit und bestimmt auch eine sehr geschichtsträchtige. Mir war es jedoch zu viel durcheinander, als dass ich mich in dem Buch hätte wohlfühlen können.

Mein Fazit
Ein grandioses Thema individuell umgesetzt. Meinen Geschmack hat das Buch leider nicht getroffen, aber es hat seine Stärken.

Bewertung vom 11.09.2022
Zehn Jahre du und ich
Hughes, Pernille

Zehn Jahre du und ich


sehr gut

Mit dem plötzlichen Tod von Ally, bricht nicht nur für ihren Verlobten Charlie eine Welt zusammen, sondern auch für ihre beste Freundin Becca. Doch statt sich gegenseitig Trost und Halt zu spenden, gehen sich die beiden aus dem Weg. Nur einmal im Jahr treffen sie sich, um Allys Bucket-List abzuarbeiten. Und es wird für beide Parteien eine wahre Knochenarbeit, aber auch eine Herzensangelegenheit. Immerhin geht es um ihre geliebte Ally...

Pernille Hughes hat einen unfassbar berührenden, wunderschönen und bewegenden Schreibstil. Sie drückt nicht kitschig auf die Tränendrüse, auch wenn ich hin und wieder schniefen musste, sondern schildert die Gegebenheiten wie aus dem Leben gegriffen. Den Streit, zwischen Becca und Charlie, die innige Liebe der beiden zu Ally, die sie verbunden hat und wie sich ihr Leben nach Allys Tod weiterentwickelt. Ohne Probleme konnte ich mit den beiden die Bucket-List abarbeiten, aber auch die Momente des Triumphes genießen und an den Aufgaben wachsen.
Denn es ging Ally nicht darum, die beiden Streithähne mit Gewalt aufeinander los zu lassen, sondern sie sollten erkennen, was sie verbindet, was sie trennt und dass sie eigentlich nicht wie Hund und Katze sind. Ich genoss es in vollen Zügen, Becca uns Charlies Entwicklung über die Jahre beobachten zu dürfen. Wie sie mit Allys Tod umgehen und sich neue Räume erobern. Ally schien es wichtig, dass die beiden den Tod nicht als böse Bedrohung ansehen, sondern die Chance dahinter sehen, etwas völlig Neues zu erleben und nimmt sie dabei mit Hilfe ihrer Liste an die Hand.
Pernille Hughes schildert dies so feinfühlig, so innig berührend, dass es selbst mir viel gegeben hat. Hoffnung, Mut und Lust an neuen Dingen. Auch mal über den eigenen Schatten springen und nicht immer den Fehler bei anderen suchen, mag es auch oft einfacher erscheinen.

Mein Fazit
Ein wunderschönes, berührendes Buch, dass ich wärmstens empfehlen kann!

Bewertung vom 04.09.2022
Stille blutet
Poznanski, Ursula

Stille blutet


gut

Als Tibor Glaser hört, dass seine Ex-Freundin Nadine Just einen verstörenden Nachrichtenbeitrag vorgetragen hat, in dem es um ihren eigenen Tod geht, fährt er sofort zu ihrem Sender. Mit schlechten Gefühlen im Bauch betritt er Nadines Garderobe und findet sie ermordet vor. Kurz darauf kündigt ein weiterer C-Promi seinen baldigen Tod an. Auch dieser ist wieder mit Tibor Glaser verknüpft. Doch Tibor beteuert seine Unschuld, doch die Schlinge zieht sich mehr und mehr zu, denn alle Indizien sprechen gegen ihn.

Das Coverbild zeigt den Stephansdom, der sich in einem Meer aus Blut zu spiegeln scheint. Das Bild wirkt düster, bedrohlich und Angst einflößend und reizte mich zusammen mit dem Klapptext zu einem beherzten Griff zu dem Buch.

