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Sikal
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2020
Unfree Speech
Wong, Joshua

Unfree Speech


ausgezeichnet

Der Kampf Davids gegen Goliath

„Nur wenn alle ihre Stimme erheben, retten wir die Demokratie.“

Joshua Wong erzählt hier seine Geschichte, wie er vom Kind aus einer Mittelschichtfamilie Hongkongs zum Aktivisten gegen die Machthaber Chinas wird. Welche Beweggründe ihn dorthin getrieben haben wo er mittlerweile steht.

Bereits mit 14 Jahren hat er die ersten Schülerproteste organisiert, über die sozialen Netzwerke zu diversen Aktionen aufgerufen. War bei der Regenschirm-Revolution aktiv und hat eine demokratische Partei gegründet. Joshua Wong wurde mehrfach verhaftet und hat sich trotzdem nicht unterkriegen lassen.

Er erzählt über sein Aufwachsen, seine Freunde, seine Familie, über seine Hobbys und seinen Glauben an Gott. Ebenso über seine Vorstellung von einem Leben in Freiheit. Dass die chinesischen Machthaber nicht daran denken, Hongkong seine Eigenständigkeit und Reformen zuzugestehen, hört man in den Medien. Doch Joshua erzählt darüber, was es bedeutet dort zu leben und will seinen Kindern und Enkeln mal in die Augen sehen können, wenn die Frage kommt „Was habt ihr dagegen getan?“.

Man lernt in dem Buch einen jungen Mann kennen, der sich im Denken immer weiterentwickelt, der kritisch hinterfragt und der keinesfalls vorgefertigte Meinungen übernimmt. Egal welche Konsequenzen daraus für ihn entstehen.

„Wir Menschen aus Hongkong haben uns so sehr an diese Einschüchterung durch den Orwell’schen Staat gewöhnt, dass sie uns nicht mehr schockiert.“

Damit sich die Unterdrückung der Demokratie nicht wie ein Virus auf die ganze Welt ausbreitet – dazu ruft Joshua Wong auf, dazu ermutigt er andere Aktivisten. Den Hongkongern zufolge sind Probleme dazu da, um diese selbst zu lösen. Doch was passiert, wenn Probleme so groß werden, dass diese nur mehr gemeinsam zu lösen sind?

Ein Buch, das zum Nachdenken über die derzeitige politische Landschaft einlädt. Ein lesenswertes Porträt eines mutigen jungen Mannes, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Bewertung vom 20.04.2020
Gehmütliche Obersteiermark
Pötz, Alois;Dormann, Johann

Gehmütliche Obersteiermark


ausgezeichnet

Geh-mütlich wandern und genießen

Als Obersteirerin kommt mir dieses Buch natürlich mehr als gelegen, musste ich auch gleich schmökern, welche Schmankerl präsentiert werden. Die beiden Autoren Alois Pötz und Johann Dormann stellen 40 Genusswanderungen vor, die sich quer durch die Obersteiermark ziehen. Von der Region rund um den Semmering über Murau, Admont bis nach Schladming und Altaussee finden sich viele Tipps und Hinweise, wie man entschleunigt und wie ein Urlaub in der näheren Umgebung durchaus reizvoll sein kann.

Im Buchdeckel findet man eine Karte mit Nummern, damit man die Routen gleich zuordnen kann. Die jeweiligen Touren sind detailliert angegeben, enthalten Schwierigkeitsstufe, Länge, Gehzeit, die Möglichkeit der Anreise (Öffis, …), wo man am besten einkehrt und wo sich weitere Infos finden lassen. Einige Hinweise zu den Sehenswürdigkeiten finden sich ebenso wie etwaige historische Hintergründe.

Wer noch nie den Altausseer See umwandert ist oder die Berge im Gesäuse bestaunt hat (man muss ja nicht gleich hoch hinaufklettern), weiß gar nicht wie schön unser Land ist. Wie oft habe ich schon über den Grimming gestaunt, der sich im oberen Ennstal in seiner vollen Pracht zeigt …

Ein wunderbarer Wanderführer, der - wie der Titel schon sagt - die „geh-mütlichen“ Touren vorstellt und dazu einlädt ein Stückchen Ruhe und Erholung zu genießen. 5 Sterne

Bewertung vom 19.04.2020
Meine Schwester, die Serienmörderin
Braithwaite, Oyinkan

Meine Schwester, die Serienmörderin


sehr gut

Durch dick und dünn …

… gehen die beiden Schwestern Korede und Ayoola, wobei es Korede wahrlich nicht leicht gemacht wird. Ayoola ist bildschön und äußerst beliebt bei den Männern. Leider hat sie sich eine Unart angewöhnt: Sobald sie ihrer überdrüssig wird oder sich bedroht fühlt (wie dann auch immer), ermordet sie ihre Bewunderer. Korede darf sich dann daran machen, den Tatort von sämtlichen Spuren zu befreien und die Leiche loszuwerden. Als Krankenschwester weiß sie, wie man Blut beseitigt.

