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Lillith
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Berlin

Bewertungen

Insgesamt 57 Bewertungen
Bewertung vom 17.07.2022
Tiergarten Blues
Kerwien, Bettina

Tiergarten Blues


sehr gut

Berlin 1980. Noch niemand denkt an Wiedervereinigung, die Unterschiede zwischen West- und Ost-Berlin sind groß.

Das Dach der Kongresshalle stürzt ein. Dabei kommt (fiktiv) ein junger Koch ums Leben...war das geplant? Während die Ursachen des Unglücks noch sowohl bau- als auch kriminaltechnisch untersucht werden, findet man die Hand eines Mannes - wo ist die dazugehörige Person? Auf der Suche nach dem Eigentümer der Hand begegnet Kommissar Kappe, der wohl schon einige Zeit im literarischen Spektrum der Autorin ermittelt, einem amerikanischen Major. Dazu stößt eine originelle Kommissarin aus Bayern, die sich nach Berlin versetzen ließ. Diese drei eint nicht nur das Interesse an der Aufklärung des Falls, sondern auch die Liebe zur Blues-Musik.

Wir begleiten die Ermittler durch die beiden Teile Berlins und Bettina Kerwien gelingt es meisterhaft, die damalige Atmosphäre einzufangen. Selbst wenn man diese Zeit persönlich anders - oder an anderen Gegenden in Berlin - erlebt hat, so hat man sofort wieder dieses Gefühl... Insbesondere bei den Schilderungen Ost-Berlins waren meine manchmal beklemmenden Erinnerungen sehr präsent.

Zunächst muss man sich bei den Protagonisten und den Orten, an welchen sie sich aufhalten, ganz schön konzentrieren, doch später fügt sich alles perfekt zusammen und der Fall kann aufgeklärt werden. Dabei erfährt man zwischen den Zeilen sehr viel. Es war glaube ich uns (jungen) Berlinern nicht so sehr bewusst, wie stark die Besatzungsmächte "mitmischten" und dass selbst die Polizei ohne deren Einverständnis nicht immer ermitteln konnte wie sie wollte. Ich spreche hier von West-Berlin.

Der Erzählstil ist für meinen Geschmack leider relativ trocken, mehr dokumentarisch gehalten, aber durchaus mit einigem Humor versehen. Das Buch ist im Präsens geschrieben, was ich persönlich nicht so gern mag und was den Stil eines Tatsachenberichts noch unterstreicht.

Gut gefallen hat mir der Berliner Dialekt, welcher ja schriftlich nicht so einfach darzustellen ist Auch die Mischung aus Zeitgeschichte und Kriminalfall ist sehr ausgewogen und die Protagonisten sind anschaulich beschrieben, man sieht sie förmlich vor sich. Das Buch las sich flüssig, wenn ich es auch nicht sonderlich spannend fand - aber der Plot um die abgetrennte Hand und einige Twists darum herum waren recht originell.

Für alle, die sich für Berlin interessieren und eine Kriminalgeschichte mit historischem Hintergrund mögen - und für alle Blues-Liebhaber auch - gibt es von mir eine klare Leseempfehlung und gute 4* für diesen exzellent geschriebenen und recherchierten Berlin-Krimi mit dem Flair der 80er im amerikanischen Sektor.

Bewertung vom 26.06.2022
Der Klang des Bösen / Jula Ansorge Bd.4
Kliesch, Vincent

Der Klang des Bösen / Jula Ansorge Bd.4


ausgezeichnet

Atemloses Spiel mit dem Möglichen oder Unmöglichen - Hegel am (körperlichen) Tiefpunkt, aber in Hochform, was seine "Gabe" betrifft

Nachdem mir der 3. Auris-Band eigentlich ein wenig zu abgedreht war, habe ich dieses Buch mehr aus Sympathie zu Vincent Kliesch gekauft. Zum Glück sage ich jetzt, denn ich habe es nicht bereut und das Buch in einem Atemzug durchgelesen! Man muss übrigens die ersten drei Bände nicht zwingend gelesen haben, um die Handlung dieses Thrillers zu verstehen, aber es hilft schon, die Protagonisten und ihre Vorgeschichte besser zu kennen.