Ich schätze Ursula Poznanski sehr für ihre ausgefeilten, teils tiefgründigen und spannenden Romane. Deswegen habe ich mich sehr auf ihr neues Werk gefreut und ließ mich gerne in Wiens Polizeibehörde und deren Arbeit entführen. Wie in vielen Behörden scheint das Team um die Ermittlerin Fina Plank oberflächlich betrachtet wunderbare Arbeit zu leisten, aber unter der Oberfläche brodelt es. Denn Fina ist jung und eine Frau und somit eine Rarität in der Mordermittlung. Während einige Kollegen ihr hilfreich zur Seite stehen, versuchen andere, ihr zu schaden und sie zu verdrängen. Doch Fina setzt sich mit Biss durch, was ich unterhaltsam zu lesen fand. Ich mag zwischenmenschliche Querelen und die Lösungswege hin zu einem guten Miteinander.
Denn das gute Miteinander ist bei dieser verzwickten und vor Zufällen strotzenden Ermittlung mehr als wichtig. Für meinen Geschmack reihten sich diese zu offensichtlich aneinander, was auch der versierten neuen Ermittlerin alsbald unangenehm auffiel. Die Ermittlungen konnten mich leider nicht fesseln, da mir das Motiv fehlt. In vielen Büchern gefällt es mir, gemeinsam mit den Ermittlern einer heißen Spur zu folgen und finde es grandios spannend, den Täter erst auf der letzten Seite zu stellen, aber hier fehlte mir die Spannung leider. Ich fühlte mich alleine gelassen und tappte zu oft im Dunkeln. Folgen konnte ich der Handlung zwar, aber mir fehlte der Sinn, oder das Verständnis für die Situation.

Die Protagonisten fand ich zwar durchaus ansprechend, aber irgendwie sehr Klischee behaftet. Die Neue im Team, ausgerechnet eine Frau in einer Männerdomäne, hat den richtigen Riecher. Der Alpha wird in seine Schranken verwiesen und macht Wind gegen die Neue. Es gibt die typischen Mitläufer und die, die sich dagegen auflehnen. Und doch ist dies nur der innere Schein, denn nach Außen wirkt alles professionell. Ein dankbares Opfer, das als Täter herhalten muss und ein verzwicktes Katz und Maus Spiel. Wobei Spiel falsch ist, denn alle scheinen eher zu reagieren, als zu agieren.

Mein Fazit
Mich hat das Buch leider nicht überzeugen können. Mir war die Handlung zu zäh und das Motiv hat sich mir nicht wirklich erschlossen.

Bewertung vom 21.08.2022
Die Köchinnen von Fenley
Ryan, Jennifer

Die Köchinnen von Fenley


sehr gut

... noch nie war dieser Spruch so wahr, wie zu Kriegszeiten! Vor allem für die Frauen, die zu sehen mussten, wie sie ihre Familie mit den wenigen, rationierten Lebensmitteln über die Runden bringen sollten.
In dieser Zeit lebt Audrey mit ihren drei Söhnen in Fenley. Ihr Mann Matthew wurde über Düsseldorf abgeschossen und seit dem bringt sie die Familie alleine durch. Doch es ist Arbeit, viel Arbeit. Der einzige Lichtblick scheint die Serie Kitchen Front zu sein, dessen Moderator Tipps und Tricks zeigt, wie man aus wenigen Lebensmittel eine wohlschmeckende Mahlzeit zubereiten kann.
Denn ihre Schwester, Lady Gwendoline Strickland hilft ihr nicht. Lady Gwendoline ist einzig auf ihren eigenen Vorteil bedacht und weiß sich ganz genau in Szene zu setzen. Trotzdem ist auch für sie Kitchen Front ein Lichtblick und Quell der Freude.
Ganz anders die Köchin Zelda. Schwanger und verzweifelt ist für sie Kitchen Front keine Quelle der Freude, sondern Sprungbrett. Denn als die Macher der Radioshow einen Wettbewerb ausrufen und die Gewinnerin des Kochduells groß rausbringen wollen, wittert sie ihre Chance, als Frau endlich das Ansehen zu bekommen, das ihr zusteht.
Von Ansehen und Ruhm träumt die Köchin Mrs Quince und ihre Küchenmagd Nell bei weitem nicht. Sie machen bei dem Wettbewerb mit, wachsen allerdings erst nach und nach an ihren Aufgaben.