Doch als Ayoola ihre Netze im Krankenhaus spannt, in dem Korede arbeitet und ihr der attraktive Arzt Tade ebenso verfällt, wird die Schwesternliebe auf eine harte Probe gestellt. Immerhin ist Korede in ihn verliebt und möchte nicht, dass auch er eines von Ayoolas Opfern wird. Zum Glück hat Korede einen Komapatienten, dem sie ihr Leid klagen kann und dem sie ihre ganze Geschichte anvertraut. Doch als dieser wider Erwarten aufwacht, spitzt sich die Lage zu.

Die Autorin Oyinkan Braithwaite hat hier einen sehr ungewöhnlichen Roman aus der Perspektive von Korede geschrieben. Hier hätte ich mir gewünscht auch aus Ayoolas Sicht mehr zu erfahren, denn so hat man eigentlich den Eindruck, dass Ayoola ständig nur Geschichten erzählt.

Während des Romans erfährt man über die schwierige Beziehung der beiden Schwestern zum Vater. Auch liest man über die Bevorzugung aller der jüngeren Ayoola – oder ist dieser Eindruck der Sicht Koredes geschuldet? Auf jeden Fall zeigen die beiden ein selbstbestimmtes Frauenbild in ihrer Heimat Nigeria.

Irgendwie wartet man während des Lesens darauf ob die Polizei den beiden nun doch noch auf die Schliche kommt. Das Ende ist dann etwas überraschend, zeigt aber noch einmal den Zusammenhalt der beiden.

Ein unterhaltsamer und ungewöhnlicher Roman, dem ich gerne 4 Sterne gebe.

Bewertung vom 18.04.2020
Grau wie Asche / Vanitas Bd.2
Poznanski, Ursula

Grau wie Asche / Vanitas Bd.2


sehr gut

Wieder sprechen Blumen

Carolin ist nach ihrem Ausflug nach München wieder zurück in Wien und in der Blumenhandlung am Zentralfriedhof gelandet. Doch die Angst ist ihr ständiger Begleiter, ihre Verfolger wissen nun, dass ihr Tod nur vorgetäuscht war und sie untergetaucht ist. Wie lange wird es dauern, bis sie entdeckt wird und welche Grausamkeiten haben sich Andrei und seine Truppe für sie ausgedacht?

Als am Zentralfriedhof Gräber geschändet werden und immer wieder ein neuer Verehrer bei ihrer Kollegin Eileen antanzt, ist Carolin in höchster Alarmbereitschaft. Gilt das ganze ihr? Wer steckt hinter diesen Vorfällen? Sie versucht ihren Kontaktmann bei der Polizei zu erreichen – leider vergeblich. Auch die Sprache der Blumen scheint den richtigen Kanal dieses Mal nicht zu finden. Dafür interessiert sich nun die örtliche Polizei in Wien für Caro und spioniert hinter ihr her, was ihr natürlich gar nicht gefällt. In die Enge getrieben wie sie sich nun mal fühlt, macht sie einen folgenschweren Fehler …

Die Autorin Ursula Poznanski hat mit dem zweiten Teil rund um die Blumenverkäuferin Carolin eine spannende Fortsetzung geschrieben. Mit der ungewöhnlichen Protagonistin, die harmlos scheint und eine fragwürdige Vergangenheit hat, begleiten wir die Spurensuche, folgen auf ihren Erkundungstouren, können ihre Paranoia verstehen und fühlen auch die Angst, die sie ständig umgibt. Ihr Wunsch zu verschwinden oder sich zu verstecken, ist gut nachvollziehbar. Im Visier der Russenmafia möchte ich auch nicht gerade sein.

Wie auch beim ersten Band erfahren wir wieder einiges über die Sprache der Blumen und welche Botschaften mit kunterbunt zusammengestellten Sträußen vermittelt werden können.

So nach und nach erfahren wir wieder einiges aus Carolins Vergangenheit, viele Fragen werden aufgeworfen, einige beantwortet. Auch ein Cliffhanger am Ende verspricht einen weiteren Band, in dem man dann hoffentlich auch erfährt, was mit Robert geschehen ist.

