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Reader1965
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 31.10.2023
Endstation Malma
Schulman, Alex

Endstation Malma


ausgezeichnet

You Are Not Alone

Nach "Die Überlebenden" und "Verbrenn all meine Briefe" ist auch der neue Roman "Endstation Malma" von Alex Schulman für mich wieder ein kleines Lesejuwel.

Der Autor nimmt uns mit auf drei Zugfahrten mit der Endstation Malma (1976, 2001 und 20 Jahre später) und lässt uns teilhaben an einer Familiengeschichte voller Liebe & voller menschlicher Abgründe. Erzählt wird aus drei Perspektiven: Harriet, Oscar & Yana, wobei Harriet als Tochter von Bo, Frau von Oskar & Mutter von Yana im Mittelpunkt steht. Es geht um Verletzungen, die sich in dieser Familie zugefügt werden, um weitergegebene Traumata, um Erinnerungen, Freiheit & Verlust und die Frage "Wann verliert man sein Kind?". Teilweise ist das Lesen schmerzhaft, aber trotzdem konnte ich das Buch nur schwer aus der Hand legen.

Alex Schulman schreibt so wunderschön, dass ich die Welt um mich herum vergessen habe und ganz in diese Familiengeschichte eingetaucht bin. Die Geschichten, die er erzählt, sind emotional & bewegend und mit sehr viel Empathie für die Charaktere geschrieben. Diese Geschichte macht nachdenklich und wirkt nach.

Große Leseempfehlung.

Bewertung vom 16.10.2023
Helle Tage, dunkle Schuld / Kriminalinspektor Carl Bruns Bd.1 (eBook, ePUB)
Völler, Eva

Helle Tage, dunkle Schuld / Kriminalinspektor Carl Bruns Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Hell & Dunkel
Dieser Krimi ist der erste Fall für den Kriminalbeamten Carl Bruns, der 1948 im Ruhrgebiet mit Mordermittlungen betraut wird - nachdem er während der Nazi-Zeit seinem Beruf nicht ausüben durfte. Es ist die Zeit, in der die Verantwortung bei Justiz & Polizei wieder in die Hände der Deutschen zurückgegeben wird. Und auch Anna, die Jugendliebe von Carl, spielt bei der Aufklärung eine Rolle.

Die Nachkriegszeit wird gut beschrieben (wie z.B. das Hamstern). Der Roman ist fiktiv, beruht aber auf wahren Begebenheiten. Es geht um Schuld und darum, wie Täter und Opfer sich nach Kriegsende und im Aufbau befindlichen Deutschland begegnen.

Die Autorin Eva Völler hat früher als Richterin & Rechtsanwältin gearbeitet. Der erste Fall für Carl ist gut recherchiert & spannend. Gut & flüssig geschrieben, vermittelt er Zeitgeschehen und ist sehr lesenswert.

Bewertung vom 10.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


sehr gut

Licht & Schatten

Für mich gab es drei Gründe, diesen Roman zu lesen: Es geht um die Filmbranche, er spielt in den 1940-iger Jahren und er ist von Daniel Kehlmann. Meine Erwartungen waren daher sehr hoch - und wurden nicht enttäuscht.

Inhaltlich und sprachlich hat dieser Roman mich überzeugt. Daniel Kehlmann ist es gelungen, die Filmbranche authentisch zu beschreiben und ein stimmiges Bild der Zeit zu vermitteln. Im Vordergrund steht der österreichische Regisseur G. W. Pabst (1885- 1967). Es geht um sein Leben, seine Familie, seine Filme und sein Streben nach Erfolg in den Zeiten des Nationalsozialismus. Die Mischung aus Realität und Fiktion hat mir gut gefallen.

Schön ist auch, dass viele bekannte Schauspieler:innen der damaligen Zeit Erwähnung finden (wie Greta Garbo, Peter Alexander und Ilse Werner).