Das Cover zeigt die vier Konkurrentinnen Zelda, Lady Gwendoline, Audrey und Nell, wie sie in Kochmontur und mit Lebensmitteln ausgestattet auf dem Weg zu Kitchen Front sind. Mitten in der Bewegung eingefangen, wirkt das Bild auf mich lebendig und voller Tatendrang. Die vier blicken nach vorne, sind zielstrebig und respektieren und schätzen sich. Ich finde es gut zu Titel und Inhalt des Buches gewählt.

Es scheinen die kleinen Augenblicke zu sein, die Jennifer Ryan in den Mittelpunkt ihrer Erzählung stellt und die das Buch für mich zu einem nachhaltigen Erlebnis machte. Sie schreibt so lebendig, so enthusiastisch und berührend, dass die Zeilen wie nichts an mir vorbei geflogen sind. Angst, Alltag, Sorgen und Nöte stehen ebenso auf dem Tagesplan wie stark sein und Spaß haben für die Kinder, der Kampf ums tägliche Leben in Kriegszeiten.
Besonders Freude bereitete mir zu sehen, wie aus den vier Frauen Freundinnen werden. Es gibt immer weniger Ich und immer mehr Wir. Verbiegen muss sich deswegen keine von ihnen, sondern sie wachsen an sich und an den anderen; an den Gegebenheiten des Krieges und an ihren Mitmenschen. Jennifer Ryan schildert diese Entwicklung sehr einfühlsam und behutsam. Sie zwingt nichts auf, sondern lässt Gefühle reifen. Ich hätte nie gedacht, dass diese vier völlig unterschiedlichen Frauen tatsächlich eine Basis finden können, um harmonisch und liebevoll miteinander umzugehen. Die Autorin macht kein Drama um allein erziehende Mütter, Witwen, Mägde oder sonstige Vorurteil behaftete Personen zu dieser Zeit, sondern lässt sie einfach leben, lieben und lachen, denn der Alltag ist schon hart genug. Und doch beschäftigt mich dies sehr. Wie sehr haben die Frauen vor sechzig, siebzig Jahren kämpfen und sich behaupten müssen, damit wir heute unser Leben genießen können.

Mein Fazit

Vier Frauen, die eigentlich ihren Platz im Leben bereits gefunden haben, auf der Suche nach sich selber. Wunderbar einfühlsam und lebendig geschrieben!

Bewertung vom 10.08.2022
Snowflake
Nealon, Louise

Snowflake


ausgezeichnet

An Debbies erstem Tag an der Uni geht einfach alles schief und sie merkt schnell, dass sie mit ihrer gutgläubigen und zuversichtlichen Art hier falsch ist. Statt bei ihren Fehlern Hilfe zu bekommen, erntet sie Spott, auch wenn die anderen dies durchaus nicht böse meinen. Debbies eigentlich schönster Tag entwickelt sich mehr und mehr zu einem Alptraum, dem sie einfach nur entkommen möchte. Doch nach und nach findet sie sich im Uni-Leben ein, vor allem Dank der Hilfe Xanthes, die ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Xanthe ist auch etwas anders, überspielt dies aber geschickter.

Das Cover zeigt Debbie, die an der Wasserkante steht und aufs Meer hinaus blickt. Debbie ist in schatten-schwarz gehalten, als wenn sie erst aus dem Dunkel ins Licht treten müsste, damit sie ganz zu sehen ist. Das Meer schimmert in einem flüchtigen Morgenrot und verspricht einen neuen Tag. Das Dunkel geht, die Helligkeit kommt. Ich finde das Bild wunderschön zu Titel und Inhalt des Buches gewählt und hätte mir kein schöneres und ausdrucksstärkeres Bild wünschen können.