Auf jeden Fall sollte man erst Teil eins lesen, um die Zusammenhänge rund um die Blumenverkäuferin Carolin wirklich zu verstehen. Nur so kann man nachvollziehen, warum sie eben handelt wie sie handelt. 4 Sterne für diesen Band

Bewertung vom 18.04.2020
Das Andere
Altmann, Peter Simon

Das Andere


weniger gut

Sprachlich top

Der erfolgreiche Unternehmer Jakob Waltz beschließt nach einem Herzinfarkt sein Leben zu ändern und sich auf Spurensuche zu begeben – über den Arzt und Schriftsteller Victor Segalen. Er versucht der Idee des Anderen zu folgen, die von Segalen stammt, doch irgendwie scheint es, dass Jakob nur wirr seinen Gedanken folgt.

Er versucht den Sinn den Lebens zu finden, doch wo? Dies scheint nicht nachvollziehbar. Während er – so kommt es mir vor – ständig herumreist und nicht wirklich zur Ruhe kommen scheint, wird dies nicht gelingen. „Das Andere ist ein Geschenk“ schreibt Waltz in sein neues Notizbuch, doch auch nach zwei Jahren exzessiver Suche, scheint kein Ende in Sicht zu sein. Vielleicht will das Andere nicht von ihm erreicht werden …

Der Autor Peter Simon Altmann schreibt mit einer unglaublich schönen Sprache. Um diesen Schachtelsätzen jedoch vollumfänglich folgen zu können, muss man schon bei der Sache bleiben und kann das Buch nicht nebenbei lesen. Doch der Schreibstil mit seinen stilvollen, feinschattierten Sätzen hat mir hier am besten gefallen. Mit dem Protagonisten konnte ich nicht warm werden und sein Zugang zu Frauen war mir zuwider.

Leider war das Buch nicht nach meinem Geschmack, daher auch nur 2 Sterne.

Bewertung vom 18.04.2020
Spanischer Feuerlauf / Barcelona-Krimi Bd.3
Ferrera, Catalina

Spanischer Feuerlauf / Barcelona-Krimi Bd.3


ausgezeichnet

Getrübte Feierlaune

Die beiden Ermittler der Mossos d’Esquadras sind eigentlich privat beim traditionellen Feuerlauf „Correfoc“ und wollen den Abend mit Freunden und Familie genießen. Doch Kommissar Karl Lindberg und sein Kollege und zugleich Schwager Alex Diaz sind nicht allzu lange in Feierlaune. Als die fröhliche Stimmung auf den Straßen kippt, sind die beiden in Alarmbereitschaft und stürmen durch die Menschenmenge, um zu ergründen was hier los ist. Sie finden eine tote Frau, die – so scheint es – vom Himmel gefallen ist… Was ist hier passiert? Selbstmord? Mord? Oder doch ein Unfall? Zum Ermitteln müssen Karl und Alex in die Berge, mitten in einem Bergdorf in den Pyrenäen vermuten sie die Lösung des Falles. Sehr zum Leidwesen von Karls Frau Alba, die hochschwanger ziemlich ungehalten auf die Pläne der beiden reagiert. Wird Karl es schaffen, rechtzeitig zur Geburt seiner Tochter den Fall gelöst zu haben?

Mittlerweile hat Catalina Ferrera den dritten Teil der Krimireihe rund um die beiden Ermittler Karl Lindberg und Alex Diaz veröffentlicht und ich finde, dieser Teil ist definitiv der beste und spannendste. Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen, so gefesselt war ich von der Story.

Was mir besonders an diesen Krimis gefällt, ist die Atmosphäre Barcelonas, die immer wieder hervorkommt. Die engen Gassen, die versteckten Geheimtipps und das ein oder andere Gläschen guten Weines begleiten uns trotz der Toten. Dass Karl der besonnenere und vernünftigere ist, weiß man schon aus den Vorgängerbänden. Alex macht dafür mit seinem Charme so einiges wett. Doch dass dieses Mal auch ihre Vorgesetzte sich zu einem Lob durchringt, ist schon sehr verwunderlich.

Durch Alex unüberlegter Vorgehensweise manövrieren sie sich in ein gefährliches Schlamassel hinein, dem sie nur mit sehr viel Glück wieder entkommen.

Der Schreibstil ist unterhaltsam, flüssig, das Buch liest sich flott. Der Spannungsbogen steigt kontinuierlich und gegen Ende legt die Geschichte noch einmal ordentlich an Tempo zu.