Hegel sollte eigentlich schon fast im OP sein, denn ihn hat ein lebensbedrohliches Leiden erwischt. Doch da erfährt er, warum ihn seine große Liebe Patrizia kurz zuvor versetzt hat - sie ist tot. Mord oder Selbstmord? Ihr Sohn behauptet, sein Vater hätte sie getötet. Dieser, ein unangenehmer Typ und Mitgiftjäger, weist darauf hin, dass sein Sohn Silvan psychisch angeknackst sei und gerade erst aus der Psychiatrie entlassen wurde... Hegel wird von der Polizei um Mithilfe gebeten. Er soll herausfinden, ob Silvan die Wahrheit sagt. Hat er den Mord beobachtet oder hat er nur zuviel Phantasie? Ist er gar selbst in den Fall verwickelt, wie es eine Zeugin sagt? Trügt der Schein? Sympathien und Antipathien sind von Anfang an klar definiert. Und doch dauert es, bis Jula und Hegel, der weit über seine körperlichen Grenzen geht, und dabei endlich auch einmal menschliche Schwächen und Gefühle zeigt, den verzwickten Fall lösen. Mit dabei natürlich auch wieder Julas jüngerer Halbbruder und Rapper Elyas, dem bei den Ermittlungen eine wichtige und gefährliche Rolle zukommt.

Das Buch spielt an einem einzigen Tag, was das Tempo sehr anzieht.
Man glaubt recht bald zu wissen, was geschieht. Aber es gibt etliche Wendungen...eine hat mich fast umgehauen!

Mir hat Band 4 wieder sehr gut gefallen. Sehr spannend, und die aberwitzigen phonetischen Experimente, die zur Lösung beitragen, sind wohl durchaus real möglich (ich glaube dem Autor, wenn er im Nachwort auf die beschriebenen phonetischen Aha-Erlebnisse eingeht!).

Allenfalls der Ehemann von Patrizia war mir etwas überzeichnet; sein Sprachniveau bewegte sich etwa auf dem des rappenden Teenagers.

Ansonsten - 5* und eine Lese-Empfehlung für spannende Stunden!

Bewertung vom 26.06.2022
Tod vor Helgoland
Ziegert, Susanne

Tod vor Helgoland


sehr gut

Spannender und flüssig zu lesender Krimi mit wunderbarem Helgoland-Flair

Eigentlich wollte Kommissarin Rike von Menkendorf eine Auszeit nehmen, sich auf Helgoland von ihren letzten Einsätzen erholen und im Vogelschutz engagieren. Doch während der Überfahrt sieht sie einen Menschen vom Deck des Schiffes fallen... Mord? Selbstmord? Oder ein Unfall?

Ehe sie sich's versieht befindet sich Rike inmitten von turbulenten Ermittlungsarbeiten. Es gibt weitere verschwundene Personen. Während der junge Kapitän im Grunde kooperativ ist, möchte sein Schwiegervater gern alles vertuschen - was sollen denn die Leute denken.

Die Spuren verlaufen immer wieder im Nichts... Hat das Mobbing an einer pummligen Schülerin etwas dem Mord zu tun? Oder die Tatsache, dass die von Bord gestürzte Person Immobilienmaklerin war? Auch ihr Exmann ist nicht unverdächtig...

Und dann gibt es noch Kokainlieferungen aus Kolumbien und eine pensionierte Jugendamtmitarbeiterin aus der ehemaligen DDR mit Stasi-Vergangenheit, die versucht, ihr Gewissen zu beruhigen, indem sie nach dem Verbleib eines Geschwisterpaars forscht. Dieses war zwar von ihr zunächst gerettet, dann aber in unbekannte Obhut gegeben worden.