Louise Nealon beschreibt Debbies Leben, Denken und Fühlen ungewohnt eindringlich und berührend. Ich fühlte mich sofort angesprochen und konnte Debbies Gefühle nachvollziehen. Die Hoffnung, die Freude auf ihren neuen Lebensabschnitt und ihr Verletzt sein ob der Zurückweisung. Ich habe schallend gelacht, Tränen geweint, mich maßlos geärgert, mich fremd geschämt und war gelangweilt. Kurz: Ich habe das Buch gelebt und konnte mich komplett in Debbies ungewöhnliches Leben fallen lassen. Mir kam es allerdings nur so ungewöhnlich vor, weil sie als junge Frau auf der einen Seite absolut weltfremd zu sein scheint und dann wieder wie eine Mensch, der schon unfassbar viel Lebenserfahrung gesammelt hat. In ihrer Welt, der Welt des Bauernhofes und des Dorflebens hat sie schon alles mitgemacht; jeglichen Höhen und Tiefen erlebt und als sie den Schritt an die Universität macht, betritt Debbie eine neue Welt. Vermutlich geht es jedem von uns so, nur keiner spricht offen darüber. Beziehungsweise, die meisten Menschen haben es gelernt, ihre Fehler zu kaschieren; Debbie nicht. Sie spiegelt ihre Selbstzweifel und ihre Unsicherheit nach außen.

Louise Nealon ist mit Debbie eine herzerwärmende Protagonistin gelungen, die mich von der ersten Seite an berührte. Debbie ist so einzigartig wie eine Schneeflocke, aber längst nicht so zerbrechlich. Auch wenn sie ihre innere Stärke erst finden und erkennen muss. Denn Debbie trägt ihre Wünsche wie Löwenzahn mit sich. Leicht, für jeden zugänglich, luftig und doch unbeugsam. Eine luftige Mischung, die eisern sein kann. Ohne wenn und aber arbeitet sie auf dem Bauernhof mit, kümmert sich um ihre debile Mutter und ihren kauzigen Onkel. Ganz selbstverständlich und zieht keine Sekunde in Zweifel, dass es anders sein könnte. Erst der abgewandte Blick zeigt ihr andere Möglichkeiten und neue Wege. Wege, die nicht besser oder schlechter sind, sondern anders.

Mein Fazit
Ein wunderschönes, berührendes und tiefes Buch. Mein bisheriges Highlight!

Bewertung vom 07.08.2022
Sharing - Willst du wirklich alles teilen?
Strobel, Arno

Sharing - Willst du wirklich alles teilen?


sehr gut

Markus wartet. Und wartet. Doch seine Frau Bettina kommt nicht wie abgesprochen nach Hause. Stattdessen meldet sich ein Fremder und gibt ihm einen Link, der Markus ins Darknet führt. Zu einer Internetseite, auf der seine Bettina unter den Augen von tausenden Usern geteilt wird. Morgens liegt sie tot in einer ihrer Wohnung. Schnell ist für die Polizei klar, dass Markus der Täter ist. Doch dann verschwindet auch noch seine Tochter Leoni und gnadenloser Wettkampf gegen die Zeit beginnt.

Das Cover zeigt ein Smartphone-Display, auf dem der Kopf einer Frau zu erkennen ist. Über ihre Augen ist ein gelber Klebestreifen geklebt, der einen Großteil des Gesichts unkenntlich macht. Besonders inspirierend fand ich das gewählte Bild nicht. Es hat zwar den Inhalt des Buches perfekt widergespiegelt, berührt hat es mich allerdings nichts.

Arno Strobel ist mir als Autor von interessanten und spannenden Thrillern bekannt. Mit dementsprechend hohen Erwartungen ging ich an das Buch heran und wurde absolut nicht enttäuscht! Von der ersten Seite an ist es dem Autor mal wieder gelungen, mich in seinen Bann zu schlagen. Mit seinem unnachahmlich hohen Tempo stieg er sofort in die Handlung ein und schaffte es auch, den Spannungsbogen nicht nur hoch zu halten, sondern sogar, das Tempo noch zu steigern und den Druck zu erhöhen. Mal wand sich die Handlung hier hin, mal dort hin und ich begleitete Markus auf der Suche nach den Mördern seiner Frau Bettina und Entführern seiner Tochter Leonie. Dabei gerät er immer stärker ins Fadenkreuz der Ermittlungen und ja, auch ich zweifelte mehr und mehr an seiner Unschuld. Mit perfider Bösartigkeit säte Arno Strobel Zweifel an der Unschuld von Markus und der grandiosen Idee seiner Sharing-Firma und das Saatkorn ging auf. Nur mit Mühe konnte ich mich dem Strudel der Gewalt und der Schuldzuweisung entziehen und objektiv auf die Geschehnisse blicken. Bis mich doch wieder die Ereignisse mitrissen.