Ich bin wirklich schon gespannt wie es im nächsten Band weitergeht mit den beiden Ermittlern, denen ich jedes Mal aufs Neue gerne über die Schulter schaue während sie ihre Puzzleteilchen zusammentragen. 5 Sterne sind hier selbstverständlich

Bewertung vom 16.04.2020
Allein unter Briten
Tenenbom, Tuvia

Allein unter Briten


gut

Wer versteht schon die Briten…

Tuvia Tenenbom schätzt gutes Theater und mit diesem Hintergrund reist er nach Großbritannien und Irland. Doch wenn er erwartet, das große Brexit-Schauspiel zu sehen, wird er enttäuscht, denn die Briten haben zu allem eine Meinung – nur eben nicht zum Brexit. So wurde seine Reise ganz anders als ursprünglich geplant.

Bei seinen Interviews quer durch das Land trifft er auf viele Menschen, die sich gerne mit ihm unterhalten: über Juden, über Palästina, über Antisemetismus, Musik, Drogen, Landschaft, Wirtschaft, Shakespeare uvm. Immer wieder Palästina – das Thema zieht sich wie ein roter Faden.

Tenenbom ist immer freundlich zu seinen Gesprächspartnern, nie fühlt er sich persönlich angegriffen oder beleidigt (auch wenn das oft angebracht wäre) und wahrt eine Distanz. Er trifft auf die unterschiedlichsten Charaktere – Politiker, Lords und Ladies, Philosophen, Geistliche, den kleinen Mann von nebenan und viele andere.

Der Autor gibt uns hier einen Einblick wie die Briten so ticken, aber ich bin etwas gespalten was ich von dem Buch halten soll. Oft finde ich seine Bemerkungen abwertend und unangebracht. Manches Mal musste ich dafür hellauf lachen. Also vermutlich komme ich einfach nicht mit allen Pointen klar.

Wenn man über gewisse Aussagen hinwegsehen kann, durchaus ein humorvolles Buch, in dem die Briten sich selbst aufs Korn nehmen. 3 Sterne

Bewertung vom 16.04.2020
Hamburg / 500 Hidden Secrets Bd.1
Brenneisen, Malte

Hamburg / 500 Hidden Secrets Bd.1


ausgezeichnet

Hamburg entdecken

Wer schon mal in Hamburg war (oder zu den Glücklichen zählt, die dort leben dürfen), weiß, dass Hamburg viel mehr zu bieten hat wie St. Pauli oder den Hafen. Man wünscht sich für eine Städtereise viele Eindrücke, authentische Restaurants oder auch die ein oder andere Besonderheit, die man nur an genau diesem Ort entdecken kann.

Im Bruckmann-Verlag ist nun ein Reiseführer mit besonders vielen Geheimtipps erschienen – „500 Hidden Secrets Hamburg“. Hier findet man beinahe alles, was ein Tourist im hohen Norden Deutschlands so erleben möchte.

Dieser Reiseführer zeigt 500 Tipps in 100 Kategorien geclustert auf und man findet darin unzählige praxistaugliche Informationen. Das Buch soll nicht nur einen Überblick über Hamburg geben, sondern inspirieren, sich auf das ein oder andere Abenteuer einzulassen. Die jeweiligen Stadtbezirke werden angeführt, sowie auch Übersichtskarten (keine Details, darauf wird extra hingewiesen).

Der Autor Malte Brenneisen hat einen vielfältigen Überblick geschaffen und macht Lust, durch die Stadt zu streifen. Und man findet wirklich für jeden etwas. Beispiele gefällig: 5 gute Lokale für Fisch und Meeresfrüchte, 5 kreative Refugien, die 5 schönsten Aussichtspunkte, Flohmärkte, Plattenläden, Bars, und und und …

Natürlich dürfen auch einige Fotos nicht fehlen, die diesen Reiseführer noch ergänzen. Gerne vergebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 16.04.2020
Der Klavierstimmer Ihrer Majestät
Mason, Daniel

Der Klavierstimmer Ihrer Majestät


gut

Zum Teil langatmig

London 1887: Der Klavierstimmer Edgar Drake führt mit seiner Frau Katherine ein überschaubares Leben. Als er plötzlich vom britischen Kriegsministerium den Auftrag erhält, einen Erard-Flügel im tiefen Dschungel von Birma zu reparieren und zu stimmen, ist er anfangs überrascht. Doch er begibt sich nach einer Vorbereitungszeit auf die lange und beschwerliche Reise nach Asien. Dort soll ihn der Arzt Anthony Carrol erwarten, der den Flügel eigens nach Birma bringen ließ, um einen friedlichen Dialog zu führen und nicht Waffen agieren zu lassen.