All diese Geschehnisse spielen eine Rolle und Rike und ihre Entourage - die Künstlerin Margo, die undercover bei den Kids ermittelt sowie Harry, Beamter der Wasserschutzpolizei Helgolands, der ein Auge auf Rike geworfen hat - sind vollauf beschäftigt.

In verschiedenen Ebenen und Erzählsträngen erhalten wir als Leser Hintergrundinformationen der Protagonisten und ganz nebenbei erzählt die Autorin mit viel Liebe zum Detail von Helgoland, immer eingebettet in die kriminalistische Handlung. Dies macht sie so gut, dass man Lust bekommt, diese legendäre Insel einmal (wieder) selbst zu besuchen.

Frau Ziegert schreibt spannend und in einem sehr angenehm zu lesenden Stil. Man ist sofort mitten in der Handlung und es macht gar nichts, wenn man die Vorgängerbände nicht kennt. Allenfalls die mitunter sehr knappen Szenen- und Zeitwechsel innerhalb der Kapitel können irritieren. Mir war mit Stasi und Kokainhandel die Gesamthandlung auch ein wenig überfrachtet und für mich gab es einige Logikbrüche.
Insgesamt aber ein sehr lesenswerter Urlaubskrimi mit sympathischen Protagonisten und einer spannenden Story.
Gute 4* und eine Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 12.06.2022
Todeslied / Kira Lund Bd.2
Neumann, H. Dieter

Todeslied / Kira Lund Bd.2


gut

Netter Regionalkrimi mit sympathischen Protagonisten

Dies ist der zweite Band mit der Reprorterin Kira Lund, man kann ihn auch ohne Vorkenntnisse des ersten Bands problemlos lesen. Im ersten Teil wäre es jedoch von Vorteil gewesen, ein Glossar über Segelausdrücke parat zu haben, um die zahlreichen Fachausdrücke in einigen der ersten Kapitel zu verstehen. Aber man kann natürlich auch darüber hinweglesen, für die Handlung sind diese nicht von Belang.

Mord im deutsch-dänischen Grenzgebiet, sehr schön herausgearbeitet wurde die Zusammenarbeit der beiden Länder und die Besonderheit der deutschen/dänischen Minderheit im jeweiligen Land . Auch die Landschaftsbeschreibungen sind recht stimmungsvoll.
Mit Kira Lund hat der Autor eine sympathische Protagonistin geschaffen, die, weil sie ja Reporterin und nicht Polizistin ist, einfach mehr "darf" - guter Trick! Und die Zusammenarbeit mit einer Kommissarin gestaltet sich auch zu beider Vorteil. Sehr angenehm, dass es hier weder Stutenbissigkeit noch Neid oder Eifersucht zwischen Kira und ihrem Kollegen "Scholli" gibt.

Der Kriminalfall ist in Teilen voraussehbar und einige Figuren sind auch recht klischeehaft geraten. Nichts überrascht wirklich, aber es ist eine runde Geschichte, und die Ermittlungen werden gut nachvollziehbar geschildert. Am Ende wird es sogar noch richtig spannend.

Der Schreibstil ist einfach gehalten und lässt sich darum flüssig lesen.

Ein netter Regiokrimi aus einer außergewöhnlichen Region, eben weder Ostsee noch Nordsee.
Gute 3* und eine Leseempfehlung für Freunde der Gegend.

Bewertung vom 04.06.2022
Tiefes, dunkles Blau
Kobler, Seraina

Tiefes, dunkles Blau


sehr gut

Ein Buch für die Sinne - viel Flair, schöner Schreibstil, aber thematisch an manchen Stellen für mich etwas zu "woke".

Seepolizistin Rosa hat einen unerfüllten Kinderwunsch. Gerade erst hatte sie sich zum Einfrieren ihrer Eizellen zum renommierten Dr. Moritz Jansen begeben, da treibt dieser tot in einem Fischernetz im Zürichsee.
Die Ermittlungen ergeben, dass er nicht nur die Kinderwunschpraxis betrieb, sondern auch eine Koryphäe in neuartiger Gentechnik war. Außerdem hatte er vielfältige Kontakte zu Frauen, die alle verdächtig sind - seine Exfrau, seine Geliebte, ein CallGirl und seine berufliche Partnerin scheinen alle ein Motiv zu haben.