Das Thema Sharing finde ich spannend und gut gewählt. Auch, dass es von Arno Strobel nicht als das Allheilmittel hingestellt wird. Stattdessen geht der Autor mit Sinn und Verstand an die Sache und zeigt neben den Vorteilen auch Nachteile auf, die jeder für sich selber ergründen sollte. Verantwortung steht an erster Stelle. Aber nicht nur die für die zu teilenden Dinge, sondern auch der verantwortungsvolle Umgang der Nutzer mit den Dingen. Es kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen. Neben diesem interessanten Thema stand auch das Darknet im Mittelpunkt, dass wie das Sharing eigentlich als gute, ja hervorragende Sache geplant gewesen war. Sollte es verfolgten Menschen helfen, ihre Meinung in die weite Welt zu tragen, ohne Angst vor Verfolgung und Tod, entdeckten es bald Verbrecher für sich. Das Darknet an sich, ist nicht schlecht oder schlimm, nur das, was wir daraus oft machen. Sharing und Darknet sind mit Sicherheit kontrovers diskutierte Themen, die Arno Strobel wunderbar in seinem Buch umsetzt.

Mein Fazit
Ein bösartiger, brutaler und rasant spannender Thriller!

Bewertung vom 02.08.2022
Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1
Letterman, Karla

Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1


sehr gut

Nach dem Unfalltod seiner Frau Maike, steht Henri völlig neben sich. Nur mit Mühe kann sich der junge Witwer aus seiner Lethargie reißen und das Leben in Angriff nehmen. Denn neben Maikes Laden Nähschiff & Nadelflotte warten einige Überraschungen auf Häkel-Henri, wie er bald schon genannt wird.

Das Cover zeigt ein Häkeldeckchen und Totenkopfmotiv, auf dessen feine Spitze Blut tropft. Männerhände halten die blutige Nadel, während eine herrenlose Schere den Faden gekappt hat, der das Motiv fertig stellen sollte. Das Bild wirkt auf mich lustig-bösartig und hat mich zusammen mit dem Klapptext neugierig auf das Buch gemacht.

Von komisch bis traurig über spannend und mysteriös, war einfach alles in dem Häkel-Krimi von Karla Letterman vertreten. Der lebendige Schreibstil der Autorin fesselte mich von der ersten Seite an und brachte mich oft zum Schmunzeln. Tiefgründig erschien mir Karla Lettermans Stil anfangs nicht, aber bewegend; die Dialoge voller Esprit und die Handlung öffnete sich erst nach und nach vor meinen Augen. Zu Beginn des Buches dachte ich mir nicht viel bei dem Tod von Maike, doch nach und nach entfernte sich der Schleier des Hinnehmens, in gleichem Maße, wie Henri gegen seine tiefe Trauer kämpfte und nach den Gründen für ihren Tod forscht.

Henri sinnt nicht auf Rache, er ist kein bösartiger, rachsüchtiger Mensch, aber er möchte verstehen. Und genau das, macht ihn in meinen Augen so sympathisch. Er ist nicht Kopflos, sondern überlegt und würde niemals bösartig auf andere los gehen. Durch die Bank weg haben mich alle Charaktere begeistert und fasziniert! Egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich, alle haben mich interessiert, da Karla Letterman sie so lebendig und lebensnah beschrieb, dass ich fast das Gefühl bekam, sie schreibt über nahe Bekannte. Auch hier greift ein Rädchen ins andere. Eine Person, die anfangs nur eine Randfigur war, tritt aus dem Schatten in den Mittelpunkt. Speziell die Namen zauberten mir immer wieder ein breites Grinsen ins Gesicht: Ob das die Kneipe Max Muckefuck war, Maikes Mitarbeiterin Frollein Edda oder die Tierärztin Peggy Pump. Hinter jeder Person steckt ein weiterer, wenn auch kleinere Handlungsfaden, der sich mit der Gesamtgeschichte zu einem Häkeldeckchen vereinte und erst dann eine runde Sache gab.