"Lichtspiel" ist interessant zu lesen und dabei unterhaltsam. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.10.2023
Die Kinder des Don Arrigo
Sciapeconi, Ivan

Die Kinder des Don Arrigo


sehr gut

Man rennt nie allein

Im Sommer 1942 erreichen 40 jüdische Kinder & Jugendliche auf ihrer Flucht nach Israel ein kleines Dorf in Italien, nachdem sie ihre Familien zurücklassen mussten. Dieser Roman beruht auf einer wahren Geschichte, wobei Natan, der elfjährige Erzähler, eine fiktive Person ist.

Es ist eine düstere Zeit und diese Geschichte zeigt, dass es dennoch Menschen gab, die Mut & Menschlichkeit hatten - und diesen Kindern Hoffnung gaben, ihr Ziel Eretz Israel zu erreichen.

Die Verbindung von Fakten & Fiktion hat mir gut gefallen. Ich finde es wichtig, dass die Schrecken des 2. Weltkriegs nicht vergessen werden und auch die Menschen nicht, die sich für Andere eingesetzt haben & damit ihr eigenes Leben riskiert haben - wie der Pfarrer Don Arrigo.

Der Roman liest sich flüssig und die Sprache von Ivan Sciapeconi berührt. Ein bewegendes Buch, das hoffentlich viele Leser:innen finden wird.

Bewertung vom 27.09.2023
Die Wahrheiten meiner Mutter
Hjorth, Vigdis

Die Wahrheiten meiner Mutter


gut

Mutter-Tochter-Konflikt

Vor 30 Jahren hat Johanna Norwegen und ihre Eltern, ihre jüngere Schwester & ihren Ehemann ohne Erklärung verlassen. Jetzt kehrt sie zurück und möchte eine Annäherung an die Mutter - die diese nicht zulässt.

Vigdis Horth lässt den Leser 400 Seiten lang an den Gedanken & Erinnerungen von Johanna teilhaben. Da die Mutter jeden Kontakt ablehnt, spekuliert Johanna, was ihre Mutter denken & fühlen könnte. Sie ist wie besessen davon, den Kontakt zu erzwingen.
Aber durch das Erinnern an die Kindheit erkennt Johanna auch, dass das Leben ihrer Mutter nicht leicht war.

"Mutter, ich erdichte dich mit Worten, um ein Bild von dir zu haben."
(Seite 99)

Der Schreibstil von Vigdis Horth gefällt mir gut. Das Buch lässt sich leicht & flüssig lesen. Das Gefühls- & Gedankenchaos von Johanna in Bezug auf ihre Mutter konnte ich gut nachvollziehen. Manche Gedanken wiederholen sich, was das Ganze eindringlicher macht.

Gern hätte ich mehr über Johanna erfahren: Warum hat sie 30 Jahre mit der Kontaktaufnahme gewartet? Was genau erhofft sie sich jetzt von ihrer Mutter? Wie hinterfragt sie ihr eigenes Verhalten?

Ein Buch für alle, die eine Familiengeschichte mögen, die nur aus der Perspektive einer Person geschrieben ist.

Bewertung vom 23.09.2023
Nur eine Lüge - Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
Stehn, Malin

Nur eine Lüge - Zwei Familien, eine tödliche Verbindung


sehr gut

Spannung aus Schweden

Hochzeit, zwei Familien und ein Geheimnis aus der Vergangenheit.

Die Geschichte besteht aus zwei Erzählsträngen: zum einen geht es um die Hochzeit, zum anderen um die Geschehnisse acht Jahre davor. Erzählt wird in kurzen Kapiteln jeweils aus vier Perspektiven der Familie Brandt (der Braut Emily, ihrer Mutter Annika, ihrem Vater Mats und ihrem Bruder Erik). Das hat mir gut gefallen, weil man durch diese Perspektivwechsel mehr Einblicke in die Charaktere und deren unterschiedliche Sichtweisen bekommt. Über die Familie Nihlzen erfährt man nur etwas aus Sicht der Brandts.

Das Buch lässt sich leicht & flüssig lesen. Nach & nach erfährt man, was damals geschah und welche Auswirkungen es Jahre später hat. Durch die Wendungen blieb es für mich bis zum Ende spannend. Ein Buch, dass mich gut unterhalten hat - und das ich gern weiter empfehle.