Wir begleiten Rosa bei ihren Ermittlungen und streifen dabei durch Zürich, begegnen ihren Freunden und Familienangehörigen und bekommen durch zahlreiche Schilderungen von durch Rosas Hand zubereiteter Mahlzeiten den Mund wässerig gemacht.

Der Schreibstil ist wunderbar, poetisch fast und lässt das Buch quasi im Munde zergehen. Der Fall an sich bleibt eher nebensächlich, auch weil die Täterin ziemlich bald erkennbar wird. Interessant ist die Frage, wieviel die Gentechnik darf und wie man künftig damit umgehen sollte... Freigabe für alle, also Segen für genetisch Erkrankte? Oder ist es ein zu großer Eingriff in die Natur- denkbar wären dann "Designerbabies" - und somit ein lukratives Geschäftsmodell?

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, auch wenn mir das Kinderwunschthema etwas zu stark im Fokus war. An vielen Stellen war mir das Buch zudem thematisch etwas zu "woke", was mich spätestens bei veganer Currywurst und Molekularküche zu nerven begann.

Das war ein wenig too much für mich, daher ein Punkt Abzug.
Dennoch - stimmungsvolles, gut geschriebenes Buch, nicht nur für Zürich-Fans. 4 * für den wunderbaren Schreibstil, ebenfalls dafür auch eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.05.2022
Blutgrund
Glanninger, Peter

Blutgrund


ausgezeichnet

Gier und Skrupellosigkeit - Gut erzählter und thematisch aktueller Wirtschaftskrimi

Ein rumänischer Wanderarbeiter wird auf dem Heimweg brutal zusammengeschlagen.
Ein ausländerfeindliches Motiv?
Wenig später wird ein junger Journalist erschossen. Ein Raubüberfall?
Zunächst scheinen die beiden Fälle nichts miteinander zu tun zu haben, doch führen die ersten Ermittlungen in beiden Fällen zu Klaus Winkler, der in einer linken Partei für soziale Gerechtigkeit eintritt, und mit beiden Opfern Kontakt hatte.
Inspektor Radek und sein Kollege beginnen zu ermitteln. Ihre Wege führen in die Ausländerquartiere, wo Radu mit anderen Rumänen unter menschenunwürdigen Umständen lebte und auch zu dem Bauunternehmer, der die Wanderarbeiter für einen Hungerlohn beschäftigt. Doch niemand fühlt sich schuldig.
Auch die Schwester des Ermordeten, ebenfalls Journalistin, beginnt
auf eigene Faust zu ermitteln, denn sie glaubt nicht an einen Raubüberfall.
Schwierig ist, dass niemand den anderen vertraut - weder die Polizei den Journalisten oder dem "Linken", noch diese umgekehrt den "Bullen". Und Radu, der verletzte Rumäne, traut eigentlich eh niemandem und verschwindet - zunächst spurlos - aus dem Krankenhaus.
Wie hängt das alles zusammen? Stück für Stück setzen die Ermittler aus den unterschiedlichen Lagern ihre Ergebnisse zusammen und erkennen, dass sie gemeinsam eher die Wahrheit ans Licht bringen werden.
Peter Glanninger erzählt diese Geschichte auf unaufgeregte Weise. Er schreibt in einem angenehmen Stil. Viele Perspektivwechsel und innere Monologe lassen den Leser an allem teilhaben. Die Protagonisten sind gut gezeichnet und haben ihren ganz persönlichen Background, die Guten wie die Bösen, der ihre Handlungsweise nachvollziehbar macht.
Recht bald ist klar wohin der Hase läuft, doch wie die Zusammenhänge im Einzelnen sind, und wo die Drahtzieher sitzen, wird erst in mühsamer Kleinarbeit herausgefunden. Dabei geraten auch die Ermittler in große Gefahr.
Die Spannung entsteht in diesem brillant erzählten Wirtschaftskrimi nicht unbedingt aus der Frage Wer? sondern befasst sich in erster Linie mit der Suche nach Beweisen für das Wie? und der Suche nach den Hintermännern, deren Spuren sich bis in die höchsten Kreise ziehen.
So ist die Aufklärung am Ende zwar keine Überraschung, jedoch hinterlässt sie beim Leser ein erleichtertes Aufatmen.
Die Hauptprotagonisten Radek und Sonja sind zudem so menschlich und sympathisch, dass ich gern noch mehr von ihnen lesen würde.
Man sollte nicht unbedingt einen actionreichen Thriller erwarten
sondern auch einmal bereit sein, längere Passagen zu lesen, die mehr der Erklärung von Zusammenhängen dienen. Wenn man sich aber auf einen spannenden und thematisch aktuellen Krimi einstellt, dann wird man an diesem Buch, welches das Lesen lohnt, seine Freude haben.