Oft machte ich mit Gedanken, in welche Richtung sich die Handlung wohl entwickelt, was hinter Maikes Tod steht und wie es wohl mit dem kleinen Nähladen weiter gehen wird, aber dann kam es zum einen ganz anders, als ich es mir gedacht hatte und zum anderen wollte ich mich auch viel lieber einfach von der Handlung treiben lassen. Denn genau dazu lädt die Autorin ein: Rätseln und treiben lassen. Eine gekonnt schöne, sommerliche Erzählstrategie, die mich begeistert!

Mein Fazit
Ein kleiner Häkel-Krimi ganz groß mit immer wieder überraschenden Wendungen und tollen Charakteren.

Bewertung vom 27.07.2022
Der schönste Zufall meines Lebens
Williams, Laura Jane

Der schönste Zufall meines Lebens


sehr gut

Eigentlich läuft alles super in Pennys Leben: Sie hat den Krebs besiegt, führt ein erfolgreiches Café in London und fühlt sich geborgen im Schoß ihrer Familie. Doch ein Wunsch bleibt: Der Wunsch nach einem Partner für's Leben und eigene Kinder. Doch alles tritt in den Hintergrund, als ihr Onkel David zusammenbricht. Kurzentschlossen übernimmt Penny seinen Pub. Und nicht nur der Pub gibt ihrem Leben eine neue Wendung, sondern auch die Männer, die ihren Weg kreuzen.

Das Cover ist in himmelblau gehalten. Es zeigt Penny, bepackt mit einem kleinen Köfferchen, bereit zum Aufbruch und ihre drei Männer. Alle verbunden durch eine Linie. Die drei Männer sind unterschiedlich dargestellt, genauso, wie sie auch wirklich sind und mir machte es viel Spaß, die Bilder den Protagonisten zuzuordnen.

Auch wenn das Buch mit einer Trennung und Tränen beginnt, hat es mich ab der ersten Seite begeistert und Spaß gemacht! Ja, Liebe schmerzt, ist aber auch wunderschön und absolut erstrebenswert. Und genau dieses Achterbahngefühl vermittelt Laura Jane Williams gekonnt und lebhaft. Ich stand mit Penny vor ihrem Café und verdrückte mir eine Abschiedsträne, ebenso wie mir bei ihrem Flirtversuch die Röte ins Gesicht schoss. Über kurze Intervalle waren Trauer und Freude vertreten und deswegen wirkte das Gelesene auf mich so lebendig und einfach toll! An einigen Stellen war die Handlung frivol und frech, aber das machte den besonderen Charme aus, denn Liebe ist nicht nur Kuscheln, sondern so viel mehr!
Allerdings wird schnell deutlich, dass Penny nicht nur auf der Suche nach einem Mann für's Leben ist, sondern sich auch selber finden muss. Laura Jane Williams schildert dies nicht drückend schwer, es ist keine Sinnkriese, sondern einfach eine Frau auf der Suche nach ihrem Leben, auf die mich die Autorin mitnahm. Sehr gerne begleitete ich Penny auf ihrer Achterbahnfahrt der Gefühle und checkte die Männer gemeinsam mit ihr ab. Dank der besonderen Intensität, die Laura Jane Williams vermittelte, fühlte ich mich nicht als Leserin, sondern als Freundin, der Penny ihr Herz ausschütten kann.
Auch die Atmosphäre hat mir gut gefallen. Mal im quirligen London und in Penny Café, dann in einem eher beschaulichen, gediegenen Pub. Zwei Orte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Gegensätzlichkeit Penny für ihre Entwicklung allerdings dringend zu brauchen scheint. Will sie Ruhe und Frieden, oder doch eher Action? Die drei Männer scheinen zu jedem Lebensabschnitt zu passen, aber welcher alle Wünsche Pennys vereint, klärt sich nicht ganz so schnell, wie ich anfangs dachte.