Als Drake endlich im Dschungel ankommt, staunt er nicht schlecht ob der faszinierenden Landschaft der Shan-Hochebenen, den schönen Frauen und dem dortigen Leben. Drake ist beeindruckt von Carrol und lässt sich für dessen Zwecke einspannen. Auch als der Flügel längst wieder einsatzbereit ist, kann sich Drake nicht lösen von dieser einzigartigen Welt. Das Fort wird angegriffen, Drake muss fliehen und erfährt erschreckende Details über Anthony Carrol, die er so nicht wahrhaben will.

Der Autor Daniel Mason beschreibt die Reise von Edgar Drake derart detailliert, dass ungefähr die Hälfte des Buches damit beschäftigt ist. Das war für meine Begriffe zu langatmig und erforderte einiges an Durchhaltevermögen. Man wartet wann er denn endlich am Ziel seiner Reise ankommt.

Was mir aber sehr gut gefallen hat, waren die Einblicke in die Kolonialherrschaft, die militärische und gesellschaftliche Entwicklung, die Traditionen – hier finden sich gut recherchierte Fakten eingebettet in diese Geschichte rund um Drake und Carrol.

Der zweite Teil, der sich mit Drakes eigentlicher Arbeit in Birma, dem Idealismus Carrols, den zarten Banden mit der Dschungel-Schönen und den Verbindungen zu den Einheimischen beschäftigt, hat mir besser gefallen. Zwischendurch liest man immer wieder von Drakes Faszination, von seinen Träumen, in denen er versinkt, dann wieder stellt er sich dem realen Leben und schreibt an Katherine. Gegen Ende entsteht auch noch etwas Spannung.

Ein ungewöhnlicher Roman über eine ungewöhnliche Reise, die mich nicht zur Gänze gefangen nehmen konnte. 3 Sterne

Bewertung vom 10.04.2020
Zwei Handvoll Leben
Fuchs, Katharina

Zwei Handvoll Leben


sehr gut

Interessanter Rückblick

Deutschland 1914: Während die 15-jährige Anna im Spreewald ihre Schneiderlehre beginnt und in ihrer spärlichen Freizeit mit ihrem besten Freund umherzieht, wächst die Gutsherrentochter Charlotte unter den cholerischen Ausbrüchen ihres Vaters in Sachsen auf. Charlotte wird von ihrer Tante, dem jüdischen Ehemann Salomon und ihrer Cousine Edith nach Leipzig eingeladen, wo sie in die Gesellschaft eingeführt wird und den ersten Ball ihres Lebens genießt. Währenddessen zieht es Anna nach Berlin, wo sie ebenfalls bei ihrer Tante Unterschlupf findet, dort aber in bitterer Armut lebt und erst ein Licht am Ende des Tunnels sieht als im KaDeWe Verkäuferinnen gesucht werden.

Beide jungen Frauen erleben die Liebe ihres Lebens, empfinden Glück, Trauer, sind verzweifelt, hoffen und bangen. Sie erleben zwei Weltkriege aus anderen Blickwinkeln und begegnen einander 1953 in Berlin – als Annas Tochter Gisela den Sohn von Charlotte heiratet. Und erst da beginnen die beiden ihr Leben der jeweils anderen zu erzählen und finden allerhand Parallelen.

Die Autorin Katharina Fuchs hat hier die Geschichte ihrer beiden Großmütter niedergeschrieben – die wohl so (oder so ähnlich) abgelaufen sein mag. Leider erkennt man nicht was hier Fiktion und was Realität ist. Die Kapitel wechseln immer zwischen Charlotte und Anna, so erkennt man ungefähr den Zeitrahmen der die jeweiligen Geschehen gerade umfasst.

Die Autorin schreibt flüssig und das Buch liest sich angenehm und ist genau richtig für ein Wochenende auf der Couch. Zwischendurch hätte dem Buch etwas Straffung gutgetan, dafür war mir das Ende dann zu abrupt.

Die beiden Protagonistinnen sind trotz ihrer Unterschiedlichkeit sehr sympathisch. Interessant finde ich, dass beide sehr ungewöhnliche Wege für sich in Anspruch nahmen, was für diese Zeit eher ungewöhnlich für Frauen war. Als Heimchen am Herd waren wohl beide nicht geeignet, sondern sie trafen Entscheidungen, kämpften und hatten Weitblick. Dass beide Entscheidungen treffen, die sie später bitter bereuen, macht sie nur sympathischer.

Die weitere Familiengeschichte von Katharina Fuchs erfahren wir in „Neuleben“. Man darf gespannt sein.

Für die „Zwei Handvoll Leben“ vergebe ich 4 Sterne.