Daher 5* und eine Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 20.05.2022
Paris und die Mörder der Liebe
Breton, Frédéric

Paris und die Mörder der Liebe


sehr gut

Big Data - is killing you??
Ungewöhnlicher und spannender Krimi über Dating-Apps, Kapitalismus und den Tod der Romantik

Ein Ausflugsdampfer kollidiert auf der Seine mit einem Brückenpfeiler, an Bord feiert ein Social Media - Konzern den Erfolg seiner Dating App. Als der "Unfall" untersucht wird stellt sich heraus - alle Fahrgäste wurden mit Liquid Extasy betäubt, eine Lobbystin an Bord stirbt.
Zufall oder eigentliches Opfer? Kommissar Lafargue und seine Kollegin JinJin ermitteln in alle Richtungen.

"Frédéric Breton" ist ein interessanter Krimi gelungen, der gekonnt die Möglichkeiten des Internets aufzeigt, im Guten wie im Schlechtesten. Die Protagonisten dieses Buches werden beide unsanft damit in Berührung gebracht und die Verdächtigen scheinen aus einem gegen "Big Data" protestierenden Künstlermilieu zu stammen.
Obwohl die LeserInnen durch die bewusst eingesetzte Ich-Erzählweise einiger Kapitel früh einen Verdächtigen haben, dauert es lange, bis sich alle Verschachtelungen offenbaren, und die Lösung des Falls sowie deren Begleiterscheinungen haben es in sich.

Dazwischen streifen wir durch die "Stadt der Liebe" und begleiten desillusionierte Liebespartner, denn die Liebe ist anscheinend längst gestorben, gemeuchelt in einer Zeit, in der die Sucht nach Kicks und Klicks immer größer wird.

Der Schreibstil ist flüssig und enthält häufig eine Spur beißenden Humors. Die Überlegungen zum Thema allüberall gegenwärtige Onlinepräsenz und freiwillige oder unfreiwillige Datenüberlassung an Online-Konzerne sind lesenswert und geben Denkanstöße.

Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen und bei angenehm kurzen Kapiteln fliegt man nur so durch die Handlung.
Mit persönlich haben die surrealen Traumsequenzen, von denen es doch so einige gibt, ein wenig die schiere Lesefreude verdorben, obwohl sie als Metaphern gut eingebaut waren.

Daher nur 4 von 5 Sternen, aber eine klare Leseempfehlung für diesen ungewöhnlichen Krimi.

Bewertung vom 06.05.2022
Mexikoplatz
Albich, Mina

Mexikoplatz


ausgezeichnet

Spannendes Krimidebüt mit Wiener Charme und Schmäh

Mitten in der Nacht auf dem Mexikoplatz in Wien. Psychologin Nicky Witt war überraschend in den Armen und der Wohnung eines Mannes gelandet, den sie noch nicht lange kannte, und ist auf dem Heimweg. Da stolpert sie über eine Tote! Vor Aufregung findet sie ihr Handy nicht und sucht ein Münztelefon, um die Polizei zu benachrichtigen. Als diese eintrifft, ist die Leiche verschwunden.