Mein Fazit
Ein lockerer und leichter Sommerroman, den ich in einem Rutsch verschlungen habe.

Bewertung vom 17.07.2022
Tot ist sie dein
Casoy, Ilana;Montes, Raphael

Tot ist sie dein


ausgezeichnet

Vor den Augen der Kriminalkommissarin Veronica Torres stürzt sich eine verzweifelte Frau aus dem Fenster. Marta Campos war kurz zu vor bei Veronicas Chef Carvana gewesen, um Anzeige gegen einen Betrüger zu erstattet. Doch sie wurde nicht ernst genommen. Veronica nimmt sie ernst und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Bald muss die feststellen, dass nicht nur ein Betrüger unterwegs ist, sondern auch ein Serienmörder sein Unwesen treibt.

Eine Holzkiste mit Luftlöchern und blutigen Handabdrücken. Steiniger Boden und Nachtschwärze und somit Angst, Grauen und Ausweglosigkeit, sind die ersten Eindrücke, die das Buch auf mich vermitteln. Zusammen mit dem Klapptext ein Garant, dass ich einfach zu diesem Buch greifen musste!

Ilana Casoy und Raphael Montes schaffen eine bedrohliche und brutale Atmosphäre, deren Sog ich versucht habe zu entkommen. Doch Dank des starken Schreibstils der beiden, gelang dies nur mäßig und ich durfte einen Blick in den Abgrund riskieren. Hier scheint sich ein Thriller-Duo gefunden zu haben, dass unter die Haut geht! Besonders gut hat mir die Verflechtung der Kriminalfälle gefallen, die eigentlich schon jeder für sich ein eigenständiger Thriller hätten sein können! Doch zu keiner Sekunde kam bei mir das Gefühl auf, dass eine Handlung zu kurz oder eine Beschreibung zu ungenau gewesen war.
Gerne stellte ich mir vor, dass jeder der beiden Autoren einen Fall ausgetüftelt und als Bindeglied die bemerkenswerte Kommissarin Veronica Torres kreiert haben. Eine starke Frau mit starken Fehlern, die die Fäden in Händen hält und die Geschicke der Opfer lenkt. Mal ist mir Veronica sympathisch und ich bewundere ihre Art, nie aufzugeben, dann wieder halte ich sie für eine gescheiterte Existenz, die sich die Wahrheit zurecht biegt, wie sie sie gerade braucht. Für mich ist sie eine dunkle Heldin, geprägt von der vorherrschenden Korruption in Brasilien und den Vorurteilen, gegen Frauen und Polizisten. Sie will ein bodenständiges Familienleben, dass ihr Halt in dieser grausamen Welt gibt und gleichzeitig ist ihr das zu langweilig. Eine Frau mit Gegensätzen, die noch auf der Suche nach sich selber ist.

Rückblickend finde ich es faszinierend, dass neben so einer starken Protagonistin die eigentliche Handlung nicht in die zweite Reihe rutscht, sondern alles nebeneinander existieren kann. Ja sogar zwei Handlungsstränge in einer Geschichte funktionieren, ohne das ich den Faden verlor! In meinen Augen haben Ilana Casoy und Raphael Montes sich gesucht und gefunden. Voller Spannung warte ich auf ihr nächstes Buch, dass hoffentlich bald erscheinen wird!

Mein Fazit
Blutig, brutal und spannend bis zum Schluss! Grandios!