Bewertung vom 07.09.2023
Simone
Reich, Anja

Simone


sehr gut

Bewegende Spurensuche

20 Jahre nach dem Tod ihrer Freundin Simone begibt sich die Journalistin & Autorin Anja Reich auf Spurensuche. Sie möchte Antworten auf die Fragen: Wer war Simone? Was ist damals passiert? Warum hat sie sich das Leben genommen?

Anja Reich reist in die Vergangenheit, befragt Familie & Freunde von Simone, liest ihre Tagebücher. Das Ergebnis dieser Spurensuche ist ein einfühlsam geschriebenes Buch, das mich sehr bewegt hat.
Es vermittelt viel über Simone & ihr Leben, ihre Familie und die Zeit von 1969 bis 1996 in der DDR & nach dem Mauerfall.
Es ist mit den Themen "psychische Erkrankungen" und "Suizid" keine leichte Kost, dennoch konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen; konnte die Haltlosigkeit & Zerrissenheit von Simone nachempfinden und auch die Fassungslosigkeit von Angehörigen & Freunden.

"Simone" ist ein lesenswertes Buch, dass mich noch beschäftigen wird - und dem ich viele Leser:innen wünsche.

Bewertung vom 05.09.2023
Vom Himmel die Sterne
Walls, Jeannette

Vom Himmel die Sterne


ausgezeichnet

Sallie, die Starke

Schon "Schloss aus Glas" und "Ein ungezähmtes Leben" von Jeannette Walls haben mich begeistert. Und auch in "Die Sterne vom Himmel" bin ich mit der ersten Seite eingetaucht in die raue Welt der Sallie Kincaid.

Sallie wächst in Virginia zur Zeit der Prohibition auf. Nach dem Tod ihres Vaters muss sie sich als Tochter des Dukes in einer Männerwelt behaupten & durchsetzen.

Jeannette Walls erzählt mit ihrem mitreissenden & bildhaften Schreibstil wieder eine Geschichte, die ich gebannt gelesen habe. Mit Sallie Kincaid hat sie eine unerschrockene, willensstarke & liebenswerte Figur erschaffen, die ich gern noch länger begleitet hätte. Aber auch alle anderen Charaktere sind gut gezeichnet. Der Roman zeigt ein realistisches Bild der damaligen Zeit und auch Themen wie Rassismus, Selbstjustiz & Rolle der Frau werden gut vermittelt.

Für mich ein rundum gelungenes Leseerlebnis.

Bewertung vom 02.09.2023
Zeiten der Langeweile
Becker, Jenifer

Zeiten der Langeweile


sehr gut

Recht auf Vergessenwerden

Titel & Klappentext fand ich interessant. Die Leseprobe war vielversprechend, dennoch war ich sehr gespannt, ob es der Autorin Jenifer Becker gelingt, mich mit dem Thema "Digital Detox" über 240 Seiten zu fesseln - aber sie schaffte es. Beim Lesen hatte ich definitiv keine Zeiten der Langeweile.

Dieses Buch erzählt von Mila, Mitte 30, die offline geht - und das sehr eindrücklich. Es beschreibt nüchtern & distanziert, wie Mila sich aus dem Internet löscht, wie sie sich mit dieser digitalen Abstinenz fühlt, was sie denkt und wie es sie & sie sich verändert, wie sie immer weiter in die Isolation gerät - bis das Sichten des Altpapiers zum Highlight des Tages wird. Das ist beklemmend und macht nachdenklich.

Der Umgang mit den sozialen Medien ist ein zeitgemäßes Thema, dem man sich nicht entziehen kann, weil fast jeder Mensch digital unterwegs ist. Dieses Buch regt dazu an, den Umgang mit den sozialen Medien zu hinterfragen:

Kommt man auch noch ohne Google-Maps ans Ziel?
Wie dated man ohne Dating-App?
Was hat man selbst schon vergessen, das Internet aber nicht?

Für mich ein absolut lesenswertes Buch.