Spinnt sie? Die Beamten sind sich nicht ganz sicher. Nicky schon. "Glücklicherweise" ist eine junge Frau aus St. Gilgen verschwunden, auf die die Beschreibung passt. Wenig später wird sie tot aufgefunden...
Warum musste sie sterben, sie war doch ein absolut braves Mädchen, ein Landei, ein völlig unscheinbares Wesen... !? Wirklich??

Inspektor Felix Grohsmann und Kollegin Johanna "Joe" ermitteln lange Zeit ergebnislos, es gibt einfach zu viele Verdächtige, auch etliche Motive und doch keinen roten Faden. Merkwürdige Dinge passieren. Auch Nicky macht sich so ihre Gedanken - wem kann sie noch trauen?

Mina Albich ist mit ihrem Krimidebüt ein spannendes Verwirrspiel mit viel Lokalkolorit gelungen. Man merkt in jedem Satz, dass man sich in Wien befindet, ohne, dass der Dialekt "totgeritten" wurde, es ist ein wirklich charmant geschriebenes Buch. Der Stil ist spannend und lebendig, man sieht die Protagonisten vor sich, ermittelt unentwegt fast "zwanghaft" im Geiste mit und kommt doch zu keiner Lösung...

Die Hauptcharaktere sind liebenswert, die Ecken und Kanten nicht zu schrullig, der Plot undurchsichtig - und am Ende präsentiert sich eine völlig schlüssige Auflösung, mit der man so nicht rechnen konnte!

Ein spannender Krimi mit Wohlfühlmomenten - ich freue mich jetzt schon riesig auf den angekündigten 2.Band und vergebe gerne 5* und eine Lese-Empfehlung!

Bewertung vom 20.04.2022
Bretonisch mit Herz
Kasperski, Gabriela

Bretonisch mit Herz


ausgezeichnet

Ein Sommernachtstraum auf bretonisch - Federleichter Sommerkrimi
und furioses Ende der "Villa Wunderblau"-Trilogie
Ein Buch für alle Sinne

Natürlich hab ich geahnt, dass mir dies Buch gefallen könnte, habe ich doch in der zweiten Bücherreihe der Autorin bereits deren Schreibstil kennen und lieben gelernt. Aber meine Erwartungen wurden übertroffen.
Erwartet hatte ich einen netten Cosy Crime, in der Bretagne spielend, mit einer sympathischen Protagonistin und viel Lokalkolorit. Dies alles habe ich bekommen, aber noch viel mehr.
In diesem Buch dreht sich alles um Shakespeare, ein Literaturfestival wird stattfinden in dem kleinen Ort Camaret-sur-Mer in der Bretagne. Hier führt die Schweizerin Tereza einen Buchladen und lebt in der von ihrer Patentante geerbten "Villa Wunderblau". Die Organisation des Festivals allein ist schon Arbeit genug, aber plötzlich droht jemand Tereza per Anwaltsschreiben, ihr Erbe anzufechten, ein ominöses geheimes Shakespeare-Stück taucht auf, ein Freund von Tereza wird fast vergiftet - und dann drehen sich die Ereignisse in einem Wirbel, dass einem als LeserIn ganz schwindlig wird...
Dabei schmecken wir den Café au lait, spüren die Hitze, haben eine Ahnung von der kompletten Windstille (buchstäblich die Ruhe vor dem Sturm), hören die bretonische Musik ...es kommen Mythen ins Spiel, verwegene Pferderitte werden so geschildert, als säße man selbst im Sattel und die Handlung treibt immer voran , dem Höhepunkt entgegen, dem Abend des Festivals und - Tusch!
Wie Gabriela Kasperski viele lose Enden verknüpft, keine Fragen offenlässt, un tout petit peu d'amour mit einbezieht und dabei die Spannung, die Suche nach dem ominösen Kapuzenmann, aufrecht erhält bis fast ganz zum Schluss, das ist schon hohe schriftstellerische Kunst in meinen Augen.
Sie schrieb das Buch in einem wunderbar flüssigen und bildhaften Schreibstil, es hat gut herausgearbeitete Protagonisten bis in die kleinsten Nebenrollen und das Ganze mit einer Leichtigkeit, hingetupft die Pointen, niemals flach der Humor, man lacht und weint mit Tereza, während sich vor ihren Augen Stück für Stück die Geschichte der "Villa Wunderblau" und ihrer Patentante Annie enthüllt.
Eine Geschichte wie ein Stück von Shakespeare... oder wie ein luftiges Meringue.
Ich habe die zwei Vorgängerbände verpasst, konnte aber problemlos in die Geschichte einsteigen. Den Genuss dieser Bücher werde ich mir jedoch nicht entgehen lassen und diese auch noch lesen.
Von mir gibt es 5* und eine Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.04.2022
Der Tote im Netz / Mai und Lorenz ermitteln auf Usedom Bd.1
Scheunemann, Frauke