Bewertung vom 03.07.2022
Findelmädchen
Bernstein, Lilly

Findelmädchen


ausgezeichnet

Passend zu Weihnachten meldet sich der Vater von Helga und Jürgen und holt die beiden zurück in ihre Heimatstadt Köln. Während des Kriegs hatten Tante Claire und Onkel Albert die beiden Kinder bei sich aufgenommen, aber weiterhin nach deren leiblichen Eltern gesucht. Jetzt ist es endlich soweit und einer glücklichen Familienzusammenführung steht nichts mehr im Wege. Wären da nicht die schrecklichen Erinnerung an den Krieg, das Leid und das Elend, das immer noch auf deutschen Straßen herrscht.

Lilly Bernstein hat einen warmherzigen und interessanten Schreibstil. Ohne Probleme konnte ich mich in die beiden Kriegskinder Helga und Jürgen hineinversetzen. Ihren Schmerz nach empfinden, der sie entwurzelt und unglücklich zurück gelassen hat. Manchmal ist überleben nicht alles, wenn du kein Glück findest. Und diese beiden Kinder haben das Glück bisher noch nicht gefunden. Sie wurden zwar liebevoll von Tante Claire und Onkel Albert betreut und groß gezogen, aber dazugehört haben sie nicht wirklich. Das soll sich endlich in ihrer Heimat Köln ändern, doch auch hier steht den beiden viel im Weg. Zu aller erst sie sich selber. Während Jürgen der Neustart locker zu gelingen scheint, besteht Helgas Leben aus Kampf.
Jürgen findet eine Anstellung bei den Ford-Werken und geht in seiner Arbeit auf. Die Beschreibungen von Lilly Bernstein waren grandios und haben mir Freude und Staunen bereitet. Diese an Ehrfurcht grenzende Verehrung, bei Ford am Fließband arbeiten zu dürfen, ist heute nur noch schwer nachvollziehbar. So erging es mir mit unglaublich vielen Dingen, die die Autorin bildlich und lebendig schildert: Der erste Fernsehkoch und die Gerichte damals (Erfindung des Toast Hawaii), Tanzveranstaltungen, Schulbildung und der ganze Wiederaufbau der Stadt Köln lasen sich wie ein Abenteuerroman und doch war es erschreckend realistisch, da es eben kein fiktiver Ort zu einer fiktiven Zeit ist, sondern meine Heimat. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich die erwähnten Lieder aus dem Buch abgespielt habe, während des Lesens. Gedanklich flanierte ich über die Ringe, über den Eigelstein und erlebte eine Sitzung im Gürzenich. Alles mit Blick auf das Jetzt und gleichzeitig auf das Damals. Sehr viel fand ich wieder, noch mehr allerdings nicht. Besonders die Beschreibung der Hochbunker war mir nicht präsent: Heute Parkhaus, damals Lebensrettung.

Und diese ganzen Schilderungen der tatsächlichen Geschichte verflocht Lilly Bernstein mit den fiktiven Erzählungen über das Geschwisterpaar. Helgas Leben scheint typisch für die damalige Zeit. Für die Zeit des Umbruchs. Kaum vorstellbar, dass man als Frau die Unterschrift des Vaters oder Ehemanns benötigte, um einen Beruf ausüben zu dürfen! Aber noch schlimmer fand ich die Schilderung, dass es ledigen Müttern verboten ist, ein Kind groß zu ziehen. Die Autorin schildert nicht nur eine Zeit des Wandels, sondern auch zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit und Brutalität, die mir unter die Haut ging. Dabei hielt ich mir vor Augen, dass das alles noch gar nicht so lange her ist und der Kampf in vielen Dingen immer noch nicht vorbei ist. Helgas Geschichte steht sinnbildlich für die vieler Frauen, die ein gewisses Maß an Selbstbestimmung haben möchten. Während des Krieges auf sich selbst gestellt, sollen sie jetzt die Zügel wieder aus der Hand geben und andere bestimmen lassen? Merkwürdige Vorstellung. Doch Helga kämpft für sich, ihre Träume und ihre Ideale und diese Geschichte bewegte mich sehr.

Mein Fazit
Ein wunderbar geschriebenes Buch, das mich bewegte, berührte und begeisterte. Nicht nur, wegen des lebendigen Schreibstils, sondern weil es mir meine eigenen Familiengeschichte näher brachte.