Der Tote im Netz / Mai und Lorenz ermitteln auf Usedom Bd.1


ausgezeichnet

Cosy Crime mit Charme und Witz - und Spannung

Normalerweise finde ich Regionalkrimis oft etwas dröge, etwas seicht und mäßig spannend. Ganz schlimm wird es, wenn der Autor noch versucht witzig zu sein... "Der Tote im Netz" jedoch ist anders. Regional auf Usedom spielend und vom Ambiente her eher in die Gattung Cosy Crime einzuordnen bietet dieser Krimi viel Spannung und sehr viel Witz, ohne dabei ins Platte und Seichte abzudriften.

Die Protagonisten könnten unterschiedlicher nicht sein, Franzi(ska) Mai, quirlige und manchmal nervig-nassforsche Lokalreporterin mit rheinischen Wurzeln, trifft auf Kay Lorenz, ruhiger und etwas spröder norddeutscher Kommissar, der sich gegen seine Überzeugung - von Franzis Charme und klugen Schlussfolgerungen überrumpelt - darauf einlässt, sie an seinen Ermittlungen teilhaben zu lassen.

Achso, ja, ein Mord ist geschehen, man findet den Fischer Maik Peters tot im Schleppnetz seines Kahns, mit dem er Angelfahrten für Touristen unternommen hat, da mit der Fischerei nicht mehr viel Geld zu machen ist.

Franzi kämpft derweil auch um das Überleben ihres Senders "Bäderland-Radio", vor allem aber um ihre persönliche Stellung imselben, wenn dieser demnächst von einem größeren Sender geschluckt wird. Gemeinsam mit ihrem Praktikanten Janis wirft sie sich für eine spannende Story in die Ermittlungen und stöbert ein Wespennest nach dem anderen auf. Verdächtige Umweltschützer, übermotivierte Fischereiaufseher und raffgierige Immobilienhaie kommen zum Vorschein und Franzi gerät in durchaus brenzlige Situationen...

Die Ermittlungen und Recherchen werden sehr amüsant und in einer frischen, frechen Sprache beschrieben, die glücklicherweise bei aller Schnoddrigkeit nie die Grenze zu "Brachialhumor" überschreitet. Die Figuren sind gut herausgearbeitet, ein wenig Platt wird ab und zu ebenfalls gesprochen und man wird beim Lesen bestens unterhalten.

Beim fulminanten Show-Down wurde ich was den Täter betrifft dann
auch tatsächlich noch überrascht und es wurde sehr spannend...

Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen und vergebe 4,5, aufgerundet auf 5* und eine Leseempfehlung für entspannte Lesestunden, vielleicht in einem Strandkorb auf Usedom?? Gern werde ich Franzi und Kay in ihrem nächsten Fall wieder über die Schulter sehen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.